Auswertung in Arbeit
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, der Sache nach auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006, LGBl 19/2006, idF LGBl 76/2023 als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Tourismusgesetzes 2006, LGBl 19/2006, idF LGBl 76/2023 lauten (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"§2 Mitglieder
(1) Pflichtmitglieder eines Tourismusverbandes sind jene Unternehmer im Sinn des §2 Abs1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die unmittelbar oder mittelbar einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Tourismus in Tirol erzielen und im Gebiet des Tourismusverbandes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben. Verfügt ein Unternehmer über keinen Sitz oder keine Betriebsstätte im Gebiet eines Tourismusverbandes, so ist er Pflichtmitglied jenes Tourismusverbandes, von dessen Gebiet aus er seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt.
(2) Die Pflichtmitgliedschaft beginnt mit der Aufnahme einer Tätigkeit im Sinn des Abs1 und erlischt mit deren Beendigung. Durch eine nur vorübergehende Unterbrechung der Tätigkeit wird die Pflichtmitgliedschaft nicht berührt.
(3) Über die Pflichtmitgliedschaft zu einem Tourismusverband entscheidet die Landesregierung auf Antrag des betreffenden Unternehmers oder des Obmanns des Tourismusverbandes oder von Amts wegen, sofern gegenüber dem Unternehmer noch kein Beitragsbescheid erlassen wurde.[…]
§30
Beitragspflicht
(1) Die Pflichtmitglieder haben für jedes Haushaltsjahr des Tourismusverbandes (Vorschreibungszeitraum) an diesen Pflichtbeiträge – im Folgenden kurz Beiträge genannt – nach Maßgabe ihres im Bemessungszeitraum nach Abs4 unmittelbar oder mittelbar aus dem Tourismus in Tirol erzielten wirtschaftlichen Nutzens zu entrichten. Der unmittelbare oder mittelbare Nutzen aus dem Tourismus in Tirol wird aus den beitragspflichtigen Umsätzen nach §31 oder aus den sonstigen Bemessungsgrundlagen nach §32 erzielt.
[…]
(4) Bemessungszeitraum ist das Kalenderjahr, das dem Haushaltsjahr des Tourismusverbandes entspricht. Werden nicht die Umsätze von einem Kalenderjahr, sondern von einem von diesem abweichenden Wirtschaftsjahr zur Umsatzbesteuerung herangezogen, so ist Bemessungszeitraum jener umsatzsteuerliche Veranlagungszeitraum, der im Haushaltsjahr des Tourismusverbandes endet.
[…]
§31
Beitragspflichtiger Umsatz
(1) Der beitragspflichtige Umsatz ist, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die Summe der steuerbaren Umsätze im Sinn des §1 Abs1 Z1 des Umsatzsteuergesetzes 1994 […]
§32
Sonstige Bemessungsgrundlagen
(1) Bei den Kredit- und Finanzinstituten einschließlich der Bausparkassen bildet die Bemessungsgrundlage aus Bankgeschäften das Vierfache der Summe der Provisionserträge nach der Anlage 2 zu §43 des Bankwesengesetzes. Im Bauspargeschäft sind als Bemessungsgrundlage aus Verträgen nur die Verwaltungsgebühren und Zinserträge aus den Verträgen heranzuziehen, die mit Personen, die den Wohnsitz (Sitz) in Tirol haben, abgeschlossen wurden.
(2) Bei den Reisebüros und den Reiseleitern bildet die Bemessungsgrundlage die Summe der Erträge aus den Besorgungsleistungen einschließlich der Nebenleistungen sowie die Summe der Provisionen aus den Vermittlungsleistungen einschließlich der Nebenleistungen, jedoch ausschließlich der Umsatzsteuer.
(3) Bei den Versicherungsunternehmen bildet die Bemessungsgrundlage die Summe der Versicherungsentgelte aus Versicherungsverträgen, bei denen im Zeitpunkt der Fälligkeit des Versicherungsentgeltes entweder der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz (Sitz) in Tirol hat oder sich die versicherte Sache in Tirol befindet.
(4) Bei den Werbungsmittlern bildet die Bemessungsgrundlage die Summe der Provisionen aus den Vermittlungsleistungen einschließlich der Nebenleistungen, jedoch ausschließlich der Umsatzsteuer.
(5) Für Unternehmer, die
a) Umsätze nach §6 Abs1 Z16 erster Satz des Umsatzsteuergesetzes 1994 erzielen und diese als steuerfrei behandeln und
b) nach dem 31. Dezember 1996 Umsätze nach §6 Abs1 Z19 und 20 des Umsatzsteuergesetzes 1994 erzielen,
bilden die Umsatzerlöse aus diesen Leistungen die Bemessungsgrundlage.
§33
Ortsklassen, Beitragsgruppen
(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung die Zugehörigkeit der Tourismusverbände zu den einzelnen Ortsklassen A, B und C für fünf Jahre festzusetzen. Ein Tourismusverband gehört zur Ortsklasse A, wenn in seinem Gebiet im fünfjährigen Durchschnitt auf jeden Einwohner mehr als 60 Gästenächtigungen entfallen, und zur Ortsklasse B, wenn in seinem Gebiet im fünfjährigen Durchschnitt auf jeden Einwohner mehr als 30 Gästenächtigungen entfallen. Die Zahl der Einwohner richtet sich nach dem endgültigen Ergebnis der jeweils letzten Volkszählung in Tirol. Die übrigen Tourismusverbände gehören mit Ausnahme des Tourismusverbandes Innsbruck und seine Feriendörfer zur Ortsklasse C. Der fünfjährige Durchschnitt ist aus der Anzahl der jährlichen Gästenächtigungen jener fünf Kalenderjahre zu berechnen, die dem Jahr, in dem die Verordnung erlassen wird, unmittelbar vorangegangen sind. Das Inkrafttreten einer solchen Verordnung ist jeweils mit dem Beginn eines Kalenderjahres festzusetzen.
(2) Zur Berechnung der Beiträge werden die Berufsgruppen der Pflichtmitglieder durch Verordnung der Landesregierung in die Beitragsgruppen I bis VII eingereiht. Für die Einreihung ist das Verhältnis des von der einzelnen Berufsgruppe nach allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen aus dem Tourismus unmittelbar oder mittelbar erzielten Nutzens zum entsprechenden Gesamtnutzen aller Berufsgruppen maßgebend, wobei Pflichtmitglieder, die aus dem Tourismus den größten Nutzen erzielen, in die Beitragsgruppe I und Pflichtmitglieder mit dem geringsten Nutzen in die Beitragsgruppe VII einzureihen sind. Die Einreihung ist gesondert für die Tourismusverbände der Ortsklassen A, B und C und für den Tourismusverband Innsbruck und seine Feriendörfer vorzunehmen. Das Inkrafttreten einer solchen Verordnung ist jeweils mit dem Beginn eines Kalenderjahres festzusetzen.
§35
Beitragshöhe
(1) Der Beitrag des einzelnen Pflichtmitgliedes ist für den Vorschreibungszeitraum nach einem Promillesatz der Grundzahl zu berechnen.
(2) Die Grundzahl ist ein Prozentsatz des im Bemessungszeitraum in Tirol erzielten beitragspflichtigen Umsatzes oder der sonstigen Bemessungsgrundlage. Dieser Prozentsatz beträgt für die
a) Beitragsgruppe I 100 v. H.
b) Beitragsgruppe II 80 v. H.
c) Beitragsgruppe III 60 v. H.
d) Beitragsgruppe IV 40 v. H.
e) Beitragsgruppe V 20 v. H.
f) Beitragsgruppe VI 10 v. H.
g) Beitragsgruppe VII 5 v. H.
[…]"
2. §1 der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 18. Dezember 1990 über die Einreihung der einzelnen Berufsgruppen der Pflichtmitglieder der Fremdenverkehrsverbände in die Beitragsgruppen (Beitragsgruppenverordnung 1991), LGBl 84/1990, idF LGBl 179/2014 lautet auszugsweise:
"§1
Einreihung der Berufsgruppen
(1) Die einzelnen Berufsgruppen der Pflichtmitglieder der Tourismusverbände werden
a) in den Tourismusverbänden der Ortsklasse A,
b) in den Tourismusverbänden der Ortsklasse B,
c) in den Tourismusverbänden der Ortsklasse C und
d) im Tourismusverband Innsbruck und seine Feriendörfer in die Beitragsgruppen wie folgt eingereiht:
[…]
(4) Berufsgruppen, die in keine Beitragsgruppe nach Abs1 eingereiht sind, gelten in allen Ortsklassen als in die Beitragsgruppe VI eingereiht."
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Die Beschwerdeführerin des beim Landesverwaltungsgericht Tirol anhängigen Anlassverfahrens ist neben ihrem Beruf als Richterin als selbständige Mediatorin tätig, wobei ihr Schwerpunkt in der Familienmediation liegt. Auf Grund ihrer selbständigen Tätigkeit ist die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens Pflichtmitglied des Tourismusverbandes Innsbruck und seine Feriendörfer.
1.2. Mit vorläufigem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. Februar 2024 wurde der an den Tourismusverband zu entrichtende Pflichtbeitrag für das Jahr 2024 auf Grundlage eines geschätzten beitragspflichtigen Umsatzes von € 10.140,– mit dem Mindestbeitrag von € 30,– festgesetzt.
1.3. In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sie als eingetragene Zivilrechtsmediatorin keine beitragspflichtigen Umsätze erziele, da sie keinen Nutzen aus dem Tourismus ziehe.
2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt seine Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
2.1. §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006 sehe vor, dass der unmittelbare oder mittelbare Nutzen von Unternehmern aus dem Tourismus, der Voraussetzung für die Erhebung von Pflichtbeiträgen an die Tourismusverbände sei, aus den beitragspflichtigen Umsätzen nach §31 Tiroler Tourismusgesetz 2006 oder den sonstigen Bemessungsgrundlagen nach §32 leg cit erzielt werde. Aus der Formulierung dieser Bestimmung und den Materialien zur am 1. Jänner 2024 in Kraft getretenen Novelle des Tiroler Tourismusgesetzes 2006, LGBl 76/2023, sei abzuleiten, dass Einzelfallprüfungen über den von einem Unternehmer erzielten Nutzen aus dem Tourismus nicht in Betracht kämen. Das Gesetz gehe vielmehr davon aus, dass mit jedem in Tirol erzielten Umsatz ein Nutzen aus dem Tourismus verbunden sei.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Umsatz eine sachgerechte Größe zur Erfassung des Fremdenverkehrsnutzens sei (VfSlg 6205/1970, 7082/1973, 11.025/1986, 12.419/1990, 14.601/1996), sofern sich die Belastung des Beitragspflichtigen verhältnismäßig an dem ihm zuteilgewordenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr orientiere (VfSlg 16.121/2001). In VfSlg 7082/1973 habe der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass Unternehmer, die aus dem Fremdenverkehr keinen Nutzen zögen, eine atypische Erscheinung seien, und zur Zulässigkeit von Durchschnittsbetrachtungen aus Gründen der Verwaltungsökonomie auf seine Judikatur zum aus Art7 B VG abgeleiteten Sachlichkeitsgebot verwiesen (VfSlg 4925/1965, 6846/1972).
2.3. Das Landesverwaltungsgericht Tirol bezweifle nicht, dass ein Großteil der in Tirol von Unternehmern erzielten Umsätze zumindest mittelbar vom Tourismus beeinflusst und dass es verfassungsrechtlich zulässig sei, von einer individuellen Prüfung des Tourismusnutzens durch einzelne Angehörige einer Berufsgruppe abzusehen. Es sei aber unsachlich, sämtlichen in Tirol erzielten Umsätzen a priori einen Nutzen aus dem Tourismus zu unterstellen. Ältere Fassungen des Tiroler Tourismusgesetzes 2006 (vor LGBl 76/2023) hätten Einzelfallbeurteilungen des Nutzens aus dem Tourismus zugelassen. Auf Grundlage der Rechtslage vor LGBl 76/2023 habe das Landesverwaltungsgericht Tirol ausgesprochen, dass bei der Vereinnahmung von Tantiemen durch Erben eines Schulbuch-Autors und bei der Erzielung von Umsätzen im Zusammenhang mit der gerichtlich angeordneten Erwachsenenvertretung durch Rechtsanwälte kein Nutzen aus dem Tourismus vorliege. Der Verwaltungsgerichtshof habe auch bei der Beherbergung von Asylwerbern (VwGH 18.5.2016, 2013/17/0048, zum Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994) und bei einer Arbeitsgemeinschaft zur Planung und Errichtung des Brennerbasistunnels (VwGH 1.3.2023, Ra 2022/13/0062, zum Tiroler Tourismusgesetz 2006 idF vor LGBl 76/2023) keinen Nutzen aus dem Tourismus erkannt. Auch bei einer Arbeitsgemeinschaft zur Abwicklung der Errichtung eines Büro- und Geschäftsgebäudes liege nach der Rechtsprechung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zur alten Rechtslage kein Nutzen aus dem Tourismus vor.
2.4. Auch im Anlassfall sei das objektbezogene Tatbestandsmerkmal des Nutzens aus dem Tourismus nicht erfüllt. Mangels eines Nutzens aus dem Tourismus sei die Abgabenerhebung nicht sachgerecht. Dass Umsätze in Tirol ohne einen Nutzen aus dem Tourismus erzielt werden, möge zwar vergleichsweise selten vorkommen; insgesamt gebe es aber eine durchaus beachtliche Anzahl derartiger Fälle.
3. Die Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
3.1. Das Landesverwaltungsgericht Tirol beantrage die Aufhebung des §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006 idF LGBl 76/2023. Um den Inhalt dieser Bestimmung vollumfänglich erfassen und deren Sachlichkeit und damit Verfassungsmäßigkeit bewerten zu können, bedürfte es jedoch auch der Betrachtung von §§31 und 32 Tiroler Tourismusgesetz 2006 sowie allenfalls auch der Beitragsgruppenverordnung 1991, welche inzwischen durch die Beitragsgruppenverordnung 2025 ersetzt worden sei. Nach Auffassung der Tiroler Landesregierung sei der vorliegende Antrag zu eng gefasst und daher als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. In der Sache sei festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof bei Einhaltung der entsprechenden verfassungsrechtlich vorgegebenen Schranken gesetzlich vorgesehene Fiktionen ohne Weiteres als zulässig erachte (vgl zB VfSlg 5730/1967, 9888/1983, 20.292/2018, 20.295/2018).
3.3. Überdies sei den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes entgegenzuhalten, dass der wirtschaftliche Nutzen, den Tiroler Unternehmer aus dem Tourismus zögen, unmittelbar oder mittelbar sein könne und dass nahezu jedes Unternehmen in Tirol zumindest durch die Hebung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, die der Tourismus mit sich bringe, einen mittelbaren Nutzen aus dem Tourismussektor ziehe (vgl etwa VwGH 3.2.1970, 0776/69). Bei Unternehmern, die keinerlei wirtschaftlichen Vorteil aus dem Tourismus zögen, handle es sich auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zufolge um "atypische Erscheinungen" (VfSlg 7082/1973). Angesichts der großen Anzahl der Tourismusbeitragspflichtigen, die sich aktuell auf 79.196 belaufe, und der beispielsweise im Jahr 2023 erlassenen 156.605 Beitragsbescheide sei eine pauschalierende und typisierende Betrachtung im Interesse der Verfahrensökonomie nicht unsachlich, sondern vielmehr unerlässlich (VfSlg 20.042/2016; VfGH 26.2.2025, V346/2023 ua).
3.4. Außerdem gehe der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Umsatz eine sachgerechte Größe zur Erfassung des aus dem Tourismus erzielten Nutzens sei (zB VfSlg 6205/1970, 10.455/1985, 17.784/2006). Das System des Pflichtbeitrags nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 sei vielfach ausdifferenziert, weshalb die Höhe des Tarifs von der Beitragsgruppe der ausgeübten Tätigkeit und der Ortsklasse der jeweiligen Gemeinde abhänge; zudem enthalte §31 leg cit einen Katalog an Umsätzen, die aus sachlichen Gründen nicht in die Beitragsgrundlage einzubeziehen seien. Durch diese ausgeprägte Differenzierung sei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffes Genüge getan. Die Sachlichkeit der gesetzlichen Regelungen sei nach Auffassung der Tiroler Landesregierung auch dann gewahrt, wenn aus verwaltungsökonomischen Gründen in §30 Abs1 zweiter Satz zulässigerweise von einer typischen Durchschnittsbetrachtung ausgegangen werde.
Sollte der Verfassungsgerichtshof die in §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006 geregelte Nutzenfiktion jedoch als sachlich nicht gerechtfertigt ansehen, wäre die Bestimmung einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich: In den Erläuternden Bemerkungen zum Begutachtungsentwurf der Novelle LGBl 76/2023 heiße es zwar, dass durch die Neuformulierung des §30 Abs1 zweiter Satz leg cit eine "unwiderlegbare Rechtsvermutung" des Nutzens aus dem Tourismus aufgestellt würde. Im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens dürfte der Gesetzgeber jedoch zu der Ansicht gelangt sein, dass mit der angefochtenen Bestimmung eine allfällige Einzelfallprüfung in besonders atypischen Fällen gerade nicht ausgeschlossen werden solle (vgl die EB zur RV 892/2023 BlgLT [Tir.] 18. GP, 2, die keinen Hinweis auf eine unwiderlegbare Rechtsvermutung mehr enthielten). Daher erachte die Tiroler Landesregierung die vom Landesverwaltungsgericht vorgebrachten gleichheitsrechtlichen Bedenken für nicht zutreffend.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinn des Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Im vorliegenden Fall sind keine Umstände hervorgekommen, die an der Präjudizialität von §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006 idF LGBl 76/2023 für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol zweifeln ließen.
1.2. Die Tiroler Landesregierung erachtet den Antrag allerdings deshalb als unzulässig, weil die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung allein der angefochtenen Bestimmung nicht beseitigt werden könnte und der beantragte Aufhebungsumfang insofern zu eng gefasst sei.
Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden:
1.3. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 19.832/2013, 19.892/2014, 20.032/2015), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Gesetzesprüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 19.684/2012, 19.746/2013, 20.018/2015). Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht zur Gänze unzulässig, sondern führt, ist der Antrag in der Sache begründet, im Falle der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl VfSlg 19.684/2012, 19.746/2013; VfGH 9.12.2015, G433/2015).
Ein Gesetzesprüfungsantrag ist unter anderem nur dann zulässig, wenn die behauptete Verfassungswidrigkeit mit einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung der angefochtenen Norm beseitigt würde (vgl etwa VfSlg 16.191/2001, 19.178/2010; VfGH 2.7.2015, G303/2015).
1.4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hegt ausschließlich das Bedenken, §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006 idF LGBl 76/2023 verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, da diese Regelung eine unwiderlegbare Vermutung enthalte, nach der sämtlichen unternehmerischen Tätigkeiten ein Nutzen aus dem Fremdenverkehr unterstellt würde. In einer nicht nur untergeordneten Anzahl von Fällen würden jedoch unternehmerische Tätigkeiten gesetzt und Umsätze erzielt, ohne dass ein Konnex zum Tourismus bestehe.
1.5. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Anfechtungsumfang nicht als zu eng gefasst.
1.6. Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag daher als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Zur Begründung seiner Bedenken führt das antragstellende Verwaltungsgericht näher aus, dass zwar der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 7082/1973 ausgesprochen habe, dass ein Unternehmer, der keinen Nutzen aus dem Fremdenverkehr ziehe, eine atypische Erscheinung sei. Auch ziehe das Landesverwaltungsgericht nicht in Zweifel, dass ein Großteil der in Tirol von Unternehmen erzielten Umsätze zumindest mittelbar vom Tourismus beeinflusst sei. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Tiroler Landesverwaltungsgerichtes zeige jedoch, dass in einer nicht nur untergeordneten Anzahl von Fällen unternehmerische Tätigkeiten gesetzt und Umsätze erzielt würden, ohne dass ein Konnex zum Tourismus bestehe.
So habe die Rechtsprechung etwa bei der Erzielung von Tantiemen durch Erben eines Autors von Schulbüchern, bei der Erzielung von Umsätzen aus der Erwachsenenvertretung durch Rechtsanwälte, bei der Beherbergung von Asylwerbern und bei Umsätzen von Arbeitsgemeinschaften zur Planung und Errichtung des Brennerbasistunnels sowie zur Abwicklung der Errichtung eines Büro- und Geschäftsgebäudes keine Verbindung mit dem Tourismus erkannt und daher – nach der Rechtslage vor LGBl 76/2023 – in diesen Fällen eine Beitragspflicht nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 verneint. Vor diesem Hintergrund verstoße eine Regelung wie jene des §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006, die von vornherein unwiderlegbar einen Nutzen aus dem Fremdenverkehr unterstelle, gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei daher verfassungswidrig.
2.3. Die Bedenken des antragstellenden Gerichtes treffen nicht zu:
2.3.1. §30 Abs1 Tiroler Tourismusgesetz 2006 bestimmt, dass die Pflichtmitglieder für jedes Haushaltsjahr (Vorschreibungszeitraum) des Tourismusverbandes an diesen Pflichtbeiträgen nach Maßgabe ihres im Bemessungszeitraum nach Abs4 leg cit unmittelbar oder mittelbar aus dem Tourismus in Tirol erzielten wirtschaftlichen Nutzens zu entrichten haben, wobei der unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Nutzen aus dem Tourismus in Tirol aus den beitragspflichtigen Umsätzen nach §31 leg cit oder aus den sonstigen Bemessungsgrundlagen nach §32 leg cit erzielt wird.
2.3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Fall, dass ein Unternehmer keinen Nutzen aus dem Fremdenverkehr zieht, für das Wirtschaftsleben keineswegs charakteristisch, sondern im Gegenteil eine atypische Erscheinung. Die aus Gründen der Verwaltungsökonomie zweckmäßige, ja vielfach unerlässliche Durchschnittsbetrachtung rechtfertigt hiebei die Außerachtlassung solcher atypischer Fälle, indem der Gesetzgeber eine unwiderlegbare Rechtsvermutung vorsieht, nach der bei Erzielung eines Umsatzes vom Unternehmer ein Nutzen aus dem Fremdenverkehr gezogen wird (VfSlg 4925/1965, 6846/1972, 7082/1973).
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, verbietet der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber nicht, bei der Normsetzung von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen (vgl zB VfSlg 14.841/1997, 16.124/2001, 16.771/2002 und 20.298/2018), insbesondere, wenn dies der Schaffung leicht handhabbarer Regelungen und somit der Verwaltungsökonomie dient (VfSlg 15.819/2000 mwN). Dass dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (zB VfSlg 11.615/1988, 14.841/1997), wenn es sich um atypische, nur ausnahmsweise auftretende Fälle handelt (VfSlg 9901/1983, 11.301/1987, 11.615/1988, 11.665/1988, 14.703/1997, 15.850/2000, 20.255/2018). In diesem Zusammenhang darf der für die Durchschnittsbetrachtung gewählte Maßstab keinen Anlass zu Bedenken geben, was etwa dann der Fall wäre, wenn er die Mehrzahl der auftretenden Fälle nicht erfasste oder jeglicher wirtschaftlichen Erfahrung widerspräche (vgl VfSlg 4409/1963, 5160/1965, 16.048/2000).
2.3.3. Diese Grenzen sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Das antragstellende Verwaltungsgericht geht selbst davon aus, dass der Großteil der in Tirol von Unternehmen erzielten Umsätze zumindest mittelbar vom Tourismus beeinflusst und der Umsatz ein sachgerechter Maßstab ist, den Nutzen aus dem Tourismus zu erfassen. Das entspricht auch der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (zB VfSlg 7082/1973, 11.025/1986, 12.419/1990, 14.601/1996; VwGH 1.3.2023, Ra 2022/13/0062 mwN). Es ist auch nicht zu ersehen, dass die Annahme, dass Unternehmer in Tirol im Allgemeinen einen Nutzen aus dem Tourismus ziehen, jeglicher wirtschaftlicher Erfahrung widerspräche.
Hinzu kommt (worauf der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg 7082/1973 hingewiesen hat), dass sich die Behauptung, es läge mangels eines Nutzens aus dem Fremdenverkehr in concreto eine Ausnahme von der Beitragspflicht vor, auch unter Inkaufnahme eines erheblichen Ermittlungsaufwandes wohl nur in seltenen Fällen verifizieren lässt.
2.4. Die vom Landesverwaltungsgericht vorgebrachten Bedenken sind sohin nicht geeignet, den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen, von seiner Rechtsauffassung abzugehen. Eine Regelung, die zu einer Beitragspflicht auch für jene – gemessen an einer Durchschnittsbetrachtung atypischen – Fälle führt, in denen Pflichtmitglieder eines Tourismusverbandes (vgl §2 Tiroler Tourismusgesetz 2006) behaupten, dass kein Konnex zum Tourismus bestehe, begegnet keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, zumal §33 Tiroler Tourismusgesetz 2006 die Einrichtung eines sachgerechten Systems der nach der Größe des Nutzens gestaffelten Beitragsberechnung vorsieht.
V. Ergebnis
1. Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol ob der Verfassungsmäßigkeit des §30 Abs1 zweiter Satz Tiroler Tourismusgesetz 2006, LGBl 19/2006, idF LGBl 76/2023 erhobenen Bedenken treffen nicht zu.
Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z4 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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