Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Anträge des L W in R, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ybbsstraße 66/II/1, 1. auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Jänner 2022, Ra 2021/10/0164 10, betreffend die Zurückweisung einer Revision wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt betreffend den Strafvollzug in Verfahren nach dem ForstG 1975, abgeschlossenen Verfahrens, und 2. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der dem Wiederaufnahmeantrag anhaftenden Mängel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Scheibbs), den Beschluss gefasst:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der dem Wiederaufnahmeantrag anhaftenden Mängel wird abgewiesen.
2. Das Verfahren über den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Jänner 2022, Ra 2021/10/0164 10, abgeschlossenen Verfahrens wird eingestellt.
1 Mit Beschluss vom 24. Jänner 2022, Ra 2021/10/0164-10, wurde die vom Antragsteller erhobene Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. September 2021, LVwG M 20/002 2021, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt in einer Angelegenheit des Strafvollzugs in Verfahren nach dem ForstG 1975 zurückgewiesen.
2 Mit dem am 3. März 2022 zur Post gegebenen Schriftsatz vom 2. März 2022 begehrt der Antragsteller die Wiederaufnahme u.a. des mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Jänner 2022, Ra 2021/10/0164 10, abgeschlossenen Verfahrens. Der Wiederaufnahmeantrag war mit einem Antrag ebenfalls vom 2. März 2022 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zwecks Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr verbunden.
3 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. März 2022, Ra 2021/10/0164 16, wurde der Antrag auf Verfahrenshilfe wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen.
4 Mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. März 2022, Ra 2021/10/0164 17, zugestellt am 30. März 2022, wurde dem Antragsteller der Wiederaufnahmeschriftsatz gemäß § 34 Abs. 2 und 4 VwGG mit dem Auftrag zurückgestellt, den Wiederaufnahmeantrag durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Zur Behebung dieser Mängel wurde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Auftrags bestimmt. Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung des Wiederaufnahmeantrags gilt.
5 Mit Schriftsatz vom 11. April 2022 beantragte der Antragsteller, nunmehr vertreten durch den einschreitenden Rechtsanwalt, die Erstreckung der Mängelbehebungsfrist. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass die Frist am Mittwoch, den 13. April 2022, ende. An diesem Tag sei das Sekretariat des einschreitenden Rechtsanwalts auf Grund eines unaufschiebbaren, ambulanten Krankenhausaufenthalts der minderjährigen Tochter der Sekretärin des einschreitenden Rechtsanwalts nicht besetzt. Dazu habe der einschreitende Rechtsanwalt innerhalb dieser Woche zwei unaufschiebbare Auswärtstermine zu verrichten, weshalb die Fristwahrung verunmöglicht werde.
6 Diesem Antrag wurde mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. April 2022, Ra 2021/10/0164 19, nicht entsprochen, weil die Antragsbegründung nicht als ausreichender Grund für eine Fristerstreckung gewertet werden könne.
7 Mit dem vom Vertreter des Antragstellers eingebrachten Schriftsatz vom 27. April 2022, am gleichen Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt, wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist der verfahrensleitenden Anordnung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. März 2022, Ra 2021/10/0164 17, sowie der nunmehr auftragsgemäß verbesserte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 und Z 4 VwGG eingebracht.
1. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
8 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
9 Der Antragsteller hat, wie er selbst in seinem Wiedereinsetzungsantrag ausführt, die Frist zur Behebung der dem Wiederaufnahmeantrag anhaftenden Mängel versäumt. Die Verbesserungsfrist endete nämlich am 13. April 2022, wohingegen der verbesserte Wiederaufnahmeschriftsatz erst am 27. April 2022 eingebracht wurde, nachdem der Verwaltungsgerichtshof den innerhalb der Mängelbehebungsfrist gestellten Antrag auf Verlängerung dieser Frist mit der am 22. April 2022 zugestellten Verfügung vom 21. April 2022 abgewiesen hatte.
10 Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Antragsteller damit, dass zwischen ihm und dem einschreitenden Rechtsanwalt auf Grund der seit sechs Jahren bestehenden Zusammenarbeit ein besonderes, enges Vertrauensverhältnis bestehe, weshalb es dem Antragsteller unmittelbar vor den Osterfeiertagen weder objektiv möglich noch subjektiv zumutbar gewesen sei, innerhalb der noch verbleibenden Tage der Karwoche, in der die meisten Rechtsanwälte mit ihren Familien auf Urlaub seien, einen anderen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen. Der einschreitende Rechtsanwalt sei auf Grund der langjährigen Zusammenarbeit in sämtlichen, äußerst komplexen Rechtsmaterien, mit denen der Antragsteller seit Jahrzehnten konfrontiert gewesen sei, bestens vertraut und habe sich Spezialwissen angeeignet, sodass auch deshalb eine Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt unzumutbar erscheine. Dazu komme, dass der einschreitende Rechtsanwalt auf Grund von innerhalb der Mängelbehebungsfrist zu verrichtenden Auswärtsterminen und der durch einen ambulanten Krankenhausaufenthalt der minderjährigen Tochter bedingten Abwesenheit der Sekretärin am letzten Tag der Mängelbehebungsfrist nicht in der Lage gewesen sei, die Frist zu wahren, weshalb ein Fristerstreckungsantrag gestellt worden sei. Es lägen besondere Umstände des Einzelfalls vor, die durch mehrfach kausales Zusammenwirken für den Antragsteller als unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis zu werten seien. Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsteller als Obdachloser über eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten verfüge.
11 Der Antragsteller begründet den Wiedereinsetzungsantrag sohin im Wesentlichen mit personellen Abwesenheiten in der Kanzlei seines Vertreters und mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Vertreter sowie dessen Vertrautheit mit seinen Angelegenheiten, die die Beiziehung eines anderen Vertreters unzumutbar gemacht hätten.
12 Zum Vorbringen im Zusammenhang mit dem Kanzleibetrieb des Rechtsvertreters ist darauf zu verweisen, dass ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter seine Kanzlei so zu organisieren hat, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist und nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist. Überdies reichen berufliche Überlastungen nicht hin, um die Bewilligung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 71 Rz 62 und 82 [Stand: 2020] zitierte Judikatur). Reichen bereits beruflich bedingte Auswärtstermine des Vertreters (laut Fristverlängerungsantrag zwei innerhalb einer Woche) und eine eintägige Abwesenheit der Sekretärin aus, um einem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht nachkommen zu können, kann nicht davon gesprochen werden, der Rechtsanwalt habe die ihm zukommenden Sorgfaltspflichten im Rahmen seiner Kanzleiorganisation eingehalten. Dazu kommt, dass der Vertreter damit rechnen musste, dass dem Fristverlängerungsantrag nicht Folge gegeben wird (vgl. VwGH 26.1.2009, 2008/17/0195), er aber dennoch obwohl er durch die jahrelange Betreuung des Antragstellers mit dessen Rechtsangelegenheiten vertraut ist die rechtzeitige Verbesserung des vom Antragsteller selbst eingebrachten Wiederaufnahmeantrags unterlassen hat. Schon deshalb liegt kein bloß minderer Grad des Versehens seitens des einschreitenden Rechtsanwalts vor.
13 Konkrete Auswirkungen der behaupteten eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten wurden nicht aufgezeigt, sodass auch dieses Vorbringen nicht zum Erfolg führt.
14 Im Hinblick darauf war der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG abzuweisen.
2. Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens:
15 Wie bereits oben aufgezeigt wurde, erfolgte die Mängelbehebung des Wiederaufnahmeantrages vom 2. März 2022 nicht fristgerecht.
16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt eine Revision dann, wenn ein Revisionswerber dem ihm erteilten Mängelbehebungsauftrag nicht fristgerecht nachkam, sondern vor Ablauf der Frist einen Verlängerungsantrag stellte, gemäß § 34 Abs. 2 VwGG als zurückgezogen, wenn die Anträge auf Fristverlängerung und auf Aussetzung des Verfahrens mit Berichterverfügung abgewiesen wurden (vgl. VwGH 26.1.2022, Ra 2021/02/0141; 24.1.2022, Ra 2021/02/0192, jeweils mwN).
17 Diese Rechtsprechung ist zufolge § 34 Abs. 4 VwGG auch auf Mängelbehebungsaufträge betreffend Wiederaufnahmeanträge anzuwenden. Dem innerhalb der Mängelbehebungsfrist gestellten Antrag auf Fristverlängerung wurde mit hg. Verfügung vom 21. April 2022, Ra 2021/10/0164 19, nicht stattgegeben, weil keine erheblichen Gründe vorgelegen seien, die die Partei an der Einhaltung der Frist gehindert hätten. Im Hinblick darauf gelten die Mängel des Wiederaufnahmeantrags nicht als rechtzeitig behoben, weshalb das Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG einzustellen war.
18 Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Angelegenheit eines Wiedereinsetzungsverfahrens war eine solche im Lichte des Art. 6 EMRK nicht geboten, weil sich die Garantien dieser Bestimmung nicht auf Verfahren über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erstrecken (vgl. VwGH 16.12.2009, 2009/12/0031; 31.7.2007, 2006/05/0089).
Wien, am 8. Juni 2022
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