Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie den Hofrat Dr. Mayr und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Thaler, über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10. November 2020, LVwG 2019/17/1991 6, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz; mitbeteiligte Partei: M S, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Aufwandersatz wird nicht zugesprochen.
1 Mit Bescheid vom 27. August 2019 wies die Bezirkshauptmannschaft Schwaz den Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG ab und begründete dies damit, dass die Ehe, auf die sich die Mitbeteiligte in ihrem Antrag gestützt hatte, nicht rechtsgültig geschlossen worden sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. November 2020 gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und erteilte dieser den beantragten Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit vom 1. Dezember 2020 bis 1. Dezember 2021. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Inneres, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung (samt Antrag auf Kostenersatz) erstattete.
4 Aufgrund eines eingeholten Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister wurde dem Verwaltungsgerichtshof im September 2023 bekannt, dass der Mitbeteiligten eine Karte über den ihr mit dem angefochtenen Erkenntnis erteilten Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ mit jener Gültigkeitsdauer (1. Dezember 2020 bis 1. Dezember 2021) erteilt worden ist, die in dem Erkenntnis festgelegt worden war. Dieser zwischenzeitig abgelaufene Aufenthaltstitel wurde in der Folge wiederholt durch weitere Titel ersetzt.
5 Im Hinblick darauf teilte der Verwaltungsgerichtshof dem Revisionswerber unter Einräumung einer Frist zur Äußerung mit Verfügung vom 18. September 2023 mit, dass davon ausgegangen werde, dass im gegenständlichen Revisionsverfahren Gegenstandslosigkeit eingetreten sei.
6 Eine Äußerung des Revisionswerbers erfolgte innerhalb der dafür eingeräumten Frist nicht.
7 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist bei einer Revision nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG unter einer Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eingetreten ist. Vielmehr liegt ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber infolge Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat und somit materiell klaglos gestellt wurde. Diese Judikatur gilt auch für Fälle einer Amtsrevision (vgl. etwa VwGH 24.8.2023, Ro 2019/22/0012, Pkt. 4., mwN).
8 Vorliegend hatte der Amtsrevisionswerber in seiner Revision geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe mit dem angefochtenen Erkenntnis unrichtigerweise den begehrten Aufenthaltstitel nicht selbst erteilt, sondern die Erteilung des Titels an die Behörde „delegiert“. Auch habe das Verwaltungsgericht unrichtigerweise den Beginn der Gültigkeit des Aufenthaltstitels abweichend von dem Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses festgelegt. Überdies wurde geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis sei mit einem Begründungsmangel im Hinblick auf das Vorhandensein einer ortsüblichen Unterkunft behaftet.
9 Im Hinblick darauf, dass der Mitbeteiligten eine Karte über einen Aufenthaltstitel mit genau jener Gültigkeitsdauer, wie sie vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis festgelegt worden ist, ausgehändigt wurde und dieser Aufenthaltstitel in der Folge in Verlängerungsverfahren in denen auch das Vorhandensein einer ortsüblichen Unterkunft nach § 11 Abs. 2 Z 2 NAG wiederholt zu prüfen gewesen ist erneuert wurde, ist nicht ersichtlich, dass einer meritorischen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall noch praktische Bedeutung zukäme. Dies wurde auch vom Revisionswerber nicht behauptet.
10 Das vorliegende Revisionsverfahren war daher wegen des nachträglichen Wegfalls des rechtlichen Interesses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und einzustellen.
11 Wird eine Revision ohne formelle Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, ist die Kostenentscheidung mangels formeller Klaglosstellung nicht gemäß § 55 VwGG, sondern gemäß § 58 Abs. 2 VwGG zu treffen (vgl. erneut VwGH 24.8.2023, Ro 2019/22/0012, nunmehr Pkt. 6., mwN).
12 Im Hinblick darauf, dass die Frage des hypothetischen Schicksals der Revision nicht ohne nähere Prüfung zu lösen wäre und die Entscheidung über den von der Mitbeteiligten gestellten Kostenantrag daher einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Verwaltungsgerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass kein Aufwandersatz zugesprochen wird (§ 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG).
Wien, am 9. November 2023
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