Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. M. Mayr als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des S O in W, vertreten durch Dr. Patrich Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das am 14. Juni 2021 mündlich verkündete und am 19. Juli 2021 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW 002/011/5020/2021 17, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 3. März 2021 wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, als Inhaber eines näher bezeichneten Lokals in Wien, in welchem er mit betriebsbereit aufgestellten Glücksspielgeräten die Teilnahme vom Inland aus an verbotenen Ausspielungen in Sinne des § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) unternehmerisch zugänglich gemacht habe, gegen die Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 zweiter Satz 1. und 4. Fall verstoßen zu haben, indem er es unterlassen habe, dass eine Person anwesend sei, die seiner Auskunftspflicht gegenüber den Organen der öffentlichen Aufsicht nachkommen hätte können. Dem Revisionswerber wurde eine Geld sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe auferlegt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.
2 Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und nahm für dieses Verfahren nicht von Belang Änderungen an den im Straferkenntnis zitierten Strafnormen vor. Zudem setzte es den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens mit 20 Prozent der verhängten Strafe fest. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach dann, wenn ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses im Sinn des § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt wurde, dem Verwaltungsgericht nicht die Möglichkeit einer Ausfertigung in gekürzter Form offenstehe.
6 Wird auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von den Parteien verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt, so kann das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG in gekürzter Form ausgefertigt werden.
7 Das angefochtene Erkenntnis ist ausdrücklich als gekürzte Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG bezeichnet. Es enthält zudem einen Hinweis darauf, dass binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Verhandlungsschrift eine Ausfertigung der Entscheidung nicht beantragt worden sei. Aktenkundig ist jedoch eine mit Eingangsstempel des Verwaltungsgerichts versehene Eingabe des rechtlichen Vertreters des Revisionswerbers vom 15. Juni 2021, wonach dieser unter Bezugnahme auf die Geschäftszahl des Verfahrens gemäß § 29 Abs. 2a Z 1 und Abs. 4 VwGVG einen Antrag auf eine schriftliche Ausfertigung des in der Beschwerdeverhandlung vom 14. Juni 2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses stelle. Demnach wurde vom Revisionswerber eine Ausfertigung des Erkenntnisses nach § 29 Abs. 4 VwGVG beantragt.
8 Gemäß § 25a Abs. 4a letzter Satz VwGG ist eine Revision, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes mündlich verkündet wurde (§ 29 Abs. 2 VwGVG), nur nach einem Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch mindestens einen der hierzu Berechtigten zulässig.
9 Wurde eine Ausfertigung des Erkenntnisses nach § 29 Abs. 4 VwGVG beantragt, ist eine gekürzte Ausfertigung, die nach § 29 Abs. 5 VwGVG keine Begründung enthalten muss, unzulässig (vgl. VwGH 22.10.2018, Ra 2018/16/0103). Im Hinblick darauf, dass aufgrund des rechtzeitig gestellten Antrags einer Partei das Revisionsrecht nicht untergegangen ist, ist die tatsächlich zugestellte Ausfertigung mit Revision bekämpfbar (vgl. VwGH 29.11.2022, Ra 2021/02/0258).
10 Im vorliegenden Fall enthält die gekürzte Ausfertigung zwar ebenso wie das mündlich verkündete Erkenntnis bzw. dessen niederschriftliche Beurkundung eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Entscheidungsgründe. Damit wird die gekürzte Ausfertigung aber für sich betrachtet den nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einzuhaltenden Begründungserfordernissen eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses nicht gerecht. Eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht möglich (vgl. VwGH 27.7.2021, Ra 2021/22/0095, mwN).
11 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Auch in Verwaltungsstrafsachen ist gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 24 VStG die Begründungspflicht im Sinn des § 58 AVG von Bedeutung (vgl. VwGH 4.3.2020, Ra 2019/02/0227, mwN).
12 Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. (vgl. VwGH 27.10.2023, Ra 2021/17/0101, mwN).
13 Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. VwGH 18.1.2022, Ra 2021/09/0131, mwN).
14 Der Aufbau eines Erkenntnisses entspricht den Vorgaben des § 17 VwGVG in Verbindung mit § 60 AVG auch dann nicht, wenn die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes und die beweiswürdigenden Erwägungen gemischt dargestellt wurden (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0061).
15 Im angefochtenen Erkenntnis wird zunächst lediglich äußerst knapp der Verfahrensgang wiedergegeben, der eigene Feststellungen des Verwaltungsgerichts vermissen lässt. Sodann trifft das Verwaltungsgericht rudimentäre Feststellungen zum Sachverhalt, insbesondere, dass der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt Hauptmieter „des Spiellokales“ gewesen sei. Das Erkenntnis enthält keine Feststellungen dazu, ob das Lokal zum Tatzeitpunkt geöffnet gewesen ist. Es fehlt eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das verfahrensgegenständliche Lokal zum Kontrollzeitpunkt geschlossen gewesen sei. Gänzlich unklar sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Innehabung der Glücksspielgeräte: „Weiters ist der Nachweis der Innehabung, der Bereithaltung oder des Eigentums an Geräten in Bezug auf den Beschwerdeführer zu erbringen ist. Eine faktische Verfügungsgewalt und damit korrelierend eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der finanzbehördlichen Kontrolle ist aufgrund der Feststellung der Innehabung erwiesen“.
16 Daher entspricht das angefochtene Erkenntnis nicht den dargestellten gesetzlichen Anforderungen des § 29 Abs. 1 VwGVG. An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass einzelne Sachverhaltsfeststellungen sich teilweise implizit verstreut in den rechtlichen Erwägungen wiederfinden.
17 Diese insgesamt mangelhafte Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ermöglicht dem Verwaltungsgerichtshof keine inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses „auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhaltes“ im Sinne des § 41 VwGG. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Jänner 2024
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