Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen des 1. A B, der 2. C D, der 3. E F, und des 4. G H, alle vertreten durch Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 2. Juli 2020, 1. L502 2227025 1/11E, 2. L502 2227029 1/8E, 3. L502 2227027 1/8E und 4. L502 2227028 1/8E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet, die weiteren revisionswerbenden Parteien sind ihre minderjährigen Kinder. Die Revisionswerber sind Staatsangehörige der Türkei und stellten nach ihrer legalen Einreise in das Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (die erst bis drittrevisionswerbende Partei am 16. August 2019; für den 2019 in Österreich geborenen Viertrevisionswerber wurde der Antrag am 18. Oktober 2019 gestellt). Der Erstrevisionswerber begründete seinen Antrag mit seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit und der Unterstützung der Partei HDP. Für die Zweitrevisionswerberin und die gemeinsamen Kinder wurden keine darüber hinausgehenden (eigenen) Fluchtgründe geltend gemacht.
2 Mit den Bescheiden je vom 5. Dezember 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte jeweils fest, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Die Behörde legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils nicht zulässig sei.
4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse an ihn gerichteten Beschwerden mit Beschluss vom 24. November 2020, E 2658 2661/2020 7, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) abgewichen. Die vollständige Erhebung des für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalts sei nicht gegeben, weil das BVwG den Erstrevisionswerber nicht zu seinem Vorbringen vernommen habe. Er habe „Screenshots“ als Beweismittel vorgelegt, um sein Vorbringen zu untermauern. Das BVwG habe diese als teils unlesbar bezeichnet und sei von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ausgegangen, ohne auf den lesbaren Teil einzugehen. In der mündlichen Verhandlung hätte sich der Revisionswerber dazu äußern können und das BVwG hätte sich einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens verschaffen können.
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß dem hier maßgeblichen ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFA VG („wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“) dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0309, mwN).
10 Mit dem pauschalen Verweis, der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei nicht vollständig erhoben worden, weil das Bundesverwaltungsgericht den Erstrevisionswerber nicht zu seinem Vorbringen vernommen habe, vermögen die Revisionen eine Verletzung der Verhandlungspflicht nicht darzutun.
11 Das gilt auch für das Vorbringen zur Vorlage eines Konvoluts an „Screenshots“ zu fünf Vorfällen, die offenbar im Zusammenhang mit Angriffen auf Angehörige der kurdischen Volksgruppe stehen, zumal kein unmittelbarer Bezug zu den revisionswerbenden Parteien behauptet und kein Vorbringen erstattet wurde, zu welchem konkreten Beweisthema die Urkunden vorgelegt wurden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem den Umstand, dass es zu Übergriffen auf HDP Mitglieder und Diskriminierungen türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit kommt, berücksichtigt, jedoch dem BFA folgend mit einer nicht als unschlüssig zu bezeichnenden Begründung verneint, dass der Erstrevisionswerber wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder der behaupteten Hilfstätigkeiten für die HDP im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat aktuell (asylrelevant) verfolgt werde.
12 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2021
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