Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Jurasek, Dr. Draxler, Dr. Großmann und Dr. Hoffmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Rosenmayr, über die Beschwerde des BG in L, vertreten durch Dr. Georg Hawlik, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 58/11, gegen den Bescheid der durch die Finanzprokuratur in Wien I, Rosenbursenstraße 1, vertretenen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 21. Oktober 1976, Zl. St-88/1976, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.094,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Am 13. Mai 1975 gegen 23.00 Uhr gab der Beschwerdeführer aus seinem Trommelrevolver, den er auf Grund eines Waffenpasses mit sich führen durfte, in L vor einem Lokal einen Schuß ab. Laut Meldung der Sicherheitswache hat der Beschwerdeführer angegeben, einen Warnschuß abgegeben zu haben, um seinem Begleiter RG, der von einem Unbekannten (MA) in einen Streit verwickelt worden sei, zu helfen. In einer Eingabe an die Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Mai 1975 gab der Beschwerdeführer an, er sei von einer Gruppe junger Leute, nachdem er versucht habe, seinem bedrängten Begleiter zu Hilfe zu kommen, selbst angefallen und bedroht worden.
Unter Bezugnahme auf diesen Vorfall erließ die Bundespolizeidirektion Linz am 26. Mai 1975 einen Bescheid, in dem sie dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1967, BGBl. Nr. 121 (WaffG), in Verbindung mit § 57 AVG 1950 den Besitz von Waffen und Munition verbot und gleichzeitig aussprach, die im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Waffen und Munitionsgegenstände sowie Urkunden nach dem Waffengesetz (ausgenommen Jagdkarten) würden unverzüglich sichergestellt. Da die Abgabe des Schusses am 13. Mai 1975 - heißt es in der Begründung - als Willkürakt angesehen werden müsse und aus emotionellen Gründen erfolgt sei, sei dadurch die mangelnde Verläßlichkeit des Beschwerdeführers zum Führen einer Faustfeuerwaffe bewiesen; es habe keinerlei Anlaß bestanden, anzunehmen, daß durch den Raufhandel besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit für den Beschwerdeführer oder die streitenden Parteien bestanden habe. Vielmehr rechtfertige es die Annahme, daß der Beschwerdeführer weiterhin durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte, weshalb ein Waffenverbot zu erlassen gewesen sei.
In einer dagegen erhobenen Vorstellung vom 3. Juni 1975 wandte sich der Beschwerdeführer gegen die in der Begründung des Bescheides vom 26. Mai 1975 enthaltene Ansicht der Behörde, es habe keinerlei Gefährdung für das Leben und die Sicherheit bestanden. Nachdem der Begleiter des Beschwerdeführers RG vor einem dieser Angreifer geflüchtet sei, hätte sich der Rest der Gruppe gegen den Beschwerdeführer gewandt und keinen Zweifel an der Absicht gelassen, über den Beschwerdeführer herzufallen. Nur durch die Abgabe des Warnschusses habe sich der Beschwerdeführer zurückziehen und die Polizei verständigen können. Hätte der Beschwerdeführer unbefugt die Waffe eingesetzt, hätte er nicht die Polizei gerufen. Es könne vom Beschwerdeführer nicht verlangt werden, sich gegen eine Mehrheit in einen verwegenen Kampf einzulassen oder sich niederschlagen zu lassen. Bei der Abgabe des Warnschusses habe es sich daher nicht um eine „Fehlentscheidung“ gehandelt. Schließlich verwies der Beschwerdeführer auf seinen guten Leumund und auf seine wirtschaftlichen Leitungsfunktionen und öffentlichen Verpflichtungen.
Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens als Zeugin vernommene VK, die bei dem Vorfall am 13. Mai 1975 in Begleitung von RG und dem Beschwerdeführer gewesen ist, gab an, RG sei angestänkert worden und davongelaufen. Der Stänkerer sei RG nachgelaufen. Der Beschwerdeführer, der mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt habe, habe daraufhin die Pistole gezogen und in die Luft geschossen. RG gab als Zeuge an, mit der Zeugin VK und dem Beschwerdeführer am fraglichen Abend zusammen gewesen zu sein. Er sei von einem Unbekannten (MA) schon im Lokal belästigt und auch nach dem Verlassen des Lokals angestänkert worden, habe aber die Flucht ergriffen und sei von dem anscheinend Betrunkenen nicht erreicht worden. Er habe zwar den Schuß gehört, ihn aber für die Fehlzündung eines Autos gehalten. MA gab als Zeuge an, er sei mit RG vor dem Lokal in ein Handgemenge geraten und sei, als er den Schuß gehört habe, ebenso wie RG davongelaufen. Sein Begleiter RH habe ihm gesagt, der Beschwerdeführer habe auf MA geschossen. RH gab als Zeuge an, vor dem Lokal sei es zwischen RG und MA zu Handgreiflichkeiten gekommen. RG sei davongelaufen, MA ihm nach, als plötzlich der Beschwerdeführer, der weder angestänkert noch beschimpft worden sei, geschossen habe. In seiner abschließenden Stellungnahme vom 7. April 1976 zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor der ersten Instanz wies der Beschwerdeführer darauf hin, er habe beim gegenständlichen Vorfall lediglich einen Schuß in die Luft abgegeben, der völlig ungefährlich gewesen sei und weder die Sicherheit eines Einzelnen noch die öffentliche Sicherheit habe gefährden können. Es könne dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, mit dem Schreckschuß so lange zu warten, bis tatsächlich er selbst oder seine Begleiter Schaden am Leben, Gesundheit oder Vermögen erlitten. Der Beschwerdeführer sei unbescholten, verwalte in verantwortlichen Positionen ein Millionenvermögen und bekleide in verschiedenen Gremien der Handelskammer Funktionen. Vor allem seine Tätigkeit als Kreditvermittler und Realitätenkaufmann bringe es mit sich, daß der Beschwerdeführer oft große Mengen Geldes mit sich führen müsse. Entziehe man ihm die Berechtigung zum Tragen einer Waffe, würde dies für ihn eine besondere Härte und den Verlust eines gesetzlichen Sicherungsmittels bedeuten.
Mit Bescheid vom 21. Mai 1976 hat die Bundespolizeidirektion Linz dem Rechtsmittel des Beschwerdeführers keine Folge gegeben, den Antrag auf Aufhebung des Waffenverbotes nach § 6 Abs. 2 WaffG abgewiesen und dem Beschwerdeführer weiterhin gemäß § 12 Abs. 1 WaffG den Besitz von Waffen und Munition verboten. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Beschwerdeführer grundlos von seiner Schußwaffe Gebrauch gemacht habe. Erwiesenermaßen habe keine Gefahr für den Beschwerdeführer bestanden. Die Behörde sei der Auffassung, der Beschwerdeführer besitze nicht mehr die erforderliche Verläßlichkeit, weil beim Eintritt unvorhergesehener Ereignisse (z.B.: Schreck, Erregung, Reiz, Angriff) die Gefahr gegeben sei, der Beschwerdeführer könnte nicht mehr die nötige Sorgfalt bei der Handhabung von Schußwaffen aufwenden und bei Reiz- und Erregungszuständen irrigerweise ein Recht zum Waffengebrauch durch Notwehr annehmen, wodurch die öffentliche Sicherheit gefährdet würde.
Der Beschwerdeführer wandte sich in seiner Berufung vom 14. Juni 1976 gegen die Annahme der Behörde erster Instanz, das Beweisverfahren habe ergeben, der Beschwerdeführer habe grundlos von seiner Faustfeuerwaffe Gebrauch gemacht. Die Zeugenaussagen seien teils ungenau, teils widersprechend, die Behörde hätte daher der Verantwortung des Beschwerdeführers folgen müssen, daß er bedroht worden sei und man ihn durch Stellen des Beines zu Fall habe bringen wollen. Der Beschwerdeführer habe als Kreditvermittler und Realitätenkaufmann oft größere Mengen Geldes mit sich zu führen und sei dabei insbesondere durch Kunden gefährdet, deren Kreditansuchen oder Wohnungswünsche er nicht habe erfüllen können.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. Mai 1976 mit der Maßgabe, daß sich die Verhängung des Waffenverbotes lediglich auf § 12 Abs. 1 WaffG zu stützen habe. Nach Darstellung des von der Behörde erster Instanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens kommt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu dem Schluß, nach übereinstimmenden Zeugenaussagen stehe fest, daß der Beschwerdeführer einen Schuß abgefeuert habe, der grundlos und überflüssig gewesen sei. Der Beschwerdeführer stehe mit seiner Verantwortung, bedroht gewesen zu sein, allein da. Der Beschwerdeführer scheine einer nicht sonderlich ungewöhnlichen Situation (ein Betrunkener suche Streit), wobei sich die Bedrohung nicht einmal gegen den Beschwerdeführer gerichtet habe, nicht gewachsen zu sein, sondern habe vorschnell von der Waffe Gebrauch gemacht. Diese überspitzte Reaktion des Beschwerdeführers und seine sich darin zeigende Einstellung zum Waffengebrauch ließen befürchten, der Beschwerdeführer könne auch in Hinkunft vorschnell von der Waffe Gebrauch machen und, etwa in vermeintlicher Notwehr, durch mißbräuchliche Verwendung einer Waffe die öffentliche Sicherheit gefährden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nenn, wie im vorliegenden Fall, die Verläßlichkeit bzw. Eignung einer Person zum Waffentragen in Frage stehe, hätte sich die Behörde ein persönliches Bild über den Beschwerdeführer machen müssen; sie habe ihre Feststellungen jedoch getroffen, ohne den Beschwerdeführer persönlich gesehen oder vernommen zu haben. Selbst wenn man annehme, die Abgabe des Schusses sei voreilig oder unnötig gewesen, hätte dies von der belangten Behörde ähnlich wie bei der Entziehung einer Lenkerberechtigung nur zum Anlaß genommen werden dürfen, eine psychologische oder ärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers zu veranlassen. Das Ermittlungsverfahren habe sich nur damit befaßt, ob der Beschwerdeführer selbst angegriffen worden sei, nicht aber auch mit den Angaben des Beschwerdeführers, er habe den Schuß deshalb abgegeben, um seinem Begleiter RG, der nach Meinung des Beschwerdeführers in lebens- oder gesundheitsgefährlicher Weise angegriffen worden sei, zu Hilfe zu kommen. Im § 3 Abs. 1 StGB sei ausdrücklich normiert, daß jene Person nicht rechtswidrig handle, die sich nur der notwendigen Verteidigung bediene, um einen gegenwärtigen oder drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Waffenverbote gemäß § 12 Abs. 1 WaffG seien nur auszusprechen, wenn die Annahme gerechtfertigt sei, daß die Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könne. Wenn aber die Gründe nur dazu ausreichten, dem Beschwerdeführer die Verläßlichkeit zum Führen einer Faustfeuerwaffe abzusprechen, hätte nur die Entziehung des Waffenpasses, nicht aber ein Waffenverbot ausgesprochen werden dürfen. Schließlich habe die belangte Behörde den im Bescheid der ersten Instanz enthaltenen Hinweis auf § 6 Abs. 2 WaffG fallen gelassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG, auf welche Bestimmung die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid stützt, ist einer Person der Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Eine Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes ist somit die gerechtfertigte Annahme der Gefahr eines Mißbrauches mit Waffen. Gegenüber den Entziehungstatbeständen des § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 WaffG setzt der strengere Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG eine qualifizierte Verwendungswidrigkeit der Waffen, nämlich Miß brauch, voraus. Demgegenüber ist der Entzug des Waffenpasses bzw. der Waffenbesitzharte - wie sich aus § 20 im Zusammenhalt mit § 6 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ergibt - schon vom Mangel der Verläßlichkeit abhängig. Diese wiederum ist dann nicht gegeben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden. Insofern ist das Waffenverbot an strengere Anforderungen in bezug auf den Strafverfall geknüpft.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides (S. 4 f) wird als feststehend angenommen, der Beschwerdeführer habe einen Schuß abgefeuert, der grundlos und überflüssig gewesen sei; der Beschwerdeführer sei einer nicht ungewöhnlichen Situation nicht gewachsen gewesen. Diese überspitzte Reaktion des Beschwerdeführers lasse befürchten, er könne auch in Zukunft vorschnell von seiner Waffe Gebrauch machen. Aus diesem von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt kann aber nicht schon auf eine schon „mißbräuchliche“ Verwendung der Waffe geschlossen werden. Mit dieser Begründung kann daher auch mangels einer der für den Tatbestand wesentlichen Voraussetzungen, nämlich der der mißbräuchlichen Verwendung von Waffen, nicht ein Waffenverbot nach § 12 Abs. 1 WaffG ausgesprochen werden. Wohl aber könnte das von der belangten Behörde als erwiesen angenommene Verhalten des Beschwerdeführers gegebenenfalls ein Grund dafür sein, ein Verfahren nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 WaffG einzuleiten, insofern das Verhalten etwa als leichtfertige Verwendung von Waffen im Sinne des § 6 leg. cit. qualifiziert werden sollte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542. Die Kosten waren in dem angesprochenen Umfang zuzusprechen.
Wien, am 9. Mai 1978
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