Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Eraslan, über die Revision von 1. Ing. Z in R und 2. P E S GmbH in W, beide vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 54, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Oktober 2020, 1. VGW 042/013/15016/2019 und 2. VGW 042/V/013/15118/2019, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. Oktober 2019 wurde der Erstrevisionswerber folgender Verwaltungsübertretung schuldig erachtet (Fettdruck im Original):
„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 ... VStG ... zur Vertretung nach außen berufenes Organ der X GmbH mit Sitz in W ..., zu verantworten , dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 17.07.2018 in der Arbeitsstätte in W .... Arbeitnehmer beschäftigt hat, obwohl entgegen den Bestimmungen des § 3 Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Schutz der Arbeitnehmer/innen durch persönliche Schutzausrüstung , BGBl. II Nr. 77/2014, (Verordnung Persönliche Schutzausrüstung PSA-V idgF) in Verbindung mit § 14 PSA-V idgF wonach Arbeitgeber/innen Arbeitnehmer/innen am Ort der Gefahr persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen ist , wenn Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen , vermieden oder ausreichend begrenzt werden können (Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (Absturzsicherungssysteme) ist eine persönliche Schutzausrüstung zur Sicherung von Arbeitnehmern an einem Anschlagpunkt die einen Absturz entweder ganz verhindern (Haltesysteme) oder die Arbeitnehmer/innen sicher auffängt (Auffangsysteme)) Arbeitnehmer in W auf einem Container in ca. 5,5 m bis 6 m über Niveau beschäftigt wurden und diesen Arbeitnehmern weder eine persönliche Schutzausrüstung noch kollektive Schutzmaßnahmen wie Geländer zur Verfügung gestellt wurden und kein Anschlagpunkt vorhanden war, an dem sich die Arbeitnehmer mit einer persönlichen Schutzausrüstung anhängen hätten können und es dadurch zu einem Arbeitsunfall gekommen ist, bei dem der Arbeitnehmer, Herr Y. , getötet wurde.
Unfallhergang:
Bei Verladearbeiten von Containern stand der Arbeitnehmer Y in etwa 5 Metern Höhe auf zwei aufeinander stehenden Containern. Ein Kran hob gerade einen Container, als dieser von einem starken Windstoß erfasst wurde und in Richtung des Arbeitnehmers schwenkte. Dadurch stürzte der oben genannte Arbeitnehmer ohne jegliche Absicherung von dieser Höhe ab und verunglückte tödlich .“
Dadurch habe der Erstrevisionswerber § 3 PSA V iVm § 14 PSA V iVm § 130 Abs. 1 Z 26 ArbeitnehmerInnenschutzG (ASchG) verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 4.150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage und vier Stunden) verhängt wurde.
5 Die hier maßgebenden Bestimmungen der Verordnung Persönliche Schutzausrüstung (PSA V), BGBl. II Nr. 77/2014, lauten:
„Allgemeine Pflichten der Arbeitgeber/innen
§ 3. (1) Arbeitgeber/innen müssen Arbeitnehmer/innen am Ort der Gefahr persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen, die den §§ 69 und 70 ASchG sowie dieser Verordnung entspricht, wenn Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen vermieden oder ausreichend begrenzt werden können. Wird von Arbeitgeber/innen persönliche Schutzausrüstung erworben, die nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften gekennzeichnet ist, können Arbeitgeber/innen, die über keine anderen Erkenntnisse verfügen, davon ausgehen, dass diese persönliche Schutzausrüstung den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entspricht.
(2) Die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen mit Tätigkeiten, bei denen eine der im 2. Abschnitt angeführten Gefahren besteht oder auftreten kann, ist nur bei Verwendung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung zulässig.
...
Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz, Ertrinken und Versinken
§ 14. (1) Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (Absturzsicherungssysteme) ist persönliche Schutzausrüstung zur Sicherung von Arbeitnehmer/innen an einem Anschlagpunkt, die einen Absturz entweder ganz verhindert (Haltesysteme) oder die Arbeitnehmer/innen sicher auffängt (Auffangsysteme). Persönliche Schutzausrüstung gegen Ertrinken oder Versinken ist persönliche Schutzausrüstung, die in eine Flüssigkeit gestürzte Arbeitnehmer/innen so schnell wie möglich an die Oberfläche zurückbringt und in einer Position hält, die bis zur Rettung das Atmen ermöglicht (Rettungswesten, Schwimmwesten, Rettungskombinationen, Schwimmhilfen).
(2) Arbeitgeber/innen müssen Arbeitnehmer/innen persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz, Ertrinken oder Versinken zur Verfügung stellen, wenn für diese eine oder mehrere der nachfolgenden Gefahren (§ 4) bestehen:
1. Absturz ...“
6 Die revisionswerbenden Parteien erachten die Revision als zulässig, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes den Arbeitnehmern eine persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt worden sei und auch kollektive technische Maßnahmen wie Geländer vorhanden gewesen seien, während der Vorwurf im Spruch laute, dass weder eine persönliche Schutzausrüstung noch kollektive technische Maßnahmen wie Geländer zur Verfügung gestellt worden seien. Dadurch habe das Verwaltungsgericht § 44a Z 1 und Z 2 VStG verletzt.
7 Dabei übersehen die revisionswerbenden Parteien, dass der Tatbestand des § 14 Abs. 1 PSA V die persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (Absturzsicherungssysteme) als persönliche Schutzausrüstung zur Sicherung von Arbeitnehmer/innen an einem Anschlagpunkt definiert. Genau dieser Vorwurf findet sich sowohl in den Feststellungen als auch im Spruch, während von einem Geländer in den Feststellungen keine Rede ist. Der behauptete Spruchfehler liegt demnach nicht vor.
8 Bringen die revisionswerbenden Parteien in diesem Zusammenhang vor, aus dem Spruch ergebe sich nicht, welcher Gefahr der Arbeitnehmer ausgesetzt gewesen sei, kann das Vorliegen einer Gefahr bei einer im Spruch festgestellten Absturzhöhe von bis zu sechs Metern („auf einem Container in ca. 5,5 m bis 6 m über Niveau“) nicht ernsthaft bezweifelt werden.
9 Am Ende der weiteren Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung (Punkte 3. bis 6.) halten die revisionswerbenden Parteien fest:
„Sofern ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung verneint werden würde, ist festzuhalten, dass es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 3, 14 PSA V sowie § 130 Abs. 1 Z 26 ASchG und insbesondere zur Gefahr, die für die Anwendung der §§ 3, 14 PSA V verwirklicht sein muss, fehlt.“
10 Abgesehen von den allgemeinen Verweisen auf Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG am Beginn der Zulässigkeitsbegründung, von denen wie oben in Rz 7 gezeigt worden ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen ist, findet sich in der Zulässigkeitsbegründung kein weiterer Hinweis auf Rechtsprechung, von der das angefochtene Erkenntnis abweiche oder die nicht einheitlich sei.
11 Nach der Rechtsprechung ist die Zulässigkeitsbegründung für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebend. Wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, ist konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Auch eine bloße Wiedergabe von Rechtssätzen von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder ein Zitieren von Erkenntnissen der Zahl nach, ohne auf konkrete Unterschiede hinzuweisen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen (VwGH 5.9.2018, Ra 2017/02/0198, mwN).
12 Eine wesentliche Rechtsfrage durch ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von Rechtsprechung haben die revisionswerbenden Parteien mangels näherer Darlegung solcher Rechtsprechung nicht aufgezeigt.
13 Dies gelingt auch nicht mit der Behauptung, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 3, 14 PSA V sowie § 130 Abs. 1 Z 26 ASchG, weil mit dem bloßen Hinweis auf fehlende Rechtsprechung zu näher bezeichneten Verwaltungsvorschriften nicht dargelegt wird, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die konkrete Revision zu lösen wäre (vgl. VwGH 23.9.2014, Ro 2014/01/0033).
14 Auch die Einschränkung in der Fragestellung „insbesondere zur Gefahr, die für die Anwendung der §§ 3, 14 PSA V verwirklicht sein muss“ führt nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil es sich dabei um eine abstrakte Rechtsfrage ohne Bezug zum konkreten Sachverhalt handelt, zu deren Beantwortung der Verwaltungsgerichtshof nicht gehalten ist (VwGH 21.6.2019, Ra 2019/02/0119, mwN).
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Februar 2021
Rückverweise