Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des E B in W, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2016, W184 1255691- 2/15E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Ghana, reiste am 15. August 2004 illegal nach Österreich ein und stellte hier am nächsten Tag einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27. August 2012 zur Gänze rechtskräftig abgewiesen; unter einem wurde die Ausweisung des Revisionswerbers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ghana verfügt.
2 Bereits davor, nämlich am 7. Februar 2012 hatte der Revisionswerber einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG (in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung vor dem FNG) gestellt. Die Erteilung dieses Aufenthaltstitels war an die Voraussetzung geknüpft, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Oktober 2013 gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG (in der genannten Fassung) zurückgewiesen, weil gegen den Revisionswerber eine Ausweisung rechtskräftig erlassen worden war und in Bezug auf sein Privat- und Familienleben ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen sei. Das dagegen erhobene Rechtsmittel wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 15. April 2014 ab.
3 Hierauf wurde der Revisionswerber in einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 20. Mai 2014 aufgefordert, sich ein Reisedokument für die Ausreise zu besorgen; kurz darauf wurde vom BFA auch die Ausstellung eines sogenannten "Heimreisezertifikates" in die Wege geleitet.
4 Der weiterhin in Österreich verbliebene Revisionswerber stellte sodann am 29. Jänner 2015 den gegenständlichen Antrag, der (nach einer entsprechenden Änderung primär) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "aus Gründen des Art 8 EMRK" gemäß § 55 AsylG 2005 gerichtet war. Bei der Antragstellung legte der Revisionswerber (u.a.) einen für ihn bereits im Juni 2008 in Bern ausgestellten Reisepass seines Herkunftsstaates vor.
5 Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 22. Februar 2016 ab, weil die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht - wie von der genannten Bestimmung als Voraussetzung gefordert - gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten sei. Eine Rückkehrentscheidung werde - so das BFA - gesondert ergehen.
6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. Oktober 2016 gemäß § 55 AsylG 2005 als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Vorauszuschicken ist, dass es im vorliegenden Fall maßgeblich auf die Beurteilung der Frage ankommt, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 für den Revisionswerber zur Aufrechterhaltung seines Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Diese Frage wurde sowohl im Asylverfahren bei der im Instanzenzug erfolgten Erlassung der Ausweisung durch den Asylgerichtshof im Erkenntnis vom 27. August 2012 als auch im Niederlassungsverfahren bei Bestätigung der Antragszurückweisung durch das Verwaltungsgericht Wien im Erkenntnis vom 15. April 2014 und nunmehr auch im gegenständlichen Verfahren vom BFA und vom BVwG verneint. Dabei war jeweils unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, Rz 8, mwN).
10 Unter Berufung (insbesondere) auf das zitierte Erkenntnis macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision geltend, das BVwG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einem mehr als zehn Jahre dauernden Aufenthalt eines Fremden abgewichen. In diesem Zusammenhang verweist der Revisionswerber auf die ununterbrochene Aufenthaltsdauer von mittlerweile zwölf Jahren und auf seine bisher erlangte Integration (v.a. Nachweis über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2, großer Freundes- und Bekanntenkreis, besonderes Naheverhältnisses zu einem älteren österreichischen Staatsbürger, der ihn nunmehr in seiner Wohnung aufgenommen habe, seit Kurzem bestehende Beziehung samt Heiratsabsicht mit einer österreichischen Staatsbürgerin, Tätigkeit beim Verein der "Pfingstgemeinden", regelmäßiger Besuch einer Bücherei und Arbeitsvorvertrag als Küchenhilfe) sowie auf seine Unbescholtenheit.
11 Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253 (siehe Rz 9 und 10), einmal mehr wiederholte, schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung sei nicht anzunehmen, dass einer während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen sei. Daran knüpfe die ständige - auch im vorliegenden Fall vom Revisionswerber für sich ins Treffen geführte - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt habe, um sich sozial und beruflich zu integrieren, seien Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen worden (vgl. daran anschließend zuletzt das Erkenntnis vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/21/0168, Rz 31).
12 Allerdings ist auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2016, Ro 2016/22/0005, Rz 13 bis 16, und darauf Bezug nehmend das schon genannte Erkenntnis vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/21/0168, Rz 33).
13 Das BVwG hat im vorliegenden Fall auf die unter Rz 11 dargestellte Judikatur Bedacht genommen, jedoch im Sinne der Ausführungen in der Rz 12 dem Revisionswerber - die Aufenthaltsdauer relativierend - vorgeworfen, er sei der seit Erlassung des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes Ende August 2012 bestehenden Ausreiseverpflichtung, obwohl er über einen Reisepass verfügt habe, nicht nachgekommen und auch nach rechtskräftiger Zurückweisung seines Niederlassungsbewilligungsantrages im April 2014 ohne Grund - nunmehr insgesamt vier Jahre - weiterhin unrechtmäßig in Österreich verblieben. "Es verstehe sich von selbst, dass einem Privatleben, das nach zwei negativen Entscheidungen im August 2012 bzw. im April 2014 begründet" worden sei, kein großes Gewicht zukommen könne. Das Erreichen der von der Rechtsprechung entwickelten "Zehn-Jahres-Grenze" stelle zwar eine Sachverhaltsänderung im Vergleich zu den früheren Entscheidungen dar, doch führe die Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK - wie das BVwG noch näher unter Bedachtnahme auch auf die in der Revision ins Treffen geführten integrationsbegründenden Umstände darlegte - im Ergebnis letztlich neuerlich zu keinem Überwiegen der privaten Interessen, zumal dem Revisionswerber die jahrelange Missachtung der Ausreiseaufforderung zum Vorwurf zu machen sei.
14 Dem BVwG ist darin zu folgen, dass der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag stellte, obwohl die für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels maßgebliche Frage, ob ihm auf Basis des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltsrecht zukommt, bereits zweimal verneint worden war. Davon ausgehend durfte das BVwG die Aufenthaltsdauer als relativiert ansehen und insgesamt nach Verschaffung auch eines persönlichen Eindrucks in einer mündlichen Verhandlung bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG - in vertretbarer Weise - zu einem betreffend die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels negativen Ergebnis kommen. Das steht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zulässigkeit einer Revision entgegen (vgl. unter Vielen etwa den Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0163, Rz 10, mwN).
15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 dritter Fall VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 23. Februar 2017