Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des M N in W, vertreten durch Dr. Susanne Chyba, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Josefstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2014, Zl. W193 1419265- 1/16E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
I. Sachverhalt und Revisionsverfahren
1. Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, beantragte am 17. Jänner 2011 in Österreich internationalen Schutz und begründete diesen Antrag zusammengefasst damit, außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen gehabt zu haben, deren Familie ihm aus Gründen der Ehre deshalb nach dem Leben trachte. Auch die afghanische Polizei habe schon nach ihm gesucht. Im Beschwerdeverfahren verwies der Revisionswerber überdies darauf, dass auch Männer in Afghanistan, die des außerehelichen Geschlechtsverkehrs bezichtigt werden, schwere Strafen zu erwarten hätten.
2. Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis gewährte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) dem Revisionswerber subsidiären Schutz und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung; eine in erster Instanz vorgenommene Ausweisung wurde ersatzlos behoben (Spruchpunkte II. bis IV.).
Mit Spruchpunkt I. des nur insoweit angefochtenen Erkenntnisses wies das BVwG den Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
Zur mangelnden Berechtigung des Asylansuchens stellte das BVwG zunächst wörtlich fest:
"(Der Revisionswerber) ist volljährig, afghanischer Staatsangehöriger, gehört der hazarischen Volksgruppe an, ist muslimisch-schiitischen Glaubensbekenntnisses und seine Muttersprache ist dari. Er stammt aus Kabul (...), wo er gewohnt und gelebt hat. Die Identität des (Revisionswerbers) konnte (...) nicht festgestellt werden.
Im Jahr 2010 verließ der (Revisionswerber) Afghanistan.
Der (Revisionswerber) ist gesund und arbeitsfähig und hat als Damenschneider gearbeitet. Er lebt seit mehr als drei Jahren in Österreich und ist strafrechtlich unbescholten."
Im Folgenden setzte sich das BVwG mit der Lage in Afghanistan auseinander und traf insbesondere nähere Feststellungen zur Situation der Hazara im Herkunftsstaat. Unter der Überschrift "Beweiswürdigung" findet sich in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - soweit relevant - nur folgende Darlegung:
"Auf die Aussagen des (Revisionswerbers) stützen sich auch die Feststellungen über den Grund des Verlassens des Iran, (...)"
Rechtlich zog das BVwG folgende Schlüsse:
"Dem (Revisionswerber) ist es nicht gelungen, eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung aufgrund eines Konventionsgrundes im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Wenn der (Revisionswerber) vorbringt, Afghanistan bereits 2010 verlassen zu haben und nun nur weibliche Familienmitglieder (zu) habe(n), (die) sich um ihn kümmerten, und im Falle der Rückkehr im Wesentlichen die allgemein instabile Sicherheitslage (zu) fürchte(n), ist demgegenüber auszuführen, dass die in einem Staat vorherrschenden, allgemein schlechten Verhältnisse bzw. bürgerkriegsähnlichen Zustände für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr gemäß der GFK bedeuten. Das Vorbringen steht weder im Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, noch ist darin eine individuell gegen den (Revisionswerber) gerichtete Verfolgungshandlung zu erblicken. Um eine asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (...). Dies trifft im gegenständlichen Fall jedoch nicht zu. (...)"
3. Die außerordentliche Revision macht zusammengefasst geltend, das BVwG sei aus näher dargestellten Gründen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Asylrelevanz des gegenständlichen Fluchtvorbringens abgewichen. Unter anderem habe es das BVwG unterlassen, sich mit dem gesamten Vorbringen des Revisionswerbers auseinanderzusetzen und es habe seine Entscheidung mit Aktenwidrigkeit belastet.
4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich nicht am Revisionsverfahren beteiligt.
II. Erwägungen
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