Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofräte Mag. Berger und Mag. M. Mayr als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M R in G, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. April 2020, VGW 002/085/14195/2019 28, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) belangten Behörde vom 8. Oktober 2019 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der J GmbH der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall Glücksspielgesetz (GSpG) iVm § 9 Abs. 1 VStG für schuldig erkannt. Es wurden über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 5.000 (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil die J GmbH es zu einem näher bezeichneten Zeitpunkt in einem näher genannten Lokal als Unternehmerin gegen Entgelt geduldet habe, dass in diesen Räumlichkeiten drei näher bezeichnete Glücksspielgeräte funktionsfähig und in betriebsbereitem Zustand aufgestellt gewesen seien, an denen Personen die Teilnahme an Glücksspielen im Inland ermöglicht worden sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde als unbegründet ab, änderte die Strafsanktionsnorm des behördlichen Straferkenntnisses auf „§ 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Einleitungssatz GSpG“ und präzisierte die im behördlichen Straferkenntnis enthaltenen Zitate der gesetzlichen Bestimmungen. Das Verwaltungsgericht setzte den Beitrag des Revisionswerbers zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG mit EUR 3.000 fest und sprach aus, dass die J GmbH für die Verfahrenskosten und Barauslagen zur ungeteilten Hand hafte. Weiters erklärte es eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
3 Mit Beschluss vom 21. September 2020, E 1785/2020 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
4 In der Folge wurde die gegenständliche Revision erhoben, zu der die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, dass ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vorliege. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.
6 Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer , C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos Entertainment AG , C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C 3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a. , C 79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger , C-390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 23.2.2022, Ra 2020/17/0077, mwN).
7 In der Begründung der Zulässigkeit bringt der Revisionswerber weiters vor, das Verwaltungsgericht weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Stattgabe von Beweisanträgen ab, indem es die Einvernahme eines näher genannten Zeugen sowie die Beischaffung eines Ordners zu einer näher bezeichneten Aktenzahl einer Staatsanwaltschaft zum Beweis der Untervermietung des verfahrensgegenständlichen Lokals zu einem ortsüblichen Mietzins unterlassen habe.
8 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und begründet.
9 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die zur Entscheidung der Rechtssache erforderlichen Beweise aufzunehmen. Dabei darf es sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und Begründung hinwegsetzen (vgl. z.B. VwGH 30.11.2020, Ra 2020/17/0120, mwN).
10 Beweisanträge dürfen nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Es ist nicht zulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen. Das Vorliegen von nach Meinung des Verwaltungsgerichtes ausreichenden und eindeutigen Beweisergebnissen für die Annahme einer bestimmten Tatsache rechtfertigt nicht die Auffassung, die Vernehmung der zum Beweis des Gegenteils geführten Zeugen sei nicht geeignet, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. VwGH 21.2.2022, Ra 2021/17/0045, mwN).
11 Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers hat in der mündlichen Verhandlung u.a. den Antrag auf Einvernahme des M.H. als Zeugen gestellt, und zwar zum Beweis dafür, dass das gegenständliche Lokal zu einem ortsüblichen Mietzins untervermietet gewesen sei.
12 Das Verwaltungsgericht hätte somit den Zeugen M.H. befragen oder nachvollziehbar begründen müssen, warum es auf dieses Beweismittel nicht ankomme oder dieses untauglich bzw. an sich nicht geeignet sei, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern. Dasselbe gilt für die in der mündlichen Verhandlung ebenfalls beantragte Herbeischaffung der Akten der Staatsanwaltschaft Leoben.
13 Das Verwaltungsgericht hat die unterlassene Einvernahme des beantragten Zeugen M.H. damit begründet, dass der Revisionswerber bereits im behördlichen Verfahren Versuche unternehmen hätte können, den Untermietvertrag beizuschaffen, und es ihm freigestanden wäre, eine bestimmte Gesellschaft als Untermieter zu bezeichnen. Dass dies nicht erfolgt sei, weise auf eine Umgehungskonstruktion hin, bei welcher die Untervermietung lediglich auf dem Papier bzw. zum Schein erfolgt sei. Es sei somit keine Einvernahme des Zeugen M.H. vorzunehmen.
14 Diese Begründung für die unterbliebene Zeugeneinvernahme entspricht jedoch nicht den oben genannten Erfordernissen. Zum Antrag auf Herbeischaffung der Akten der Staatsanwaltschaft Leoben enthält das angefochtene Erkenntnis überhaupt keine Begründung.
15 Da nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen.
16 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. November 2023
Rückverweise