Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des V D in W, vertreten durch Mag. Kamen Sirakov, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marokkanergasse 22/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 9. Dezember 2020, Zl. VGW 021/014/4092/2020-10, betreffend Übertretungen des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes TNRSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 12. Februar 2020 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der E OG mit Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft
„... am 18.10.2018 um 12:16 ... im Rahmen der Ausübung dieses Gewerbes in ihrem Betrieb im Standort ... W ... insofern die Bestimmungen des TNRSG nicht eingehalten hat, als sie das Produkt ‚King Gorilla 50 ml Honey Delight‘ (Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten) in Verkehr gebracht hat, das insofern nicht entsprechend des TNRSG entsprechend gekennzeichnet war, als folgende Mängel bei der Kennzeichnung ... festgestellt wurden:
...
1) Die vorliegende Probe ist ohne Beipackzettel in Verkehr und entspricht daher nicht den Anforderungen des § 10c Abs. 1 TNRSG.
...
Auf der Packung und der Außenverpackung befindet sich die Angabe ‚honey delight‘.
...
Die Angabe ‚Honey‘ ist ein Element, das einem Lebensmittel ähnelt.
2) Die vorliegende Probe ist daher mit einem nicht zulässigen Element in Verkehr und entspricht nicht den Anforderungen des § 10c Abs. 2 Z 2 iVm § 5d Abs. 1 Z 4 TNRSG.
...
Gemäß § 10c Abs. 2 Z 4 haben die Packung und die Außenverpackung von Nachfüllbehältern bei nikotinfreien Erzeugnissen folgenden gesundheitsbezogenen Warnhinweis anzugeben:
‚Der Gebrauch dieses Produktes kann gesundheitliche Schäden verursachen‘.
3) Auf der Packung und auf der Außenverpackung fehlt dieser Warnhinweis und dieses entspricht daher nicht den Anforderungen des § 10c Abs. 2 Z 4“
Der Revisionswerber habe dadurch zu 1) § 14 Abs. 1 Z 5 iVm. § 10c Abs. 1 TNRSG, zu 2) und 3) § 14 Abs. 1 Z 5 iVm. § 10c Abs. 2 Z 2 und 4 sowie § 5d Abs. 1 Z 4 TNRSG verletzt. Über ihn wurden zu 1) € 1.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag), zu 2) und 3) € 1.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) an Strafen verhängt, und es wurden ihm Verfahrenskosten von € 200,00 auferlegt.
2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht in Erledigung der Beschwerde des Revisionswerbers den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend ab, dass die Tatumschreibung laute:
„Sie, Herr ... haben als unbeschränkt haftender Gesellschafter der E[...] OG mit Sitz in W ... zu verantworten, dass am 18.10.2018 in deren Handelsbetrieb in W ... das Produkt ‚King Gorilla 50 ml Delight‘ (Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten) in Verkehr gebracht wurde,
1) ohne dass der Packung dieses Produktes ein Beipackzettel beigelegt war,
2) obwohl dessen Packung und die Außenverpackung das Element ‚Honey‘ im Namen aufwies und
3) Packung und Außenverpackung dieses Erzeugnisses nicht den gesundheitsbezogenen Warnhinweis für nikotinfreie Erzeugnisse ‚Der Gebrauch dieses Produktes kann gesundheitliche Schäden verursachen.‘ enthielten.
Der Beschwerdeführer hat dadurch drei Verwaltungsübertretungen begangen:
1) § 14 Abs. 1 Z 5 iVm § 10c Abs. 1 TNRSG
2) § 14 Abs. 1 Z 5 iVm § 10c Abs. 2 Z 2 iVm § 5d Abs. 1 Z 4 TNRSG
3) § 14 Abs. 1 Z 5 iVm § 10c Abs. 2 Z 4 TNRSG.“
Über ihn wurden gemäß § 14 Abs. 1 erster Strafsatz TNRSG zu 1) bis 3) drei Geldstrafen von je € 500,00 (Ersatzfreiheitsstrafen von je zwölf Stunden) verhängt, und es wurden ihm die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens von € 150,00, jedoch kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Weiters sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.
3 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei unbeschränkt haftender Gesellschafter der E OG mit Sitz in W. Am 18. Oktober 2018 sei in deren Handelsbetrieb in W das Produkt „King Gorilla 50 ml Delight“ in Verkehr gebracht worden. Der Packung dieses Erzeugnisses sei kein Beipackzettel beigelegen. Die Packung und die Außenverpackung hätten das Element „Honey“ im Namen aufgewiesen. Packung und Außenverpackung hätten nicht den gesundheitsbezogenen Warnhinweis „Der Gebrauch dieses Produktes kann gesundheitliche Schäden verursachen“ enthalten. Diese Feststellungen gründeten sich im Wesentlichen auf das amtliche Kontroll- und Untersuchungszeugnis sowie den Prüfbericht der AGES und seien vom Revisionswerber auch nicht in Abrede gestellt worden.
In seiner rechtlichen Begründung zitierte das Verwaltungsgericht zunächst die §§ 14 Abs. 1 Z 5, 1 Z 2 (Inverkehrbringen), 5d (Erscheinungsbild) Abs. 1 und 3 sowie 10c (Details zur Verpackung elektronischer Zigaretten) Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 und 4 TNRSG und gab danach Auszüge aus den Gesetzesmaterialien zu den TNRSG-Novellen BGBl. I Nr. 101/2015 und BGBl. I Nr. 22/2016 sowie aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 14. März 2017, G 164/2016 (VfSlg. 20.151), wieder, in denen jeweils die Gefahr von E-Zigaretten unter dem Aspekt des Gesundheits- und Jugendschutzes betont wird. Danach führte es aus, die (nicht näher beschriebenen) vom Revisionswerber vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken könnten nicht geteilt werden. Zur vorgeworfenen ersten Übertretung (des § 10c Abs. 1 TNRSG) wurde dargelegt, das bezeichnete Produkt sei ein Nachfüllbehälter iSd. § 1 Z 1c TNRSG. Der gegenteiligen Ansicht des Revisionswerbers könne unter dem Aspekt des vom TNRSG angestrebten Gesundheits- und Jugendschutzes nicht gefolgt werden, und diesem Ziel diene auch die Beilage eines Beipackzettels mit essentiellen Informationen. Die zweite Übertretung (des § 10c Abs. 2 Z 2 TNRSG) wurde damit begründet, dass „Honey“ das englische Wort für Honig sei; es handle sich dabei um ein Lebensmittel und nicht um einen Aromastoff. Zur vorgeworfenen dritten Übertretung (des § 10c Abs. 2 Z 4 TNRSG) wurde bloß die Gesetzesbestimmung wiedergegeben. Da der jeweilige objektive Tatbestand der dem Revisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretungen erfüllt sei, und der Revisionswerber nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihn an der Begehung der in Rede stehenden Ungehorsamsdelikte kein Verschulden treffe, sei der Schuldspruch zu bestätigen gewesen. Die Abänderungen im Spruch dienten der Präzisierung und Eliminierung überflüssiger Tatbestandselemente sowie der Richtigstellung der Anzahl der Verwaltungsübertretungen. Es folgen Erwägungen zur Strafbemessung.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der sowohl die belangte Behörde als auch der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Revisionsbeantwortungen erstatteten.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
6 Die maßgeblichen Bestimmungen des Tabak- und Nichtraucherinnen bzw. Nichtraucherschutzgesetzes TNRSG, BGBl. Nr. 431/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2018, lauten (auszugsweise):
„Begriffsbestimmungen
§ 1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
...
1c. ‚Nachfüllbehälter‘ ein Behältnis, das eine nikotinhältige oder nikotinfreie Flüssigkeit enthält, die zum Nachfüllen einer elektronischen Zigarette verwendet werden kann,
...
1e. ‚verwandtes Erzeugnis‘ jedes neuartige Tabakerzeugnis, pflanzliche Raucherzeugnis, die elektronische Zigarette und deren Liquids,
...
2. ‚Inverkehrbringen‘ die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten unabhängig vom Ort ihrer Herstellung für Verbraucherinnen bzw. Verbraucher,
...
Verbot des Inverkehrbringens
§ 2. (1) Das Inverkehrbringen von
1. Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, die den §§ 4 bis 10e oder nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen nicht entsprechen ...
...
ist verboten.
...
Erscheinungsbild
§ 5d. (1) Die Kennzeichnung der Packung und der Außenverpackung sowie das Tabakerzeugnis selbst dürfen weder Elemente noch Merkmale aufweisen, die
...
4. einem Lebensmittel- oder Kosmetikerzeugnis ähneln,
...
Details zur Verpackung elektronischer Zigaretten
§ 10c. (1) Packungen mit elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern ist ein Beipackzettel mit folgenden Informationen beizulegen:
1. ...
...
(2) Jede Packung und jede Außenverpackung von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern
1. ...
2. darf unbeschadet Z 1 keine der in § 5d genannten Elemente oder Merkmale enthalten, mit Ausnahme der Informationen über den Nikotingehalt und die Aromastoffe gemäß § 5d Abs. 1 Z 1 und 3,
3. ...
4. hat bei nikotinfreien Erzeugnissen den folgenden gesundheitsbezogenen Warnhinweis zu enthalten:
‚Der Gebrauch dieses Produktes kann gesundheitliche Schäden verursachen.‘
...
Strafbestimmungen
§ 14. (1) Wer
1. Tabakerzeugnisse oder verwandte Erzeugnisse entgegen § 2 in Verkehr bringt,
...
5. gegen die Bestimmungen hinsichtlich des Erscheinungsbildes gemäß §§ 5 bis 6, 10c und 10f verstößt,
...
begeht, sofern die Tat nicht nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 Euro zu bestrafen.
...“
7 Zur Zulässigkeit der Revision wird unter anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter hg. Rechtsprechung zu den Anforderungen des § 44a VStG abgewichen, weil es im Widerspruch zur Tatumschreibung („in Verkehr gebracht wurde“) die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG im Spruch zitiert habe.
Die Revision ist deshalb zulässig. Sie ist auch begründet.
8 § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Revisionswerber hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. VwGH 17.3.2021, Ra 2019/17/0113; 1.6.2021, Ra 2019/11/0202, jeweils mwN).
9 Dem Revisionswerber wurde als Verantwortlichem der E OG in der Tatumschreibung des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses vorgeworfen, die E OG habe in ihrem (Einzel)Handelsbetrieb Nachfüllbehälter für elektronische Zigaretten „in Verkehr gebracht“, die nicht den §§ 10c Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 iVm. 5d Abs. 1 Z 4 sowie § 10c Abs. 2 Z 4 TNRSG entsprochen hätten. Obwohl der Revisionswerber damit gegen das Verbot des Inverkehrbringens nach § 2 Abs. 1 Z 1 TNRSG (welcher u.a. auf die genannten Bestimmungen verweist) verstoßen und § 14 Abs. 1 Z 1 TNRSG verwirklicht hätte wovon auch der Bundesminister in seiner Revisionsbeantwortung ausging , nahm das Verwaltungsgericht eine Verwirklichung des § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG („Wer gegen die Bestimmungen hinsichtlich des Erscheinungsbildes gemäß §§ 5 bis 6, 10c und 10f verstößt“) an.
10 Dies stellt einen Widerspruch des Spruchs in sich dar (vgl. ähnlich VwGH 6.9.2016, Ra 2016/09/0049).
11 Damit enthält das angefochtene Erkenntnis aber keine eindeutige und vollständige Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift.
12 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen vorrangig wahrzunehmender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, sodass es auf die übrigen Revisionsausführungen nicht mehr ankommt.
13 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. März 2024
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