Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse Landesstelle Burgenland in Eisenstadt, vertreten durch Niederhuber Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm Spazier Straße 2a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2020, W167 2123956 1/11Z, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 4. Juli 2013 verpflichtete die Burgenländische Gebietskrankenkasse die R GmbH zur Entrichtung von nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträgen samt Beitragszuschlag für den Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2009. Drei namentlich genannte Personen (MB, GK und EK) seien aufgrund der Ergebnisse einer Prüfung des Betriebes der R GmbH als deren Dienstnehmer in die Pflichtversicherung nach dem ASVG nachträglich einzubeziehen gewesen.
2 Über das dagegen von der R GmbH erhobene Rechtsmittel entschied das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. April 2015, indem es den Bescheid vom 4. Juli 2013 gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufhob und die Angelegenheit an die Burgenländische Gebietskrankenkasse zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwies. Aus dem Bescheid vom 4. Juli 2013 sei nicht ersichtlich und nicht nachvollziehbar, dass sich die Burgenländische Gebietskrankenkasse mit der entscheidungsrelevanten Vorfrage, ob die Tätigkeit als Warenpräsentatoren, die MB, GK und EK für die R GmbH ausgeübt hätten, eine Pflichtversicherung nach dem ASVG begründete, auseinandergesetzt hätte. Es mangle diesbezüglich gänzlich an der Feststellung des Sachverhalts; MB, GK und EK seien von der Burgenländischen Gebietskrankenkasse zur Ausgestaltung ihrer Tätigkeit auch nicht befragt worden. Im fortgesetzten Verfahren obliege es der Burgenländischen Gebietskrankenkasse, das Bestehen der Versicherungspflicht nach dem ASVG für MB, GK und EK als Vorfrage für die Beitragsnachverrechnung im Rahmen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs festzustellen und einen neuen Bescheid zu erlassen.
3 Daraufhin erließ die Burgenländische Gebietskrankenkasse am 14. Dezember 2015 einen Bescheid mit zwei Spruchpunkten:
4 Mit Spruchpunkt I. dieses Bescheides sprach sie aus, MB unterliege im Zeitraum vom 17. Jänner 2008 bis zum 2. Juni 2008, GK unterliege im Zeitraum von 9. Juni 2006 bis 2. Oktober 2006 und EK unterliege im Zeitraum von 19. April 2006 bis 28. Dezember 2007 als Dienstnehmer der R GmbH aufgrund der jeweils für diese in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit der Pflicht (Voll )versicherung in der Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG bzw. § 1 Abs. 1 lit. a AlVG.
5 In Spruchpunkt II. dieses Bescheides wiederholte die Burgenländische Gebietskrankenkasse die Vorschreibung von nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträgen samt Beitragszuschlag für den Zeitraum 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2009 an die R GmbH wie im Bescheid vom 4. Juli 2013.
6 Dagegen erhob die R GmbH Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis („Teilerkenntnis“) vom 17. Juli 2020 entschied das Bundesverwaltungsgericht nur insoweit über diese Beschwerde, als sie sich gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 14. Dezember 2015 richtete, und behob diesen Spruchpunkt ersatzlos. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
8 Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, im Fall einer Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde sei die Behörde wie auch das Verwaltungsgericht selbst im zweiten Rechtsgang an die die Aufhebung tragenden Gründe und an die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht gebunden. Der Verfahrensgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens werde daher durch den ursprünglich behobenen Bescheid vom 4. Juli 2013 und die diesbezügliche Aufhebungs- und Zurückverweisungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorgegeben. Die Burgenländische Gebietskrankenkasse habe mit dem Bescheid vom 4. Juli 2013 eine Beitragsnachverrechnung gegenüber der R GmbH vorgenommen. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Aufhebungs und Zurückverweisungsbeschluss vom 8. April 2015 die Rechtsansicht vertreten, dass „die Dienstnehmereigenschaft [von MB, GK und EK] als Vorfrage des Beitragsnachverrechnungsverfahrens zu klären und diese Personen als Zeugen zu vernehmen sind.“ Der „gesonderte und erstmalige Abspruch über die Dienstnehmereigenschaft“ entspreche „in dieser Form nicht der vom Bundesverwaltungsgericht für das gegenständliche Verfahren zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht“.
9 Mit dem weiteren Beschluss vom 1. September 2020, W167 2123956 1/22E, stellte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren betreffend die Beschwerde der R GmbH gegen Spruchpunkt II. des Bescheides der Burgenländischen Gebietskrankenkasse vom 14. Dezember 2015 ein.
10 Das Bundesverwaltungsgericht hielt in diesem Beschluss insbesondere fest, dass der im Jahr 2019 über das Vermögen der R GmbH eröffnete Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger nunmehr rechtskräftig aufgehoben worden sei. Die R GmbH sei gemäß § 40 FBG am 26. August 2020 infolge Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht worden. Auf die strittige Beitragsschuld seien von der R GmbH keine Zahlungen geleistet worden. Rechtlich würdigte das Bundesverwaltungsgericht diesen Sachverhalt dahin, dass mangels Zahlungen auf die strittige Beitragsschuld sogar „eine vollinhaltliche Stattgabe zu keinem Vermögen der [R GmbH] führen könnte“. Daher sei nach der Rechtsprechung von der Vollbeendigung der gelöschten GmbH auszugehen. Deshalb sei die Rechts- und Parteifähigkeit der R GmbH im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weggefallen und die Beschwerde gegenstandslos geworden.
11 Nur gegen das „Teilerkenntnis“ vom 17. Juli 2020 erhob die Österreichische Gesundheitskasse als Rechtsnachfolgerin der Burgenländischen Gebietskrankenkasse die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
12 Die Revision die insbesondere eine Abweichung von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Reichweite der Bindung an die Gründe der Aufhebung eines Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter und dritter Satz VwGVG und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde geltend macht ist zulässig und berechtigt.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 29.6.2017, Ra 2016/04/0118, mwN) erstreckt sich die Bindung an die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlüssen gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht. Darüber hinausgehende Äußerungen in der Begründung des Beschlusses nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, die nicht für die Aufhebung maßgeblich waren („obiter dicta“) bzw. in denen das Verwaltungsgericht der Behörde beitritt, entfalten hingegen keine Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren.
14 Der tragende Grund für die mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 2015 ausgesprochene Aufhebung des Bescheides der Burgenländischen Gebietskrankenkasse vom 4. Juli 2013 war der Umstand, dass es gänzlich an Sachverhaltsfeststellungen zur Tätigkeit als Warenpräsentatoren, die MB, GK und EK für die R GmbH ausgeübt hätten, gemangelt habe. Der weitere Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts, im fortgesetzten Verfahren obliege es der Burgenländischen Gebietskrankenkasse, das Bestehen der Versicherungspflicht nach dem ASVG für MB, GK und EK als Vorfrage für die Beitragsnachverrechnung im Rahmen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter Wahrung des Parteiengehörs festzustellen, vermag jedenfalls insoweit keine Bindungswirkung zu entfalten, als er der Burgenländischen Gebietskrankenkasse verböte, die Versicherungspflicht als Hauptfrage in einem gesonderten Ausspruch festzustellen.
15 Da das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 11. Jänner 2023
Rückverweise