Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., in der Revisionssache des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße in 1100 Wien, Laxenburger Straße 18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2019, W229 2204437 1/7E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: I K in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid vom 5. März 2018 sprach das Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße (im Folgenden: AMS) aus, dass die Mitbeteiligte gemäß § 38 iVm. § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe von 8. Februar 2018 bis 21. März 2018 verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt.
2 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2. Mai 2018 wies das AMS die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten ab. Der Mitbeteiligten sei eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft angeboten worden. Dieses Angebot habe die Mitbeteiligte abgelehnt. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung des AMS ersatzlos auf und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte sei vom AMS zur Teilnahme an einer Veranstaltung mit dem Titel „Vorbereitungsmaßnahme für [I GmbH] Vorauswahltermin“ aufgefordert worden. Im Einladungsschreiben sei ihr mitgeteilt worden, dass im Rahmen eines vom Arbeitsmarktservice geförderten sozialökonomischen Betriebes der I GmbH eine „Vorbereitungsmaßnahme“ angeboten werde, die dazu diene, ein anschließendes befristetes Dienstverhältnis bei der I GmbH vorzubereiten. Im Zuge dieses anschließenden befristeten Dienstverhältnisses sei ein Einsatz am allgemeinen Arbeitsmarkt im Weg einer Arbeitskräfteüberlassung beabsichtigt. Während der Vorbereitungsphase werde weiterhin die bisherige Leistung aus der Arbeitslosenversicherung oder eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in der Höhe der bisherigen Leistung erbracht werden.
5 Die Mitbeteiligte sei zum vom AMS angegebenen Termin bei der I GmbH erschienen und habe dort im Zuge eines Erstgespräches mit einer Mitarbeiterin dieses Unternehmens mitgeteilt, dass sie eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren wolle. Ihr sei entgegnet worden, dass es das Ziel der I GmbH sei, die Teilnehmer bei der Suche eines Arbeitsplatzes zu unterstützen, eine Möglichkeit zur Absolvierung einer Weiterbildung aber nicht bestehe. Daraufhin habe die Mitbeteiligte die Ablehnung einer Teilnahme zum Ausdruck gebracht.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligten sei lediglich eine „Vorbereitungsmaßnahme“ mit dem Ziel der Unterstützung beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, nicht aber eine Beschäftigung angeboten worden. Es sei für die Mitbeteiligte auch nicht erkennbar gewesen, dass ein konkretes Dienstverhältnis unmittelbar in Aussicht gestanden wäre. Die vorsätzliche Vereitelung einer Beschäftigung könne ihr daher nicht vorgeworfen werden.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des AMS. Die Mitbeteiligte hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Das AMS führt zur Zulässigkeit seiner Revision aus, die Mitbeteiligte sei zu einem konkreten Vorauswahltermin für eine Beschäftigung bei der I GmbH einer gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasserin eingeladen worden, wobei aus der Einladung hervorgegangen sei, dass nach einer Einstiegsphase von maximal drei Monaten ein Transitdienstverhältnis angeboten würde. Die Ablehnung einer derartigen Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb sei nach § 10 AlVG zu sanktionieren. Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannt habe, sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 22.7.2013, 2012/08/0058) abgewichen. Aus § 9 Abs. 7 AlVG sei weiters abzuleiten, dass Beschäftigungen am zweiten Arbeitsmarkt auch „Maßnahmeninhalte“ aufweisen dürften. Ein Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse von Arbeitssuchenden sei für derartige Beschäftigungen charakteristisch. Soweit das Bundesverwaltungsgericht bemängelt habe, dass das Stellenangebot noch keine konkrete Beschreibung des Arbeitsplatzes beinhaltet hätte, werde übersehen, dass die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz erst Gegenstand der angebotenen Beschäftigung bei der I GmbH gewesen wäre.
12 Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
13 Nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert eine arbeitslose Person, die sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen bzw. unter näher umschriebenen Voraussetzungen acht Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Dieselbe Sanktion löst gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG eine ohne wichtigen Grund erfolgte Verweigerung der Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt oder die Vereitelung des Erfolgs einer solchen Maßnahme aus. Gemäß § 38 AlVG ist die Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
14 Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch „ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)“ als (zumutbare) Beschäftigung erklärt. Ein Verhalten im Sinn von § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG im Hinblick auf einen sozialökonomischen Betrieb somit die Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung bzw. die Nichtannahme einer vom sozialökonomischen Betrieb angebotenen Beschäftigung kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen (vgl. VwGH 17.3.2014, 2012/08/0073, mwN). Voraussetzung der Verhängung der Sanktion ist insbesondere, dass eine derartige angebotene Beschäftigung der Prüfung der Zumutbarkeit im Einzelfall (vgl. § 9 Abs. 7 AlVG) standhält, somit insbesondere den Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG entspricht (vgl. VwGH 1.6.2017, Ra 2016/08/0120, mwN).
15 Eine Erfüllung des Tatbestandes nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG kommt aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn überhaupt keine Zuweisung zu einer Beschäftigung somit kein Angebot eines konkreten Dienstverhältnisses erfolgt ist (vgl. VwGH 15.5.2013, 2012/08/0184). Im vorliegenden Fall hat das AMS der Mitbeteiligten eine „Vorbereitungsmaßnahme“ angeboten. Es ist nach den Feststellungen nicht zweifelhaft, dass diese Maßnahme nicht wie dies etwa bei einer Einschulung zu Beginn eines Dienstverhältnisses denkbar wäre Teil eines Beschäftigungsverhältnisses gewesen wäre. Durch die Verweigerung der Teilnahme an der Maßnahme wird, wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG somit schon mangels Zuweisung zu einer Beschäftigung nicht erfüllt.
16 Die in der Revision angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.7.2013, 2012/08/0058) betraf die Vereitelung des Zustandekommens einer zugewiesenen (zumutbaren) Beschäftigung. Derartiges lag im vorliegenden Fall entgegen der Revision nicht vor, sodass diese Rechtsprechung hier nicht einschlägig ist.
17 Eine Maßnahme, mit der eine Beschäftigung insbesondere auch bei einem sozialökonomischen Betrieb durch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vorbereitet wird, könnte allenfalls eine Wiedereingliederungsmaßnahme darstellen und bei ihrer Verweigerung bzw. Vereitelung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG zum Anspruchsverlust führen (vgl. zu einer solchen Konstellation VwGH 13.11.2013, 2013/08/0157; vgl. näher zum Begriff der Wiedereingliederungsmaßnahme VwGH 14.11.2012, 2010/08/0023, mwN). Dass die von der Mitbeteiligten verweigerte „Vorbereitungsmaßnahme“ eine Wiedereingliederungsmaßnahme in diesem Sinn gewesen wäre bzw. die Voraussetzungen einer Zuweisung zu einer solchen Maßnahme vorgelegen wären (vgl. dazu etwa VwGH 31.7.2014, 2013/08/0279; 14.01.2013, 2010/08/0177), wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber nicht dargetan und wird auch in der Revision nicht behauptet.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. März 2021
Rückverweise