Auswertung in Arbeit
I. 1. §2b Abs1 des Bundesgesetzes, mit dem Regelungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung getroffen werden (Fortpflanzungsmedizingesetz – FMedG), BGBl Nr 275/1992, idF BGBl I Nr 35/2015 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 2027 in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, der Antragstellerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge
"a. §2b Abs1 Fortpflanzungsmedizingesetz, BGBl Nr 275/1992 idF BGBl I Nr 35/2015 zur Gänze,
in eventu
b. in §2b Abs1 Fortpflanzungsmedizingesetz idF BGBl I Nr 35/2015 das Wort 'auch' und die Wortreihenfolge ', wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann',
in eventu
c. in §2b Abs1 Fortpflanzungsmedizingesetz idF BGBl I Nr 35/2015 die Wortreihenfolge ', wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann'",
als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
Das Bundesgesetz, mit dem Regelungen über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung getroffen werden (Fortpflanzungsmedizingesetz – FMedG), BGBl 275/1992, idF BGBl I 58/2018 hat auszugsweise den folgenden Wortlaut (die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist durch Unterstreichung hervorgehoben):
"2. Abschnitt
Zulässigkeitsvoraussetzungen bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, Präimplantationsdiagnostik und Zellentnahme
Medizinisch unterstützte Fortpflanzung
§2. (1) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft zulässig.
(2) Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist ferner nur zulässig, wenn
1. nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung alle anderen möglichen und den Ehegatten oder Lebensgefährten zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr erfolglos gewesen oder aussichtslos sind oder
2. ein Geschlechtsverkehr zur Herbeiführung einer Schwangerschaft den Ehegatten oder Lebensgefährten wegen der ernsten Gefahr der Übertragung einer schweren Infektionskrankheit auf Dauer nicht zumutbar ist oder
3. eine Schwangerschaft bei einer von zwei miteinander in eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft lebenden Frauen herbeigeführt werden soll oder
4. sie zum Zweck einer nach §2a zulässigen Präimplantationsdiagnostik vorgenommen werden muss.
(3) Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aussichtsreiche und zumutbare Methoden zur Auswahl stehen, darf zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfähige Zellen entstehen. Das Kindeswohl ist dabei zu berücksichtigen.
Präimplantationsdiagnostik
§2a. (1) Eine Präimplantationsdiagnostik ist nur zulässig, wenn
1. nach drei oder mehr Übertragungen entwicklungsfähiger Zellen keine Schwangerschaft herbeigeführt werden konnte und Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist, oder
2. zumindest drei ärztlich nachgewiesene Fehl- oder Totgeburten spontan eintraten und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Ursache in der genetischen Disposition des Kindes hatten oder
3. auf Grund der genetischen Disposition zumindest eines Elternteils die ernste Gefahr besteht, dass es zu einer Fehl- oder Totgeburt oder zu einer Erbkrankheit des Kindes kommt.
(2) Eine Erbkrankheit im Sinn des Abs1 Z3 liegt vor, wenn das Kind während der Schwangerschaft oder nach der Geburt derart erkrankt, dass es
1. nur durch den ständigen Einsatz moderner Medizintechnik oder den ständigen Einsatz anderer, seine Lebensführung stark beeinträchtigender medizinischer oder pflegerischer Hilfsmittel am Leben erhalten werden kann oder
2. schwerste Hirnschädigungen aufweist oder
3. auf Dauer an nicht wirksam behandelbaren schwersten Schmerzen leiden wird
und darüber hinaus die Ursache dieser Krankheit nicht behandelt werden kann.
(3) Wenn nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere Untersuchungsmethoden zur Auswahl stehen, um eine Schwangerschaft herbeizuführen oder um auszuschließen, dass die ernste Gefahr einer Fehl- oder Totgeburt oder einer Erbkrankheit besteht, darf zunächst nur diejenige Untersuchung vorgenommen werden, die in einem früheren Stadium ansetzt oder die weniger invasiv ist.
(4) Im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik dürfen nur die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung im Sinn des Abs1 Z1 zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, im Sinn des Abs1 Z2 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder im Sinn des Abs1 Z3 zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder einer Erbkrankheit unabdingbar erforderlichen Untersuchungen durchgeführt werden. Die Bestimmung des Geschlechts durch Präimplantationsdiagnostik ist nur zulässig, wenn die Erbkrankheit geschlechtsabhängig ist.
(5) Einrichtungen, in denen im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik gemäß Abs1 genetische Analysen durchgeführt werden, bedürfen insbesondere für die von ihnen in Aussicht genommenen Untersuchungsmethoden, den Untersuchungsinhalt und den Untersuchungsumfang einer Zulassung gemäß §68 Abs3 GTG unter Einbindung des wissenschaftlichen Ausschusses für Genanalyse und Gentherapie gemäß §88 Abs2 Z2a GTG.
Zellentnahme und -aufbewahrung
§2b. (1) Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.
(2) Eizellen, die für eine dritte Person verwendet werden sollen, dürfen nur vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 30. Lebensjahr entnommen werden.
Verwendung der entnommenen Zellen
§3. (1) Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen außer in den in Abs2 und 3 geregelten Fällen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten verwendet werden.
(2) Der Samen einer dritten Person darf ausnahmsweise dann verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist oder eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in einer eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft von zwei Frauen vorgenommen werden soll.
(3) Die Eizellen einer dritten Person dürfen ausnahmsweise dann verwendet werden, wenn die der Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, nicht fortpflanzungsfähig sind und diese Frau zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
[…]
4. Abschnitt
Verwendung, Untersuchung und Behandlung von Zellen
[…]
Aufbewahrung
§17. (1) Samen, Eizellen, entwicklungsfähige Zellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe, die für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden sollen, dürfen nur in einer nach §5 Abs2 zugelassenen Krankenanstalt, Samen auch durch einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der eine Meldung gemäß §5 Abs1 erstattet hat, entnommen und bis auf Widerruf oder bis zum Tod der Person, von der sie stammen, aufbewahrt werden. Entwicklungsfähige Zellen dürfen jedoch höchstens zehn Jahre in einer nach §5 Abs2 zugelassenen Krankenanstalt aufbewahrt werden. Die Aufbewahrung hat dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik zu entsprechen.
(2) Die Überlassung von Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe gemäß Abs1 ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Person, von der sie stammen, und die Überlassung entwicklungsfähiger Zellen nur mit schriftlicher Zustimmung beider Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten zulässig. Die Zustimmung kann nur höchstpersönlich und im Zustand der Entscheidungsfähigkeit erteilt werden. §3 bleibt unberührt.
[…]
6. Abschnitt
Strafbestimmungen
[…]
§23. (1) Wer als Arzt
1. eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder Präimplantationsdiagnostik durchführt
a) die nach den §§2 bis 3 unzulässig ist,
b)-e) […]
2.-5. […]
begeht eine Verwaltungsübertretung.
(2) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs1 ist zu ahnden
1. in den Fällen der Z1 bis 4 mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, bei Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 14 Tagen;
2. […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragstellerin legt ihre Bedenken wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen und Fußnoten im Original):
"1. ÜBERBLICK
1.1. Dieser Gesetzesprüfungsantrag bekämpft das Verbot des 'Social Egg Freezings' in Österreich.
1.2. 'Social Egg Freezing' (oder auch 'Egg Freezing') ist eine medizinische Behandlungsmethode, die auf ausdrücklichen Wunsch der jeweiligen Patientin erfolgt. Dabei werden der (meist jungen) Patientin unbefruchtete Eizellen ohne medizinischen Grund entnommen und vorsorglich eingefroren. Die entnommenen Eizellen können später für eine künstliche Befruchtung der Patientin verwendet werden.
Die Besonderheit in diesem Verfahren liegt darin, dass bei einer allfälligen späteren künstlichen Befruchtung die eigenen Eizellen der Patientin verwendet werden können. Sollte die Patientin zu einem späteren Zeitpunkt also eine künstliche Befruchtung erwägen, kann sie auf ihre eigenen Eizellen zurückgreifen (sog 'Eigenspende'). Die Patientin ist somit nicht auf die Eizellenspende anderer Frauen angewiesen.
1.3. 'Social Egg Freezing' gibt Frauen, die sich ihren Kinderwunsch aktuell nicht erfüllen können oder wollen, die Möglichkeit ihre Chancen auf eine Schwangerschaft jenseits des Alters von etwa 35 Jahren zu erhöhen. 'Social Egg Freezing' eröffnet Frauen sohin die Option, die Familiengründung hinauszuzögern.
1.4. 'Social Egg Freezing' ist in Österreich grundsätzlich verboten. In Österreich sind die Entnahme und das vorsorgliche Einfrieren von weiblichen Eizellen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Eine solche Ausnahme liegt im Falle einer medizinischen Indikation vor. Die Rechtsgrundlage für die Entnahme und das Aufbewahren von Eizellen findet sich im Fortpflanzungsmedizingesetz (nachfolgend 'FMedG'). Dort regelt §2b Abs1 FMedG Folgendes:
'Zellentnahme und -aufbewahrung
§2b. (1) Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.
(2) Eizellen, die für eine dritte Person verwendet werden sollen, dürfen nur vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 30. Lebensjahr entnommen werden. '
1.5. Die Antragstellerin ist 36 Jahre alt und eine vollkommen gesunde Frau. Die Antragstellerin beabsichtigt, die medizinische Behandlungsmethode des 'Social Egg Freezings' in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin will sich also - medizinisch unterstützt - einzelne Eizellen entnehmen und vorsorglich einfrieren lassen.
Betont wird hierbei: Bei der Antragstellerin besteht kein körperliches Leiden (iSd §2b Abs1 FMedG). Die Antragstellerin erfährt auch keine medizinische Behandlung, die eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann. Für die Antragstellerin liegen die Ausnahmevoraussetzungen des §2b Abs1 FMedG somit nicht vor. Die Antragstellerin kann die medizinische Behandlungsmethode des 'Social Egg Freezings' daher aus rechtlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen.
1.6. Die Antragstellerin sieht sich durch die Regelung des §2b Abs1 FMedG in ihren verfassungsrechtlich zugestandenen Rechten gemäß Art8 EMRK beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund stellt sie den gegenständlichen Antrag auf Normprüfungskontrolle beim Verfassungsgerichtshof (nachfolgend 'VfGH') und begründet diesen wie folgt:
2. SACHVERHALT
2.1. […] Die Antragstellerin […] ist 36 Jahre alt und österreichische Staatsbürgerin.
2.2. Die Antragstellerin ist aus medizinischer Sicht vollkommen gesund. Bei der Antragstellerin liegen insbesondere keine Leiden iSd §2b Abs1 FMedG vor. Die Antragstellerin bekommt auch keine medizinische Behandlung, welche eine ernste Gefahr bewirkt bzw bewirken könnte, dass eine Schwangerschaft (später) nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.
2.3. Die Antragstellerin hat aktuell keinen Kinderwunsch. Die Antragstellerin plant jedoch, zu einem späteren Zeitpunkt Kinder zu bekommen. Da die Antragstellerin derzeit nicht absehen kann, wann dies der Fall sein wird, möchte sie die medizinische Möglichkeit des 'Social Egg Freezings' in Anspruch nehmen.
2.4. Die Antragstellerin möchte damit die Möglichkeit erhöhen, zu einem späteren Zeitpunkt schwanger zu werden. Die Antragstellerin will allerdings jetzt die medizinische Behandlungsmethode des 'Social Egg Freezings' in Anspruch nehmen. Die Antragstellerin will sich also (medizinisch unterstützt) einzelne Eizellen entnehmen und für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung vorsorglich einfrieren lassen.
2.5. Der behandelnde Arzt der Antragstellerin […] würde der Antragstellerin - sofern dies gesetzlich zulässig wäre - einzelne Eizellen entnehmen und vorsorglich einfrieren lassen. […]
2.6. Der medizinische Eingriff des 'Social Egg Freezings' erfolgt hierbei wie folgt:
2.6.1. Um mehr als eine Eizelle pro Zyklus gewinnen zu können, muss zunächst eine hormonelle Stimulation der Patientin erfolgen. Durch die Gabe von Gonadotropinen kommt es zu einem Heranreifen von Follikeln in den Eierstöcken der Patientin. In den Follikeln sind die Eizellen enthalten. Die durchschnittliche Follikelreifung und damit Hormongabe dauert zwischen acht und zwölf Tage. In dieser Zeit erfolgen zwei bis drei Ultraschalluntersuchungen, um das Wachstum und die Zahl der Follikel zu kontrollieren. Die gewünschte Follikelzahl liegt bei einem 'Social Egg Freezing' zwischen zehn und fünfzehn Stück. Sobald die Follikel die gewünschte Größe erreicht haben, erfolgt die Ovulationsinduktion durch Gabe von b-HCG. Die Entnahme der Eizellen erfolgt 36 Stunden später. Bei diesem kurzen Eingriff, der üblicherweise in einer kurzen Sedierung durchgeführt wird, werden über einen vaginalen Zugang ultraschallgesteuert die Follikel abpunktiert. Die Follikelflüssigkeit wird unmittelbar anschließend im Labor durch die Biologinnen untersucht und Eizellen werden in Kulturschälchen umgesetzt. Diese Schälchen werden zunächst zwei Stunden inkubiert; danach werden die Eizellen mit Hilfe eines Vitrifikationsverfahrens eingefroren. Die Lagerung der Eizellen erfolgt in flüssigem Stickstoff bei -195°C und ist technisch unbegrenzt ohne Qualitätsverlust möglich.
2.6.2. Bei bestehendem Kinderwunsch werden die gelagerten Eizellen aufgetaut und mit dem Sperma des Partners befruchtet. Anschließend wird der Embryo über fünf Tage in Kultur behalten und dann mittels eines dünnen Katheters in die Gebärmutter eingesetzt.
2.6.3. Nur ein Drittel aller Eizellen entwickelt sich zu einem Embryo an Tag 5 und von diesen Embryonen kommt es in 30% zu einer Schwangerschaft und Geburt. Um daher eine realistische Schwangerschaftsrate zu erzielen, ist die Gewinnung von fünfzehn bis zwanzig Eizellen sinnvoll. Üblicherweise sind hierfür zwei Stimulationszyklen notwendig.
Für die weitere Betrachtungsweise wird die ärztlich unterstützte Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen und Eierstockgewebe zum Zweck einer künftigen medizinisch unterstützten Fortpflanzung auch als 'Social Egg Freezing' (nachfolgend 'Social Egg Freezing' oder 'Egg Freezing') bezeichnet.
2.7. Die Antragstellerin und der behandelnde Arzt wären - nach Aufhebung des Verbots des 'Social Egg Freezings' - jederzeit bereit, einen Behandlungsvertrag für das 'Social Egg Freezing' abzuschließen. Darin würde sich der behandelnde Arzt dazu verpflichten, der Antragstellerin (einzelne) Eizellen (und erforderlichenfalls auch Eierstockgewebe) zu entfernen und vorsorglich zu verwahren, damit diese künftig für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden können. Die Antragstellerin und der Arzt haben den entsprechenden Behandlungsvertrag nur deshalb noch nicht abgeschlossen, weil gerade dieser Leistungsgegenstand (dh 'Social Egg Freezing') von §2b Abs1 FMedG verboten wird.
2.8. Im Fall der Aufhebung des §2b Abs1 FMedG würden die Antragstellerin und der behandelnde Arzt einen Behandlungsvertrag für 'Social Egg Freezing' abschließen. In der Folge würde der behandelnde Arzt der Antragstellerin (einzelne) Eizellen (und erforderlichenfalls auch Eierstockgewebe) entfernen und vorsorglich verwahren, damit diese künftig für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden können.
[…]
3. RECHTSLAGE
[…]
3.2. Vor dem dargestellten Hintergrund lässt sich die Rechtslage sohin abstrakt wie folgt zusammenfassen:
3.2.1. Zulässigkeit von 'Social Egg Freezing' bei medizinischer Indikation: Eizellen oder Eierstockgewebe dürfen nur dann für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn aufgrund einer Erkrankung oder einer damit im Zusammenhang stehenden Behandlung der baldige Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit zu befürchten ist (vgl §2b Abs1 FMedG). Die Entnahme und Konservierung eigener Eizellen in jungem Alter, um sich mit diesen Zellen in einem fortgeschrittenen Alter fortpflanzen zu können, ist aktuell nur bei einer medizinischen Indikation zulässig.
3.2.2. Unzulässigkeit von 'Egg Freezing' bei mangelnder medizinischer Indikation: Im Umkehrschluss folgt, dass Eizellen oder Eierstockgewebe nicht für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden dürfen, wenn bei der jeweiligen Patientin keine medizinische Indikation vorliegt (vgl §2b Abs1 FMedG e contrario). Gesunden Frauen dürfen somit keine Eizellen oder Eierstockgewebe entnommen werden, damit sich diese Frauen mit ihren Eizellen in einem fortgeschrittenen Alter fortpflanzen können.
3.2.3. Arzt als Normadressat des FMedG: Das FMedG richtet sich an die behandelnden Ärzte, die Eizellen oder Eierstockgewebe iSd §2b Abs1 FMedG entnehmen. Normadressat des FMedG ist somit der behandelnde Arzt und nicht die Patientin. Sofern ein Arzt ohne medizinische Indikation (iSd §2b Abs1 FMedG) den medizinischen Eingriff des 'So[c]ial Egg Freezings' vornimmt, begeht der Arzt eine Verwaltungsübertretung.
3.2.4. Eingriff in die Vertragsfreiheit: Gesunde Frauen, die die Möglichkeit des 'Social Egg Freezings' in Anspruch nehmen wollen, können in Österreich keinen medizinischen Behandlungsvertrag mit potentiell behandelnden Ärzten abschließen. Die (Verwaltungs-)Strafandrohung des FMedG (vgl §§23 Abs1 lita iVm Abs2 Z1 FMedG) verbietet es dem potentiell behandelnden Arzt, eine gesunde Frau zu versorgen. Dem potenziell behandelnd[en] Arzt ist es nämlich verboten, gesunden Frauen Eizellen oder Eierstockgewebe zu entnehmen und vorsorglich aufzubewahren, damit diese zu einem späteren Zeitpunkt zum Zwecke der Fortpflanzung verwendet werden. Die [Strafbestimmung] des FMedG stellt daher einen Eingriff in die Privatautonomie bzw die Vertragsfreiheit dar und berührt die Rechtssphäre junger Frauen, die mit einem Arzt einen Behandlungsvertrag für 'Social Egg Freezing' abschließen wollen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die behandelnden Ärzte durch das FMedG in ihrer Vertragsfreiheit beschränkt werden.
3.3. Die dargestellte Rechtslage hat für Antragstellerin und den behandelnden Arzt konkret folgende Auswirkungen:
3.3.1. Verbot des 'Social Egg Freezing': Bei der Antragstellerin besteht keine medizinische Indikation iSd §2b Abs1 FMedG. Aktuell dürfen ihr daher keine Eizellen oder Eierstockgewebe entnommen werden, damit diese zu einem späteren Zeitpunkt zum Zwecke der Fortpflanzung verwendet werden. 'Social Egg Freezing' ist der Antragstellerin sohin verboten; die entsprechende Behandlung ist in Österreich unzulässig.
3.3.2. Strafbarkeit des behandelnden Arztes: Der potentiell behandelnde Arzt würde eine Verwaltungsübertretung begehen, sofern er bei der gesunden Antragstellerin Eizellen oder Eierstockgewebe entnimmt, damit diese zu einem späteren Zeitpunkt zum Zwecke der Fortpflanzung verwendet werden. Die Verwaltungsübertretung wäre mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 50.000,00, bei Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 14 Tagen zu ahnden (vgl §§23 Abs2 Z1 FMedG).
3.3.3. Beitragstäterschaft der Patientin: Würde die Antragstellerin den potentiell behandelnden Arzt zum Abschluss des entsprechenden Behandlungsvertrags oder gar zur Vornahme des 'Social Egg Freezings' anstiften, besteht zudem die Gefahr, dass die Antragstellerin als Beitragstäterin (iSd §7 VStG) selbst eine Verwaltungsübertretung begeht.
3.3.4. Unzulässiger Behandlungsvertrag: Die drohende Verwaltungsstrafe des FMedG hat zur Konsequenz, dass die Antragstellerin und der potentiell behandelnde Arzt keinen medizinischen Behandlungsvertrag für das geplante 'Social Egg Freezing' abschließen können. Ein dennoch abgeschlossener Behandlungsvertrag wäre nichtig (vgl §879 Abs2 ABGB).
3.4. Zwischenergebnis: Die Antragstellerin ist eine gesunde Frau. Die aktuelle Rechtslage des FMedG verbietet es, dass der Antragstellerin (medizinisch unterstützt) Eizellen und Eierstockgewebe entnommen werden, damit diese zu einem späteren Zeitpunkt zum Zwecke der Fortpflanzung verwendet werden. Der Vorgang des 'Social Egg Freezings' ist damit verboten.
4. […]
5. ZUR ZULÄSSIGKEIT DES ANTRAGS
5.1. Der VfGH erkennt über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist (vgl Art140 Abs1 litc B VG).
Die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrags nach Art140 Abs1 litc B VG hängt dabei von vier Voraussetzungen ab: (1) dem Vorliegen eines Gesetzes, (2) der möglichen Verletzung subjektiver Rechte, (3) der unmittelbaren, rechtlichen und aktuellen, nicht bloß potentiellen Betroffenheit und (4) dem Umstand, dass es keinen 'Umweg' gibt ('U[m]wegsunzumutbarkeit'). Hierzu im Einzelnen:
5.2. Vorliegen eines Gesetzes:
Im vorliegenden Fall verletzt §2b Abs1 FMedG die Rechtsposition der Antragstellerin. Bei dieser Rechtsnorm handelt es sich um ein Gesetz iSd Art140 Abs1 B VG.
5.3. Eingriff in Rechtssphäre und Verletzung subjektiver Rechte
5.3.1. Wie der VfGH in seiner mit dem Beschluss VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass a) das Gesetz in die Rechtssphäre der betreffenden Person unmittelbar eingreift und b) sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
5.3.2. Zum Eingriff in die Rechtssphäre:
Die Frage, ob durch ein bestimmtes Gesetz ein Eingriff in Rechte einer Person bewirkt wird, ist durch einen Vergleich deren Rechtsposition unter Berücksichtigung des Gesetzes einerseits mit deren Rechtsposition unter gedanklichem Weglassen des Gesetzes andererseits zu lösen. Ausschlaggebend ist das Bestehen eines Unterschiedes – gleich welchen Inhaltes und welchen Ausmaßes – in den verglichenen Rechtspositionen. Eine Erheblichkeitsschwelle des Eingriffes existiert nicht. Insbesondere muss es sich nicht um einen Eingriff in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte handeln.
Zu dieser Voraussetzung ist auszuführen: Die Antragstellerin ist durch §2b Abs1 FMedG unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt, da ein Eingriff in die Vertragsfreiheit erfolgt und diese verletzt.
Aufgrund der aktuellen Rechtslage ist es der gesunden (!) Antragstellerin nicht möglich, einen medizinischen Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt abzuschließen, damit dieser der Antragstellerin einzelne Eizellen entnehmen und vorsorglich für sie aufbewahren kann. §2b Abs1 FMedG greift somit in die Vertragsfreiheit der Vertragsparteien - nämlich der Antragstellerin einerseits und des behandelnden Arztes andererseits - ein, weil die Erbringung der ärztlichen Leistung (dh Entnahme von Eizellen und vorsorgliche Verwahrung) bei der Antragstellerin, bei der keine medizinische Indikation vorliegt, verboten ist. Ein entsprechend abgeschlossener Behandlungsvertrag, der das 'Social Egg Freezing' zum Leistungsinhalt machen würde, wäre nichtig (iSd §879 Abs2 ABGB; siehe auch Punkt 3.3.4).
Beim gedanklichen Weglassen des §2b Abs1 FMedG wäre es der Antragstellerin möglich, einen medizinischen Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt abzuschließen. Nach Abschluss des Behandlungsvertrags könnte der behandelnde Arzt der Antragstellerin Eizellen entnehmen und diese vorsorglich verwahren, damit diese später für eine künstliche Befruchtung verwendet werden können. Dieser Vorgang ist aktuell aber nicht möglich, weil bei der Antragstellerin keine medizinische Indikation iSd §2b Abs1 FMedG vorliegt.
Im Übrigen: Die gesetzlichen Verbote des §2b Abs1 FMedG lassen sich also nicht als nur an Ärzte gerichtete Regelungen rein berufsrechtlicher Natur verstehen. Es zeigt nicht zuletzt auch die korrespondierende Strafbestimmung des §23 Abs1 Z1 lita FMedG durch die ihren Adressatenkreis gegenüber jenem der betroffenen Verbotsnorm (dh §2b Abs1 FMedG) einschränkende einleitende Wendung 'Wer als Arzt' (eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung oder Präimplantationsdiagnostik durchführt, die nach den §§2 bis 3 unzulässig ist, [...] begeht eine Verwaltungsübertretung), dass sich die Verbotsnorm an einen weiteren Adressatenkreis richtet als die Strafbestimmung (siehe dazu nahezu wortgleich in VfSlg 15632).
Sofern der VfGH dem Gesetzesprüfungsantrag stattgeben sollte, würde die Änderung der Rechtslage auch die Rechtsposition der Antragstellerin positiv verändern. Diesfalls könnte die Antragstellerin mit dem behandelnden Arzt eine[n] medizinischen Behandlungsvertrag abschließen, sodass dieser ihre Eizellen entnehmen und vorsorglich verwahren kann. Bei Aufhebung des §2b Abs1 FMedG (oder Teilen davon) wäre das 'Social Egg Freezing' für die Antragstellerin rechtlich möglich.
5.3.3. Zur Verletzung subjektiver Rechte:
Das Verbot des 'Social Egg Freezings' verletzt auch das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Antragstellerin auf Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Art8 EMRK. Hierbei ist zu betonen: Es besteht ein von der Verfassung anerkanntes Recht, die Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Anspruch zu nehmen.
Nachdem die Inanspruchnahme einer In Vitro Fertilisation (nachfolgend 'IVF') nach der Rechtsprechung in den Anwendungsbereich von Art8 EMRK fällt, muss dies auch für die Durchführung einer IVF mit eigenen, zu einem früheren Zeitpunkt für diesen Zweck entnommenen Eizellen gelten. Da die einzelnen Komponenten des 'Social Egg Freezings' - Entnahme, Aufbewahrung und spätere Verwendung der Eizellen - untrennbar zusammenhängen, fällt nicht nur die spätere Befruchtung der Eizellen in den Anwendungsbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens, sondern der gesamte Vorgang und damit auch die Methode des 'Social Egg Freezings'.
Im Ergebnis wird somit der Antragstellerin als junger Frau mit dem Verbot des Einfrierens von Eizellen das Recht genommen, die verfassungsrechtlichen abgesicherten Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Anspruch zu nehmen. Damit wird sie unmittelbar in ihren subjektiven Rechten verletzt.
5.4. Unmittelbare Betroffenheit:
5.4.1. Das angefochtene Gesetz muss in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen. Der VfGH verneint dies, wenn sich keine Rechtssphäre des Antragstellers findet, in die die bekämpfte Regelung eingreifen und diesen in Rechten verletzen könnte. Zumeist stellt der VfGH (formal) dabei darauf ab, ob der Antragsteller Normadressat des angefochtenen Gesetzes ist. Allerdings betrachtet der VfGH auch den normativen Sinn der Regelung.
5.4.2. Die Antragstellerin ist von der Vorschrift des §2b Abs1 FMedG unmittelbar betroffen.
5.4.3. Zwar wendet sich das Verbot der Entnahme von Eizellen und Eierstockgewebe zum Zweck einer künftigen medizinisch unterstützten Fortpflanzung nach seiner Formulierung grundsätzlich nur an den behandelnden Arzt, den allein außerdem die Strafdrohung wegen Zuwiderhandelns trifft (§23 Abs1 Z1 lita FMedG).
Das Verbot nimmt allerdings seinem Zweck und Inhalt nach auf die Rechte und Pflichten beider Vertragspartner (dh der Antragstellerin als Patientin und des behandelnden Arztes) für einen in Aussicht stehenden medizinischen Behandlungsvertrag derart Einfluss, dass damit nicht nur die soziale bzw familiäre Lage, sondern auch die Rechtssphäre der Antragstellerin als Patientin unmittelbar gestaltet wird. Schließlich ist der Antragstellerin der Abschluss eines Behandlungsvertrags, mit dem die Entnahme und Verwahrung von Eizellen und Eierstockgewebe zum Zweck der späteren künstlichen Befruchtung geregelt wird, aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht möglich. §2b Abs1 FMedG bewirkt somit ein Vertragsabschlussverbot, womit die Rechtssphäre der Antragstellerin aktuell und unmittelbar betroffen ist.
5.4.4. Dazu wird auf die VfGH-Entscheidung vom 12.03.1992 zu G220/91 (VfSlg 13.038/1992) verwiesen. Dort hat der VfGH die Gesetzesprüfungsanträge der dortigen Antragstellerinnen für zulässig erachtet, obwohl die Vorschriften des bekämpften Frauen-NachtarbeitsG formell gesehen nur an den Arbeitgeber - den allein außerdem die Strafdrohung wegen Zuwiderhandelns getroffen hatte - gerichtet waren. […]
5.4.5. In der VfGH-Entscheidung vom 01.10.1993 zu G134/92 (VfSlg 13.558/1993) hat der VfGH die Zulässigkeit der Individualanträge ebenfalls bejaht.
Auch dort richtete sich die angefochtene Bestimmung zur Gesamtverwendungsdauer des VBG 1948 für Vertragsassistentinnen scheinbar nur an den Dienstgeber. Der VfGH führt aber aus, dass die Bestimmung 'in Wahrheit auch den Dienstnehmer zum Adressaten [habe], denn auch die Verwendungsdauer ist Inhalt des Dienstvertrages und daher zwischen den Vertragsteilen zu 'vereinbaren'.' Im Ergebnis waren die Antragstellerinnen - nach Ansicht des VfGH - somit durch die angefochtene Bestimmung daran gehindert, einen (weiteren) Dienstvertrag mit dem Bund über ein Dienstverhältnis als Vertragsassistentinnen zu schließen, dessen Dauer sich über eine Gesamtverwendungsdauer von vier Jahren hinaus erstreckt. Die darin gelegene Beschränkung ihrer Vertragsfreiheit wurde für die Antragstellerinnen nach Ansicht des VfGH unmittelbar wirksam. Durch die angefochtene Bestimmung wurde auch in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen eingegriffen, weil diese den Antragstellerinnen den Abschluss eines weiteren Dienstvertrages rechtlich unmöglich machte. Nach Ansicht des VfGH lag zudem eine nicht bloß potentielle, sondern eine aktuelle Betroffenheit der Antragstellerinnen vor.
Auch dieses VfGH-Erkenntnis ist mit dem gegenständlichen Antrag und der Rechtslage zum FMedG durchaus vergleichbar:
a. Die Antragstellerin ist aktuell daran gehindert, einen Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt abzuschließen, dessen Inhalt die Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen zum Zweck der späteren medizinisch unterstützten Fortpflanzung ist. In der zitierten VfGH-Entscheidung konnten die Vertragsbediensteten keinen (weiteren) Dienstvertrag abschließen, dessen Dauer sich über eine Gesamtverwendungsdauer von vier Jahren hinaus erstreckt. In beiden Fällen liegt sohin ein aktueller Eingriff in die Vertragsfreiheit der Vertragsparteien vor.
b. Das FMedG richtet sich formal an die behandelnden Ärzte. Das Verbot des §2b Abs1 FMedG erstreckt sich aber auch auf die jeweilige Patientin, da der Leistungsinhalt des Behandlungsvertrags notwendigerweise die derzeit verbotene Entnahme bzw Verwahrung von Eizellen und Eierstockgewebe zum Zweck der späteren künstlichen Befruchtung umfasst. In der zitierten VfGH-Entscheidung musste die Gesamtverwendungsdauer der Vertragsbediensteten über einen bestimmten Zeitraum zwischen den Parteien vereinbart werden; diesfalls sah die angefochtene Norm jedoch Beschränkungen vor. Beiden Fällen ist somit gemein, dass der Vertragsabschluss hinsichtlich eines bestimmten Leistungsgegenstandes rechtlich unzulässig war: Im FMedG wird eine bestimmte Dienstleistung des Arztes an sich verboten (dh das 'Social Egg Freezing'); im VBG war die Weiterbestellung der Vertragsassistentinnen nur für einen beschränkten Zeitraum möglich.
c. Die aktuelle Betroffenheit wurde im Erkenntnis zu VfSlg 13.558/1993 bejaht. Gleiches trifft auf den gegenständlichen Fall zu: Der Antragstellerin ist es nicht erlaubt, einen [Behandlungsvertrag] hinsichtlich der Entnahme und Verwahrung von Eizellen und Eierstockgewebe zum Zweck der späteren künstlichen Befruchtung mit dem behandelnden Arzt abzuschließen. Dieses Verbot wirkt aktuell und nicht bloß potentiell, da die Antragstellerin und der behandelnde Arzt einen Behandlungsvertrag für 'Social Egg Freezing' auch abschließen wollen (aber nicht dürfen). Insofern ist die angefochtene Gesetzesbestimmung des §2b Abs1 FMedG für die Antragstellerin unmittelbar benachteiligend wirksam.
[…]
5.4.6. Für die Antragstellerin wird die bekämpfte Norm (dh §2b Abs1 FMedG) auch ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides unmittelbar wirksam (vgl §62 Abs1 VfGG). Aus den dargelegten Gründen kann die Antragstellerin nämlich keinen Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt abschließen, damit dieser ihr einzelne Eizellen bzw Eierstockgewebe für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnimmt und aufbewahrt. Es liegt somit ein aktueller und unmittelbarer rechtswidriger Eingriff in die Rechtsposition der Antragstellerin vor.
5.5. U[m]wegsunzumutbarkeit des Rechtswegs:
5.5.1. Nach der Judikatur des VfGH kommt einem Normadressaten die Befugnis zur Gesetzesanfechtung im Wege eines Individualantrages nur dann zu, wenn ihm kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht. Diese Voraussetzung ist aus nachfolgenden Gründen gegeben:
5.5.2. Die Antragstellerin stellt den gegenständlichen Individualantrag an den VfGH, weil ihr kein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der angefochtenen Norm zur Verfügung steht.
5.5.3. Einerseits kann die Antragstellerin nicht den Instanzenzug des Verwaltungsverfahrens bestreiten. Der Antragstellerin steht schon aufgrund des Normzwecks des FMedG kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm (dh §2b Abs1 FMedG) an den VfGH heranzutragen. Wie bereits erwähnt, richten sich die Strafbestimmungen des FMedG an den behandelnden Arzt (vgl §§23 Abs1 lita iVm Abs2 Z1 FMedG). Selbst wenn daher ein Verwaltungsstrafverfahren provoziert werden würde und in diesem die Rechtswidrigkeit der Verbotsnorm eingewendet wird, was per se schon unzumutbar ist (vgl etwa VfSlg 14.260/1995), würde ein entsprechender Strafbescheid gegen den Arzt und nicht gegen die Patientin erlassen werden. Ein Straferkenntnis würde aber nur die Rechtssphäre des Arztes betreffen. In einem entsprechenden Verwaltungsstrafverfahren hätte die Antragstellerin sohin keine Parteistellung. Sie könnte den Verwaltungsakt sohin auch nicht im Wege des Instanzenzuges bis zum VfGH bekämpfen. Der Weg des verwaltungsbehördlichen Verfahrens ist der Antragstellerin sohin versperrt.
5.5.4. Aber auch die Bestreitung des ordentlichen Gerichtswegs ist der Antragstellerin nicht zumutbar. Eine Klage (der Antragstellerin gegen den behandelnden Arzt) auf Abschluss eines medizinischen Behandlungsvertrags, dessen Vertragsgegenstand die Entnahme und Aufbewahrung einzelner Eizellen bzw von Eierstockgewebe für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung wäre, wäre mangels Anspruches auf Aufnahme in einen Behandlungsvertrag zurückzuweisen. Denn: Der Abschluss eines Behandlungsvertrag[s] zur Vornahme des 'Social Egg Freezings' wäre von vornherein nichtig (iSd §879 Abs2 ABGB; siehe auch Punkt 3.3.4); zudem besteht für den Abschluss eines entsprechenden nichtigen (!) Behandlungsvertrags auch kein Kontrahierungszwang. Die für eine Anfechtung der für verfassungswidrig erachteten Bestimmung nach Art89 Abs2 B VG erforderliche Präjudizialität wäre sohin nicht gegeben (vgl auch VfSlg 13.558/1993).
5.6. An dieser Stelle sei auch erwähnt: In der Entscheidung vom 14.10.1999 (siehe VfSlg 15632) hat [der] VfGH die Individualanträge der Antragstellerinnen, die wesentliche Bestimmungen des (damaligen) FMedG bekämpften, als zulässig angesehen. Die aktuelle Situation der Antragstellerin ist mit den dortigen Betroffenen vergleichbar.
5.7. Vor dem dargestellten Hintergrund ist der Individualantrag der Antragstellerin zulässig.
6. ZUR BEGRÜNDETHEIT DES ANTRAGS
6.1. Samen, Eizellen, Hoden- oder Eierstockgewebe [dürfen bzw] darf nur dann für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn aufgrund einer Erkrankung oder einer damit im Zusammenhang stehenden Behandlung der baldige Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit zu befürchten ist (vgl §2b Abs1 FMedG). Die Entnahme und Konservierung eigener Eizellen in jungem Alter, um sich mit diesen Zellen in einem fortgeschrittenen Alter fortpflanzen zu können, ist sohin nur bei einer medizinischen Indikation zulässig. Ansonsten sind die Entnahme und Konservierung eigener Eizellen verboten.
[…]
6.3. In der Folge wird dargestellt, dass §2b Abs1 FMedG gegen verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte verstößt. Hierzu im Einzelnen:
6.4. Verstoß gegen Art8 EMRK
6.4.1. Nach Art8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art8 Abs1 EMRK). Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art8 Abs2 EMRK).
Der Schutzbereich des Art8 EMRK beinhaltet nach ständiger Rechtsprechung des EGMR auch das Recht auf freie Gestaltung der Lebensführung (EGMR 28.5.2009, Fall Bigaeva, Appl 26.713/05, Z22). Geschützt ist demnach das Recht, das Leben nach eigenen Vorstellungen ohne staatliche Einwirkung auf den individuellen Entscheidungsprozess einzurichten und zu führen (vgl auch VfSlg 19662 mwN).
6.4.2. Die medizinische Behandlungsmethode des 'Social Egg Freezings' fällt in den Schutzbereich des Art8 Abs1 EMRK.
Für die grundrechtliche Unbedenklichkeit eines Verbots könnte zwar vorgebracht werden, dass das 'Social Egg Freezing' gar nicht in den Anwendungsbereich des Art8 EMRK fällt, weil es nicht der Behebung einer Infertilität dient. Da potentielle Klientinnen dieser Methode ja über reproduktionsfähige Eizellen verfügen und in aller Regel ebenso auf natürlichem Weg schwanger werden könnten, scheint auf den ersten Blick fraglich, ob diese Vorgangsweise einen essentiellen Aspekt ihrer Identität betrifft und damit in den Schutzbereich des Privatlebens fällt.
Diese Argumentation wird jedoch dem Gesamtzusammenhang nicht gerecht. Auch die 'sozial' indizierte Entnahme und Aufbewahrung der eigenen Eizellen dient letztlich der Behandlung einer später eintretenden Unfruchtbarkeit. Die Frau trifft Vorsorge für den Fall, dass ihre Lebensumstände erst in einem Alter für die Realisierung ihres Kinderwunsches sprechen, in dem dies auf natürlichem Weg nicht mehr möglich ist. Durch das 'Social Egg Freezing' wird die Chance bewahrt, im Fall des Eintretens dieser Konstellation (was zum Zeitpunkt der Entnahme der Eizellen natürlich nicht feststeht) eine IVF mit eigenen Eizellen durchführen und ein genetisch verwandtes Kind bekommen zu können. Angesichts der Knappheit von Eizellenspenderinnen - zumindest in Ländern, in denen wie in Österreich ein Verbot entgeltlicher Spenden gilt - kann durch das Einfrieren eigener Eizellen zudem sichergestellt werden, dass überhaupt Gameten für die IVF zur Verfügung stehen werden.
Zu betonen ist: Der Wunsch, ein Kind zu haben und sich zu diesem Zweck natürlicher oder medizinisch unterstützter Methoden der Fortpflanzung zu bedienen, unterliegt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung als Teil des Privatlebens ebenso dem Schutzbereich des Art8 EMRK. Es ist somit ein von der Verfassung anerkanntes Recht, die Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Anspruch zu nehmen.
Nachdem die Inanspruchnahme einer IVF - ob mit eigenen Keimzellen oder gespendeten - nach der Rechtsprechung in den Anwendungsbereich von Art8 EMRK fällt, muss dies auch für die Durchführung einer IVF mit eigenen, zu einem früheren Zeitpunkt für diesen Zweck entnommenen Eizellen gelten. Da die einzelnen Komponenten des 'Social Egg Freezings' - Entnahme, Aufbewahrung und spätere Verwendung der Eizellen - untrennbar zusammenhängen, fällt nicht nur die spätere Befruchtung der Eizellen in den Anwendungsbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens, sondern der gesamte Vorgang und damit auch die Methode des 'Social Egg Freezings'.
Im Ergebnis wird somit Frauen mit dem Verbot des Einfrierens von Eizellen in jungen Jahren das Recht genommen, die verfassungsrechtlichen abgesicherten Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Anspruch zu nehmen.
6.4.3. §2b Abs1 FMedG verstößt aus nachfolgenden Gründen gegen Art8 EMRK:
6.4.4. Eingriffe in die Privatsphäre müssen jenen öffentlichen Interessen dienen, die in Art8 Abs2 EMRK angeführt sind. Die sich dort findende Aufzählung ist taxativer Natur und verbietet durch ihre bloße Existenz die Annahme weiterer, immanenter Schranken. Nur Eingriffe, die einem der sieben legitimen Ziele nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl des Landes, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral und Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dienen, haben vor der Konvention Bestand. Dabei genügt es, wenn ein legitimes Ziel den Eingriff trägt. Vor diesem Hintergrund ist Folgendes festzuhalten:
Kein deklariertes Ziel des Verbots: Die Beschränkung künstlicher Befruchtungsmethoden bedarf als Eingriff einer Rechtfertigung iSd Art8 Abs2 EMRK. Weder das FMedG an sich noch die Materialien zum FMedG führen Gründe an, weshalb das 'Social Egg Freezing' in Österreich verboten ist. Auch wenn dieses Verbot der Sache nach schon vor 2015 bestanden hat, erscheint es angesichts der Zulassung der Eizellenspende (vgl §2b Abs2 FMedG) doch erstaunlich, dass die Gesetzesmaterialien zum BGBl I Nr 35/2015 mit keinem Wort auf dieses gerade in jüngster Zeit kontrovers diskutierte Phänomen eingehen und sich um keine Begründung für das Verbot bemühen (vgl auch Punkt 6.2.3). Der Gesetzgeber verbietet durch die angefochtene Norm sohin das 'Social Egg Freezing' (dh die Eigenspende) bei gesunden Frauen. Er erklärt jedoch mit keinem Wort, warum er das tut. §2b Abs1 FMedG ist somit eine (wieder eingeführte) Verbotsnorm, die kein deklariertes Ziel verfolgt. Der österreichische Gesetzgeber hat insbesondere nicht angeführt, welche Güter des Art8 Abs2 EMRK durch die Verbotsnorm geschützt werden sollen.
Kein Verbotsziel erkennbar: §2b Abs1 FMedG wurde durch das BGBl I Nr 35/2015 wieder neu eingeführt. Gründe für die Wiedereinführung dieser Beschränkung – dh des 'Social Egg Freezings' – wurden in den Materialen nicht genannt (vgl Punkt 6.4.3); sie sind auch nicht erkennbar. Da der Gesetzgeber weder explizit noch implizit ein konkretes Ziel mit dem Verbot des 'Social Egg Freezings' zu verfolgen scheint, stellt sich damit spekulativ die Frage, ob das Verbot des 'Social Egg Freezings' nach Art8 Abs2 EMRK dennoch gerechtfertigt werden kann. Hierzu im Einzelnen:
a. Junge Frauen davor zu bewahren, ihren Kinderwunsch zugunsten der Karriere oder sonstiger Formen der Selbstverwirklichung aufzuschieben, mag gesellschaftlich durchaus wünschenswert sein. Darin lässt sich allerdings kein legitimes Ziel iSd Art8 Abs2 EMRK erblicken. Selbst wenn der Gesetzgeber also dieses Ziel verfolgen sollte, wäre dies kein legitimer Rechtfertigungsgrund, der von Art8 Abs2 EMRK umfasst wäre.
b. Der Schutz des Kindes kommt allein schon deshalb nicht in Betracht, weil der Patientin nur einzelne unbefruchtete Eizellen entfernt werden. Durch diesen Vorgang wird die Gesundheit des später vielleicht (!) geborenen Kindes nicht beeinträchtigt.
c. Auch der vermeintliche Schutz der Gesundheit der Frauen rechtfertigt ein Verbot des 'Social Egg Freezings' nicht. Zwar nennt Art8 Abs2 EMRK den Schutz der Gesundheit als legitimes Ziel, doch lassen sich etwaigen Gefährdungen der Gesundheit durch entsprechende Beratungs- und Aufklärungspflichten wirksam begegnen, wovon der Gesetzgeber ja bei der Eizellenspende und anderen Kinderwunschbehandlungen auszugehen scheint. Willigt eine Frau in voller Kenntnis der Risiken in die Behandlung ein, so ist es nicht zu rechtfertigen, ihr diese mit der Begründung zu verwehren, sie schade ihrer eigenen Gesundheit. Dass die Methode des 'Social Egg Freezings' eine erfolgreiche Befruchtung nicht garantiert, trägt ebenfalls kein Verbot, sondern legt ebenfalls nur eine Aufklärung nahe, die Frauen vor falschen Erwartungen schützt.
d. Dazu kommt, dass §2b Abs3 FMedG Frauen (bis zum 30. Lebensjahr) ihre Eizellen für (unfruchtbare) Dritte spenden dürfen. Warum es einer Frau verwehrt sein sollte, sich selbst in späteren Jahren Eizellen zu spenden, ist dann aber endgültig nicht mehr zu verstehen: Mit der Grundrechtsordnung ist eine solche Bevormundung nicht vereinbar.
e. Es ist nicht ersichtlich, welche Schutzgüter des Art8 Abs2 EMRK einen Eingriff (durch §2b Abs1 FMedG) in die grundrechtlich geschützte reproduktive Autonomie der Frauen legitimieren könnten, zumal die Eizellkonservierung weder die Gesundheit von Frau und Kind noch sonstige Rechte zu beeinträchtigen vermag.
Im Ergebnis ist die Bestimmung des §2b Abs1 FMedG als verfassungswidrig aufzuheben, weil der der Gesetzgeber durch seinen Eingriff kein einziges der in Art8 Abs2 EMRK angeführten Ziele verfolgt und die Verfolgung eines solchen Ziels auch nicht durch Auslegung erkennbar ist (vgl Punkt 6.4.4). Es besteht sohin kein erkennbares öffentliches Interesse das 'Social Egg Freezing' generell zu verbieten.
6.4.5. Der VfGH hat im Zusammenhang mit der Aufhebung des Verbots der Eizellspende bzw des Verbots der Samenspende bei der In-vitro-Fertilisation noch Folgendes festgehalten (VfSlg 15632): 'Die Gesetzesmaterialien lassen in diesem Zusammenhang als allgemeinen Gesichtspunkt erkennen, daß der Gesetzgeber eine angemessene gesetzliche Regelung im Spannungsfeld von menschlicher Würde, Kindeswohl und Recht auf Fortpflanzung angestrebt hat; sie führen im hier maßgebenden Zusammenhang als besondere Rechtfertigung des Verbotes der Samenspende Dritter bei In-vitro-Fertilisation und des Verbotes der Eispende das Kindeswohl und die im 'hohen technischen Aufwand' einer In-vitro-Fertilisation liegende Entfernung dieser Methoden von den 'Gegebenheiten der natürlichen Fortpflanzung', die 'Schaffung ungewöhnlicher persönlicher Beziehungen' sowie die 'drohende Belastung, Ausbeutung und Ausnützung der Frau', sowie die Mißbrauchsgefahr in Gestalt der 'Leihmutterschaft' ins Treffen.' Diese Bedenken liegen beim 'Social Egg Freezing' allerdings nicht vor und sind deshalb überschießend.
6.4.6. Zu den Erwägungsgründen des Gesetzgebers in den Materialen zum FMedG ist dabei Folgendes auszuführen:
▪ Dass der Gesetzgeber bei Einführung des FMedG 'die Möglichkeit der Schaffung ungewöhnlicher persönlicher Beziehungen' sah, ist beim 'Social Egg Freezing' ausgeschlossen, da bei der 'Eigenspende' die spätere 'Mutter' und die 'Eizellenspenderin' dieselbe Person sind.
▪ Die Erläuterungen zur Stammfassung des FMedG aus dem Jahr 1992 führen noch aus, dass der 'Eizellenspende' eine 'potentiell weitgehende Entfernung […] von den Gegebenheiten der natürlichen Fortpflanzung' wäre und deshalb unerwünscht sei. Das Motiv, 'frau' möge nicht 'künstlich' unternehmen, was auch 'natürlich' zu bewerkstelligen ist, rechtfertigt ein Verbot allerdings nicht - diese Intention ist auch mit Art8 Abs2 EMRK völlig unvereinbar. Die Beschwörung der 'Natur' ist auch sachlich verfehlt, weil die zeitbedingte Abnahme der Fruchtbarkeit selbst ein Naturphänomen ist, das durch das 'Social Egg Freezing' ein Stück weit kompensiert werden könnte.
▪ Die Materialien zum FMedG erkennen sogar ausdrücklich an, dass die Eizellen einer Frau auf natürlichem Wege und in einem irreversiblen Prozess ihre Reproduktionsfähigkeit verlieren. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass Frauen die Behandlungsmethode des 'Social Egg Freezings' verboten wird, obwohl mit dieser Methode dieser Alterungsprozess etwas kompensiert werden könnte. Ein 'hoher technischer Aufwand' ist mit dem 'Social Egg Freezing' jedenfalls nicht verbunden. Und selbst bei Vorliegen eines erhöhten Aufwandes würde dieser kein Verbot des 'Social Egg Freezings' rechtfertigen, zumal die Kosten des Eingriffs ohnedies von der Patientin getragen werden.
▪ Die Erläuterungen zur Stammfassung des FMedG aus dem Jahr 1992 führen noch aus, dass 'die drohende Belastung, Ausbeutung und Ausnützung der Frau' für das Verbot der Eizellenspende sprechen. Es dürfte also befürchtet worden sein, dass sich junge Frauen dazu gedrängt sehen könnten, ihren Kinderwunsch aufzuschieben, insbesondere weil Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmerinnen ein Verschieben der Reproduktion erwarten könnten und die politische Dringlichkeit einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch diesen möglichen Ausweg abnehmen würde. Tatsächlich sind diese Bedenken unbegründet, was etwa ein Blick in andere Staaten zeigt, in denen das 'Social Egg Freezing' erlaubt ist (vgl etwa Schweden, Norwegen, Dänemark, Großbritannien, Spanien, Belgien).
▪ Frauen werden durch die Möglichkeit des Egg Freezings allerdings nicht belastet, sondern sogar entlastet. Social Egg [Freezing] verschafft jungen Frauen die Möglichkeit sich in jüngeren Lebensjahren (vorwiegend) der Karriere zu widmen und eine [wirtschaftlich] stabile Situation für ihre Familie bzw die später geborenen Kinder zu schaffen. Die Familienplanung könnte sohin im Laufe der späteren beruflichen Karriere erfolgen. Die 'Doppelbelastung' sich in jungen Lebensjahren um Beruf und Familie bzw die Kinder gleichzeitig kümmern zu müssen, entfällt sohin, wenn Social Egg Freezing in Österreich erlaubt wäre.
▪ Es ist auch nicht zu befürchten, dass Social Egg Freezing zur 'Ausbeutung und Ausnützung der Frau' führen würde. Es erschließt sich nicht, wie eine Frau 'ausgebeutet' werden soll, wenn ihre eigenen Eizellen entnommen und für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung derselben Frau (!) aufbewahrt werden sollen. Die Eizellen werden gerade nicht für die Fortpflanzung fremder Frauen entnommen, sodass auch hier keine Ausbeutungssituation vorliegen kann. Im Übrigen werden Frauen vor der Entnahme der Eizellen zwingend ärztlich über die Risiken der Eizellenentnahme aufgeklärt. Der anschließende Entschluss den Eingriff vornehmen zu lassen, ist sohin eine freie Entscheidung der jeweiligen Patientin. Hier liegt sohin keine Ausbeutungs- oder und Ausnützungssituation vor.
Es wurde bereits dargelegt, dass der Gesetzgeber keines der in Art8 Abs2 EMRK angeführten legitimen Ziele verfolgt (vgl Punkt 6.4.4). Darüber hinaus zeigt die obige Darstellung, dass das Verbot des 'Social Egg Freezings' in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig (iSd Art8 Abs2 EMRK) bzw unverhältnismäßig ist. Die vom Gesetzgeber angeführten Begründungen zur Einführung des 'Social Egg Freezings' sind aus den oben dargestellten Gründen verfehlt.
6.4.[7]. Positive Effekte des Social Egg Freezings: Das Verbot des 'Social Egg Freezings' ist ein Relikt längst überholter gesellschaftlicher Strukturen. Die Konsequenz des Verbots ist aber (auch), dass weiterhin Frauen vor die Wahl zwischen 'Kind und Karriere' gestellt werden. Das Verbot des 'Social Egg Freezings' bewirkt, dass Frauen, sofern ein Kinderwunsch besteht, bis zum Alter von ca 40 Jahren einen Partner finden und mit diesem Kinder zeugen müssen. Durch die Aufhebung des Verbots des 'Social Egg Freezings' könnte diese biologische Altersschranke ein Stück weit nach hintern [sic] versetzt werden. Dies hätte auch gesamtwirtschaftlich betrachtet positive Auswirkungen: Frauen könnten damit länger im Berufsleben bleiben und sich auch länger ihrer Karriere widmen. Da Frauen mit der Geburt ihrer Kinder häufig aus dem Erwerbsleben ausscheiden (oder häufig zumindest weniger im erlernten Beruf arbeiten) würde die Option des 'Social Egg Freezings' zudem die Möglichkeit schaffen, das 'Knowhow' von Frauen länger im Wirtschaftsleben zu halten.
6.5. Wertungswiderspruch: Problematisch ist das Verbot des 'Social Egg Freezing' weiters, weil seit der Zulassung der Eizellenspende ein Wertungswiderspruch besteht. Denn wenn es einer Frau bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres erlaubt ist, einer fremden Frau ihre Eizellen zur Verfügung zu stellen (§2b Abs2 FMedG) und es ihr später (bis zur Vollendung des 45. Lebensjahrs) freisteht, selbst eine Eizellenspende einer jüngeren Frau entgegen zu nehmen (vgl §3 Abs3 FMedG), dann ist es widersprüchlich ihr zu verwehren, sich Eizellen für eine spätere eigene Verwendung entnehmen zu lassen. Viele der Frauen, die auf Eizellenspenden zurückgreifen, haben ihren Kinderwunsch zuvor aufgeschoben. Wenn diesen Frauen der Zugang zur IVF mit gespendeten Eizellen - zumindest bis zum 40. Lebensjahr sogar unter teilweiser Kostenerstattung - gestattet wird, so ist nicht zu rechtfertigen, warum es notwendig sein soll, dieselbe Behandlung unter Verwendung eigener, früher entnommener Eizellen zu verbieten. Diese Inkohärenz lässt an der Tragfähigkeit der für das Verbot des 'Social Egg Freezings' vorgebrachten Gründe zweifeln.
6.5.1. Mangelnde Effektivität des Verbots: Angesichts der relativ unproblematischen Möglichkeit, Angebote des 'Social Egg Freezings' auch in Nachbarländern Österreichs wahrzunehmen, ist die Effektivität des österreichischen Verbots zudem ohnehin als begrenzt anzusehen. Frauen, die das Angebot des 'Social Egg Freezings' in Anspruch nehmen wollen, können das etwa relativ problemlos in folgenden europäischen Ländern tun: Schweden, Norwegen, Dänemark, Großbritannien, Spanien, Belgien. Somit bestehen auch innereuropäische (Ausweich-)Möglichkeiten, in denen Patientinnen 'Social Egg Freezing' erlaubt wird. Auch dieser Umstand zeigt, dass das österreichische Verbot keinen sinnvollen Regelungsgehalt hat bzw völlig ungeeignet ist das Verbot des 'Social Egg Freezings' in der Praxis tatsächlich umzusetzen.
Die innereuropäischen Ausweichmöglichkeiten sind wohl auch der Grund, warum der gegenständliche Individualantrag erst Jahre nach Inkraftreten des novellierten FMedG gestellt wird. Patientinnen, die das 'Social Egg Freezing' in Anspruch nehmen wollen, machen das schon jetzt im Ausland und beschäftigen nicht erst den VfGH mit der Aufhebung der längst überholten Verbotsnorm.
6.6. Das Verbot des 'Social Egg Freezings' greift somit in den Schutzbereich des Art8 Abs1 EMRK ein. Rechtfertigungsgründe des Art8 Abs2 EMRK liegen jedoch nicht vor. §2b Abs1 FMedG ist daher wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben."
2. Die Bundesregierung hat keine schriftliche Äußerung erstattet.
3. Der Verfassungsgerichtshof führte am 13. Juni 2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der sowohl tatsächliche als auch rechtliche Gesichtspunkte hinsichtlich der angefochtenen Bestimmung mit den Parteien und den gemäß §20 Abs3 VfGG vom Verfassungsgerichtshof geladenen Auskunftspersonen erörtert wurden.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
1.2. Die Antragstellerin hat einen gynäkologischen Befundbericht vorgelegt, wonach bei ihr "keine medizinische Indikation zu einer vorsorglichen Kryokonservierung von Eizellen (medical Egg-Freezing)" bestehe. Sie bringt überdies vor, medizinisch vollkommen gesund zu sein. Ausgehend davon wird im Antrag ausgeführt, §2b Abs1 FMedG greife in die Vertragsfreiheit der Antragstellerin ein, weil es ihr als gesunder Frau durch diese Vorschrift verboten sei, einen Behandlungsvertrag mit dem behandelnden Arzt darüber abzuschließen, dass dieser der Antragstellerin einzelne Eizellen entnehme und vorsorglich für sie aufbewahre. Die Einschränkung der korrespondierenden Strafbestimmung des §23 Abs1 Z1 lita FMedG auf Ärzte mache deutlich, dass §2b Abs1 FMedG keine nur an Ärzte gerichtete, rein berufsrechtliche Regelung sei. Vielmehr verletze das Verbot die Antragstellerin in ihrem durch Art8 EMRK geschützten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das auch das Recht, Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Anspruch zu nehmen, umfasse. "Social Egg Freezing" sei ein gesonderter Schritt der In-Vitro-Fertilisation, die als gesamter Vorgang in den Anwendungsbereich des Art8 EMRK falle, auch wenn die Eizellen zu einem früheren Zeitpunkt entnommen und für die spätere Verwendung aufbewahrt werden. Die Antragstellerin werde auf Grund des Verbotes des §2b Abs1 FMedG aktuell daran gehindert, einen Behandlungsvertrag abzuschließen, obwohl sie und ihr behandelnder Arzt einen solchen Vertrag abschließen wollten. Die bekämpfte Vorschrift sei für sie ferner ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides unmittelbar wirksam. Ein zumutbarer anderer Weg zur Bekämpfung der Vorschrift stehe der Antragstellerin nicht zur Verfügung. Ungeachtet dessen, dass die Provokation eines Strafverfahrens per se unzumutbar sei, würde sich ein Strafbescheid gegen den behandelnden Arzt und nicht an die Antragstellerin als Patientin richten. Eine Klage auf Abschluss eines medizinischen Behandlungsvertrages, dessen Vertragsgegenstand die Entnahme und Aufbewahrung einzelner Eizellen bzw von Eierstockgewebe für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung wäre, wäre mangels Anspruches auf Aufnahme in einen Behandlungsvertrag zurückzuweisen, weil ein solcher Vertrag nichtig wäre und kein Kontrahierungszwang bestehe.
1.3. Die Bestimmung des §2b Abs1 FMedG intendiert nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung, in die Privatsphäre von Frauen – soweit es um die Erfüllung eines Kinderwunsches durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung geht – unmittelbar regelnd einzugreifen (vgl VfSlg 15.632/1999, 19.824/2013). Sie steht einer Entnahme von Eizellen ohne medizinische Indikation (lediglich) zur Aufbewahrung für eine allenfalls später erfolgende medizinisch unterstützte Fortpflanzung entgegen. §2b Abs1 FMedG lässt sich dabei auch nicht als nur an Ärzte gerichtete Regelung rein berufsrechtlicher Natur verstehen. Dies zeigt sich – wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung VfSlg 15.632/1999 im Zusammenhang mit Vorschriften des FMedG dargelegt hat – auch daran, dass sich die Verbotsnorm des §2b Abs1 FMedG an einen weiteren Adressatenkreis richtet als die korrespondierende Strafbestimmung des §23 Abs1 Z1 lita FMedG, deren Adressatenkreis durch die einleitende Wendung "Wer als Arzt" eingeschränkt ist.
1.4. Die Antragstellerin hat ausreichend dargetan, dass die angefochtene Bestimmung aktuell in ihre Rechtssphäre eingreift:
1.4.1. Die Antragstellerin hat durch den von ihr vorgelegten Befundbericht sowie ihre Angaben dargelegt, dass bei ihr keine medizinische Indikation für eine Entnahme von Eizellen oder Eierstockgewebe im Sinn des §2b Abs1 FMedG vorliegt. Es wurden zudem eidesstattliche Erklärungen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass sowohl die Antragstellerin als auch ihr behandelnder Arzt gewillt sind, einen Behandlungsvertrag für die Durchführung des "Social Egg Freezing" abzuschließen. Diese Erklärungen bringen auch zum Ausdruck, dass sich die Antragstellerin in der Folge der Entnahme einzelner Eizellen und erforderlichenfalls auch von Eierstockgewebe durch den behandelnden Arzt unterziehen würde, der diese vorsorglich verwahren würde, damit sie künftig für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung der Antragstellerin verwendet werden können. Damit hat die Antragstellerin die ernsthafte Absicht dargetan, sich der nicht medizinisch indizierten Entnahme ihrer Eizellen zu unterziehen. Da §2b Abs1 FMedG dem entgegensteht, greift er auch aktuell in die Rechtssphäre der Antragstellerin ein.
1.4.2. Die nicht nur an den Arzt, sondern auch an die Antragstellerin gerichtete Bestimmung des §2b Abs1 FMedG ist für die Antragstellerin auch unmittelbar wirksam, ohne dass eine die unmittelbare Betroffenheit erst vermittelnde gerichtliche Entscheidung oder ein verwaltungsbehördlicher Bescheid vorgesehen wäre.
1.4.3. Schließlich steht der Antragstellerin auch kein zumutbarer anderer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes in ihre Privatsphäre zur Verfügung (vgl VfSlg 13.558/1993).
1.5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
1.6. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erweist sich der Hauptantrag, mit dem §2b Abs1 FMedG zur Gänze angefochten wird, als zulässig. Es erübrigt sich daher, auf die Eventualanträge einzugehen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Der Antrag ist begründet.
2.2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
2.2.1. Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Sinne des FMedG ist zufolge §1 Abs1 FMedG "die Anwendung medizinischer Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr". Zu diesen Methoden zählt gemäß §1 Abs2 FMedG insbesondere auch die In-vitro-Fertilisation (Z2) einschließlich des Embryotransfers (Z3).
2.2.2. Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist gemäß §2 Abs1 FMedG nur im Rahmen einer aufrechten Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft zulässig. Sie ist nach §2 Abs2 FMedG ferner nur dann zulässig, wenn die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr aus medizinischer Sicht aussichtslos erscheint, die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr auf Grund der ernsten Gefahr der Übertragung einer Infektionskrankheit nicht zumutbar ist, die Schwangerschaft im Rahmen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft von zwei Frauen herbeigeführt werden soll oder sie zum Zweck einer Präimplantationsdiagnostik gemäß §2a FMedG vorgenommen werden muss. Kommen nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung mehrere aussichtsreiche und zumutbare Methoden in Frage, darf gemäß §2 Abs3 FMedG zunächst nur diejenige angewendet werden, die mit geringeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefahren für die beteiligten Personen verbunden ist und bei der weniger entwicklungsfähige Zellen entstehen. Im Zuge dieser Abwägung ist das Kindeswohl zu berücksichtigen.
2.2.3. Die angefochtene Bestimmung des §2b Abs1 FMedG legt unter dem Titel "Zellentnahme und -aufbewahrung" fest, dass Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe "auch", d.h. ohne Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §2 FMedG, für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden dürfen, "wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann".
In den Erläuterungen (RV 678 Blg. NR 22. GP) zur FMedG-Novelle 2004 (BGBl I 163/2004) wird zu der seinerzeit in §2 Abs3 und nunmehr in §2b Abs1 FMedG enthaltenen Regelung – auszugsweise – Folgendes ausgeführt:
"Ist als Folge einer Krankheit oder medizinischen Behandlung eine erst in Zukunft eintretende Fortpflanzungsunfähigkeit zu erwarten, so bildet diese Prognose nach dem dem §2 zu Grunde liegenden Verständnis derzeit keine Grundlage für die Zulässigkeit einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Im FMedG in seiner geltenden Fassung geht es stets um eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung zur Überwindung einer bestehenden Fortpflanzungsunfähigkeit und zur Erfüllung eines aktuellen Kinderwunsches. Es bietet keine Grundlage für eine Vorsorge, wenn eine Fortpflanzungsunfähigkeit bloß droht und ein Kinderwunsch erst in der Zukunft erfüllt werden soll. Durch den neuen §2 Abs3 soll nun die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Methoden der modernen Fortpflanzungsmedizin in dieser Beziehung erweitert werden: Auch wenn eine Fortpflanzungsunfähigkeit zufolge eines körperlichen Leidens oder dessen Behandlung bloß droht und ein Kinderwunsch noch gar nicht aktuell ist – etwa weil die betreffende Person keinen Partner hat –, sollen Samen, Eizellen, Hoden- oder Eierstockgewebe für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung gewonnen und aufbewahrt werden dürfen.
[…]
In den Fällen, um die es bei dem neuen Abs3 geht, ist die Situation wieder eine andere. Hier muss zum Zeitpunkt der Entnahme und Einlagerung von Samen oder Eizellen gar kein aktueller Kinderwunsch gegeben sein. Ja der betreffende Mann oder die betreffende Frau hat oft gar keinen Partner, mit dem er oder sie die Elternschaft übernehmen will. Im Allgemeinen liegt auch (noch) keine Infertilität vor. Die Gameten sollen vielmehr für einen erst in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, an dem dann ein Wunsch nach eigenen Kindern auf natürlichem Weg nicht mehr erfüllt werden kann, aufbewahrt werden. […]
Die Voraussetzung, dass eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig ist, soll weiterhin aufrecht bleiben, das heißt, dass die – spätere – Zeugung des Kindes mit Hilfe einer Insemination oder In-Vitro-Fertilisation nur zulässig ist, wenn eine solche Partnerschaft vorliegt. Nicht maßgeblich soll jedoch sein, ob der betroffene Patient zum Zeitpunkt der Entnahme und Einlagerung der Gameten in einer aufrechten Ehe oder Lebensgemeinschaft lebt.
Diese Regelung soll freilich nur für den Fall einer Erkrankung oder einer Therapie gelten, mit der die ernste Gefahr des Verlustes der Fortpflanzungsfähigkeit verbunden ist. Eine allgemeine oder sich auf sonstige Lebensrisken (gefährliches Unternehmen, gefährliche Reise etc) beziehende 'vorsorgliche Einlagerung' von Gameten soll nicht ermöglicht werden. Ohne die in §2 Abs3 genannten Voraussetzungen dürfen Gameten nicht für eine spätere medizinisch unterstützte Fortpflanzung aufbewahrt werden."
2.2.4. Die Entnahme von Keimzellen und -gewebe darf nach §17 Abs1 FMedG grundsätzlich nur in einer gemäß §5 Abs2 FMedG zugelassenen Krankenanstalt erfolgen, wo das entsprechende organische Material bis auf Widerruf oder bis zum Tod der Person, von der dieses stammt, aufbewahrt werden darf. Entwicklungsfähige Zellen (Embryonen) dürfen höchstens zehn Jahre aufbewahrt werden.
2.2.5. Aus dem dargelegten Regelungssystem ergibt sich, dass die Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen (oder von Eierstockgewebe) für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ohne Vorliegen der Voraussetzungen des §2 FMedG nur dann zulässig ist, wenn dafür eine medizinische Indikation im Sinne des §2b Abs1 zweiter Halbsatz FMedG vorliegt. Die Entnahme und Lagerung von Eizellen oder von Eierstockgewebe für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung ohne einen solchen medizinischen Grund ("Social Egg Freezing") ist demnach unzulässig.
2.3. Die Antragstellerin hegt das Bedenken, dass das Verbot, sich aus nicht-medizinischen Gründen Eizellen für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnehmen zu lassen, mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art8 EMRK nicht vereinbar sei:
Das Verbot verfolge kein legitimes Ziel im Sinne des Art8 Abs2 EMRK. Insbesondere weise "Social Egg Freezing" – anders als die Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, die der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung VfSlg 15.632/1999 zu beurteilen hatte – keine Merkmale auf, die ein solches Verbot rechtfertigen könnten. Mit dieser Methode würden keine ungewöhnlichen persönlichen Beziehungen geschaffen. Auch bewirke sie keine weitgehende Entfernung von den Gegebenheiten der natürlichen Fortpflanzung. Durch "Social Egg Freezing" komme es auch nicht zu einer "Ausbeutung oder Ausnützung" von Frauen. Medizinischen Risiken der Eizellentnahme und überhöhten Erwartungen von Patientinnen bezüglich des Erfolges des Eingriffes könnte wiederum – wie hinsichtlich der Eizellspende und anderen zulässigen Kinderwunschbehandlungen – mittels entsprechenden Beratungs- und Aufklärungspflichten begegnet werden. Es liege außerdem ein "Wertungswiderspruch" vor, weil es gemäß §2b Abs2 FMedG Frauen bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres erlaubt sei, einer fremden Frau ihre Eizellen zur Verfügung zu stellen, und es Frauen später bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres gemäß §3 Abs3 FMedG erlaubt sei, selbst eine Eizellspende einer jüngeren Frau entgegen zu nehmen. Dazu komme schließlich die mangelnde Effektivität des Verbotes, zumal es relativ unproblematisch sei, Angebote des "Social Egg Freezing" in anderen Ländern wahrzunehmen.
2.4. Gemäß Art8 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Eingriffe in das in diesem Artikel verbürgte Grundrecht sind gemäß Art8 Abs2 EMRK nur statthaft, insoweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
2.5. Der Wunsch, ein Kind zu haben und sich zu diesem Zweck natürlicher oder medizinisch unterstützter Methoden der Fortpflanzung zu bedienen, fällt nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre als Teil des Privatlebens in den Schutzbereich des Art8 EMRK (s dazu VfSlg 15.632/1999, 19.824/2013, 20.554/2022; EGMR 3.11.2011 [GK], 57.813/00, S.H. ua , Z82 sowie mwN Wiederin , Art8 EMRK, in: Korinek/Holoubek et al (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg. 2002, Rz 42). Soweit die – im Entnahmezeitpunkt – medizinisch nicht indizierte Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen notwendige Maßnahmen für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung sein sollen, fällt auch das Recht, diese von Dritten vornehmen zu lassen, unter dem Gesichtspunkt der Achtung des Privatlebens in den Schutzbereich des Art8 Abs1 EMRK.
2.6. Nach der oben dargestellten Rechtslage (Pkt. 2.2.) ist die Entnahme und Lagerung von Eizellen (ausnahmslos) unzulässig, wenn dafür keine medizinische Indikation im Sinne des §2b Abs1 zweiter Halbsatz FMedG vorliegt. Die Verfassungsmäßigkeit dieses gesetzlichen Verbotes setzt – abgesehen von den hier nicht berührten Belangen der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohles des Landes, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung strafbarer Handlungen – gemäß Art8 Abs2 EMRK voraus, dass es sich bei diesem um eine Maßnahme handelt, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, wobei der Begriff der Moral den Schutz des moralischen Ethos oder der moralischen Normen der Gesellschaft insgesamt umfassen kann, also keineswegs ein (Un)Werturteil über individuelles Verhalten zum Ausdruck bringen soll (vgl VfSlg 15.632/1999).
2.7. Der Verfassungsgerichtshof ging in seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass gesetzliche Einschränkungen der Reproduktionsmedizin legitimen Zielen gemäß Art8 Abs2 EMRK dienen können (vgl VfSlg 15.632/1999, 19.824/2013; idS auch EGMR, S.H. ua , Z90).
2.8. Das ausnahmslose Verbot der Methode der medizinisch nicht indizierten Eizellentnahme und -aufbewahrung ist jedoch – auf Grund der nachfolgenden Erwägungen, die insbesondere auch den insgesamt vom FMedG aufgespannten rechtlichen Rahmen berücksichtigen (vgl EGMR, S.H. ua , Z112) – zur Erreichung solcher Ziele nicht erforderlich:
2.8.1. Es ist einleitend festzuhalten, dass sich die besonderen ethischen und moralischen Probleme, mit denen (speziell heterologe) Formen der artifiziellen Fortpflanzung behaftet sein können (zB Ausbeutung der Gebärfähigkeit der Frau, Schaffung ungewöhnlicher persönlicher Beziehungen, Entstehen überzähliger Embryonen, Selektion von Embryonen; vgl dazu ErläutRV 216 BlgNR 18. GP, 10 f.; VfSlg 15.632/1999, 19.824/2013), bei einer Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen für eine spätere In-vitro-Fertilisation teils nicht ergeben, weil diese Maßnahmen auf die homologe Herbeiführung einer Schwangerschaft mit den Keimzellen der Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten gerichtet sind (vgl auch VfSlg 19.824/2013). Teils resultieren die genannten Probleme nicht aus der Eizellentnahme und -aufbewahrung selbst, sondern aus dem (diesen Maßnahmen nachfolgenden) Verfahren der In-vitro-Fertilisation.
Vor diesem Hintergrund kommt dem Gesetzgeber bei der Regelung der in Rede stehenden Maßnahmen auch kein solcher (weiter) rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu, wie er nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für die Regelung (reproduktions)medizinischer Verfahren insbesondere dann besteht, wenn diese komplizierte wissenschaftliche, rechtliche, moralische und gesellschaftliche Probleme aufwerfen (vgl VfSlg 15.632/1999, 19.824/2013; siehe auch EGMR 22.4.1997 [GK], 21.830/93 X, Y und Z , Z44 und 52; S.H. ua , Z97; 2.10.2012, 10.048/10, Knecht , Z59).
2.8.2. Wie auch die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof gezeigt haben, sind mit der Methode der Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen bestimmte gesundheitliche Risiken verbunden, so etwa im Zusammenhang mit der hormonellen Stimulation vor der Entnahme und bei der Entnahme selbst sowie auf Grund einer – abhängig vom Alter der Frau – höher werdenden Rate an chromosomal fehlverteilten Eizellen. Überdies bestehen mit zunehmendem Alter der Wunschmutter für diese höhere gesundheitliche Risiken auf Grund der Schwangerschaft selbst, die mit abnehmenden Erfolgsaussichten der medizinisch unterstützten Fortpflanzung korrelieren. In der mündlichen Verhandlung wurden deshalb aus medizinischer Sicht bestimmte Altersgrenzen für die Entnahme (40 bis 42 Jahre) bzw für die Verwendung der Eizellen (45 bis 50 Jahre) genannt.
Die Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen ist nach dem FMedG grundsätzlich – unter bestimmten Voraussetzungen bzw Rahmenbedingungen – zulässig. Die Entnahme ist eine notwendige Maßnahme vor einer In-vitro-Fertilisation gemäß §1 Abs2 Z2 FMedG. Den mit ihr verbundenen gesundheitlichen Risiken für die Frau begegnet das FMedG ua mit qualitativen Anforderungen an die Krankenanstalt, in der die Entnahme (und allenfalls auch die Aufbewahrung) stattfindet (§§4 f. iVm §17 Abs1 FMedG), mit ärztlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten (§7 Abs1 und 2 FMedG) sowie – im Hinblick auf die Eizellspende – mit einem Kommerzialisierungs- und Vermittlungsverbot (§16 FMedG). Eizellen, die für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen werden, dürfen außerdem nur insoweit untersucht und behandelt werden, als dies nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung für die Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist (§9 Abs2 FMedG).
Die Entnahme von Eizellen zur Verwendung bei einer anderen Frau ("Eizellspende") ist prinzipiell zwar ebenso zulässig, jedoch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Die Eizellen dürfen bloß ausnahmsweise und nur dann verwendet werden, wenn die Eizellen der Frau, bei der die Schwangerschaft herbeigeführt werden soll, nicht fortpflanzungsfähig sind und diese Frau zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§3 Abs3 FMedG). Eizellen, die für eine dritte Person verwendet werden sollen, dürfen zufolge §2b Abs2 iVm §13 Abs1 FMedG nur vom vollendeten 18. bis zum vollendeten 30. Lebensjahr entnommen werden, um einerseits die Entscheidungsfähigkeit der Spenderin und andererseits die Erfolgsaussichten einer In-vitro-Fertilisation mit den gespendeten Eizellen zu wahren (vgl ErläutRV 445 BlgNR 25. GP, 6 f., 10). Die nach den §§11 und 12 FMedG gebotene Untersuchung der Spenderin und ihrer Eizellen hat sicherzustellen, dass die Eizellen nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung fortpflanzungsfähig sind und durch deren Verwendung keine gesundheitlichen Gefahren für die Frau oder das gewünschte Kind entstehen können.
Die medizinisch nicht indizierte Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen steht überdies, worauf auch die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof hingewiesen hat, mit dem dem FMedG zugrunde liegenden ultima ratio-Prinzip nicht in Konflikt, wonach eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung prinzipiell nur dann zulässig ist, wenn die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr nicht in Betracht kommt. Die in Rede stehenden Maßnahmen verfolgen nämlich den Zweck, eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit den Eizellen der Wunschmutter (erst) in einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu ermöglichen, an dem dann ein Wunsch nach eigenen Kindern auf natürlichem Weg nicht mehr erfüllt werden kann (vgl ErläutRV 678 BlgNR 22. GP, 4).
Es ist vor diesem Hintergrund für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar, dass mit der – im Entnahmezeitpunkt – medizinisch nicht indizierten Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung solche gesundheitlichen Risiken für die Wunschmutter bzw das Kind verbunden sind, denen nur mit einem ausnahmslosen Verbot und nicht auch mit weniger einschneidenden Mitteln – etwa in Gestalt von Aufklärungs- und Beratungspflichten (vgl §7 FMedG) sowie von Altersvoraussetzungen (vgl zur Eizellspende §2b Abs2, §3 Abs3 sowie §13 Abs1 FMedG) – begegnet werden kann (vgl dazu Pkt. 2.8.4.). Für die spätere Verwendung der Eizellen bei einer In-vitro-Fertilisation enthält das FMedG ohnehin Regelungen, für die der Umstand, dass bei der Methode des "Egg Freezing" die Entnahme nicht unmittelbar vor der, sondern als gesonderte medizinische Maßnahme mit zeitlichem Abstand zur In-vitro-Fertilisation erfolgt, keine Änderungen bedingt.
2.8.3. Die Bundesregierung hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das ausnahmslose Verbot aus "ethischen Überlegungen" gerechtfertigt sei, weil es Druck auf Frauen verhindere, auf Grund allfälliger gesellschaftlicher Erwartungen oder der Erwartungen ihres Arbeitgebers die Erfüllung des Kinderwunsches mit medizinisch unterstützten Methoden auf später zu verschieben.
Auch derartige negative Auswirkungen, die aus der Verfügbarkeit der medizinisch nicht indizierten Eizellentnahme und -aufbewahrung resultieren können, rechtfertigen das ausnahmslose Verbot dieser Methode nicht: Zwar müssen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes Bedenken hinsichtlich der Moral oder der gesellschaftlichen Akzeptanz gerade in einem sensiblen Bereich wie der Reproduktionsmedizin ernst genommen werden (vgl EGMR, S.H. ua , Z100; idS auch VfSlg 15.632/1999, 19.824/2013). Jedoch stellt selbst ein möglicher Missbrauch nach dieser Rechtsprechung noch keinen ausreichenden Grund für das gänzliche Verbot einer bestimmten reproduktionsmedizinischen Methode dar, wenn und soweit eine Möglichkeit besteht, deren Anwendung zu regulieren und Sicherungen gegen Missbrauch vorzusehen (vgl EGMR, S.H. ua , Z101 ff.; idS auch VfSlg 19.824/2013).
2.8.4. Die von Art8 EMRK geschützte Entscheidungsfreiheit über die (Art und Weise der) Fortpflanzung (vgl VfSlg 20.554/2022) bedeutet im vorliegenden Zusammenhang, dass die Entscheidung über die Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen von der Frau selbst in eigener Verantwortung zu treffen ist. Es liegt demnach an ihr, die für ihre Entscheidung notwendigen Informationen einzuholen und die für sie relevanten Gründe, die für oder gegen die Durchführung der Maßnahmen sprechen, gegeneinander abzuwägen. Der Umstand, dass die Entscheidungsfindung unterschiedlichen externen, etwa sozialen oder beruflichen Einflüssen ausgesetzt sein kann, die auch durch gesetzliche Regelungen – bei prinzipieller Zulässigkeit der Methode – nicht völlig ausgeschlossen werden können, trägt für sich ein ausnahmsloses Verbot der in Rede stehenden Maßnahmen nicht. Ebensowenig kann das Risiko unzutreffender Annahmen einer Frau über die Erfolgsaussichten dieser Maßnahmen das Verbot rechtfertigen (vgl auch Kopetzki , "Social Egg Freezing", RdM 2014, 309).
Der Gesetzgeber hat auf Grund der zuvor angesprochenen Problemfelder grundsätzlich einen weiten Spielraum bei der Anordnung flankierender Maßnahmen für die Methode des "Social Egg Freezing", innerhalb dessen er beispielsweise die Bewerbung dieser Methode oder die Vermeidung wirtschaftlicher Anreize für die Durchführung dieser Methode regeln kann. Unter Umständen können – was der Verfassungsgerichtshof hier freilich nicht näher zu prüfen hat – gesetzliche Vorkehrungen (zB Aufklärungs- und Beratungspflichten iSd §7 FMedG sowie bestimmte Altersvoraussetzungen) im Lichte des Art8 EMRK nicht bloß verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch geboten sein, um eine freie und informierte Entscheidung der Frau zu ermöglichen und aus gesundheitlicher Perspektive von vornherein besonders risikobehaftete Konstellationen auszuschließen.
Anzumerken bleibt, dass eine völlige rechtliche Gleichbehandlung der medizinisch indizierten Eizellentnahme und -aufbewahrung einerseits sowie der Anwendung dieser Methode ohne medizinischen Grund andererseits nicht verlangt ist. So kann beispielsweise eine differenzierende Regelung des Alters der Frau bei der Eizellentnahme gerechtfertigt sein, um eine Entnahme aus medizinischen Gründen, etwa bei vorzeitiger Menopause, jedenfalls zu ermöglichen.
2.8.5. Ein sonstiger Grund, der das ausnahmslose Verbot der medizinisch nicht indizierten Eizellentnahme und -aufbewahrung unter dem Blickwinkel des Art8 Abs2 EMRK rechtfertigen könnte, ergibt sich weder aus den Gesetzesmaterialien (Erläut zur RV der FMedG-Novelle 2004, 678 BlgNR 22. GP), noch wurde ein solcher Grund im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgebracht. Auch für den Verfassungsgerichtshof ist ein solcher Grund nicht ersichtlich.
2.9. Ein ausnahmsloses Verbot der medizinisch nicht indizierten Eizellentnahme und -aufbewahrung, das jeder Frau – unabhängig von ihrem Alter bei der Entnahme der Eizellen bzw bei der Verwendung dieser für eine artifizielle Fortpflanzung – die Inanspruchnahme dieser medizinischen Maßnahmen verwehrt, ist demnach für die Erreichung der oben genannten Ziele nicht erforderlich und daher unverhältnismäßig. Die angefochtene Bestimmung des §2b Abs1 FMedG verstößt sohin gegen Art8 EMRK.
2.10. Die Formulierung der Bestimmung des §2b Abs1 FMedG lässt es im vorliegenden Kontext nicht zu, bei der Abgrenzung des Aufhebungsumfanges zwischen der Entnahme und Aufbewahrung von Eizellen und Eierstockgewebe einerseits und der Entnahme und Aufbewahrung von Samen und Hodengewebe andererseits zu differenzieren. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, werden zur Herstellung einer insgesamt verfassungskonformen Rechtslage zudem in mehrfachem Zusammenhang gesetzliche Regelungen erforderlich sein. Daher ist als Ergebnis der bei der Abgrenzung des Umfanges der aufzuhebenden Gesetzesbestimmung regelmäßig erforderlichen Abwägung (vgl nur VfSlg 19.166/2010, 19.698/2012, 20.516/2021 sowie 20.554/2022) im vorliegenden Fall einer Aufhebung der angefochtenen Bestimmung des §2b Abs1 FMedG zur Gänze der Vorzug zu geben (vgl VfSlg 19.824/2013 und 20.554/2022).
V. Ergebnis
1. §2b Abs1 FMedG ist daher wegen Verstoßes gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B VG.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B VG.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §65a VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.
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