Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des X Y in Z, vertreten durch die Fröhlich Kolar-Syrmas Karisch Rechtsanwälte GbR in 8010 Graz, Sackstraße 15/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts
vom 27. Februar 2019, W146 2202801-1/10E, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres; weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der im Jahr 1960 geborene Revisionswerber stand bis zu der mit dem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochenen Entlassung als Polizist im Dienstgrad eines Kontrollinspektors in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Zuletzt war der Revisionswerber als zweiter stellvertretender Kommandant in einer Polizeiinspektion eingesetzt und unter anderem mit den Sachbereichen Beschwerdeangelegenheiten, Verkehrsdienst und Dienstplanung betraut.
2 Mit Disziplinarerkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 23. Juli 2018 wurde der Revisionswerber wie folgt schuldig gesprochen (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Der (Revisionswerber) ist gemäß § 126 Abs. 2 BDG (1979) schuldig: Er hat vom 08. Juli 2017, ca. 13:00 Uhr bis 09. Juli 2017, ca. 03:00 Uhr, im Außendienst und in Uniform - teilweise gemeinsam mit GrInsp FR und während eines beträchtlichen Teils des Tages in Anwesenheit einer in den praktischen Außendienst einzuweisenden Polizeipraktikantin (Polizeischülerin) - seine dienstlichen Aufgaben entgegen der Dienstaufträge DE-Nr. 01775/2017 und DE-Nr. 01778/2017 gröblich vernachlässigt und dadurch seine Dienstpflichten verletzt und zwar:
1. Er hat sich im Zeitraum von ca. 13:00 bis 15:00 Uhr
a. ohne dienstlichen Grund am Privatanwesen des AH in L aufgehalten und
b. in diesem Zeitraum sechs Getränke (Holundersaft und Weißweinmischungen) und eine Jause konsumiert, welche er unentgeltlich angenommen hatte.
2. Er hat sich von ca. 16:00 bis 19:30 Uhr (bis 17:50 Uhr gemeinsam mit GrInsp FR sowie der Polizeipraktikantin) im ‚Laufhaus L' aufgehalten, obwohl es dienstlich für maximal 20 Minuten notwendig war und
a. die Prostituierte ‚ Melinda ' aufgefordert, mit ihm aufs Zimmer zu gehen, was von ihr wegen ihres freien Tages abgelehnt wurde;
b. nach Einnahme eines Potenzmittels (Jelly), die Leistungen der Prostituierten ‚ Black Diamond ', entgeltlich, in Anspruch genommen und
c. seinen Einsatzgurt samt geladener Dienstwaffe ‚Glock 17' abgelegt und sich nicht weiter darum gekümmert, sodass dieser von der Polizeipraktikantin gesichert werden musste.
3. Er hat sich während des Aufenthaltes im Laufhaus gegenüber der Polizeipraktikantin eines diskriminierenden und Frauen als Sexualobjekte darstellenden Sprachgebrauchs bedient, indem er im Laufhaus,
a. wiederholt sagte ‚dass es schon ein paar fesche Katzen da gebe, eine aber besonders geil sei',
b. sie fragte, welche ‚Vorlieben' sie denn hätte und dass der Besitzer des Laufhauses ein ‚Tier' sei und sie ihn doch ‚geil' finden müsse,
c. ihr gegenüber andeutete, dass sie mit einer der Prostituierten ins Zimmer gehen solle und
d. dass er es der Pornodarstellerin ‚so richtig geben' werde.
4. Er hat es unterlassen, die Anweisung der Bezirksleitstelle, im LKH W einen Alkotest bei einem Kraftfahrzeuglenker (durchzuführen), der im Verdacht stand alkoholisiert ein Kraftfahrzeug gelenkt und einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht zu haben, zu befolgen und diese Amtshandlung nicht übernommen.
5. Er hat es unterlassen, einen ab 18:00 Uhr angeordneten Verkehrsüberwachungsdienst (Verkehrsregelung beim Rathaus in L), durchzuführen.
6. Er hat es unterlassen, den angeordneten Dienst in der Bezirksleitstelle L um 19:00 Uhr pünktlich anzutreten (Dienstantritt: nach 19:30 Uhr).
7. Er hat während seines Dienstes in der Bezirksleitstelle L, in der Zeit von ca. 19:30 bis 03:00 Uhr,
a. die Anfrage einer Außendienststreife, nach Priorierung einer Person wegen Suizid-Ankündigung, nicht bearbeitet,
b. es ab 20:00 Uhr unterlassen, das Leitstellenprotokoll zu führen."
3 Der Revisionswerber habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich seine dienstlichen Aufgaben gewissenhaft, treu und unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu erfüllen, § 43 Abs. 2 BDG 1979 - teilweise in Verbindung mit § 8a B-GlBG -, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibe, § 43a BDG 1979, nämlich Mitarbeitern mit Achtung zu begegnen, § 44 Abs. 1 BDG 1979, teilweise in Verbindung mit dem Erlass BMI-0A1300/0071-II/1/b/2014, nämlich die Weisungen seiner Vorgesetzten zu beachten, § 45 Abs. 1 BDG 1979, nämlich seine Aufgaben als Vorgesetzter gegenüber Mitarbeitern zu erfüllen, § 48 Abs. 1 BDG 1979, nämlich die im Dienstplan angeordneten Dienststunden einzuhalten und § 59 Abs. 1 BDG 1979, nämlich im Hinblick auf seine amtliche Stellung kein Geschenk, oder einen anderen Vermögensvorteil anzunehmen oder zu fordern, gemäß § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt, weshalb über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 15.000 Euro verhängt wurde. Von weiteren Vorwürfen wurde der Revisionswerber gemäß §§ 118 Abs. 1 Z 3, 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen.
4 Die Disziplinarkommission führte dazu begründend aus, dass ein gegen den Revisionswerber geführtes Strafverfahren wegen § 302 StGB - wobei der strafgerichtliche Vorwurf mit dem vierten Punkt des Disziplinarerkenntnisses korrespondiere - am 12. Juli 2018 gemäß § 200 Abs. 5 StPO eingestellt worden sei.
Weiters ging sie von folgendem Sachverhalt aus:
"Vorbemerkungen:
Während der zweijährigen Grundausbildung für den Polizeidienst gibt es für die Polizeischüler zwei Praxisphasen, in denen sie größeren Polizeidienststellen zugewiesen werden. Sie werden dann gemeinsam mit zumindest zwei erfahrenen Beamten zum Außendienst eingeteilt; der Zweck liegt darin, die angehenden Polizisten in die Praxis der Polizeiarbeit einzuweisen. Die Polizeipraktikantin Asp. HS absolvierte gemäß Befehl der LPD S, GZ P6/26486/2017, vom 24.04.2017, in der (Polizeiinspektion) ihre erste Praxisphase, mit dem Beginn ab 01.06.2017. Am Samstag, dem 08. Juli 2017, waren der (Revisionswerber) und Gruppeninspektor FR gemäß DE-Nr. 01775/2017 und DE-Nr. 01778/2017 zu folgenden Diensten eingeteilt:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
28 Die Revision ist aus den ausgeführten Gründen zulässig und auch begründet.
29 Hinsichtlich der Strafbemessung war im vorliegenden Fall § 93 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, in der Fassung der Dienstrechtsnovelle 2008, BGBl. I Nr. 147, anzuwenden, der wie folgt lautet:
"Strafbemessung
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind."
30 Zu dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, 2011/09/0105, Folgendes grundlegend ausgeführt:
"Zu der nunmehr anzuwendenden Rechtslage ist zu bemerken, dass der erste Satz des § 93 Abs. 1 BDG 1979 durch die Dienstrechts-Novelle 2008 nicht verändert worden ist. Nach wie vor gilt als ‚Maß für die Höhe der Strafe' die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der ‚Strafbemessungsschuld' des Strafrechtes und für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend als auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der ‚Unrechtsgehalt') wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 18. September 2008, Zl. 2007/09/0320, und vom 29. April 2011, Zl. 2009/09/0132, mwN).
Es ist Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). Daran hat sich auch durch die Dienstrechts-Novelle 2008 nichts geändert.
Unverändert ist durch die Dienstrechts-Novelle 2008 auch § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 geblieben, wonach bei der Strafbemessung die nach dem Strafgesetzbuch maßgebenden Gründe dem Sinne nach zu berücksichtigen sind und daher hinsichtlich des Grades des Verschuldens nach dem gemäß zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen ist, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Ferner sind weiterhin die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, eine Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis.
Durch die Dienstrechts-Novelle 2008 wurde jedoch im zweiten Satz des § 93 Abs. 1 BDG die Zielsetzung ‚der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken', als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten. Dementsprechend enthalten die oben wiedergegebenen Gesetzeserläuterungen die Aussage, es solle nach der Novelle möglich sein, dass ‚bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen' sein werde.
Aus der Einführung von generalpräventiven Strafbemessungsgründen geht auch die in den wiedergegebenen Gesetzeserläuterungen hervorgehobene Konsequenz hervor, dass dann, wenn aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung erforderlich ist, zur Vermeidung einer Entlassung nicht mehr geprüft werden muss, ob es für den Beamten eine Verwendungsmöglichkeit gibt, in welcher er nicht in Gefahr geraten würde, weitere Dienstpflichtverletzungen zu begehen."
31 Mit dieser Novelle wurde das Strafbemessungskriterium der Generalprävention (Bemessung der Strafe soweit dies erforderlich ist um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken) neben jenem der Spezialprävention (Bemessung der Strafe soweit dies erforderlich ist um der Begehung von weiteren Dienstpflichtverletzungen durch den Beschuldigten entgegenzuwirken) in das Gesetz eingeführt. Beide Gesichtspunkte müssen bei der Strafbemessung ausgehend von der Schwere der Dienstpflichtverletzung ebenso wie die Erschwerungs- und die Milderungsgründe im Rahmen einer Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden.
32 Wenn es, wie auch in den Gesetzeserläuterungen ausgeführt, nunmehr möglich ist, "bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen" (vgl. ErläutRV 1 BlgNR 24. G P, 5) so bedeutet dies doch nicht, dass bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen Milderungsgründe nicht auch zu berücksichtigen wären und die Strafbemessung nicht auch hier in einer Gesamtbetrachtung insbesondere sowohl der Erschwerungsgründe als auch der Milderungsgründe unter Einbeziehung und Würdigung aller für die Ausmessung der Strafe gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 maßgeblichen Gesichtspunkte geboten wäre (vgl. zum Ganzen auch VwGH 10.12.2014, Ro 2014/09/0040).
33 Das Bundesverwaltungsgericht wertete - wie bereits die Disziplinarkommission - den stundenlangen Aufenthalt des Revisionswerbers während seines Dienstes im Laufhaus samt sexueller Aktivität, die Äußerungen gegenüber der Polizeischülerin und das Ablegen der Dienstwaffe als schwerste Dienstpflichtverletzung. Dieser Einschätzung ist nicht entgegenzutreten. Ebensowenig jener, dass es sich dabei um eine derart schwerwiegende Dienstpflichtverletzung handelt, die in der Zusammenschau mit den weiteren Dienstpflichtverletzungen, die gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 als Erschwerungsgründe zu werten sind, grundsätzlich geeignet ist, eine Entlassung zu tragen. 34 Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den weiteren Umständen, die nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in eine Gesamtbetrachtung einzufließen haben, sind jedoch nicht tragfähig, weshalb die mangelhafte Begründung die Abwägungsentscheidung insgesamt mit Rechtswidrigkeit belastet.
35 Zunächst ist festzuhalten, dass dem Revisionswerber ohne weitere Feststellungen nicht anzulasten ist, wenn er sich nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Taten bei seinen Kollegen entschuldigte, weil er sich nach der Tat - und bevor seine stationäre Alkoholentziehungskur begann - bereits in einem mehrwöchigen Krankenstand befand. Die einem Krankenstand zugrunde liegende Krankheit kann einem Disziplinarbeschuldigten nicht (ohne weiteres) vorgeworfen werden. Dass der Revisionswerber zu Unrecht in Krankenstand gewesen wäre, ergibt sich weder aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses noch wird dies vom Bundesverwaltungsgericht näher ausgeführt.
36 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, kommt bei der Erstellung einer Prognose über das zukünftige Verhalten einer natürlichen Person der Verschaffung eines - im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen - persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zu. Bei der Entscheidung über eine disziplinarrechtliche Schuld und Strafe, bei welcher es gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ua darauf ankommt, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, ist eine solche Prognoseentscheidung zu treffen (VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0208). Dabei sind Eindrücke aus der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu verwerten. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es aber ohne Darstellung dieser Eindrücke verwehrt, ein (auch nicht anderweitig objektiv dokumentiertes) Verhalten des Revisionswerbers vor der Disziplinarkommission allein aufgrund der Angaben des Disziplinaranwaltes - der wie der Revisionswerber Partei des Disziplinarverfahrens ist - zu seinen Lasten zu verwerten. Von der Disziplinarkommission war - aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks in der Verhandlung vor der Disziplinarkommission - das Geständnis des Revisionswerbers noch als glaubhaft reumütig und der Revisionswerber als sichtlich gezeichnet beschrieben worden, der sein Fehlverhalten eingesehen und aufgearbeitet habe. Das Bundesverwaltungsgericht durfte in diesem Zusammenhang dieser Beurteilung ausschließlich seinen eigenen unmittelbaren persönlichen Eindruck entgegenstellen.
37 Soweit das Bundesverwaltungsgericht anschließend ausführt, dass die Erschwerungsgründe die Milderungsgründe bei weitem überwiegen - die Disziplinarkommission war noch zum gegenteiligen Ergebnis gekommen - sind auch diese Ausführungen nicht tragfähig. 38 Wie der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, handelt es sich bei der Entscheidung über ein Disziplinarerkenntnis nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinn des Art. 130 Abs. 3 B-VG. Kommt das Verwaltungsgericht zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung, so darf es daher vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen. Jedoch ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte. Es hat bei einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und nur dabei auch selbst eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 21.4.2015, Ra 2015/09/0009; 13.12.2016, Ra 2016/09/0038; 24.1.2019, Ra 2018/09/0208, mwN).
39 Für die Strafbemessung im engeren Sinn sind neben der Prüfung, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, die Erschwerungs- und Milderungsgründe im Sinn der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren. Danach ist ein Erschwerungsgrund insbesondere, wenn der Täter mehrere strafbare Handlungen derselben oder verschiedener Art begangen oder die strafbare Handlung durch längere Zeit fortgesetzt hat, schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist oder etwa einen anderen zur strafbaren Handlung verführt hat, Urheber oder Anstifter einer von mehreren begangenen strafbaren Handlung oder an einer solchen Tat führend beteiligt gewesen ist. Ein Milderungsgrund liegt u.a. insbesondere vor, wenn der Täter bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, er die Tat nur aus Unbesonnenheit oder durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet begangen hat, die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen, der Schaden vom Täter oder von einem Dritten für ihn gutgemacht worden ist oder er sich ernstlich bemüht hat, den verursachten Schaden gutzumachen oder weitere nachteilige Folgen zu verhindern, ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, er die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat oder etwa das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat. 40 Wie ausgeführt ist nach § 93 Abs. 2 BDG 1979 die Strafe nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen, die weiteren Dienstpflichtverletzungen sind als Erschwerungsgrund (im Sinn des § 33 Abs. 1 Z 1 StGB) zu werten. Einzelne Aspekte der Tathandlungen, die bereits den disziplinären Vorwurf bildeten, und daher bei der Verhängung der Disziplinarstrafe berücksichtigt wurden, können hingegen nicht nochmals als eigene Erschwerungsgründe gewertet werden. Auch im Disziplinarverfahren darf ein bereits die Dienstpflichtverletzung ausmachendes Tatbestandsmerkmal bei der Strafbemessung nicht nochmals als erschwerender oder als mildernder Umstand gewertet werden. So können die Umstände, die bereits bei der Bemessung der Disziplinarstrafe verwertet wurden, nicht abermals als besondere Erschwerungsgründe berücksichtigt werden.
41 Auch hinsichtlich der disziplinären Vorstrafen des Revisionswerbers bedürfte es für die Entscheidung, ob diese als Erschwerungsgrund zu werten sind, weiterer Feststellungen: Gemäß § 121 Abs. 2 BDG 1979 darf die erfolgte disziplinäre Bestrafung in einem weiteren Disziplinarverfahren nicht berücksichtigt werden, wenn der Beamte innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft der Disziplinarverfügung oder des Disziplinarerkenntnisses keine Dienstpflichtverletzung begangen hat. Diese Bestimmung verbietet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht, dass auf das der disziplinären Bestrafung zugrunde liegende Verhalten auch nach Ablauf der in § 121 Abs. 2 BDG 1979 genannten Zeit zwecks Beurteilung der gesamten Persönlichkeitsstruktur des Täters sowohl im Hinblick darauf, ob der Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 2 StGB vorliege als auch zur Beurteilung, ob für den Täter die Prognose erstellt werden könne, er werde sich in Zukunft wohlverhalten, Bedacht genommen werden darf (siehe VwGH 19.3.2014, 2013/09/0179, mit Hinweis auf VwGH 27.1.2011, 2010/09/0243). Feststellungen zu dem, den offenbar bereits getilgten Vorstrafen zugrunde liegenden Verhalten traf das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht.
42 Gleichfalls können sich die rechtlichen Ausführungen zu den Dienstbeurteilungen bzw. den Äußerungen von Vorgesetzten nicht auf Feststellungen im Erkenntnis hiezu stützen.
43 Zu Gunsten des Revisionswerbers wertete das Bundesverwaltungsgericht die von ihm begonnene Alkoholentziehungstherapie. Es kam im Hinblick auf den Umstand, dass der Revisionswerber seit Jahren Alkohol im Dienst konsumiert habe, jedoch zum Schluss, dass es einen Rückfall in alte Verhaltensmuster geben könne. Diese negative Prognoseentscheidung greift jedoch zu kurz und bedarf zunächst jedenfalls weiterer Feststellungen etwa dahingehend, ob der Revisionswerber in der Vergangenheit bereits eine Therapie begonnen oder unternommen hatte und dennoch ein Rückfall stattfand, oder ob aus seiner nunmehr erstmals angegangenen Therapie eher auf einen Gesinnungswandel geschlossen werden könnte.
44 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
45 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. 46 Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 25. September 2019