Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Skorjanec und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Kirschner, Dr. Liska und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Rosenmayr, über die Beschwerde des M K in D, vertreten durch Dr. Herbert Machatschek, Rechtsanwalt in Wien VII, Burggasse 28 32, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Juli 1976, Zl. 51E1/285.957, betreffend Kriegsopferversorgung (Beschädigtenrente), zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Mit dem am 13. Juni 1975 beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingelangten Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Gewährung der Beschädigtengrundrente, und zwar mit der Begründung, daß sein linkes Auge durch eine Explosion eines Sprengkörpers beim Verbrennen von Ästen erblindet sei. Das Landesinvalidenamt führte daraufhin Ermittlungen über den Unfallshergang durch und holte insbesondere eine Ausfertigung der am 10. Juni 1975 vom Gendarmeriepostenkommando S an die Bezirkshauptmannschaft Oberwart erstatteten Verletzungsanzeige sowie die schriftliche Auskunft des Gemeindeamtes S vom 5. Februar 1976 ein. In dieser letzteren Mitteilung heißt es, daß der Beschwerdeführer „an der gleichen Stelle jedes Jahr, zumeist im Frühjahr,“ abgeschnittene Gestrüppteile, Äste und Laub sowie „sonstiges Zeug“, worunter alte Kleidungsstücke (einschließlich unbrauchbare Schuhe) zu verstehen seien, verbrenne.
Mit Bescheid vom 25. März 1976 wies das Landesinvalidenamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsschädigung „Erblindung des linken Auges“ als Dienstbeschädigung und Gewährung von Beschädigtenversorgung hiefür gemäß den §§ 2 und 4 KOVG 1957 ab. Nach der wesentlichen Begründung dieses erstinstanzlichen Bescheides sei es unwahrscheinlich, daß ein Sprengkörper oder ein Geschoß aus dem zweiten Weltkrieg durch ein an der gleichen Stelle entfachtes Feuer nicht schon früher zur Explosion gebracht worden sei.
Dagegen wandte der Beschwerdeführer in seiner Berufung ein, es stimme nicht, daß er jedes Jahr und „auf der gleichen Stelle eine Brandstelle“ gehabt habe. Es könne auch möglich sein, daß der gegenständliche Sprengkörper schon jahrelang im Gartenzaun gelegen oder im Zuge der Baggerarbeiten zur Kanalisation an diese Stelle gelangt sei. Im Ortsbereich seien immer wieder von den Kriegshandlungen stammende Sprengkörper gefunden worden. Seiner Berufung legte der Beschwerdeführer zwei beim Gemeindeamt S mit Zeugen aufgenommene Niederschriften bei.
Auf Grund der diesbezüglichen Frage der belangten Behörde stellte der Sachverständige des ärztlichen Dienstes schriftlich fest, daß es durch eine gezielte Röntgenaufnahme klärbar sei, ob es sich um einen metalldichten Fremdkörper im Auge des Beschwerdeführers handle. Ob aber dieser metalldichte Fremdkörper von einem Sprengkörper aus dem Krieg oder von einer Sprühdose stamme, könne nicht entschieden werden.
Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Begründend wurde ausgeführt, daß es im vorliegenden Fall an dem im § 4 KOVG 1957 geforderten Tatbestandsmerkmal der Wahrscheinlichkeit fehle. In seiner Berufung halte es der Beschwerdeführer selbst nur für möglich, daß der Sprengkörper jahrelang im Gartenzaun gelegen sein oder im Zuge der für die Kanalisation notwendigen Baggerarbeiten an diese Stelle gelangt sein könne. Falls ein Sprengkörper im Gartenzaun gelegen sein sollte, müßte dieser durch die Detonation zumindest stark beschädigt worden sein, was aber bisher vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden sei. Sicherlich bestehe die Möglichkeit, daß es sich um ein Kampfmittel aus dem Krieg gehandelt habe, es sei dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, das Unfallsgeschehen zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf einen militärischen Sprengkörper zurückzuführen. Es bestehe nach wie vor die Möglichkeit, daß durch Zufall ein Sprengstoff, wie er beim Straßenbau, im Kanalbau oder bei Steinbrucharbeiten Verwendung finde, zur Explosion gelangt sei. Eine Anfrage an einen ärztlichen Sachverständigen, ob die Herkunft eines im erblindeten linken Auge des Beschwerdeführers befindlichen Fremdkörpers geklärt werden könne, habe ergeben, daß nur festzustellen sei, ob es sich um einen metalldichten Fremdkörper handle, jedoch könne nicht entschieden werden, ob der metalldichte Fremdkörper militärischen oder anderen Ursprungs sei. Zu den Zeugenaussagen ist zu bemerken, daß T B angebe, sie habe dem Beschwerdeführer beim Aufstehen geholfen, ihn unter den Arm genommen und in die Wohnung gebracht. Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers, die aus dem Gendarmeriebericht vom 10. Juni 1975 ersichtlich seien, sei er jedoch allein auf sein Anwesen gegangen. Die Zeugenaussage des S B stütze sich auf eine Dienstleistung bei einer Flakbatterie. Es erscheine aber zweifelhaft, ob das Flakfeuer mit einer Detonation, wie sie z. B. bei Sprengungen entstehe, überhaupt verglichen werden könne. Es handle sich doch in einem Fall um einen Schußknall eines Geschoßes und im anderen Fall um eine Detonation auf einem freien Feld. Wie aus dem Verfahren der belangten Behörde, in Übereinstimmung mit den Gründen der ersten Instanz, ersichtlich werde, hätten die Antrags und Berufungsgründe nicht nachgewiesen werden können und es bestehe auch keine Wahrscheinlichkeit, daß das schädigende Ereignis auf Waffen oder sonstige Kampfmittel als Folge militärischer Maßnahmen eingetreten sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Nach den Beschwerdeausführungen verweise die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer selbst in seiner Berufungsschrift nur von einer Möglichkeit gesprochen habe. Es müsse dem Beschwerdeführer jedoch zugute gehalten werden, daß er als Laie in der Ausdrucksweise nicht so bewandert sei, wie dies von einem juristisch Gebildeten verlangt werden könne. Daß es zur Explosion gekommen sei, sei unstrittig. Es sei aber auf einen Zufall zurückzuführen, daß die Explosion jetzt und nicht früher erfolgt sei und es sei dies damit zu erklären, daß das Verbrennen nicht immer an der gleichen Stelle vorgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer sei der Auffassung, daß es sich bei dem Verfahren um ein amtswegiges handle, sodaß die Behörde selbst verpflichtet gewesen wäre, von Amts wegen die Umstände der Explosion zu prüfen. Wäre in diesem Sinn ein Lokalaugenschein vorgenommen worden, so hätte die belangte Behörde sofort erkennen können, daß es sich bei dem Gartenzaun um einen Bretterzaun handle, der bei der Explosion der Granate von den Splittern vielfach durchschlagen worden sei. Durch die Zeugenaussage des S B sei erwiesen, daß in der Nähe der Explosionsstelle im Krieg eine Flakbatterie stationiert gewesen sei. Zumindest wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zur Stellung der erforderlichen Anträge anzuhalten. Bei richtiger Handhabung der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes hätte die belangte Behörde leicht zu einer anderen Entscheidung gelangen können. Bei richtiger Würdigung des Sachverhaltes und richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß das schädigende Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das seinerzeitige Zurücklassen von Munition der in der Nähe befindlichen Flakbatterie zurückzuführen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Durch diese Bestimmung wird die Wahrscheinlichkeit, dagegen nicht die Möglichkeit einer Verursachung der Gewißheit gleichgestellt. Maßgeblich ist somit die Wahrscheinlichkeit und nicht die Möglichkeit des Zusammenhanges. Wahrscheinlichkeit liegt in der Begriffssprache der Kriegsopferversorgung vor, wenn die für den Zusammenhang sprechenden Gründe, wenn auch nur geringfügig, gegenüber den Gegengründen überwiegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1959, Slg. N. F. Nr. 4846/A). Jedoch darf die Verneinung des ursächlichen Zusammenhanges erst dann nach dem Maßstab der Wahrscheinlichkeit erfolgen, wenn der Sachverhalt in diesem Punkt durch hinreichende Feststellungen geklärt wurde.
Dem Beschwerdeführer ist in seinem Vorbringen Recht zu geben, daß für die rechtliche Beurteilung in diesem Punkt nicht die von einer Partei verwendeten Worte, sondern die erhobenen tatsächlichen Vorgänge entscheidend sind. Aus diesem Grund kann in der gegenständlichen Angelegenheit die Ausdrucksweise des Beschwerdeführers in seiner Berufung nicht in der einen oder in der anderen Richtung gewürdigt werden.
Dem Beschwerdeführer ist ferner zuzustimmen, daß der im § 39 Abs. 2 AVG 1950 ausgesprochene Grundsatz der Amtswegigkeit (Offizialmaxime), der auch den für die Verwaltung wesentlichen Grundsatz der materiellen Wahrheit des festzustellenden Sachverhaltes in sich begreift, der die Durchführung des Ermittlungsverfahrens grundlegend beherrschende Grundsatz ist. Außerdem trifft das Beschwerdevorbringen zu, daß die Verwaltungsbehörde gegenüber einer rechtsunkundigen und nicht rechtsfreundlich vertretenen Partei die sogenannte Manuduktionspflicht hat. Unter diesen Gesichtspunkten wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde vor, sie habe es unterlassen, von sich aus einen Lokalaugenschein beim gegenständlichen Gartenzaun vorzunehmen und darüber hinaus habe sie den Beschwerdeführer nicht angehalten, die zum Beweis seiner Behauptungen erforderlichen Anträge zu stellen.
Zu diesem Vorwurf ist zu sagen, daß sich die belangte Behörde gemäß § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG 1950 bei der Durchführung ihres Verfahrens auch von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen hatte. Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf den Gartenzaun zu sprechen kommt, so bringt sie doch daran im Anschluß zum Ausdruck, daß sie auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens die vom Gesetzgeber geforderte Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines militärischen Sprengkörpers nicht annehmen könne. Die notwendige Klärung, welche Art von Sprengstoff explodierte, wäre auch bei Besichtigung der vom Beschwerdeführer nunmehr behaupteten Löcher in der Bretterwand seitens der belangten Behörde bei einem Lokalaugenschein nicht möglich gewesen. Nach den Lebenserfahrungen haben nämlich diesbezüglich die Splitter eines für militärische Handlungen verwendeten Sprengstoffes oder eines solchen für zivile Zwecke dieselbe Wirkung. Die vom Beschwerdeführer diesbezüglich behauptete Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens liegt somit nicht vor.
Der Beschwerdeführer legt auch in seiner Beschwerde nicht dar, welche Beweisanträge er noch überdies gestellt hätte, wenn er von der belangten Behörde zur Nennung weiterer Beweismittel aufgefordert worden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof findet aber in der vorliegenden Angelegenheit von sich aus die von der belangten Behörde angestellten Ermittlungen in keiner Richtung unvollständig. Somit besteht der zweite vom Beschwerdeführer behauptete Verfahrensmangel ebenfalls nicht.
Schließlich unterlief der belangten Behörde auch kein Fehler bei ihrer Sachverhaltsannahme im Hinblick auf die Aussage des Zeugen S B. Dieser gab im Zusammenhang mit einer Flakbatterie folgendes an: „Im letzten Krieg machte ich zwei Jahre Dienst bei einer Flakbatterie 15 cm, und weiß die Stärke einer Detonation zu beurteilen. Ich bin auch heute noch überzeugt, daß es sich bei der damaligen Detonation um einen Sprengkörper (Granate) handelte, denn von einer Spraydose kann so eine starke Detonation nicht kommen.“ Der Zeuge wollte also mit dem Hinweis auf seinen Dienst bei einer Flakbatterie nur glaubhaft machen, daß er in der Lage sei, den Explosionslärm einer Granate von dem einer Spraydose zu unterscheiden. Es geht aber aus der zeugenschaftlichen Vernehmung keineswegs wie dies in der Beschwerde behauptet wird hervor, daß in der Nähe der Explosionsstelle im Krieg eine Flakbatterie stationiert gewesen sei. Deshalb wurde auch durch diesen Zeugen nicht bewiesen, daß die Wahrscheinlichkeit für die Explosion einer aus dem zweiten Weltkrieg stammenden Granate spricht. Jedenfalls kann der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer der belangten Behörde in diesem Belange vorgeworfene Unschlüssigkeit ihrer Beweiswürdigung nicht finden.
Aus den dargelegten Erwägungen ist der angefochtene Bescheid nicht mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, 15. April 1977
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