Für den Fall, dass zum Tatzeitpunkt noch keine (rechtskräftige) aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wurde, ist von der Strafbehörde im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung selbst die gebotene Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der (hypothetischen) Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmen. Ergibt sich dabei, dass eine (hypothetische) aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden im Tatzeitraum nicht gerechtfertigt gewesen wäre, so wirkt sich dies im Ergebnis auch auf die Strafbarkeit des inländischen Aufenthaltes gemäß § 120 Abs. 1a FrPolG 2005 aus. Denn wären auch Fremde, die derart intensive private (und familiäre) Bindungen in Österreich haben, dass ihr Interesse an deren Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegt, von der Strafdrohung der genannten Norm erfasst, so läge darin ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Wertungswiderspruch. Es muss daher das Vorliegen eines gesetzlichen Strafausschließungsgrundes nach § 6 VStG angenommen werden, wenn einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung iSd Art. 8 MRK im Weg steht (Hinweis E 20. Februar 2014, 2013/21/0169).
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