Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofräte Dr. Schwarz und Mag. M. Mayr als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revisionen der J A S P in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. Oktober 2021, 1. LVwG 2020/21/0857 1 und 2. LVwG 2020/21/0858 1, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis vom 10. Oktober 2019 hat die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Revisionswerberin der Übertretung näher bezeichneter Bestimmungen des Glücksspielgesetzes für schuldig erkannt und ihr u.a. Geld sowie Ersatzfreiheitsstrafen auferlegt. Mit Schriftsatz vom 20. Jänner 2020 erhob die Revisionswerberin Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis und stellte mit demselben Schreiben einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Bescheid vom 25. Februar 2020 versagte die belangte Behörde diesem Antrag die Bewilligung. Dagegen brachte die Revisionswerberin mit Schreiben vom 25. März 2020 ebenfalls eine Beschwerde ein.
2 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde gegen den Bescheid vom 25. Februar 2020 als unbegründet ab und die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 10. Oktober 2019 als unzulässig zurück. Zudem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision gegen seine Entscheidungen gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist u.a. gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
8 Das Landesverwaltungsgericht Tirol stellte fest, dass nicht die Revisionswerberin, sondern ihr Lebensfährte den der Revisionswerberin zugeordneten Briefkasten täglich ausgehoben habe. Dieser habe eingeräumt, die Hinterlegungsanzeige womöglich zusammen mit ebenfalls im Postkasten befindlichem Werbematerial weggeworfen zu haben. Disloziert in der rechtlichen Beurteilung hat das Landesverwaltungsgericht Tirol ebenfalls festgestellt, dieser Umstand deute darauf hin, dass der Lebensgefährte den Postkasten nicht mit der notwendigen Sorgfalt entleert habe. Bei zumutbarer Sorgfalt habe er die Hinterlegungsanzeige ohne Schwierigkeiten erkennen können. Die Revisionswerberin habe nicht dargetan, inwieweit sie den Lebensgefährten angewiesen habe, die zumutbare Sorgfalt anzuwenden.
9 Die Tatsache, dass sich im Postkasten immer wieder auch Hinterlegungsanzeigen und andere behördliche Schriftstücke fänden, sei kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis. Die Revisionswerberin habe sich eines ungeeigneten Gehilfen bedient. Die Tatsache, dass sich die Revisionswerberin auf ihren Lebensgefährten verlassen habe, könne nicht mehr als minderer Grad des Versehens angesehen werden. Warum die Revisionswerberin als Geschäftsfrau davon Abstand genommen habe, im Oktober 2019 den Briefkasten selbst zu entleeren, sei für das Gericht nicht nachvollziehbar. Das Landesverwaltungsgericht Tirol gehe von einer rechtskonformen Zustellung des behördlichen Straferkenntnisses aus.
10 Zur Zulässigkeit der Revision bringt die Revisionswerberin vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu den zu prüfenden Voraussetzungen der Begründetheit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 erster Fall AVG und gemäß § 33 Abs. 1 VwGG sowie der hierzu vom Verwaltungsgerichtshof ergangenen näher angeführten Rechtsprechung. Im gegenständlichen Fall habe die Revisionswerberin bereits im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, dass der Postkasten regelmäßig von ihrem im selben Haushalt lebenden Lebensgefährten geleert werde, dass dieser für die Revisionswerberin bestimmte Hinterlegungsanzeigen ihr bei nächster Gelegenheit übergebe, dass er die Postsendungen stets sorgsam und besonders genau durchgehe und dass er noch nie eine Hinterlegungsanzeige übersehen habe. Der Lebensgefährte habe trotz sehr sorgsamer Durchsicht der Postsendungen die Hinterlegungsanzeige nicht wahrgenommen und diese zusammen mit einliegendem Werbematerial weggeworfen. Das angefochtene Erkenntnis stehe auch im Widerspruch zu näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach basierend auf dem Parteivorbringen vom Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Feststellungen zu treffen seien, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne Verschulden zur Fristversäumnis geführt habe.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen (vgl. VwGH 15.6.2023, Ra 2023/14/0094, mwN). Die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Versäumung geführt hat, obliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 22.6.2022, Ra 2022/08/0074, mwN). Im Falle eines mit Werbematerial angefüllten Postkastens hat die Durchsicht des Inhaltes des Postkastens besonders genau zu erfolgen, um nichts zu übersehen (vgl. VwGH 17.2.2011, 2009/07/0082, mwN).
12 In der Revision wird eingeräumt, dass eine Hinterlegungsanzeige tatsächlich in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei. Im Beschwerdefall ist somit, um vom Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes ausgehen zu können, unter anderem die Annahme erforderlich, dass die Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt ist (vgl. VwGH 25.7.2007, 2007/11/0103, mwN).
13 Das Landesverwaltungsgericht hat mit näherer Begründung ausgeführt, warum es nicht vom Vorliegen eines minderen Grades des Versehens ausging und weshalb kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliege. Dass dem Landesverwaltungsgericht Tirol diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revisionswerberin in der Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision nicht auf.
14 Die Revisionswerberin wendet sich auch gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen das Straferkenntnis wegen Verspätung. Die Revisionswerberin behauptet dazu im Zulässigkeitsvorbringen der Revision jedoch nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr geht sie in den Ausführungen zu den Revisionsgründen selbst davon aus, dass die Frist zur Einhebung der Beschwerde versäumt worden ist.
15 In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 21. November 2023
Rückverweise