Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des J B in W, vertreten durch Ing. Eugenio Gualtieri, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Jänner 2021, Zl. W203 2229308 1/3E, betreffend Studienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Senat der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber beantragte am 23. November 2018 die Gewährung von Studienbeihilfe für sein an der Wirtschaftsuniversität Wien betriebenes Bachelorstudium Wirtschafts und Sozialwissenschaften. In diesem Zusammenhang gab der Revisionswerber an, dass er die jährliche Einkommensgrenze von € 10.000, nicht überschreiten werde.
2 Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien, vom 17. Jänner 2019 wurde dem Revisionswerber Studienbeihilfe in der Höhe von monatlich € 841, ab September 2018 zuerkannt, wobei im Rahmen der zugrundeliegenden Berechnung der Studienbeihilfe keine zumutbare Eigenleistung des Revisionswerbers in Abzug gebracht wurde.
3 Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien, vom 20. Mai 2019 wurde gestützt auf § 49 Abs. 3 iVm. § 51 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG) ausgesprochen, dass der Anspruch des Revisionswerbers auf Studienbeihilfe während des Kalenderjahres 2018 im Ausmaß von € 3.364, dies entspricht dem Betrag, der dem Revisionswerber für den Zeitraum September 2018 bis Dezember 2018 an Studienbeihilfe ausgezahlt wurde, ruhe und er diesen Betrag zurückzuzahlen habe. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Revisionswerber habe im Jahr 2018 für einen Bezugszeitraum von 4 Monaten ein aliquotes Einkommen im Sinne des StudFG in der Höhe von € 8.301,98 erzielt.
4 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachte der Revisionswerber vor, dass bei der Neuberechnung der Höhe der Studienbeihilfe ein Drittel seines im Einkommensteuerbescheid 2018 ausgewiesenen Einkommens von € 24.905,93 als „tatsächlich zugeflossenes Einkommen“ angesetzt worden sei. Als Dienstleister in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik erziele er aber ein Einkommen, das nicht wie bei nichtselbständiger Arbeit gleichmäßig über das gesamte Kalenderjahr verteilt werden könne. Der Revisionswerber habe den Großteil seiner Einkünfte vor dem Studienbeginn im Oktober 2018 erwirtschaftet. Im September 2018 hätten sich die Einkünfte des Revisionswerbers auf € 3.966,51 und im Oktober 2018 auf € 577,16 belaufen, was zusammengerechnet nur 14,41 % seines gesamten Jahreseinkommens im Jahr 2018 ausmachte. Gemäß der Aliquotierungsregel habe der Revisionswerber, da er im November und Dezember 2018 keine Einkünfte erzielt habe, lediglich € 255,94 an zu viel erhaltener Studienbeihilfe zurückzuzahlen.
5 Dieser Vorstellung wurde mit Bescheid des an der Stipendiumstelle Wien eingerichteten Senates der Studienbeihilfenbehörde vom 11. Dezember 2019 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Der Revisionswerber habe Kontoauszüge vorgelegt, aus denen Zahlungseingänge in der Höhe von € 3.190,76 im September 2018 und in der Höhe von € 3.965,46 im November 2018 ersichtlich seien. Schon die Addition dieser beiden Beträge ergebe als Summe € 7.156,22, was zur Folge habe, dass die Zuverdienstgrenze für vier Monate in der Höhe von € 3.333,33 soweit überschritten sei, dass die gesamte erhaltene Studienbeihilfe zurückzuzahlen sei.
6 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und führte aus, dass für die Zuverdienstgrenze nicht der Zeitpunkt der Zahlungseingänge, sondern der mit der Zahlung verbundene Leistungszeitraum, in dem die Einkünfte erwirtschaftet worden seien, relevant sei. Es habe auch einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen Aktivitäten des Revisionswerbers und dessen Studienaktivität gegeben. Er habe nämlich seine gewerbliche Tätigkeit nach August 2018 drastisch reduziert und sich stattdessen auf die erfolgreiche und schnelle Absolvierung seines Studiums konzentriert. Das Einkommen des Revisionswerbers im Sinne des Studienförderungsgesetzes habe für den Zeitraum September bis Dezember 2018 € 3.965,46 betragen.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Jänner 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde als unbegründet ab. Gestützt auf § 12 Abs. 3 StudFG argumentierte das Bundesverwaltungsgericht, dass es für die Beurteilung, ob Geldleistungen als Einkommen im Sinne des StudFG anzusehen seien, auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zufließens der Einkünfte ankomme. Wenn „ein Studierender in einem Zeitraum von vier Monaten über ein zugeflossenes Einkommen aus eigener Berufstätigkeit in der Höhe von insgesamt mehr als € 7.000, Euro, also durchschnittlich mehr als € 1.700, im Monat, verfügen kann, ist bei objektiver Betrachtung nicht vom Vorliegen einer ‚sozialen Bedürftigkeit‘, der mit Gewährung von Studienbeihilfe zu begegnen wäre, auszugehen.“
8 Die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung wurde damit begründet, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Frage, ob die Rückforderung der ausgezahlten Studienbeihilfe zu Recht erfolgt sei, nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Der Sachverhalt sei weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig „noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.“ Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.
10 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, mit welcher sie die Zurückweisung bzw. Abweisung der Revision beantragte.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
12 Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung ua. vor, das BVwG sei mit dem Entfall der mündlichen Verhandlung von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 7.4.2020, Ra 2018/11/0166) abgewichen. Es sei in der Beschwerde etwa die Rechtsfrage aufgeworfen worden, ob der Zeitpunkt des Zuflusses der Zahlung oder der Leistungszeitpunkt relevant sei. Im Zusammenhang mit dem zu berücksichtigenden Einkommen sei auch konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet worden, das dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegen gestanden sei.
13 Die Revision erweist sich bereits aus diesem Grund als zulässig und auch begründet.
14 Die im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1992 StudFG, BGBl. Nr. 305/1992 idF BGBl. I Nr. 31/2018, lauten auszugsweise (vgl. zur maßgeblichen Rechtslage betreffend zeitraumbezogene Ansprüche VwGH 14.7.2011, 2009/10/0177):
„ Einkommen
§ 8. (1) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung zuzüglich
2. der Hinzurechnungen gemäß § 9 und
3. des Pauschalierungsausgleichs gemäß § 10.
(2) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so sind bei der Ermittlung des Einkommens nach Abs. 1 die lohnsteuerpflichtigen Einkünfte gemäß § 11 Abs. 1 anzusetzen. Eine Hinzurechnung derartiger Einkünfte hat auch dann zu erfolgen, wenn zwar nicht im zuletzt veranlagten, jedoch in dem gemäß § 11 Abs. 1 maßgeblichen Kalenderjahr lohnsteuerpflichtige Einkünfte zugeflossen sind. Dies gilt sinngemäß auch für steuerfreie Bezüge gemäß § 9 Z 1 und Z 3.
(3) Haben Personen, deren Einkommen für die Beurteilung der sozialen Bedürftigkeit maßgeblich ist, im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder genießen sie in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages oder auf Grund des Bundesgesetzes über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977, Befreiung von der Einkommensteuer, so ist das Einkommen unter Anwendung des § 184 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, zu schätzen.
Zumutbarer Unterhalts und Eigenleistungen
§ 31. [...]
(4) Die zumutbare Eigenleistung für Studierende umfasst den 10 000 Euro übersteigenden Betrag ihrer Bemessungsgrundlage; diese Grenze verringert sich aliquot, wenn nicht während des gesamten Jahres Studienbeihilfe bezogen wird. Bei der Berechnung der Studienbeihilfe ist hinsichtlich der zumutbaren Eigenleistung vorerst von den Angaben des Studierenden gemäß § 12 Abs. 3 auszugehen. Nach Vorliegen sämtlicher Nachweise über das Jahreseinkommen ist eine abschließende Berechnung durchzuführen. Die Differenz der ausbezahlten Studienbeihilfe zu einer sich dabei ergebenden höheren Studienbeihilfe ist von der Studienbeihilfenbehörde an den Studierenden auszubezahlen.
Bemessungsgrundlage
§ 32. (1) Die Bemessungsgrundlage des Studierenden, seiner Eltern sowie seines Ehegatten oder seines eingetragenen Partners umfasst das Einkommen gemäß den §§ 8 bis 10 abzüglich der Freibeträge gemäß Abs. 4 und der nachstehenden Absetzbeträge für die Personen für die entweder der Studierende, einer seiner Elternteile oder sein Ehegatte oder eingetragener Partner kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet ist:
[...]
Ruhen des Anspruches
§ 49. [...]
(3) Der Anspruch auf Studienbeihilfe ruht während eines Kalenderjahres in dem Ausmaß, in dem die Bemessungsgrundlage des Studierenden den Betrag gemäß § 31 Abs. 4 übersteigt. Einkünfte des Studierenden in Monaten, für die keine Studienbeihilfe ausbezahlt wird, bleiben dabei außer Betracht. Ein Verzicht auf die weitere Auszahlung der zuerkannten Studienbeihilfe wirkt für den verbleibenden Zeitraum der Zuerkennung.
Rückzahlung
§ 51.
(1) Studierende haben zurückzuzahlen:
[...]
3. Studienbeihilfenbeträge, die nach dem Eintritt eines gesetzlichen Erlöschensgrundes oder während des Ruhens des Anspruches ausbezahlt wurden;“
15 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen, welche der Erörterung der Sach und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Akten lassen dann iSd § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann, wenn also die im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, dargestellten Voraussetzungen hinsichtlich der Klärung des Sachverhaltes gegeben sind und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl. VwGH 11.3.2021, Ra 2020/09/0017).
16 Der Revisionswerber führte in der Beschwerde (wie auch in der vorliegenden Revision) mit näherer Begründung aus, dass sich das in den in Rede stehenden Monaten zu berücksichtigende Einkommen auf € 3.965,46 und nicht wie im angefochtenen Bescheid angenommen auf € 7.156,22 belaufe, weil nicht der Zeitpunkt des Leistungszuflusses, sondern der Leistungszeitpunkt maßgebend sei.
17 Schon vor diesem Hintergrund durfte das Verwaltungsgericht nicht davon ausgehen, dass die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt (vgl. VwGH 21.4.2015, Ra 2015/09/0009).
18 Konkrete Ausführungen mit Bezug zum vorliegenden Fall, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen für das Absehen von der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung vor diesem Hintergrund ausgegangen ist, finden sich im angefochtenen Erkenntnis im Übrigen nicht.
19 Das Verwaltungsgericht stellte sowohl fest (wie auch die Behörde im Bescheid vom 20. Mai 2019), dass der Revisionswerber im Kalenderjahr 2018 über ein zu versteuerndes Einkommen in der Höhe in der Höhe von € 24.905,93 verfügt habe, als auch, dass ihm im September 2018 € 3.190,76 und im November 2018 € 3.965,46 aus selbständiger Tätigkeit zugeflossen seien. Das Verwaltungsgericht lässt durch die Formulierung „mehr als 7.000 Euro“ in der rechtlichen Beurteilung offen, aus welcher dieser Annahmen rechtlich abzuleiten sei, dass der Betrag gemäß § 31 Abs. 4 StudFG im Revisionsfall überschritten werde. Insbesondere wird in keiner Weise offen gelegt, von welchem Einkommen im Sinne des § 8 StudFG des Revisionswerbers das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung ausgeht. Deshalb erweist sich das angefochtene Erkenntnis auch als mangelhaft begründet und entzieht sich damit einer nachprüfenden Kontrolle.
20 Ausgehend davon war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
21 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Juli 2024
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