Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
In ihrem auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge "§45 MMHmG, BGBl I Nr 169/2002, idF. BGBl I 131/2017 zur Gänze" als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
§14, §45, §46 und §78 Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG), BGBl I 169/2002, idF BGBl I 131/2017 lauten auszugsweise wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Berufsausübung als medizinischer Masseur
§14. Eine Berufsausübung als medizinischer Masseur darf im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu
1. einem Rechtsträger einer Krankenanstalt oder Kuranstalt oder
2. einem Rechtsträger einer sonstigen unter ärztlicher Leitung oder Aufsicht stehenden Einrichtung, die der Vorbeugung, Feststellung oder Heilung von Krankheiten oder der Betreuung pflegebedürftiger Menschen dienen, oder
3. einem freiberuflich tätigen Arzt, einer Gruppenpraxis, einer Primärversorgungseinheit oder
4. einem freiberuflich tätigen diplomierten Physiotherapeuten
erfolgen.
[…]
Berufsausübung als Heilmasseur
§45. Eine Berufsausübung als Heilmasseur darf
1. freiberuflich oder
2. im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger einer Krankenanstalt oder Kuranstalt oder
3. im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger einer sonstigen unter ärztlicher Leitung oder Aufsicht stehenden Einrichtung, die der Vorbeugung, Feststellung oder Heilung von Krankheiten oder der Betreuung pflegebedürftiger Menschen dienen oder
4. einem freiberuflich tätigen Arzt, einer Gruppenpraxis, einer Primärversorgungseinheit oder
5. im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem freiberuflich tätigen diplomierten Physiotherapeuten
erfolgen.
Freiberufliche Berufsausübung - Berufssitz
§46. (1) (2) […]
(4) Die freiberufliche Berufsausübung als Heilmasseur hat persönlich und unmittelbar an oder ausgehend von einem bestimmten Ort (Berufssitz) zu erfolgen. Jeder freiberuflich tätige Heilmasseur hat einen oder höchstens zwei Berufssitze in Österreich zu bestimmen. Für die vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen als Heilmasseur gemäß §46a ist die Begründung eines Berufssitzes in Österreich nicht erforderlich.
(5) (7) […]
[…]
Strafbestimmungen
§78. (1) Wer
1. berufsmäßig eine unter dieses Bundesgesetz fallende Tätigkeit ausübt, ohne hiezu berechtigt zu sein, oder jemanden, der hiezu nicht berechtigt ist, zu einer derartigen Tätigkeit heranzieht oder
2. eine Tätigkeit unter einer unter der in diesem Bundesgesetz festgelegten Berufsbezeichnung ausübt, ohne hiezu berechtigt zu sein, oder
3. einer oder mehreren in §1 Abs2, §2, §3, §4, §6 Abs3, §31 Abs4, §32, §33, §34, §35 Abs1, §44, §46 Abs4, 5 oder 6, §46a Abs2 oder 3, §61 Abs4 oder §63 Abs2a enthaltenen Anordnungen oder Verboten zuwiderhandelt,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar.
(2) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragstellerin ist als Heilmasseurin freiberuflich tätig und beschäftigt seit 2019 regelmäßig gewerbliche Masseurinnen. Die Antragstellerin verzeichne einen großen Zulauf von Patienten, deren Behandlung zu Heilzwecken und auf ärztliche Anordnung erfolge. Diesen Patientenandrang könne die Antragstellerin allerdings nicht bewältigen, weil derartige Behandlungen von den von ihr beschäftigten gewerblichen Masseurinnen nicht durchgeführt werden dürften. Deshalb beabsichtige die Antragstellerin zumindest zwei Heilmasseurinnen anzustellen. Jedoch sei es ihr durch §45 MMHmG untersagt, Heilmasseurinnen zu beschäftigen, weil diese nur freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger einer Krankenanstalt oder Kuranstalt oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger einer sonstigen unter ärztlicher Leitung oder Aufsicht stehenden Einrichtung, die der Vorbeugung, Feststellung oder Heilung von Krankheiten oder der Betreuung pflegebedürftiger Menschen dienen oder einem freiberuflich tätigen Arzt, einer Gruppenpraxis, einer Primärversorgungseinheit oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem freiberuflich tätigen diplomierten Physiotherapeuten ihren Beruf ausüben dürften. Das Recht der Antragstellerin auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sei daher nicht nur potenziell, sondern aktuell stark beeinträchtigt. Ein anderer Weg, die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung zu bekämpfen, stehe der Antragstellerin nicht zur Verfügung, zumal es ihr nicht zumutbar sei, durch die Beschäftigung einer Heilmasseurin eine gemäß §78 MMHmG strafbare Handlung zu setzen.
Inhaltlich bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass §29 MMHmG ein eigenverantwortliches Tätigwerden von Heilmasseurinnen vorsehe, sodass Ärzten in diesen Fällen ausschließlich die Anordnungsverantwortung zukomme, die Durchführungsverantwortung liege allerdings alleine bei den Heilmasseurinnen. Diese Lockerung der ärztlichen Aufsicht sei durch die qualifizierte Ausbildung von Heilmasseurinnen gerechtfertigt. Die in VfSlg 18.608/2008 vom Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf medizinische Masseure – und deren geringeren Ausbildungsstand – als erforderlich erachtete Aufsichtskette sei für Heilmasseurinnen sohin nicht erforderlich. Der Durchführungsverantwortung könne eine Heilmasseurin nämlich auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses zu einer anderen Heilmasseurin gerecht werden und eine Mediatisierung der (ärztlichen) Aufsichtspflicht sei gar nicht denkbar. Das gänzliche Anstellungsverbot für Heilmasseurinnen stelle daher einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheit der Erwerbsbetätigung der Antragstellerin dar, zumal der Gesetzgeber auch weniger einschneidende Maßnahmen zur Sicherung der Patientensicherheit ergreifen hätte können. Der Gleichheitsgrundsatz sei verletzt, weil die Gesetzesbestimmung impliziere, dass Heilmasseurinnen weniger als Physiotherapeutinnen dazu geeignet wären, die ihnen auf ärztliche Anordnung übertragengen Aufgaben eigenverantwortlich durchzuführen.
2. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, meritorisch keine Äußerung zu erstatten, und führt aus, dass im Fall der Aufhebung mit der Wortfolge "zu einem Rechtsträger einer Krankenanstalt oder Kuranstalt oder" in §45 Z2 MMHmG sowie der Z3 bis 5 leg.cit. das Auslangen gefunden werden könne. Für den Fall der Aufhebung von §45 MMHmG zur Gänze stellte sie den Antrag, eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten zu bestimmen.
IV. Zur Zulässigkeit des Antrages
1. Der Antrag ist nicht zulässig.
2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
3. Gemäß §45 MMHmG darf eine Berufsausübung als Heilmasseur freiberuflich (Z1) oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger einer Krankenanstalt oder Kuranstalt (Z2) oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger einer sonstigen unter ärztlicher Leitung oder Aufsicht stehenden Einrichtung, die der Vorbeugung, Feststellung oder Heilung von Krankheiten oder der Betreuung pflegebedürftiger Menschen dienen (Z3) oder einem freiberuflich tätigen Arzt, einer Gruppenpraxis, einer Primärversorgungseinheit (Z4) oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem freiberuflich tätigen diplomierten Physiotherapeuten (Z5) erfolgen. Nach §46 Abs4 erster Satz MMHmG hat die freiberufliche Berufsausübung als Heilmasseur persönlich und unmittelbar an oder ausgehend von einem bestimmten Ort (Berufssitz) zu erfolgen.
Die Verpflichtung von Heilmasseuren, ihren Beruf persönlich und unmittelbar auszuüben, erfordert eine Berufsausübung ohne Unterstützung durch einen oder mehrere angestellte Heilmasseure (vgl VwGH 19.6.2002, 2000/15/0053; 24.9.2008, 2006/15/0283 zur gleichlautenden [auch heute] in §49 Abs2 Ärztegesetz 1998, BGBl I 169/1998, idF BGBl I 191/2023 enthaltenen Wendung). Die von der Antragstellerin behauptete Verfassungswidrigkeit könnte durch die von ihr begehrte Aufhebung von §45 MMHmG zur Gänze ebenso wie durch die von der Bundesregierung beantragte, enger gefasste Aufhebung vor diesem Hintergrund nicht beseitigt werden. Selbst nach einer Aufhebung des §45 MMHmG verbliebe §46 Abs4 MMHmG im Rechtsbestand, weshalb es Heilmasseurinnen auch in diesem Fall weiterhin untersagt wäre, einen oder mehrere angestellte Heilmasseure zu beschäftigen, weil sie ihren Beruf persönlich und unmittelbar auszuüben haben.
4. Da die behauptete Verfassungswidrigkeit durch eine Aufhebung im begehrten Umfang nicht beseitigt werden könnte, ist der Antrag wegen des zu eng gewählten Anfechtungsumfanges unzulässig und daher zurückzuweisen.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
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