Auswertung in Arbeit
I.§21 Abs5 des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Bildungswesen (Bildungsdokumentationsgesetz 2020 – BilDokG 2020), BGBl I Nr 20/2021, war verfassungswidrig.
II. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita BVG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, der Verfassungsgerichtshof möge §21 Abs5 Bildungsdokumentationsgesetz 2020 (BilDokG 2020), BGBl I 20/2021, als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. §1 Auskunftspflichtgesetz, BGBl 287/1987, idF BGBl I 5/2024 lautete wie folgt:
" §1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bildungsdokumentationsgesetzes (BilDokG 2020), BGBl I 20/2021, lauteten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
" 1. Abschnitt
Allgemeine und allgemeine datenschutzrechtliche Bestimmungen
Regelungszweck
§1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt
1. die Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler und Studierenden im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr L 119 vom 4.5.2016 S. 1, (im Folgenden: DSGVO) und des Datenschutzgesetzes – DSG, BGBl I Nr 165/1999, durch die von diesem Gesetz erfassten Bildungseinrichtungen, zwecks Wahrnehmung der diesen Einrichtungen gesetzlich übertragenen Aufgaben, der Studienförderung und der Vertretungsangelegenheiten der Studierenden;
2. die Führung der Gesamtevidenzen der Schülerinnen und Schüler bzw der Studierenden und der Evidenzen über den Aufwand für Bildungseinrichtungen für Zwecke der Planung, der Steuerung, der Wahrung der gesetzlichen Aufsichtspflichten, der Bundesstatistik und der Verwaltungsstatistik;
3. die Verarbeitung von Daten aus den Evidenzen der Bildungseinrichtungen für Zwecke der Bundesstatistik zum Bildungswesen und des Bildungsstandregisters, die von der Bundesanstalt 'Statistik Österreich' besorgt werden;
4. die Verarbeitung von Daten für Zwecke des Bildungscontrollings gemäß §5 Abs1, 2 und 4 des Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetzes – BD-EG, BGBl I Nr 138/2017, insbesondere um eine transparente und einheitliche Datenbasis für die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im Schulbereich zu erhalten und durch die Festlegung der Verantwortlichen im Sinne des Art4 Z7 DSGVO die Datensicherheit zu gewährleisten, sowie
5. die Verarbeitung von Daten für Zwecke der Überprüfung von Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler, der Unterrichts- und Förderplanung in Verbindung mit durch die zuständigen Lehrpersonen nach schulrechtlichen Bestimmungen geführten Gesprächen, des Qualitätsmanagements und der Qualitätsentwicklung im Schulwesen gemäß §5 Abs2 Z2, 4 und 6 BD-EG sowie hinsichtlich Kompetenzerhebungen gemäß §17 Abs1a des Schulunterrichtsgesetzes – SchUG, BGBl Nr 472/1986.
(2) Soweit dieses Bundesgesetz keine abweichenden Bestimmungen enthält, sind der 1. und 2. Abschnitt des Forschungsorganisationsgesetzes, BGBl Nr 341/1981, auch im Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes anzuwenden.
Begriffsbestimmungen
§2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind zu verstehen:
[…]
11. unter Daten: personenbezogene Daten (Art4 Z1 DSGVO) und sonstige Informationen;
[...]
[…]
4. Abschnitt
Datenverarbeitungen hinsichtlich der Bildungseinrichtungen
Evidenzen über den Aufwand für Bildungseinrichtungen
§14. (1) Die jeweils zuständige Bundesministerin oder der jeweils zuständige Bundesminister hat Evidenzen über den Personal-, Betriebs- und Erhaltungsaufwand jener Bildungseinrichtungen gemäß §2 Z1 und 4 zu führen, bei denen dieser Aufwand zur Gänze oder zum Teil aus Bundesmitteln getragen wird. Zu diesem Zweck sind der jeweils zuständigen Bundesministerin oder dem jeweils zuständigen Bundesminister insbesondere folgende Daten zu übermitteln:
1. vom Rechtsträger, der die Dienstgeberfunktion an der Bildungseinrichtung wahrnimmt, deren Personalaufwand aus Bundesmitteln getragen wird:
a) die Bezeichnung, Anschrift und Rechtsnatur des Erhalters der Bildungseinrichtung,
b) die Anzahl der beschäftigten Personen, gegliedert nach Ausbildung, Verwendung, Funktion, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit der beschäftigten Personen der Bildungseinrichtungen gemäß §2 Z4, Beschäftigungsart und -ausmaß und Bildungseinrichtung,
c) der Personalaufwand gegliedert nach Art der Bildungseinrichtung,
d) die Anzahl der ausgeschriebenen Stellen sowie der Pensionierungen;
2. von der Bundesdienststelle, aus deren Bundesbudget der Betriebs- und Erhaltungsaufwand der Bildungseinrichtung getragen wird:
a) die Bezeichnung, Anschrift und Rechtsnatur des Erhalters der Bildungseinrichtung,
b) die Einnahmen und Ausgaben in der Bildungseinrichtungserhaltung, gegliedert nach Einnahmen- und Ausgabenarten sowie Arten der Bildungseinrichtungen, und
c) die räumliche und technische Ausstattung der Bildungseinrichtungen.
(2) Die Übermittlung der Daten gemäß Abs1 an die Evidenzen über den Aufwand hat im automationsunterstützten Datenverkehr zu erfolgen, sofern die Daten in elektronisch lesbarer Form vorhanden sind. Die näheren Bestimmungen zu den zu übermittelnden Daten, Stichtagen, Verfahrensabläufen, technischen Verfahren und Formaten der Datenübermittlung sind durch Verordnung der jeweils zuständigen Bundesministerin oder des jeweils zuständigen Bundesministers festzulegen.
(3) Berichtszeitraum ist jeweils der der Datenübermittlung vorangegangene Zeitraum ab Stichtag.
[…]
7. Abschnitt
Übergangs- und Schlussbestimmungen
Schlussbestimmungen
§21. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
(2) Wer die Auskunft verweigert oder wissentlich unvollständige oder wahrheitswidrige Angaben macht, begeht eine Verwaltungsübertretung, die gemäß §66 des Bundesstatistikgesetzes 2000 zu verfolgen ist.
(3) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes in seiner jeweiligen Fassung können bereits von dem Tag an erlassen werden, der der Kundmachung des durchzuführenden Bundesgesetzes folgt; sie dürfen jedoch nicht vor den durchzuführenden Gesetzesbestimmungen in Kraft treten.
(4) Alle Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, sind über diese von ihnen verarbeiteten personenbezogenen Daten und über alle Tatsachen, die ihnen bei der Erhebung, der Bearbeitung und der Verarbeitung zur Kenntnis gelangt sind, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie sind hinsichtlich dieser Verschwiegenheitspflicht Beamte im Sinne des §74 des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl Nr 60/1974. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gilt als Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß §310 StGB. Das Datengeheimnis nach Art2 §6 Abs1 DSG bleibt davon unberührt.
(5) Alle Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, sind nicht berechtigt, Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz, BGBl Nr 287/1987, betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten. "
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit E-Mail vom 30. Jänner 2024 wandte sich der Beschwerdeführer im Anlassverfahren (im Folgenden: Beschwerdeführer) in seiner Eigenschaft als Journalist und Redakteur beim ORF mit folgendem Auskunftsbegehren an das (damals zuständige) Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (ohne Hervorhebung im Original):
"[...], ich bitte um Übermittlung der folgender [sic] Maturaergebnisse an allen Vorarlberger Schulstandorten, an denen die Zentralmatura durchgeführt wird, für die Jahre 2018 bis einschließlich 2023:
- Die Zahl der bestandenen und nicht bestandenen schriftlichen, standardisierten Prüfungen pro Fach und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort.
- Die Zahl der bestandenen und nicht bestandenen Kompensationsprüfungen in diesen Fächern und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort.
In eventu beantrage ich die bescheidmäßige Absprache der Auskunftsverweigerung iSd §4 Auskunftspflichtgesetz idgF. [...]"
2. Mit E-Mail vom 31. Jänner 2024 antwortete das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung dem Beschwerdeführer wie folgt (ohne Hervorhebung im Original):
"[…], die Übermittlung der von Ihnen angefragten Daten ist auf Basis derzeitiger gesetzlicher Regelungen nicht möglich und auch ausdrücklich unzulässig.
Begründung:
Laut §21 Abs.5 [sic] Bildungsdokumentationsgesetz 2020, BGBl I Nr20/2021 [sic]: Gesetzestext 'Alle Personen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, sind nicht berechtigt, Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz, BGBl 287/1987 [sic], betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten.'
Ihr Auskunftsbegehren werden wir betreffend eines Bescheides an die zuständige Bildungsbehörde (Bildungsdirektion für Vorarlberg) übermitteln. [...]"
3. In der Folge erlies die Bildungsdirektion für Vorarlberg einen mit 11. Juli 2024 datierten Bescheid, mit dem sie den Antrag des Beschwerdeführers abwies.
Begründend führte die Bildungsdirektion für Vorarlberg im Wesentlichen aus, dass es sich beim Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers explizit um ein solches nach schulstandortbezogenen Daten bzw Datengruppen handle. Sowohl Bedienstete der Bildungsdirektion für Vorarlberg als auch jene des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung verarbeiteten personenbezogene Daten iSd Art4 Z1 DSGVO. Auf Grund von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 sei weder die Schulbehörde noch das Bildungsministerium berechtigt, das Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz zu beantworten. Die begehrte Auskunft sei daher zu versagen gewesen.
4. Gegen den Bescheid vom 11. Juli 2024 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führte er im Wesentlichen und zusammengefasst aus, dass er Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 hege. Diese Bestimmung verunmögliche – wie von der belangten Behörde verstanden – die mediale Berichterstattung über schulische Gesamtleistungen an einzelnen Schulstandorten, wie etwa Vergleiche von durchschnittlichen Maturaergebnissen. Im Anlassfall könnte keine kritische und öffentliche Debatte darüber entstehen. Die in den Erläuterungen angeführten Gründe, dass die Bestimmung dazu diene, dem öffentlichen Interesse der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes bestmöglich Rechnung zu tragen, könne den Eingriff in das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art10 EMRK nicht rechtfertigen.
5. Aus Anlass der Bescheidbeschwerde sind beim Bundesverwaltungsgericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 entstanden. Das Bundesverwaltungsgericht legt seine Bedenken gegen §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 wie folgt dar:
5.1. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt die Ansicht, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 ein generelles Verbot festlege, Auskunftsbegehren nach dem Auskunftspflichtgesetz, BGBl 287/1987, betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten, das sich an Personen richte, die auf Grundlage des BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten.
Diese Auslegung ergebe sich bereits aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021, die selbst davon sprächen, dass für schulstandortbezogene Daten eine "Ausnahmeregelung" geschaffen werden solle. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes stelle §21 Abs4 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 unstrittig eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Art20 Abs4 BVG dar, und es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, Sinnloses dergestalt zu normieren, als er eine Bestimmung mit demselben Norminhalt in anderen Worten in einem direkt anschließenden eigenen Absatz nochmals erlasse. Auch die Textierung von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 und §21 Abs4 leg cit sei verschieden.
Zudem lasse §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 eine Interessenabwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen auf der einen und dem Auskunftsinteresse eines Auskunftswerbers auf der anderen Seite nicht zu. Dies ergebe sich aus dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 (arg: "Alle Personen, die [...], sind nicht berechtigt, Auskunftsbegehren [...] zu beantworten.").
Eine verfassungskonforme Interpretation des §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 scheide nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf Grund des eindeutigen Wortlautes aus. Aus Gründen der Rechtssicherheit könne auch nicht angenommen werden, dass eine verfassungskonforme Interpretation derart weit reichen müsste, dass sie ein Ergebnis hervorrufen würde, das dem eindeutigen Wortlaut der zu interpretierenden Rechtsvorschrift widerspräche (vgl VwGH 18.06.2020, Ro 2020/01/0006 Rz 15 mwN, siehe weiters VfSlg 11.036/1986, 12.157/1989, 19.341/2011).
Bei einer Aufhebung von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 wäre es dem Bundesverwaltungsgericht möglich, einen angemessenen Ausgleich (vgl VfGH 4.3.2021, E4037/2020 Rz 17 und 21) zwischen den allenfalls im Beschwerdefall nach näherer Prüfung bestehenden gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten und dem Auskunftsinteresse des Beschwerdeführers, auch im Lichte von Art10 EMRK, durchzuführen.
5.2. Konkret führt das Bundesverwaltungsgericht zu den Bedenken im Hinblick auf Art10 EMRK Folgendes aus:
"Eine gesetzlich vorgesehene Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit ist nur zulässig, sofern sie aus einem der in Art10 Abs2 EMRK genannten Gründe in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (vgl VfSlg 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 und 16.555/2002).
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu §21 Abs5 BilDokG 2020 (ErläutRV 479 BlgNR XXVII. GP 21) wird wie folgt ausgeführt:
'Gemäß §1 Abs1 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl Nr 287/1987, haben Organe des Bundes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, sofern die Auskunftserteilung die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt. Gemäß §6 des Auskunftspflichtgesetzes ist dieses jedoch nicht anzuwenden, soweit nach anderen Bundesgesetzen besondere Auskunftspflichten bestehen. Um dem öffentlichen Interesse der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort bestmöglich Rechnung zu tragen, soll für schulstandortbezogene Daten (das sind jene, die eine bestimmte Bildungseinrichtung betreffen) eine dem §6 des Auskunftspflichtgesetzes entsprechende Ausnahmeregelung geschaffen werden. Dies dient auch dazu, nachteilige Folgen für einzelne Schulstandorte zu verhindern sowie betreffend kleinere Schulstandorte einen ausreichenden Datenschutz sicherzustellen.'
Das Bundesverwaltungsgericht hegt Zweifel daran, dass das in den Erläuterungen genannte 'öffentliche Interesse der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort' das in §21 Abs5 BilDokG 2020 normierte generelle Beantwortungsverbot von Auskunftsersuchen nach dem Auskunftspflichtgesetz betreffend schulstandortbezogene Daten tragen kann. Im Übrigen ist ein in den Erläuterungen nicht erwähntes öffentliches Interesse nicht erkennbar. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts erfordern öffentliche Interessen ein generelles Verbot, wie es §21 Abs5 BilDokG 2020 normiert, nicht. Auch bei Entfall der leg. cit. könnte etwa, um auf die Erläuterungen zurückzukommen, ein unbeeinträchtigter und ordnungsgemäßer Schulablauf am Standort gewährleistet werden. Zudem ist es im Anwendungsbereich von §21 Abs5 BilDokG 2020, anders als in sonstigen Auskunftssachen nach dem Auskunftspflichtgesetz (siehe VfGH 04.03.2021, E4037/2020 Rz 21; vgl weiters VwGH 29.05.2018, Ra 2017/03/0083 Rz 23), nicht möglich, eine Interessenabwägung und einen billigen Ausgleich zwischen gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten und Geheimhaltungsinteressen auf der einen und dem Auskunftsinteresse des Auskunftswerbers auf der anderen Seite vorzunehmen. Indem §21 Abs5 BilDokG 2020 keine Interessenabwägung zulässt, sondern eine Generalausnahme in Hinblick auf schulstandortbezogene Daten normiert, hindert diese Bestimmung in Situationen wie dem vorliegenden Beschwerdefall (siehe dazu weiter unten) das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit nach Art10 EMRK auszuüben. Da §21 Abs5 BilDokG 2020 selbst bei Vorliegen der in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien, von deren Erfüllung das Bundesverwaltungsgericht im zugrundeliegenden Beschwerdefall ausgeht, einen Zugang zu staatlichen Informationen a priori verhindert, verstößt §21 Abs5 BilDokG 2020 gegen Art10 EMRK. Ebenso verhindert §21 Abs5 BilDokG 2020 einen in Auskunftsersuchen nach dem Auskunftspflichtgesetz gebotenen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Geheimnisschutzes und des Auskunftsinteresses eines Auskunftswerbers. Auch bei Entfall der leg. cit. kann in einer durch §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz ohnehin gebotenen Abwägung etwa das Grundrecht auf Datenschutz, das unstrittig eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht iSv Art20 Abs4 BVG und §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz darstellt, in Hinblick auf kleinere Schulstandorte gebührend und einzelfallbezogen berücksichtigt werden (Sollte der Verfassungsgerichtshof die dargelegten Bedenken teilen und es zur Aufhebung von §21 Abs5 BilDokG 2020 kommen, wird sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Enderledigung einer derartigen Interessenabwägung daher ohnehin widmen). Somit wäre es den für die Auskunftserteilung zuständigen Organen bei einer Aufhebung von §21 Abs5 BilDokG 2020 nach wie vor möglich bei Überwiegen von gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten und Geheimhaltungsinteressen ein Auskunftsbegehren nicht oder auch bloß teilweise zu beantworten. §21 Abs5 BilDokG 2020 nimmt den zuständigen Organen durch die von ihm statuierte Generalausnahme den erforderlichen einzelfallbezogenen Spielraum und erweist sich damit als zu absolut und allumfassend und kann der durch die leg. cit. geschaffene Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit, darunter die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen, nicht als 'in einer demokratischen Gesellschaft [...] unentbehrlich' angesehen werden. §21 Abs5 BilDokG 2020 erweist sich idS als verfassungswidrig.
Die angenommene Verfassungswidrigkeit von §21 Abs5 BilDokG 2020 zeigt sich in Hinblick auf Art10 EMRK gleichsam im Ausgangsfall, den das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden hat:
Im Beschwerdefall bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichts keine Zweifel, dass der BF in seiner Tätigkeit als Journalist als 'public watchdog' iSd der soeben zitieren Judikatur des EGMR anzusehen ist und er das Ziel verfolgt, in dieser Funktion die Öffentlichkeit zu informieren. Ebenso geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die durch das Auskunftsersuchen begehrten Informationen für die journalistische Tätigkeit des BF bedeutsam sind. Das Sammeln der begehrten Informationen stellt für den BF einen relevanten Vorbereitungsschritt seiner journalistischen Tätigkeit dar. §21 Abs5 BilDokG 2020 hindert den BF an eben jener für die Berichterstattung erforderlichen journalistischen Recherche. Ebenso kann nicht davon ausgegangen werden, dass schulstandortbezogene Daten iSd leg. cit. nicht dazu dienen, ein Forum für eine öffentliche Debatte zu schaffen. Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung des BF, dass eine Berichterstattung über schulstandortbezogene Daten, im Beschwerdefall über Daten zum Erfolg in standardisierten Prüfungsgebieten im Rahmen der abschließenden Prüfungen, zu einer kritischen öffentlichen Debatte über den Zustand des Schulwesens in Österreich beiträgt. Auch könnte die Öffentlichkeit Entscheidungen von im Schulwesen zuständigen Organen dadurch besser nachvollziehen und sorgen die begehrten Daten sohin für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind. Alleine aufgrund des Umstands, dass durch die Veröffentlichung der begehrten staatlichen Informationen auch negative Auswirkungen eintreten können, die im Zuge der zu führenden und erst durch die Berichterstattung ermöglichten öffentlichen Debatte ebenso kritisch diskutiert werden können, kann deren grundsätzliche Eignung, dass diese für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, nicht in Abrede gestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht zudem aufgrund des Umstands der gesetzlichen Regelungen im BilDokG 2020 (siehe insb. §8 und Anlage 6 leg. cit.) davon aus, dass die bergehrten Informationen bei der belangten Behörde bzw der ihr übergeordneten Behörde bereit und verfügbar sind (siehe zum Vorhandensein der Daten und zur Datenermittlung zudem die Ausführungen der Bundesanstalt Statistik Austria in ihrem Bericht 'Standardisierte Reifeprüfung und Reife- und Diplomprüfung Abschlussjahrgang 2022/23 Haupt- und Nebentermine Antritte von Mai 2023 bis März 2024' Punkt 1.2 - 1.4, abrufbar unter https://www.statistik.at/fileadmin/pages/322/sRDP_-_Abschlussjahrgang_2022_23.pdf [abgerufen am: 27.01.2025], wonach die jeweiligen Schulen die Meldungen der Ergebnisse der standardisierten Reife- und Diplomprüfung auf Schüler:innenebene vornehmen und, inter alia, die exakte Anzahl der positiven Prüfungsergebnisse für alle Kandidat:innen bekannt ist; siehe auch die diesbezüglichen Vorjahresberichte für den relevanten vom Auskunftsersuchen des BF umfassten Zeitraum, aus denen sich dasselbe ergibt).
Neben den bereits erwähnten – und im Beschwerdefall als vorgelegen angesehenen – Voraussetzungen ist ebenso nach der zitierten Rechtsprechung des EGMR für das Recht auf Zugang zu Informationen iSd Art10 EMRK (passive Informationsfreiheit) nötig, dass dieser Zugang für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit erforderlich ist. Auch dieses Kriterium sieht das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdefall als erfüllt an, zumal ohne die begehrten staatlichen Informationen der BF nicht seriös und datengestützt in dieser Angelegenheit die Öffentlichkeit informieren kann und es auch zu keiner öffentlichen Debatte über Informationen von allgemeinem Interesse kommen kann.
Soweit ersichtlich, sind die vom BF begehrten Informationen auf Schulstandortebene auch derzeit nicht öffentlich zugänglich oder wären dem BF sonst bekannt (vgl dazu VwGH 28.06.2021, Ra 2019/11/0049 Rz 21 mwN). Im soeben zitierten Bericht der Bundesanstalt Statistik Austria wird zwar eine Aufschlüsselung nach Bundesland (und weiteren hier nicht relevanten Kriterien wie Geschlecht) vorgenommen, eine Darstellung der in Rede stehenden Ergebnisse auf Ebene der einzelnen Schulstandorte erfolgte, gleichwohl die Daten ausweislich des zitierten Berichts gar auf Schüler:innenebene vorhanden sind, jedoch nicht.
Nach der zitierten Judikatur des EGMR, VfGH und VwGH und den vorstehenden Ausführungen zur Beschwerdesache hegt das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 einen Eingriff in durch Art10 EMRK geschützte Rechte darstellt, zumal die Weigerung, die begehrten Informationen zu gewähren, den Wesensinhalt von Art10 EMRK berührt. §21 Abs5 BilDokG 2020 hindert den BF an seiner journalistischen Arbeit und wird dadurch insbesondere in sein Recht auf Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen eingegriffen. In Fällen wie der vorliegenden Beschwerdesache, in der die in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien in Hinblick auf die passive Informationsfreiheit erfüllt sind, verstößt §21 Abs5 BilDokG 2020 gegen Art10 EMRK.
Aufgrund der zuvor abstrakt dargelegten Normbedenken ist es – auch in Hinblick auf den der Antragsstellung zugrundeliegenden Anlassfall – nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts geboten, §21 Abs5 BilDokG 2020 aufgrund der angenommen Verletzung von Art10 EMRK als verfassungswidrig aufzuheben."
5.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot gemäß Art2 StGG und Art7 B VG führt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:
"Ebenso wird – in Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach dieser sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 BVG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken hat (siehe etwa VfSlg 16.824/2003) – geltend gemacht, dass ein generelles Beantwortungsverbot von Auskunftsersuchen nach dem Auskunftspflichtgesetz, wie es §21 Abs5 BilDokG 2020 in dessen Anwendungsbereich normiert, unsachlich ist, zumal dieses zu weitgehend und zu absolut ist. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts unterlässt es der Gesetzgeber, einen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Geheimnisschutzes und des Auskunftsinteresses eines Auskunftswerbers zu normieren. Das eingesetzte Mittel, nämlich ein generelles Verbot, Auskunftsbegehren nach dem Auskunftspflichtgesetz betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten, das sich an Personen richtet, die auf Grundlage des BilDokG 2020 personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, erweist sich in Hinblick auf das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel: der 'Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort bestmöglich Rechnung zu tragen' sowie 'nachteilige Folgen für einzelne Schulstandorte zu verhindern sowie betreffend kleinere Schulstandorte einen ausreichenden Datenschutz sicherzustellen' als unverhältnismäßig. §21 Abs5 BilDokG 2020 erweist sich daher aufgrund seiner Generalität in Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot nach Art2 StGG und Art7 B VG als verfassungswidrig."
5.4. Seine Bedenken im Hinblick auf Art20 Abs4 B VG führt das Bundesverwaltungsgericht wie folgt aus:
"Darüber hinaus wird geltend gemacht, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 gegen Art20 Abs4 B- VG verstößt. Art20 Abs4 B VG regelt, – soweit hier relevant – dass alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen haben, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 keine Verschwiegenheitspflicht iSd Art20 Abs4 B VG darstellt. Vielmehr ist diese in §21 Abs4 BilDokG zu erblicken.
Wie bereits unter Punkt II.3.1. Allgemeines ausgeführt worden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sowohl §21 Abs5 BilDokG 2020 als auch §21 Abs4 leg. cit. denselben Regelungsinhalt aufweisen und wird diesbezüglich – um Wiederholungen zu vermeiden – auf die obenstehenden Ausführungen verwiesen. Daraus zieht das Bundesverwaltungsgericht den Schluss, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 gerade keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht iSd Art20 Abs4 B VG darstellt, sondern einen einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht übersteigenden Regelungsinhalt dahingehend aufweist, als in seinem Anwendungsbereich eine Ausnahme von der Auskunftspflicht statuiert wird, die in Art20 Abs4 BVG keine Deckung findet. §21 Abs5 BilDokG 2020 erweist sich auch idS als verfassungswidrig.
3.5. Der Vollständigkeit halber wird im Folgenden die Stellungnahme des Bundeskanzleramts- Verfassungsdienst (27/SN-66/ME XXVII. GP 5) vom 06.11.2020, GZ: 20200.656.260, zum Begutachtungsentwurf eines Bundesgesetzes, mit dem (ua) das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 erlassen wird, in Bezug auf die Entwurfsbestimmung von §21 Abs5 BilDokG 2020, die sich lediglich im Vergleich zu der im Bundesgesetzblatt kundgemachten Bestimmung darin unterscheidet, als die Zeichen- und Wortfolge ',auch in aggregierter Form,' hinzugefügt und somit §21 Abs5 BilDokG 2020 in seiner Genese noch restriktiver wurde, wiedergegeben:
'Es ist nicht erkennbar, inwieweit die hier vorgesehene Verpflichtung, Auskunftsbegehren nicht zu beantworten, über die in Abs4 normierte Verschwiegenheitspflicht hinausgeht. Nicht schlüssig ist es, wenn die Verschwiegenheitspflicht nach Abs5 in den Erläuterungen mit dem Vorrang (§6 des Auskunftspflichtgesetzes) besonderer Auskunftspflichten vor denen des Auskunftspflichtgesetzes begründet wird – denn solche Auskunftspflichten werden vorliegend nicht normiert –, oder wenn als Begründung das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort bemüht wird.
Die Absicht, eine Ausnahme von der Auskunftspflicht nach dem Auskunftspflichtgesetz zu schaffen, wird auch insofern verfehlt, als die Entwurfsbestimmung nicht als lex specialis zu §1 des Auskunftspflichtgesetzes – dieser verpflichtet die Organe (ua des Bundes), über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen – angesehen werden kann.
Die Entwurfsbestimmung sollte daher entfallen.'
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist der Regelungsinhalt von Abs4 und Abs5 leg. cit. grundlegend verschieden. Dies ergibt sich bereits aufgrund des Umstands, dass Abs4 leg. cit. (lediglich) personenbezogene Daten iSd DSGVO erfasst, während von Abs5 schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, die nicht unbedingt personenbezogene Daten iSd DSGVO sein müssen, umfasst sind. Diese Auslegung stützt sich insbesondere auf den Umstand, dass von der Legaldefinition in §2 Z11 BilDokG 2020 auch 'sonstige Informationen' erfasst sind. Ein plastisches Auskunftsbegehren möge als Beispiel angeführt werden: 'Gibt es am Schulstandort [Bezeichnung der Schule] einen bzw mehrere Defibrillatoren? Wenn ja, wie viele?' Während die Daten, die durch dieses beispielhafte Auskunftsersuchen begehrt werden, mangels Personenbezugs nicht unter Abs4 leg cit fallen würden, wäre dieses Auskunftsbegehren sehr wohl von Abs5 leg cit erfasst und dürfte nicht beantworten werden, da dieses offenkundig schulstandortbezogene Daten iSd §21 Abs5 iVm §2 Z11 leg. cit. begehrt.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt in Hinblick auf vorstehende Erörterungen, dass das in den Erläuterungen zu §21 Abs5 BilDokG 2020 angeführte öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort die genannte Bestimmung nicht tragen kann. Gleichsam kann, wie das Bundeskanzleramt- Verfassungsdienst nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zutreffend ausführt, §6 Auskunftspflichtgesetz nicht begründend herangezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht stimmt dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst ebenso in Hinblick auf das Ergebnis zu, dass die Bestimmung entfallen sollte."
6. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne Hervorhebungen im Original):
"1. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art10 EMRK und Art20 Abs4 B VG:
Das Bundesverwaltungsgericht erblickt in der angefochtenen Bestimmung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Informationsfreiheit und damit eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art10 EMRK. Denn aufgrund des §21 Abs5 BilDokG 2020 sei die durch Art10 Abs2 EMRK gebotene Abwägung von Informationsinteressen einerseits und Geheimhaltungsinteressen andererseits von vornherein nicht möglich; der Zugang zu staatlichen Informationen werde somit a priori verhindert. Im Übrigen verstoße §21 Abs5 BilDokG 2020 gegen Art20 Abs4 B VG, da die Regelung keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht im Sinne der zitierten Verfassungsbestimmung normiere.
Dazu wird seitens der Bundesregierung auf Folgendes hingewiesen:
1.1. Zu Art10 EMRK und Art20 Abs4 B VG:
1.1.1. Art10 EMRK gewährleistet neben der Meinungsäußerungsfreiheit auch die Informationsfreiheit. Die aktive Informationsfreiheit gemäß Art10 EMRK umfasst das Recht, 'Informationen und Ideen ohne Eingriffe von Behörden und ohne Rücksicht von Landesgrenzen' mitzuteilen und deckt sich im Wesentlichen mit der Meinungsäußerungsfreiheit; die passive Informationsfreiheit schützt die Zugänglichkeit und den Empfang von Informationen. Auch wenn sich aus Art10 Abs1 EMRK ergibt, dass der Staat sein Informationssystem so einrichten muss, dass man sich tatsächlich über die wesentlichen Fragen informieren kann, begründet dieser keine generelle Verpflichtung des Staates, Informationen bereitzustellen oder Zugang zu Informationen zu gewähren (vgl VfSlg 11.297/1987, 12.104/1989, 12.838/1991, 19.571/2011 und 20.446/2021). Allerdings kann im Einzelfall ein Recht auf Zugang zu Informationen nach Maßgabe der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Informationsfreiheit herausgearbeiteten Kriterien bestehen (vgl zum Erkenntnis VfSlg 19.571/2011 die Entscheidung des EGMR 28.11.2013, Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gg. Österreich, Appl 39534/07, 41 f; vgl weiters VfSlg 20.446/2021, und EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottság gg. Ungarn, Appl 18030/11, Rz. 191 ff). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Offenlegung der Informationen von einem Gericht rechtskräftig angeordnet wurde oder wenn der Zugang zu Informationen für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere der Freiheit des Erhalts und der Weitergabe von Informationen, maßgeblich ist. Für den Bestand und die Reichweite dieses Rechts ist insbesondere von Bedeutung, ob das Sammeln der Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten ist, ob die Offenlegung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sein kann, insbesondere weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, sorgt, ob der Grundrechtsträger als Journalist oder Nichtregierungsorganisation oder in einer anderen Funktion als 'public watchdog' im öffentlichen Interesse tätig wird und schließlich ob die begehrte Information bereit und verfügbar und daher kein weiteres Sammeln von Daten notwendig ist (vgl VfSlg 20.446/2021 sowie EGMR 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottság gg. Ungarn, Appl 18030/11, Rz. 191 ff).
Ein Eingriff in die gemäß Art10 EMRK gewährte Informationsfreiheit ist nur zulässig, sofern dieser gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der in Art10 Abs2 EMRK aufgezählten Rechtsgüter notwendig und verhältnismäßig ist (vgl VfSlg 11.996/1989, 13.3694/1994 und 18.378/2008). Unter die legitimen Eingriffsziele fällt der Schutz der Rechte anderer, darunter auch das Recht auf Datenschutz (vgl EGMR 14.4.2009, Társaság a Szabadságjogokért gg. Ungarn, Appl 37374/05, Rz. 34 f, 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottság gg. Ungarn, Appl 18030/11, Rz. 186; vgl in Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre EGMR 8.10.2019, Szurovecz gg. Ungarn, Appl 15428/16, Rz. 67 f; 22.9.2020, B.ZUllstein GmbH gg. Deutschland, 43231/16, 21 f; VfSlg 20.2013/2017, 20.446/2021, 20.501/2021 und 20.590/2022).
1.1.2. Art20 Abs4 B VG, der nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Auskunftserteilung, wohl aber eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des einfachen Gesetzgebers, ein subjektives Auskunftsrecht vorzusehen, verbürgt und §1 Abs1 des Auskunftspflichtgesetzes verpflichten die mit der Bundesverwaltung betrauten Organe zur Auskunftserteilung, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht (vgl VfSlg 12.838/1991 sowie Wieser, Art20/4 B VG [2001], Rz. 7 bis 9, in Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Österreichisches Bun- desverfassungsrecht).
1.2. Neben der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gemäß Art20 Abs3 B VG begründet das Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 DSG eine weitere verfassungsgesetzliche Verschwiegenheitspflicht (vgl ErlRV 39 BlgNR XVII. GP, 4; VwGH 21.9.2005, 2004/12/0151, 27.6.2007, 2007/04/0105, 22.10.2012, 2010/03/0099 und 23.10.2013, 2013/03/0109; VwSlg 17.854 A/2010; Forster, Art20 B VG, Rz. 47 in Kahl/Khakzadeh/Schmid [Hrsg.], Kommentar zum Bundesverfassungsrecht [2021]; Wieser, aaO, Rz 40 f).
1.2.1. Das Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 Abs1 DSG gewährt einen Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse an diesen besteht; der Geheimhaltungsanspruch umfasst im Wesentlichen den Schutz vor Ermittlung und Weitergabe von personenbezogenen Daten. Das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse setzt das Vorliegen personenbezogener Daten voraus, die nicht allgemein zugänglich sind. Gemäß Art4 Nr 1 DSGVO sind – vgl schon oben unter Punkt I.3.4 – personenbezogene Daten 'alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person [...] beziehen'; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die 'direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann'. Die Wendung 'alle Informationen' wird vom EuGH sehr weit ausgelegt (vgl EuGH 20.12.2017, Rs С 434/16, Nowak, Rn. 34; 4.5.2023, Rs C-487/21, Österreichische Datenschutzbehörde, Rn. 23, sowie 7.3.2024, Rs C-604/22, IAB Europe, Rn. 36).
1.2.2. Für das Vorliegen von personenbezogenen Daten muss der Betroffene identifiziert oder – gegebenenfalls anhand von zusätzlichen Informationen – identifizierbar sein. Selbst bei aggregierten Daten (wie Statistikdaten) kann ein Personenbezug und damit ein Geheimhaltungsinteresse vorliegen, wenn solche Datensätze in einem bestimmten Kontext Rückschlüsse auf Einzelne zulassen, etwa Wirtschaftsdaten in Branchen mit wenigen Unternehmen, wenn zusätzliche, allgemein zugängliche Wirtschaftsinformationen vorliegen (vgl VfSlg 12.228/1989). Identifizierbarkeit ist anzunehmen, wenn der Personenbezug mit rechtlich zulässigen Mitteln und ohne unzumutbaren oder ungewöhnlichen Ermittlungsaufwand hergestellt werden kann (zB durch Verknüpfungen mit zusätzlichen Informationen, vgl VfSlg 12.228/1989 und 19.892/2014).
2.3. Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz sind mit Einwilligung der betroffenen Person (vgl zum Begriff 'Einwilligung' Art4 Z11 DSGVO) oder in deren lebenswichtigem Interesse zulässig. Darüber hinaus können Eingriffe im öffentlichen Interesse aufgrund einer gesetzlichen Grundlage oder im überwiegenden berechtigten Interesse eines anderen – darunter fallen auch öffentliche Interessen – erfolgen. Auch im Falle zulässiger Datenverarbeitungen muss der Eingriff in das Grundrecht jeweils dem Zweck angemessen sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ('Grundsatz der Datenminimierung'; vgl ErlRV 1664 BlgNR XXV. GP, 4). Eine gesetzliche Beschränkung des Geheimhaltungsanspruches darf daher nur aufgrund eines Überwiegens des öffentlichen Interesses erfolgen und muss verhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber ist dabei stets gehalten, eine Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner personenbezogenen Daten und den gegenläufigen (berechtigten) Interessen eines anderen – etwa des Informationsinteresses eines Journalisten oder der Öffentlichkeit – gemäß Art10 EMRK vorzunehmen. Nur wenn die Wahrung der gegenläufigen, berechtigten Interessen eines anderen gegenüber dem Recht auf Datenschutz des Betroffenen überwiegt, ist ein gesetzlicher Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz erlaubt. Eingriffe einer staatlichen Behörde dürfen zudem nur auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden, die aus den in Art8 Abs2 EMRK genannten Gründen notwendig sind (vgl VfSlg 18.975/2009, 19.659/2012, 20.446/2021 und 20.590/2022; VwSlg 17.854 A/2010; weiters VwGH 21.9.2005, 2004/12/0151, 27.6.2007, 2007/04/0105, 22.10.2012, 2010/03/0099 und 23.10.2013, 2013/03/0109).
1.3. Da Auskünfte gemäß §1 Abs1 des Auskunftspflichtgesetzes auch personenbezogene Daten betreffen können, stellt diese Bestimmung einerseits einen Eingriff in das Recht auf Datenschutz gemäß §1 Abs1 DSG dar, andererseits – aufgrund der Vorbehalts der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht – auch einen Eingriff in Art10 Abs1 EMRK (vgl dazu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, VfSlg 20.446/2021). Nach dieser Rechtsprechung wird §1 Abs1 des Auskunftspflichtgesetzes dem Gesetzesvorbehalt des §1 Abs2 DSG jedoch gerecht, da die Bestimmung einen angemessenen Ausgleich zwischen den beiden Grundrechtspositionen – §1 DSG einerseits und Art10 EMRK andererseits – ermöglicht; die dort gesetzlich vorgesehene Beschränkung der genannten Grundrechte ist nach dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt nur zulässig, sofern sie aus einem der in Art10 Abs2 EMRK bzw §1 Abs2 DSG in Verbindung mit Art8 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist. Die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane besteht daher nur, wenn ihr nicht die Verpflichtung zur Wahrung des Datenschutzes entgegensteht: Die Interessenlage des Auskunftswerbers ist mit dem Geheimhaltungsinteresse an den personenbezogenen Daten des Betroffenen abzuwägen, wobei das Auskunftsinteresse das Geheimhaltungsinteresse zu überwiegen hat (vgl VwSlg 17.854 A/2010 und Eberhard, §1 DSG [2016] Rz. 81 mwN, in Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht).
1.4. Am Schulstandort wird aufgrund der Bestimmungen des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020 eine große Anzahl an Daten von Schülern verarbeitet, die als personenbezogene Daten zu qualifizieren sind. Neben aus Vornamen, Familiennamen, Geburtsdatum oder der Staatsangehörigkeit und Adresse des Schülers bestehenden Datensätzen gemäß §5 Abs1 Z6 bis 10 BilDokG 2020 werden am Schulstandort gemäß §5 Abs1 Z19 und 20 in Verbindung mit Anlage 1 und 2 BilDokG 2020 etwa auch Daten über den Bildungsverlauf des Kindes vor Beginn der Schulpflicht, Daten über Leistungsbeurteilungen, die Wiederholung von Schulstufen, die Erst- und Alltagssprache des Schülers, das Vorliegen eines Förderbedarfes gemäß §12 Abs6 SchUG oder den Besuch einer Deutschförderklasse oder eines Deutschförderkurses gemäß §8h Abs2 oder 3 des Schulorganisationsgesetzes verarbeitet. Die Datenverarbeitung am Schulstandort umfasst neben den Ergebnissen bei der abschließenden Prüfung auch andere Leistungsdaten. Darunter fallen etwa die Ergebnisse der österreichweit periodisch in der 4. und 8. Schulstufe durchgeführten Kompetenzerhebungen, also der Testung der Erreichung der Bildungsstandards gemäß §17 Abs1a SchUG.
Im Zusammenhang mit dem Schulbesuch werden am Schulstandort zudem besondere Kategorien von Daten im Sinne des Art9 Abs1 DSGVO verarbeitet, zB gemäß §5 Abs1 Z16 BilDokG 2020 das angegebene Religionsbekenntnis oder gemäß §5 Abs1 Z17 leg cit einen festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf, der auf das Vorliegen einer Behinderung hinweist (vgl §8 Abs1 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl Nr 76/1985).
1.4.1. Zum Vorliegen personenbezogener Daten bei schulstandortbezogenen aggregierten Datensätzen:
Da Daten über Verhaltensweisen in allen Lebensbereichen (vgl VwSlg 16.330 A/2004), Freizeitverhalten, rechtliche und sonstige Beziehungen, Einstellungen, Aktivitäten, Wirtschaftsdaten (vgl VfSlg 12.228/1989), Werturteile (zB über Charaktereigenschaften, Arbeitseinstellung), Prognosen (zB Laufbahnplanung) oder IP-Adressen (vgl VfSlg 19.657/2012) personenbezogene Daten darstellen können (vgl Eberhard, aaO, Rz 31 mwN), zählen die im Anlassverfahren angefragten Daten – das sind gemäß §8 in Verbindung mit Anlage 6 BilDokG 2020 verarbeitete Daten über die abschließende Prüfung (zB der Schulerfolg im Rahmen der abschließenden Prüfungen, die Beurteilung der Teilprüfungen oder der Erfolg in standardisierten Prüfungsgebieten) – grundsätzlich zu Daten, die in den Schutzbereich des §1 Abs1 DSG fallen können.
Auch aggregierte Daten über die Ergebnisse der abschließenden Prüfungen an mittleren und höheren Schulen an einzelnen Schulstandorten können individuellen Personen zuordenbar sein, wenn sie mit weiteren Merkmalen verknüpft werden: Die Klausurprüfung der abschließenden Prüfung kann sich gemäß §37 Abs2 Z3 SchUG aus den standardisierten Prüfungsgebieten Deutsch, Englisch und (angewandte) Mathematik sowie – je nach Schulform – aus einem oder mehreren der Prüfungsgebiete Französisch, Spanisch, Italienisch, Latein oder Griechisch, ferner an bestimmten Schulstandorten Slowenisch oder Kroatisch und Ungarisch, zusammensetzen. Hinzu kommt (zB gemäß §12 Abs2 der Prüfungsordnung AHS, BGBl II Nr 174/2012) eine große Anzahl von nicht standardisierten Prüfungsgebieten für die Klausurprüfung; so kann unter bestimmten Voraussetzungen beinahe jeder lehrplanmäßig vorgesehene Unterrichtsgegenstand Prüfungsgebiet sein. Aus diesem Grund treten selbst an größeren Schulstandorten in bestimmten Prüfungsgebieten nur wenige Prüfungskandidaten oder überhaupt nur eine einzige Person an. Aufgrund der Verknüpfung etwa folgender Datensätze können mit hoher Wahrscheinlichkeit Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden:
Datensatz 1: Für die Jahre 2018 bis einschließlich 2023: die Zahl der bestandenen und nicht bestandenen schriftlichen, standardisierten und nicht standardisierten Prüfungen pro Fach und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort, die Zahl der bestandenen und nicht bestandenen Kompensationsprüfungen in diesen Fächern und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort.
Datensatz 2: Für die Jahre 2018 bis einschließlich 2023: die Zahl der Kandidaten (getrennt nach Geschlecht) der standardisierten und nicht standardisierten Prüfungen pro Fach und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort, die Zahl der bestandenen und nicht bestandenen Kompensationsprüfungen in diesen Fächern und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort getrennt nach männlich und weiblich.
Datensatz 3: Für die Jahre 2018 bis einschließlich 2023: die Zahl der Kandidaten nach Erstsprache in den schriftlichen, standardisierten und nicht standardisierten Prüfungen pro Fach und je Haupttermin im betreffenden Jahr und pro Schulstandort und die Zahl der bestandenen und nicht bestandenen Kompensationsprüfungen im betreffenden Jahr und pro Schulstandort, getrennt nach Geschlecht und nach Erstsprache.
Die Auswertungen von aggregierten Datensätzen auf Schulstandortebene können in Verbindung mit anderen Merkmalen (etwa mit allgemein zugänglichen Daten oder Wissen über die Schule und ihre Schüler) zu einem Ergebnis führen, das auf eine bestimmte Person zurückgeführt werden kann: Allein die Ausdifferenzierung nach bestandenen und nicht bestandenen Kompensationsprüfungen pro Gegenstand, pro Schulstandort und pro Haupttermin (zB männliche Reifeprüfungskandidaten nicht bestandener Klausurprüfungen im Prüfungsgebiet Griechisch) kann zu einem Ergebnis führen, das nur den Wert '1' umfasst; in diesem Fall kann es sein, dass die dahinterstehende Person unter Rückgriff auf Zusatzwissen des Anfragenden ohne unverhältnismäßigen Aufwand identifiziert werden kann.
Da es somit sehr wahrscheinlich ist, dass schulstandortbezogene Daten selbst in aggregierter Form auf einzelne Personen rückführbar sind, ist vom Vorliegen personenbezogener Daten im Sinne des §1 Abs1 DSG auszugehen. Gegenstand der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht gemäß §21 Abs5 BilDokG 2020 sind daher nur Auskünfte über personenbezogene Daten, also Daten, bei denen aufgrund des Schulstandortbezuges und der Verknüpfbarkeit mit anderen Daten die Rückführbarkeit auf einzelne Personen selbst dann nicht ausgeschlossen werden kann, wenn diese in aggregierter Form vorliegen. Da schulstandortbezogene Daten regelmäßig nicht allgemein verfügbar sind, besteht an diesen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse gemäß §1 Abs1 DSG.
1.4.2. Zum Schutz des Geheimhaltungsinteresses der Schüler und Prüfungskandidaten:
Die angefochtene Bestimmung zielt darauf ab, die Rechte anderer, nämlich die Rechte der Schüler auf Datenschutz gemäß §1 Abs1 DSG zu schützen. Die im Zuge des Schulbetriebs verarbeiteten personenbezogenen Daten stellen umfassende Informationen über persönliche und sensible Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen dar, zB über die Inanspruchnahme von Förderangeboten, Leistungsbeurteilungen, Erst- und Alltagssprache, Schulstufenwiederholungen, Schulwechsel oder Ergebnisse von Kompetenzerhebungen im Rahmen der Bildungsstandardtestungen. Die Verarbeitung dieser Daten ist für eine ordnungsgemäße Schulverwaltung und ein effektives Bildungscontrolling notwendig und daher gesetzlich zwingend vorgesehen. Dies gilt insbesondere für Daten, die im Zusammenhang mit der verpflichtenden Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht gemäß §2 des Schulpflichtgesetzes 1985 verarbeitet werden. Das Risiko der Weitergabe bzw Veröffentlichung von Daten, aufgrund deren ein Personenbezug hergestellt werden kann, kann eine massive Belastung für die betroffenen – und teilweise noch sehr jungen – Schüler und ihre Erziehungsberechtigten bedeuten. Sie ist dazu geeignet, bei den Betroffenen Ängste und Sorgen um die Auswirkung ihres schulischen Verhaltens auf ihr künftiges berufliches und soziales Fortkommen zu schüren und die Kinder und Jugendlichen damit in ihrer bestmöglichen geistigen, seelischen und körperlichen Entwicklung zu behindern (etwa indem Förderangebote im Hinblick auf eine vermeintlich negative Außenwirkung bewusst nicht in Anspruch genommen werden oder ich die Schüler einem hohen Leistungsdruck aussetzen). Es ist nicht auszuschließen, dass durch die Beantwortung mehrerer verschiedener Auskunftsbegehren, die jeweils auf unterschiedliche schulstandortbezogene Datensätze derselben Schule gerichtet sind, letztlich eine Summe an Merkmalen erhoben wird, durch die selbst aggregierte Datensätze auf einzelne Personen zurückgeführt werden können. Der Schutz der Daten der Schüler und Prüfungskandidaten lässt sich daher nicht anders erreichen, als durch eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht (wie in §21 Abs5 BilDokG 2020), die alle schulstandortbezogene Daten, aufgrund deren sich ein Personenbezug ermitteln lässt, erfasst und eine Auskunft über diese Daten gemäß §1 Abs2 des Auskunftspflichtgesetzes gänzlich verhindert.
1.4.3. Zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Schulunterrichts am Schulstandort:
Die angefochtene Bestimmung dient ferner der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes und damit der Rechte der Kinder und Jugendlichen auf die Sicherung und Weiterentwicklung der bestmöglichen Qualität des Bildungswesens. Wie aus dem Beschluss des antragstellenden Gerichtes hervorgeht, zielt die Anfrage des Beschwerdeführers im Anlassverfahren auf Daten für einen Vergleich von Schulstandorten ab ('Schulranking'). Ein Vergleich von Schulstandorten auf Basis der Ergebnisse der Reife- und Diplomprüfung ist allerdings, sogar im Vergleich von Schulen derselben Schulart, nur eingeschränkt möglich, zumal die einzelnen Schulstandorte sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können, etwa durch verschiedene Schulformen, Schwerpunktsetzungen und schulautonome Lehrplanbestimmungen. Dies kann dazu führen, dass das Stundenausmaß in den jeweiligen Unterrichtsgegenständen über alle Schulstufen unterschiedlich ausfällt. Schulstandortvergleiche aufgrund von Ergebnissen der abschließenden Prüfungen suggerieren damit eine Vergleichbarkeit, die faktisch nicht vorhanden ist. Dazu zählen das individuelle Wahlverhalten der Prüfungskandidaten betreffend die Prüfungsgebiete der Klausurprüfung, aufgrund dessen sich die Anzahl der Klausurprüfungen von Standort zu Standort unterscheidet (bei 20 Prüfungskandidaten werden insgesamt zwischen 60 und 100 Klausurprüfungen durchgeführt). Darüber hinaus können Einzelfaktoren (zB ein kurzfristiger Lehrerwechsel oder Erkrankungen) das Ergebnis verzerren, was bei einer Auswertung von größeren Schülerzahlen, bei denen Einzelfälle nach dem Grundsatz der großen Zahl nicht ausschlaggebend sind, nicht der Fall ist.
Werden die Ergebnisse der standardisierten Klausurprüfungen auf Ebene einzelner Schulstandorte öffentlich zugänglich gemacht, würde dies, wie internationale Erfahrungen zeigen, zu geänderten Motivationen bei Schulstandortentscheidungen der Erziehungs- berechtigten und der Bewerber um Lehrerstellen führen. Einzelne Schulen würden, sowohl von Erziehungsberechtigten als auch von Lehrern vermehrt, andere hingegen vermindert nachgefragt werden. In Portugal und in den Niederlanden wurde beobachtet, dass dies mit einer Steigerung der Immobilienpreise in der Nähe 'guter' Schulen und mit einer Konzentration von Schülern mit sozial gleichem Hintergrund an bestimmten Schulen einhergehen kann; ähnliche Effekte wurden auch in Deutschland dokumentiert (vgl George, A. C., Schulrankings in Österreich? – Eine internationale Zusammenschau von Erfahrungen mit Schulrankings. Erziehung und Unterricht 7-8 [2021] 721 [724] mwN). In den Schulen kann dies zu Verteilungskämpfen um Schüler führen. Beobachtet wurde zudem ein erhöhtes Sicherheitsdenken der Lehrer bei der Wahl der Unterrichtsmethoden und damit einher- gehend eine abnehmende Innovationsbereitschaft in Bezug auf neue Unterrichtsmethoden sowie ein erhöhtes Stress- und Angsterleben bei den Schülern (vgl George, A. C., aaO, 723 f mwN). Die zitierte Publikation fasst die Erhebungen zu den Effekten von Schulrankings wie folgt zusammen (vgl George, A. C., aaO, 724 mwN):
'Die oben angeführte Forschung gibt deutliche Hinweise, dass die Veröffentlichung von Schulrankings nicht mit Qualitätssteigerungen im Gesamtsystem einhergehen. Stattdessen erfolgten seitens der Schulen Verteilungskämpfe um die besten Schüler sowie die Umsetzung schneller Lösungen im Unterricht, um die Position in den Rankings zu verbessern. Auf Ebene der Schüler (bzw Eltern) ist ein, der Position der Schulen entsprechendes, Schul- wahlverhalten zu beobachten, welches sich allerdings in sozial benachteiligten Gruppen nicht niederschlägt. Die Folgen dieser erhöhten Bildungsungerechtigkeit zeigen sich nicht nur direkt in den Schulen, sondern auch in deren Einzugsgebieten.'
Eine Veröffentlichung der Ergebnisse der Kompetenzerhebungen im Rahmen der Bildungsstandardtestungen auf Schulstandortebene würde zudem mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem massiven Anstieg des sprengelfremden Schulbesuchs gemäß §13 in Verbindung mit §8 Abs2 des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes, BGBl Nr 163/1955, führen. Darüber hinaus könnten dadurch bereits zu beobachtende, den Bestimmungen des Meldegesetzes 1991, BGBl Nr 9/1992, zuwiderlaufende und das Sprengelwesen konterkarierende Praktiken, um Schüler den Besuch bestimmter gewünschter Schulen außerhalb des eigenen Schulsprengels zu ermöglichen, weiter gefördert; eine ordnungsgemäße Schulplanung würde unverhältnismäßig erschwert werden.
Eine aus dem dargelegten Kontext gerissene, punktuelle Veröffentlichung von Leistungsdaten von Schülern auf Schulstandortebene würde zudem negative Konsequenzen am Arbeitsmarkt für Absolventen jener Schulen bedeuten, die bei Bildungsstandardtestungen oder bei standardisierten abschließenden Prüfungen vermeintlich schlechter abschneiden (ähnliche Effekte zeigen sich derzeit hinsichtlich der Bevorzugung von Absolventen bestimmter Universitäten). Dies würde letztlich der verfassungsgesetzlichen Aufgabe der österreichischen Schule gemäß Art14 Abs5a B VG, wonach Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen ist, entgegenstehen.
1.5. Vor dem Hintergrund der besonderen Situation von Kindern und Jugendlichen in ihrer Eigenschaft als Schüler hat die Gesetzgebung mit der angefochtenen Bestimmung dem Geheimhaltungsinteresse der Schüler in Bezug auf ihre im Rahmen des Schulbesuchs verarbeiteten Daten ein besonderes Gewicht beigemessen. Um dem gewichtigen Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der nationalen Bildungspolitik und an einer effizienten und transparenten Bildungsverwaltung Rechnung zu tragen, hat die Gesetzgebung jedoch verschiedene Maßnahmen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Bildungsdaten ergriffen, aufgrund deren ein Forum für den öffentlichen Diskurs entstehen kann:
Die Ergebnisse der Reife- und Diplomprüfungen an den allgemeinbildenden und berufsbildenden höheren Schulen werden der Öffentlichkeit jährlich durch die Bundesanstalt 'Statistik Österreich' auf Grundlage der dieser vom Schulleiter gemäß §8 Abs4 BilDokG 2020 übermittelten Daten publiziert. Dabei werden die Ergebnisse differenziert nach Bundesländern, Schularten und Geschlecht veröffentlicht (https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bildung/reife-und-diplompruefungen [Stand 2.4.2025]).
Gemäß §5 Abs3 des Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetzes – BD-EG, BGBl I Nr 138/2017, hat der Bundesminister für Bildung auf Basis der Schulqualitätsberichte der Bildungsdirektionen alle drei Jahre einen Nationalen Bildungsbericht zu erstellen und dem Nationalrat vorzulegen. Der Nationale Bildungsbericht 2024 (vgl https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/bef/nbb.html [Stand 2.4.2025]) umfasst 584 Seiten und enthält ua
einen Bildungscontrolling-Bericht: Darin finden sich ausführliche, systematisch er- fasste Informationen über wesentliche Entwicklungen im Bildungsbereich (dazu zählen Daten über die Weiterentwicklung des Schulsystems, den Fortschritt bei der Erreichung der EU-Zielvorgaben für die allgemeine und berufliche Bildung, den Qualitätsrahmen für Schulen, Daten des Bildungsmonitorings, die Ergebnisse der nationalen Kompetenzmessungen sowie der internen und externen Schulevaluationen und Wirkungsinformationen des zuständigen Ressorts); er umfasst auch die Schulqualitätsberichte der Bildungsdirektionen einschließlich der wesentlichen Kennzahlen aus den Bundesländern; und
eine umfassende quantitative Darstellung wichtiger Aspekte des Bildungswesens (zB Bildungsausgaben, Anzahl an Schülern und Lehrpersonen, Klassengrößen, Schulstrukturen, Bildungsströme, Schulwegentscheidungen, Abschlüsse, etc., jeweils mindestens differenziert nach Schulart, Schulstufen und Bundesländern), die aufgrund von Zahlenmaterial und Abbildungen sowie anhand von Bildungsindikatoren (Indikatoren der OECD und des statistischen Amts der Europäischen Union) einen Überblick über Entwicklungen und über den Status quo des österreichischen Bildungssystems in seinem gesellschaftlichen Umfeld gibt.
Gemäß §18 Abs1 BilDokG 2020 hat die Bundesanstalt 'Statistik Österreich' jährlich eine Bundesstatistik zum Bildungswesen in regionaler Gliederung zu erstellen, aus der ins- besondere die Bildungsbeteiligung, die Anzahl der beschäftigten Personen und der auf diese entfallende Personalaufwand, die Finanzierung des Bildungswesens, die Anzahl der Abschlüsse (gegliedert nach Ausbildungsarten, -formen und -fachrichtungen), die Schülerströme zwischen den einzelnen Ausbildungsangeboten und innerhalb derselben (Verlaufsstatistik) und die Verweildauer im Bildungssystem hervorzugehen haben (vgl https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bildung/bildung-in- zahlen). Gemäß §19 Abs2 des Bundesstatistikgesetzes 2000, BGBl I Nr 163/1999, ist diese Statistik in solcher Weise zu veröffentlichen, dass ein Rückschluss auf Angaben über bestimmte oder bestimmbare Betroffene oder einzelne Schulen ausgeschlossen werden kann. Für Schulen ist demnach grundsätzlich ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse anzunehmen, wobei sich das Verbot der Veröffentlichung auf die Daten einzelner Schulen, nicht aber auf größere Einheiten, zB alle Schulen einer Schulart in einem Bundesland, bezieht (vgl zu §19 Abs2 des Bundesstatistikgesetzes 2000 die ErlRV 1098 BlgNR XXVII. GP, 4). Die das Schuljahr 2022/23 betreffende Publikation 'Bildung in Zahlen' um- fasst 483 Seiten und gibt einen detaillierten statistischen Überblick über Bildungsbeteiligung, Bildungskarrieren (jeweils nach Alter, Geschlecht, Bildungsinhalt [allgemein- bildende und berufsbildende Schulen] und Bildungshöhe [Primar- und Sekundarstufen]) sowie Personal, Klassen(-größen) und Finanzierung (jeweils nach Schularten) auf Bundes- und Länderebene und enthält darüber hinaus eine Auswertung der Ergebnisse der Reife- und Diplomprüfungen. Zusätzlich zu den Gesamtstatistiken wird das zugrundeliegende Rohdatenmaterial anhand einer auf der Internetseite https://www.statistik.at/statistiken/ bevoelkerung-und-soziales/bildung/bildung-in-zahlen (Stand 2.4.2025) zum Download bereitgestellten zib-Datei ('Bildung in Zahlen 2022/23 – Tabellen') veröffentlicht.
1.6. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass die angefochtene Bestimmung keine Verletzung der gemäß Art10 EMRK gewährten Rechte darstellt und nicht gegen Art20 Abs4 B VG verstößt.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 BVG und Art2 StGG:
Das antragstellende Gericht äußert darüber hinaus das Bedenken, dass ein generelles Verbot der Auskunftserteilung, wie es gemäß §21 Abs5 BilDokG 2020 vorgesehen ist, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, da ein generelles Verbot, Auskunftsbegehren über schulstandortbezogene Daten zu beantworten, zur Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zieles der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes und der Sicherstellung des ausreichenden Datenschutzes nicht geeignet und daher unsachlich sei.
Dem wird seitens der Bundesregierung Folgendes entgegengehalten:
2.1. Der Gleichheitssatz setzt dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont (vgl zB VfSlg 11.795/1988, 13.420/1993, 13.455/1993, 13.527/1993 und 19.762/2013). Dieser kann im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspiel- raumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und darf bei der Normsetzung generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004, 17.816/2006 und 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN). Ob eine Regelung in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).
2.2. Während der Schullaufbahn eines Schülers hat die Schulverwaltung aufgrund der Bestimmungen des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020 eine hohe Anzahl an Daten über persönliche Lebensbereiche des Schülers zu verarbeiten. Die Angabe des Schulstandorts stellt dabei bereits ein Datum dar, anhand dessen, zusammen mit wenigen weiteren Merkmalen selbst dann eine Rückführbarkeit auf Einzelpersonen nicht ausgeschlossen werden kann, wenn die betreffenden Datensätze in aggregierter Form vorliegen. Auf diesen Umstand hat die Gesetzgebung mit Bestimmungen über Datensicherheitsmaßnahmen bei Übermittlung von schulstandortbezogenen Daten reagiert; so hat der Schulleiter Daten über die abschließenden Prüfungen gemäß §8 Abs3 letzter BilDokG 2020 in Form von Datensätzen zu übermitteln, die zur Identifikation des betroffenen Schülers keine Namen, sondern nur sein bildungseinrichtungsspezifisches Personenkennzeichen (bPK) enthalten dürfen.
2.3. Die angefochtene Bestimmung stellt eine weitere Datensicherheitsmaßnahme dar, um die Rückführbarkeit von einzelnen Datensätzen auf individuelle Schüler zu verhindern und damit die Wahrung des Geheimhaltungsinteresses der Betroffenen sicherzustellen. Im Lichte der Ausführungen unter Punkt 1 ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die angefochtene Bestimmung dem Sachlichkeitsgebot entspricht.
2.4. Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Gesetzgebung mit der angefochtenen Bestimmung ihren rechtspolitischen Gestaltungsspielraum genutzt und – wie unter Punkt 1. ausgeführt – eine sachliche Regelung getroffen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art7 BVG und Art2 StGG liegt nicht vor."
7. In seiner Replik führt das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass die Bundesregierung – in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht – davon ausgehe, dass §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 ein Verbot der Weitergabe von Datensätzen, die sich auf einzelne Schulstandorte beziehen, und zwar auch dann, wenn diese in aggregierter Form vorliegen, normiere und die Bestimmung eine Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen auf der einen und dem Auskunftsinteresse eines Auskunftswerbers auf der anderen Seite auf der Ebene der Vollziehung nicht zulasse. Es fänden sich auch keine Ausführungen in der Äußerung der Bundesregierung, dass die nach ihrem Wortlaut eindeutige Bestimmung verfassungskonform auszulegen wäre.
Zudem weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass bei einer allfälligen Aufhebung von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 durch den Verfassungsgerichtshof nach wie vor in einer nach §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz ohnehin gebotenen Abwägung das Grundrecht auf Datenschutz nach §1 DSG gebührend und einzelfallbezogen berücksichtigt werden könne. Auch nach der künftigen Rechtslage werde die in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.446/2021 Rz 21 bereits bei §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz geforderte Abwägung zwischen Geheimhaltungsinteressen auf der einen und dem Auskunftsinteresse (Informationsinteresse) eines Auskunftswerbers (Informationswerbers) auf der anderen Seite explizit im künftigen §6 Abs1 Informationsfreiheitsgesetz statuiert.
§21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 verhindere – selbst bei Vorliegen der durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung zur passiven Informationsfreiheit entwickelten Kriterien – a priori einen Zugang zu staatlichen Informationen, lasse einen billigen Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen erst gar nicht zu und nehme der Vollziehung den erforderlichen Spielraum, sachgerecht und situationsangepasst das jeweilige Auskunftsersuchen (Informationsersuchen) einzelfallbezogen zu beurteilen. In diesem Sinne erweise sich der durch §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 erfolgte Eingriff in die Informationsfreiheit in Hinblick auf Art10 Abs2 EMRK als unverhältnismäßig. Zudem verstoße §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 gegen Art20 Abs4 B VG.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das antragstellende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
1.3. Der angefochtene §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 wurde mit dem am 1. September 2025 in Kraft getretenen Art59 Informationsfreiheits-Anpassungsgesetz BGBl I 50/2025 novelliert. Art151 Abs68 B VG ordnet an, dass "[a]uf die am 1. September 2025 anhängigen Verfahren gemäß den Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und der Länder […] Art20 Abs3 und 4 in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung, die auf Grund des Art20 Abs4 erlassenen Gesetze und die auf deren Grundlage erlassenen Verordnungen weiter anzuwenden [sind]." Daraus folgt, dass im Anlassverfahren denkmöglich davon ausgegangen werden kann, dass die einschlägigen Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetzes sowie das in §21 Abs5 BildokG 2020 idF BGBl I 20/2021 vorgesehene Verbot zur Auskunftserteilung weiterhin anwendbar sind.
1.4. Vor dem Hintergrund der Bedenken erweist es sich im vorliegenden Fall als ausreichend, das Verbot in §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 anzufechten.
1.5. Da auch sonst im Verfahren keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Der Antrag ist begründet:
2.2. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass das – nach Ansicht des Gerichtes – in §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 festgelegte generelle Verbot, Auskunftsbegehren nach dem Auskunftspflichtgesetz, BGBl 287/1987, betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten, gegen Art10 EMRK verstoße. Das Gericht hegt Zweifel, ob das in den Erläuterungen genannte öffentliche Interesse "der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufs am Standort" das generelle Beantwortungsverbot von Auskunftsersuchen betreffend schulstandortbezogene Daten tragen könne. Es sei im Anwendungsbereich von §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021, anders als in sonstigen Auskunftssachen nach dem Auskunftspflichtgesetz, auf Grund des absoluten Verbotes nicht möglich, eine Interessenabwägung und einen billigen Ausgleich zwischen gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten und Geheimhaltungsinteressen auf der einen und dem Auskunftsinteresse des Auskunftswerbers auf der anderen Seite vorzunehmen. Zudem sei ein generelles Beantwortungsverbot von Auskunftsersuchen nach dem Auskunftspflichtgesetz unsachlich und zu weitgehend. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes unterlasse es der Gesetzgeber, einen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Geheimnisschutzes und des Auskunftsinteresses eines Auskunftswerbers zu ermöglichen. Das Verbot erweise sich daher als unverhältnismäßig.
2.3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
2.3.1. §1 Abs1 Auskunftspflichtgesetz, BGBl 287/1987, idF BGBl I 5/2024 sieht vor, dass Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen haben, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
2.3.2. Das BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 sieht vor, dass bestimmte Daten an die Bundesanstalt "Statistik Österreich" zur Erstellung von Statistiken weitergeleitet werden sollen. §8 Abs4 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 legt zum Beispiel fest, dass Daten hinsichtlich der abschließenden Prüfungen, Externistenprüfungen, die einer abschließenden Prüfung – das sind die Reifeprüfung sowie die Reife- und Diplomprüfung – entsprechen, sowie der Berufsreifeprüfung einschließlich deren Teilprüfungen an die Bundesanstalt "Statistik Österreich" übermittelt werden müssen. Dies soll dem Zweck der Erstellung der Statistik über die abschließenden Prüfungen und die Externistenprüfungen, die einer abschließenden Prüfung entsprechen, sowie zur Erstellung eines Berichts dienen. Zudem hat gemäß §18 Abs1 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 die Bundesanstalt "Statistik Österreich" jährlich eine Bundesstatistik zum Bildungswesen in regionaler Gliederung zu erstellen. §18 Abs1 Z1 bis 6 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 regelt, was sich insbesondere aus der Statistik ergeben muss.
Gemäß §21 Abs4 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 sind alle Personen, die auf Grund des BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, zur Verschwiegenheit über diese von ihnen verarbeiteten personenbezogenen Daten und über alle Tatsachen, die ihnen bei der Erhebung, der Bearbeitung und der Verarbeitung zur Kenntnis gelangt sind, verpflichtet. Sie sind hinsichtlich dieser Verschwiegenheitspflicht Beamte im Sinne des §74 des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl 60/1974. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gilt als Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß §310 StGB. Das Datengeheimnis nach Art2 §6 Abs1 DSG bleibt davon unberührt.
§21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 sieht zusätzlich vor, dass Personen, die auf Grund des BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, nicht berechtigt sind, Auskunftsbegehren gemäß Auskunftspflichtgesetz betreffend schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form, zu beantworten. Dabei können auch Personen, die Organfunktionen in Bildungsdirektionen bekleiden bzw die die Organfunktion des Bundesministers für Bildung innehaben, Personen im Sinne des §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 sein.
Von dem Verbot nach §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 sind daher unter anderen auch der Bundesminister für Bildung und die Bildungsdirektionen umfasst. Dies ergibt sich schon aus einer systematischen Betrachtung. Gemäß §4 Abs1 Z3 und 4 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 können sowohl die zuständige Bildungsdirektorin oder der zuständige Bildungsdirektor als auch der Bundesminister für Bildung Verantwortliche im Sinne des Art4 Z7 DSGVO sein und daher personenbezogene Daten nach §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 verarbeiten.
Die Wendung "schulstandortbezogene Daten, auch in aggregierter Form" bezieht sich nicht bloß auf personenbezogene Daten im Sinne des Art4 Z1 DSGVO, sondern ist weiter zu verstehen. Dies ergibt sich aus einer systematischen Betrachtung des §2 Z11 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021, wonach neben personenbezogenen Daten auch "sonstige Daten" unter Daten im Sinne des BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 zu verstehen sind. In den Materialien wird zum Begriff "Daten" ausgeführt, dass davon sämtliche personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO sowie nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallende Informationen, die auf Grund des BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 verarbeitet werden, umfasst sein sollen. Darunter fallen daher auch Informationen nach §14 BilDok 2020 idF BGBl I 20/2021, die sich nie auf eine natürliche Person bezogen haben (Erläut RV 479 BlgNR 27. GP, 4).
2.3.3. In den Materialien wird die Regelung damit begründet, dass im Hinblick auf schulstandortbezogene Daten – das sind solche, die eine bestimmte Bildungseinrichtung betreffen – eine Ausnahmeregelung von der Auskunftspflicht geschaffen wurde, um dem öffentlichen Interesse der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort bestmöglich Rechnung zu tragen. Zudem sollen nachteilige Folgen für einzelne Schulstandorte verhindert sowie betreffend kleinere Schulstandorte ein ausreichender Datenschutz sichergestellt werden (Erläut RV 479 BlgNR 27. GP, 21).
2.4. §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 verstößt gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gemäß Art10 Abs1 EMRK:
2.4.1. Nach Art10 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst.
In seiner Entscheidung vom 8. November 2016 (GK), 18.030/11, Magyar Helsinki Bizottság, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine bisherige Rechtsprechung dahingehend zusammengefasst, dass Art10 Abs1 EMRK unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Recht auf Zugang zu Informationen gewährleistet (vgl zuletzt auch EGMR 8.10.2019, 15.428/16, Szurovecz ; 21.6.2024, 10.103/20, Siec Obywatelska Watchdog Polska ). Dies ist dann der Fall, wenn die Offenlegung der Informationen von einem Gericht rechtskräftig angeordnet wurde. Ein solches Recht besteht ferner dann, wenn der Zugang zu Informationen für die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit, insbesondere der Freiheit des Erhalts und der Weitergabe von Informationen, maßgeblich ist. Für den Bestand und die Reichweite dieses Rechts ist insbesondere von Bedeutung, ob das Sammeln der Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten ist, ob die Offenlegung der begehrten Informationen im öffentlichen Interesse notwendig sein kann – insbesondere weil sie für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind, sorgt –, ob der Grundrechtsträger als Journalist oder Nichtregierungsorganisation oder in einer anderen Funktion als "public watchdog" oder "social watchdog" im öffentlichen Interesse tätig wird und schließlich ob die begehrte Information bereit und verfügbar ist und daher kein weiteres Sammeln von Daten notwendig ist (vgl EGMR 8.11.2016, (GK), 18.030/11, Magyar Helsinki Bizottság , Z149 ff.; siehe auch VfSlg 20.446/2021).
Art10 Abs2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind.
Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (s zB EGMR 26.4.1979, 6538/74, Sunday Times ; 25.3.1985, 8734/79, Barthold), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art10 Abs2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl VfSlg 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001, 19.854/2014, 20.014/2015, 20.340/2019).
2.4.2. §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 greift in Art10 Abs1 EMRK ein, weil die Anordnung, dass eine Auskunft auf Grund eines Verbotes wie in §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 nicht zu erteilen ist, auch auf Fälle zur Anwendung kommt, in denen nach Art10 Abs1 EMRK ein Recht auf Zugang zu Informationen besteht (siehe 2.4.1.).
2.4.3. §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 verfolgt insbesondere das Ziel, dem öffentlichen Interesse der Gewährleistung eines unbeeinträchtigten und ordnungsgemäßen Schulablaufes am Standort der Schule bestmöglich Rechnung zu tragen. Zudem sollen nachteilige Folgen für einzelne Schulstandorte verhindert sowie betreffend kleinere Schulstandorte ein ausreichender Datenschutz sichergestellt werden (vgl Erläut RV 479 BlgNR 27. GP, 21).
2.4.4. Sowohl aus der Formulierung des §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 als auch aus den Materialien ergibt sich aber, dass diese Bestimmung im Hinblick auf Auskunftsbegehren, die schulstandortbezogene Daten – auch in aggregierter Form – betreffen und sich an Personen richten, die personenbezogene Daten gemäß Art4 Z1 DSGVO verarbeiten, ein absolutes Verbot vorsieht. Davon können – wie das Bundesverwaltungsgericht ausführt – auch Daten erfasst sein, die keinen Rückschluss auf natürliche Personen zulassen (vgl §14 Abs1 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021) oder die überhaupt keinen Bezug zu Personen aufweisen. Das in §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 enthaltene Verbot kann sohin auch Auskunftsbegehren umfassen, bei denen die von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme angeführten Rechtfertigungsgründe nicht durchschlagen.
2.4.5. Durch dieses absolute Verbot der Beantwortung von Auskunftsbegehren – das auch den Bundesminister für Bildung und die Bildungsdirektionen umfasst – widerspricht der Gesetzgeber dem Erfordernis nach Art10 Abs2 EMRK, dass eine Abwägung der jeweiligen Interessen vorzunehmen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Medien in einer demokratischen Gesellschaft als "public watchdog" eine zentrale Rolle im öffentlichen Interesse wahrnehmen (siehe 2.4.1.; vgl zB EGMR 8.11.2016 (GK), 18.030/11, Magyar Helsinki Bizottság; VfSlg 20.446/2021), gebietet daher das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, dass der Gesetzgeber das Recht auf Zugang zu Informationen im Rahmen der Ausübung journalistischer Tätigkeit berücksichtigt. Ein derart weitgehendes Auskunftsverbot, wie es §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 festlegt, wäre nämlich geeignet, journalistische Tätigkeit in unverhältnismäßiger Weise zu behindern oder sogar auszuschließen. Der Gesetzgeber ist gehalten, einen angemessenen, differenzierten Ausgleich zwischen Geheimhaltungsinteressen auch gegenüber Medien und den durch Art10 EMRK geschützten Anforderungen journalistischer Tätigkeit vorzusehen. Anders als bei sonstigen Auskunftsbegehren nach dem Auskunftspflichtgesetz ist eine Interessenabwägung zwischen gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten und Auskunftsinteressen im Rahmen des §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 im Einzelfall nicht möglich (vgl VfSlg 20.446/2021; VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083; 28.6.2021, Ra 2019/11/0049).
2.4.6. Eine solche Interessenabwägung müsste §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 aber auch deshalb ermöglichen, weil es auch Konstellationen geben kann, in denen der Zugang zu nicht individualisierbaren schulstandortbezogenen Daten im Lichte des Art10 EMRK zulässigerweise beschränkt werden darf.
2.4.7. Schon aus diesem Grund erweist sich §21 Abs5 BilDokG 2020 idF BGBl I 20/2021 als unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit gemäß Art10 Abs1 EMRK.
2.4.8. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die weiteren Bedenken des antragstellenden Bundesverwaltungsgerichtes einzugehen.
V. Ergebnis
1. §21 Abs5 des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Bildungswesen (Bildungsdokumentationsgesetz 2020 – BilDokG 2020), BGBl I 20/2021 war wegen Verstoßes gegen das Recht auf Meinungsäußerung und Informationsfreiheit verfassungswidrig. Da die Bestimmung mit 1. September 2025 außer Kraft getreten ist, hat sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit zu beschränken (Art140 Abs4 B VG).
2. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz BVG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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