Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des Dr. R M in W, vertreten durch Mag. Michael Stuxer, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Piaristengasse 41/10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. Oktober 2022, LVwG S 2256/001 2021, betreffend eine Übertretung der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren des Revisionswerbers wird abgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln (der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 25. August 2021 wurde dem nunmehrigen Revisionswerber angelastet, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der als Bauwerberin einschreitenden L. GmbH zu verantworten zu haben, dass zumindest am 14. April 2021 gemäß § 14 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) („Neu und Zubauten von Gebäuden“) bewilligungspflichtige Bauvorhaben (Verlegung eines Doppelparkers bzw. des Stiegenhauses 2) ohne rechtskräftige Baubewilligung errichtet worden seien.
2 Während der Bauphase seien mit Ansuchen vom 30. September 2020 Änderungen am genehmigten Wohnbau mit sechs Wohneinheiten und sechs Garagenstellplätzen beantragt worden. Für dieses Ansuchen liege bis dato keine rechtskräftige Baubewilligung vor.
3 Beim Ortsaugenschein durch Vertreter des Bauamtes K. am 14. April 2021 um 12.30 Uhr sei festgestellt worden, dass auf dem betreffenden Grundstück Bauarbeiten im Gange seien, die zwar größtenteils der rechtskräftigen Baubewilligung entsprächen, jedoch insbesondere der Doppelparker vom „Haus 1 ins Haus 2“ verlegt und ausgeführt worden sei, ebenso sei das Stiegenhaus in Haus 2 nicht an der bewilligten Stelle, sondern um ca. 2 m verschoben errichtet worden, obwohl dafür keine Baubewilligung vorliege. Es sei eine Baueinstellung verfügt worden.
4 Über den Revisionswerber wurde wegen Verletzung des § 14 Z 1 iVm § 37 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 gemäß § 37 Abs. 2 Z 1 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 36 Stunden verhängt. Weiters wurde ein Kostenbeitrag in der Höhe von 10 % der Strafe, somit € 100, , vorgeschrieben.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 4. Oktober 2022 wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und der Revisionswerber zur Leistung eines Kostenbeitrags für das Beschwerdeverfahren in der Höhe von € 200, verpflichtet. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.
6 In der Sache stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass für das ursprünglich beantragte Bauprojekt eine rechtskräftige baubehördliche Bewilligung vom 20. Februar 2019 vorliege. Am 14. April 2021 sei von Vertretern des Bauamtes K. dienstlich wahrgenommen worden, dass der Doppelparker vom Haus 1 zum Haus 2 verlegt ausgeführt worden sei und dass das Stiegenhaus des Hauses 2 zwei m von der in der Baubewilligung vorgesehenen Stelle entfernt errichtet worden sei. Für diese veränderte Ausführung liege eine baubehördliche Bewilligung nicht vor. Der Revisionswerber sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der L. GmbH mit Sitz in W, die Bauwerberin des gegenständlichen Bauprojektes und alleinige Eigentümerin der davon betroffenen Liegenschaft sei.
7 In rechtlicher Hinsicht ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich sowohl bei der Errichtung eines Doppelparkers als auch bei der Errichtung eines Stiegenhauses um Objekte handle, deren fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordere und die mit dem Boden kraftschlüssig verbunden seien. Es handle sich sohin um Bauwerke im Sinn des § 4 Z 7 NÖ BO 2014. Diese bildeten einen Teil des bewilligten Gesamtprojektes. Sei eine bauliche Anlage errichtet worden, die in ihren Ausmaßen und ihrer Lage von der erteilten Baubewilligung eindeutig, und zwar nicht nur im Rahmen etwa von Messungenauigkeiten, abweiche, sei von einem rechtlichen aliud auszugehen. Die Baubewilligung sei nämlich für ein durch seine Größe und Lage bestimmtes Vorhaben erteilt, sodass ein Abweichen hiervon eine neuerliche Baubewilligung erfordere (Hinweis auf VwGH 25.9.2012, 2011/05/0023). Die Nichteinhaltung von Abstandsvorschriften stelle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls eine wesentliche Änderung dar (Hinweis auf VwGH 10.12.2013, 2012/05/0147) und müsse grundsätzlich für jedes Verrücken eines bewilligungspflichtigen Bauwerkes eine Baubewilligung erwirkt werden (Hinweis auf VwGH 29.4.2015, 2013/05/0025). Da fallbezogen sowohl bei der Verschiebung eines Doppelparkers zu einem anderen als dem im Plan dafür vorgesehenen Haus als auch bei der Verschiebung eines Stiegenhauses um zwei m nicht von Geringfügigkeit der Abweichung die Rede sein könne, sei ein diesbezüglich bestehender Konsens zu verneinen. Demzufolge sei von einem rechtlichen aliud auszugehen; es liege für die veränderten Ausführungen keine Baubewilligung vor.
8 Gemäß § 37 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 begehe eine Verwaltungsübertretung, wer ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§ 14) ohne rechtswirksame Baubewilligung ausführe oder ausführen lasse oder ein so errichtetes oder abgeändertes Bauwerk benütze oder benützen lasse. Das Gericht sehe es auf Grund der Aktenlage als erwiesen an, dass der Revisionswerber als Geschäftsführer der L. GmbH den objektiven Tatbestand des § 37 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 (Errichtung einer baulichen Anlage ohne Baubewilligung) zur vorgeworfenen Tatzeit verwirklicht habe. Die weitere rechtliche Begründung bezieht sich auf die in der Revision nicht angesprochene subjektive Tatseite, die Strafzumessung und die Kostenvorschreibung.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, in der Sache das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2022 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 25. August 2021 ersatzlos aufzuheben, in eventu die Sache zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts und neuerlichen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzustellen sowie dem Bund den Ersatz der Kosten des Revisionsverfahrens binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution aufzuerlegen.
10 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), LGBl. Nr. 1/2015 idF LGBl. Nr. 53/2018, lauten:
„C) Bauvorhaben
§ 14
Bewilligungspflichtige Vorhaben
Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung :
1. Neu und Zubauten von Gebäuden;
2. die Errichtung von baulichen Anlagen;
3. die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz, die Belichtung oder Belüftung von Aufenthaltsräumen, die Trinkwasserversorgung oder Abwasserbeseitigung beeinträchtigt oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten oder ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen könnte;
[...]
G) Strafbestimmungen
§ 37
Verwaltungsübertretungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht wer
1. ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§ 14) ohne rechtswirksame Baubewilligung ausführt oder ausführen lässt oder ein so errichtetes oder abgeändertes Bauwerk benützt oder benützen lässt,
[...]
(2) Übertretungen nach
1. Abs. 1 Z 1, 6, 7 und 12 sind mit einer Geldstrafe von € 1.000,– bis zu € 10.000,–, zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen,
[...]
zu bestrafen.“
12 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird unter anderem vorgebracht, es sei nach dem vorliegenden Sachverhalt zu keiner Verschiebung der beiden bewilligten Baukörper auf der Liegenschaft gekommen, sodass im baurechtlichen Sinn kein aliud, das nach § 14 Z 1 NÖ BO 2014 bewilligungspflichtig gewesen wäre, vorliegen könne. Insoweit sei das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung von näher bezeichneter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
13 Die Revision erweist sich im Hinblick darauf als zulässig.
14 Der vorliegenden Bestrafung des Revisionswerbers liegt die Rechtsanschauung zugrunde, die gegenüber dem Bewilligungsbescheid vom 20. Februar 2019 geänderte Ausführung im Hinblick auf die Lage des Doppelparkers (Haus 2 statt Haus 1) und die Verschiebung des Stiegenhauses in Haus 2 um zwei m führten dazu, dass ein rechtliches aliud vorliege, für das keine Baubewilligung erteilt worden sei.
15 Nach ständiger hg. Rechtsprechung wird eine Baubewilligung für ein durch seine Größe und Lage bestimmtes Vorhaben erteilt, sodass ein Abweichen hiervon eine neuerliche Bewilligung erfordert (vgl. etwa VwGH 29.1.2020, Ro 2019/05/0002; 24.2.2016, Ro 2015/05/0012; 25.9.2012, 2011/05/0023; 3.7.2007, 2005/05/0368). Ob ein aliud vorliegt, ist immer an Hand eines bestimmten Projektes im Vergleich zu etwas anderem zu prüfen (vgl. VwGH 4.5.2020, Ra 2019/05/0291). Bei der Qualifikation, ob ein anderes (neues) Bauvorhaben vorliegt, kommt es ausschließlich auf die Unterschiede bzw. Identität zwischen dem ursprünglich bewilligten und dem beantragten (hier: errichteten) Projekt an (vgl. VwGH 3.7.2007, 2006/05/0130).
16 Während in der Rechtsprechung auf das Vorhaben als solches abgestellt wird, welches durch seine Größe und Lage bestimmt wird, geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass ein aliud bereits dann vorliegt, wenn einzelne Vorhabensteile eine Lageveränderung erfahren. In diesem Sinn überprüfte das Verwaltungsgericht die von der Baubewilligung abweichenden Bauteile isoliert hinsichtlich ihrer ursprünglichen und der veränderten Lage.
17 Bezugspunkt für die Prüfung des Vorliegens eines aliuds ist jedoch die bereits erteilte Baubewilligung. Diese umfasste die Errichtung eines Wohnbaus mit 6 Wohneinheiten und 6 Garagenstellplätzen; die hier in Rede stehenden Abweichungen betreffen einen Doppelparker und ein Stiegenhaus, die so auch das Verwaltungsgericht einen Teil des bewilligten Gesamtprojektes bilden. Das Verwaltungsgericht hätte daher ausgehend von der oben dargestellten Judikatur zu prüfen gehabt, ob die lagemäßig veränderte Ausführung des Doppelparkers und eines Stiegenhauses innerhalb des bewilligten Vorhabens dieses in seiner Lage und Größe in einer Weise verändert, dass von einem seinem Wesen nach geänderten Bauvorhaben auszugehen wäre. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
18 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich auch deshalb als rechtswidrig, weil ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vorliegt. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet abwies, hat es das bei ihm in Beschwerde gezogene Straferkenntnis unverändert übernommen und dem Revisionswerber somit vorgeworfen, die Errichtung eines nach § 14 Z 1 NÖ BO 2014 bewilligungspflichtigen Vorhabens („Neu und Zubauten von Gebäuden“) ohne rechtskräftige Baubewilligung zu verantworten zu haben. In der Begründung des vorliegend angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts werden dagegen der Doppelparker und das Stiegenhaus als bauliche Anlagen qualifiziert, deren Errichtung nach § 14 Z 2 NÖ BO 2014 bewilligungspflichtig sei.
19 Ein solcher Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses führt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits dazu, dass das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist (vgl. VwGH 29.6.2021, Ra 2021/17/0088; 16.6.2021, Ra 2018/16/0184; 24.1.2019, Ra 2018/09/0141).
20 Die Frage, ob dem Revisionswerber zu Recht die gegenständliche Verwaltungsübertretung zur Last gelegt wurde, kann fallbezogen nur auf dem Boden der hierfür jedenfalls noch notwendigen Feststellungen zur Lage und zum Ausmaß der vorgenommenen Änderungen im Vergleich zur erteilten Baubewilligung beantwortet werden.
21 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht berechtigt ist, eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) vorzunehmen, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. VwGH 20.5.2019, Ra 2018/02/0043; 26.9.2018, Ra 2017/17/0474; 7.8.2018, Ra 2018/02/0139; 10.12.2008, 2004/17/0228, jeweils mwN). Unter der Voraussetzung, dass die Tathandlung nicht ausgetauscht wird, könnte eine allfällige Bestrafung daher auch auf das Fehlen einer nach einem anderen Bewilligungstatbestand erforderlichen, rechtswirksamen Baubewilligung gestützt werden.
22 Das angefochtene Erkenntnis war aus den dargestellten Gründen somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
23 Der Revisionsantrag, den Bund zum Aufwandersatz zu verpflichten, war abzuweisen, weil in der vorliegenden Verwaltungsstrafsache kostenersatzpflichtiger Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG das Land Niederösterreich wäre.
Wien, am 13. April 2023
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