Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der Bürgerinitiative X, vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hafengasse 16/4 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. September 2021, W102 2242334 1/9E, betreffend Genehmigung nach § 17 UVP G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Erkenntnis vom 8. September 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. Februar 2021, mit dem der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 iVm Anhang 1 Z 2 lit. d Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) die Genehmigung für eine Kapazitätserweiterung des Baurestmassenkompartiments der Deponie L. unter der Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (A) und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig (B).
2 Begründend führte das BVwG dazu, soweit vorliegend von Relevanz, aus, beim gegenständlichen Vorhaben handle es sich um ein Änderungsvorhaben. Geplant sei die Erweiterung der bestehenden Deponie, bestehend aus einem Baurestmassenkompartiment und einem Reststoffkompartiment. Das derzeit genehmigte Gesamtvolumen der Deponie betrage 11.379.000 m³, die beantragte Kapazitätserweiterung umfasse ein Verfüllvolumen von 3.660.000 m³. Das zukünftige Gesamtvolumen der Deponie betrage 15.139.000 m³; ca. 1% der auf der Deponie angelieferten Baurestmassen sei als Asbestabfälle eingestuft. Durch die Kapazitätserweiterung werde der Schwellenwert von 1.000.000 m³ gemäß § 3a Abs. 1 Z 1 iVm Anhang 1 Z 2 lit. d UVP G 2000 überschritten.
3 Gemäß Anhang 1 Z 2 lit. d UVP G 2000 seien Baurestmassen oder Inertabfalldeponien mit einem Gesamtvolumen von mindestens 1.000.000 m³ UVP-pflichtig. Die Einteilung der Deponietypen erfolge gemäß der Deponieverordnung 2008 (DVO 2008). Nach § 4 Z 3 lit. a DVO 2008 handle es sich bei einer Baurestmassendeponie um eine Deponie für nicht gefährliche Abfälle. Nach § 5 Abs. 3 Z 5 DVO 2008 sei in Baurestmassendeponien die Ablagerung von Asbestabfällen nach Maßgabe des § 10 DVO 2008 zulässig. Somit umfasse der Tatbestand des Anhanges 1 Z 2 lit. d UVP G 2000 auch Baurestmassendeponien, in denen Asbestabfälle deponiert werden dürften. Laut dem Gutachten des beigezogenen Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft stellten die Anforderungen des § 10 DVO 2008 den Stand der Technik für die Lagerung von Asbestabfällen dar. Die verfahrensgegenständliche Deponie entspreche dem Stand der Technik sowie den Voraussetzungen der DVO 2008; es sei daher ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchzuführen gewesen. Auf Gemeinschaftsebene sei die Zulässigkeit der Ablagerung von Asbestabfällen ausdrücklich geregelt (Verweis auf Pkt. 2.3.3. des Anhanges der Entscheidung des Rates vom 19. Dezember 2002, 2003/33/EG), weshalb sich die von der revisionswerbenden Partei angesprochene gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation als obsolet erweise.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 13. Juni 2022, E 3889/2021 7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof mit weiterem Beschluss vom 25. Juli 2022, E 3889/2021 9, zur Entscheidung abtrat.
5 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit (§ 28 Abs. 3 VwGG) vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob „für Asbestdeponien/Deponien mit Asbestkompartimenten“ der „Tatbestand Deponien für gefährliche Abfälle“ erfüllt sei und somit ein ordentliches UVP Verfahren durchzuführen sei. Die auf Grundlage von § 4 Abfallwirtschaftsgesetz ergangene Abfallverzeichnisverordnung 2020 weise Asbestabfälle als gefährlich aus. Gemäß Art. 6 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26.4.1999 über Abfalldeponien (Deponierichtlinie) und Punkt 2.3.3. der Entscheidung des Rates vom 19. Dezember 2002, zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien dürfe Asbest auch auf Baurestmassendeponien gelagert werden; auf nationaler Ebene sei Art. 6 Deponierichtlinie in § 5 Abs. 3 Z 5 iVm § 10 DVO 2008 umgesetzt. Die Frage, wo etwas gelagert werden dürfe, sei aber nicht gleichzusetzen mit der Frage, nach welchem rechtlichen Regime die Bewilligung zur Lagerung zu erteilen sei.
6 Im ausdrücklich angeführten Revisionspunkt (§ 28 Abs. 4 VwGG) der Revision führt die revisionswerbende Partei aus, sie sei in ihrem Recht auf Durchführung eines ordentlichen UVP Verfahrens, „in dem ihr eine weitreichendere Beteiligungsmöglichkeit zukommt“, verletzt.
7 Die Revision ist unzulässig.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. z.B. VwGH 24.5.2022, Ra 2022/05/0113, mwN).
12 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer bestimmten Rechtsnorm (oder einem vergleichbaren Sachverhalt) fehlt, für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründet (vgl. etwa VwGH 22.04.2022, Ra 2019/06/0049 bis 0051, oder auch 26.3.2021, Ra 2021/05/0043, jeweils mwN).
13 Fallbezogen setzte sich das BVwG im angefochtenen Erkenntnis wie dargestellt mit den einschlägigen, sowohl innerstaatlichen als auch gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften auseinander und kam sachverhaltsbezogen in seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass das gegenständliche UVP Genehmigungsverfahren als vereinfachtes Verfahren durchzuführen sei. Dieser rechtlichen Beurteilung, und zwar auch im Zusammenhang mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 DVO 2008, setzt die revisionswerbende Partei in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zum einen nichts entgegen und weist zum anderen sogar selbst auf die bezughabenden Rechtsnormen (Art. 6 Deponierichtlinie, Punkt 2.3.3. des Anhanges der Entscheidung des Rates vom 19. Dezember 2002, 2003/33/EG, § 5 Abs. 3 Z 5 und § 10 DVO 2008) hin. Dass Asbest nach dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung in der Abfallverzeichnisverordnung als gefährlicher Abfall einzustufen ist, steht dem vorliegenden rechtlichen Ergebnis schon deshalb nicht entgegen, weil nach der klaren Rechtslage Asbest auch nach § 5 Abs. 3 Z 5 und § 10 DVO 2008 sowie Punkt 2.3.3. des Anhanges der Entscheidung des Rates vom 19. Dezember 2002, 2003/33/EG, nicht als nicht gefährlicher Abfall anzusehen ist, sondern mit den genannten Vorschriften gerade Sonderregelungen für die Ablagerung von Asbest auf Deponien für nicht gefährliche Abfälle getroffen werden.
14 Dazu kommt noch Folgendes:
15 Bei der revisionswerbenden Partei handelt es sich um eine Bürgerinitiative gemäß § 19 Abs. 4 UVP G 2000. Als solche ist sie gemäß der genannten Gesetzesbestimmung berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen (vgl. dazu näher z.B. VwGH 17.12.2021, Ra 2021/06/0101 bis 0105, mwN).
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG Voraussetzung dafür, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, auch, dass ein Konnex der diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung mit einem tauglichen Revisionspunkt vorliegt (vgl. etwa VwGH 14.6.2022, Ra 2022/05/0036, mwN).
17 Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich bezeichnet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. für viele etwa nochmals VwGH 14.6.2022, Ra 2022/05/0036 mwN).
18 Fallbezogen bringt die revisionswerbende Partei als Revisionspunkt gemäß § 28 Z 4 VwGG ausschließlich vor, sie sei in ihrem Recht auf Durchführung eines ordentlichen UVP Verfahrens, in dem ihr eine weitreichendere Beteiligungsmöglichkeit zukomme, verletzt.
19 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird auf die Frage der Beteiligungsmöglichkeit der revisionswerbenden Partei im gegenständlichen Verfahren nicht zurückgekommen, weshalb sich zum einen schon deshalb im angesprochenen Zusammenhang eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für den Revisionsfall nicht stellt.
20 Zum anderen ist die im Revisionspunkt behauptete Rechtsverletzung aber auch nicht ersichtlich, da die revisionswerbende Partei unter Beachtung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. September 2018, Ro 2015/06/0008, ausdrücklich als Partei des Verfahrens behandelt (vgl. Bescheid der belangten Behörde vom 16. Februar 2021, S. 29, 100 bis 108 sowie angefochtenes Erkenntnis S. 8) und über ihre Einwendungen von der belangten Behörde und über ihre Beschwerde vom BVwG meritorisch abgesprochen wurde.
21 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 2022
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