Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung von Teilen einer Verordnungsbestimmung mangels hinreichend präziser Bezeichnung der zur Aufhebung beantragten Bestimmungs(teile)
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, "[d]er Verfassungsgerichtshof möge in §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 16.08.2017, LA VK StVO Fließ/1/2 2017, die Kundmachung des Ortsgebietes in der Ortsbezeichnung Nesselgarten Gde. Fließ, L76 Landecker Straße, mit dem Kundmachungsstandort Km, 4750+212m und Km 5,250+137m gemäß Art139 Abs3 Z3 B VG wegen Kundmachung in gesetzwidriger Weise" als gesetzwidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 16. August 2017, ZLA-VK-STVO-Fließ/1/2-2017, hat folgenden Wortlaut (auszugsweise Wiedergabe):
"Verordnung
Die Bezirkshauptmannschaft Landeck verfügt gemäß den §§43 Abs1 litb und 94b StVO 1960 in der Fassung BGBl I Nr 6/2017 nach Durchführung des Anhörungsverfahrens nach §94f StVO 1960 zur Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs im Gemeindegebiet von Fließ folgende Verkehrsregelungen:
§1 Ortsgebiete
Am Beginn der verbauten Gebiete, wo die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist, werden die Ortsgebiete Fließ, Urgen, Nesselgarten, Hochgallmig, Fließerau und Piller durch die Straßenverkehrszeichen 'Ortstafel' an nachfolgend angeführten Standorten kundgemacht. In entgegengesetzte Richtung werden die Ortsgebiete durch die Straßenverkehrszeichen 'Ortsende' aufgehoben:
Die Kundmachung erfolgt durch die Anbringung der Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Z17a StVO 1960 'Ortstafel' bzw §53 Abs1 Z17b StVO 1960 'Ortsende' an den oben genannten Standorten.
§2–§3 […]
§4 Vorrangregelungen
Gemäß §19 Abs4 StVO 1960 hat der einmündende Verkehr (benachrangte Straße) an den nachgenannten Kreuzungspunkten (Straße/Standort) dem Verkehr auf der zweitgenannten Straße (bevorrangte Straße) den Vorrang einzuräumen bzw anzuhalten.
[…]
§5 Inkrafttreten
Diese Verordnung ist gemäß §44 Abs1 StVO 1960 durch die verfügten Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen. Der Zeitpunkt und Ort (Bereich) der Anbringung (Sichtbarmachung) sämtlicher verkehrsregelnder Maßnahmen sind in einem Aktenvermerk (§16 AVG 1950) festzuhalten. Mit dem Tag der Kundmachung tritt die Verordnung in Kraft.
Grundsätzlich sind sämtliche Verkehrszeichen gemäß §48 Abs.2 StVO 1960 anzubringen.
Allfällige dieser Verordnung entgegenstehende frühere andere Verfügungen werden hiermit aufgehoben.
Nachfolgende Verordnungen treten mit dem Tag der Kundmachung der gegenständlichen Verordnung außer Kraft:
- VO vom 30.05.1968, Zl II-1594/1
- VO vom 07.08.1968, Zl II-2195/1
- VO vom 05.07.1976, Zl II-914/73
- VO vom 18.07.1984, Zl II-182/2-84
- VO vom 15.09.1987, Zl II-2433/3-87
- VO vom 29.06.2011, Zl 3-17464/5[…]
Anmerkungen:
- Auf der L 17 Piller Straße, der L 76 Landecker Straße und der L 312 Hochgallmigstraße ist alle 250 m, sowie auf der B180 Reschenstraße alle 200 m eine Kilometertafel situiert. Die Basis der Messwerte bilden die angegeben Km Tafeln als Bezugspunkte. Die Einmessung der Verkehrszeichen erfolgte mittels eines geeichten Messrades (Trumeter 51000 GEEICHT) der Marke 'Trumeter Technologies Ltd' jeweils in Kilometrierungsrichtung am rechten Fahrbahnrand.
- Die für sämtliche Geltungsbereiche von Verkehrsregelungen angegebenen X- und Y-Koordinatenpaare (X=Hochwert, Y=Rechtswert) sind auf das kartesische Koordinatensystem 'MGI Austria GK West' (Bundesmeldenetz 'BMN') anzuwenden.
Für den Bezirkshauptmann:
[…]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 7. November 2023 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Last gelegt, er habe am 26. April 2023, um 10.33 Uhr, mit einem nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen im Gemeindegebiet von Fließ, Ortsteil Nesselgarten, auf der Landecker Straße L76, in Fahrtrichtung Landeck, die in diesem, innerhalb eines Ortsgebietes liegenden Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten. Über den Beschwerdeführer wurde daher wegen einer Übertretung des §20 Abs2 StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
2. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen dieses Straferkenntnis stellt das Landesverwaltungsgericht Tirol den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag und weist zunächst darauf hin, dass es die angefochtene Verordnungsbestimmung im Beschwerdeverfahren unmittelbar anzuwenden habe.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat das Bedenken, dass die Kundmachung des Ortsgebietes Nesselgarten im Hinblick auf die Bestimmung des §44 Abs1 StVO 1960 gesetzwidrig erfolgt sei, weil nicht alle Straßenverkehrszeichen gemäß der in der Verordnung festgelegten Aufstellungsorte angebracht worden seien.
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnungsbestimmung vorgelegt und eine Äußerung erstattet.
4. Die Tiroler Landesregierung hat mitgeteilt, dass sie über keine auf die angefochtene Verordnungsbestimmung Bezug habenden Akten verfüge, und von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.
IV. Erwägungen
1. Gemäß Art139 BVG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Gerichtes. Gemäß §57 Abs1 erster Satz VfGG muss ein solcher Antrag begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden.
Um die Formerfordernisse des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG zu erfüllen, müssen – wie der Verfassungsgerichtshof in vielen Beschlüssen (vgl zB VfSlg , mwN, , ) ausgeführt hat – die bekämpften Stellen der Verordnung genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offenbleiben, welche Vorschriften oder welche Teile einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers bzw des antragstellenden Gerichtes aufgehoben werden sollen. Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, Verordnungsbestimmungen auf Grund bloßer Vermutung darüber, welche Bestimmungen der Antragsteller bzw das antragstellende Gericht ins Auge gefasst haben könnte, in Prüfung zu ziehen.
2. Diesen Anforderungen wird der unter Punkt I. dargestellte Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Tirol nicht gerecht, wenn er begehrt, "in §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 16.08.2017, LA VK StVO Fließ/1/2 2017, die Kundmachung des Ortsgebietes in der Ortsbezeichnung Nesselgarten Gde. Fließ, L76 Landecker Straße, mit dem Kundmachungsstandort Km, 4750+212m und Km 5,250+137m gemäß Art139 Abs3 Z3 B VG wegen Kundmachung in gesetzwidriger Weise" als gesetzwidrig aufzuheben. Aus dieser Formulierung ergibt sich nicht hinreichend, welche Verordnungsbestimmungen bzw welche Wort- und Zeichenfolgen der Verordnung vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogen werden sollen (vgl VfSlg 14.675/1996 mwN).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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