I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, insoweit damit die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bestätigt wird (Spruchpunkt A.I.), im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein 1988 geborener Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am 6. April 2012 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er vor dem Bundesasylamt an, dass er in seiner Heimatprovinz Kapisa zweimal – das erste Mal ruhig auf einem öffentlichen Platz, das zweite Mal unter Drohungen und Schlägen in seinem Elternhaus – von den Taliban aufgefordert worden sei, für sie zu kämpfen. Zwischen den beiden Aufforderungen habe er sich zu Hause versteckt gehalten.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2012 wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Satus des subsidiär Schutzberechtigten gab es der Beschwerde statt und erkannte dem Beschwerdeführer diesen Status zu. Auch die Ausweisung des Beschwerdeführers hob das Bundesverwaltungsgericht auf.
Die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt:
"Den Angaben zum Fluchtvorbringen kann […] nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Fall erweckt das Protokoll der Einvernahme [vor dem Bundesasylamt] zwar den Eindruck, dass vom BF eine durchgängige, teils auch detaillierte Darstellung der Ereignisse erfolgte. Aus den Anmerkungen ergibt sich jedoch, dass dieses Ergebnis nur durch vielfache Rückfragen erzielt werden konnte.
Dieser Eindruck bestätigte sich im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG auf nachdrückliche Art und Weise. Schon die Dauer der Verhandlung (auch wenn zu berücksichtigen ist, dass erhebliche Zeit von der Übersetzung der Länderberichte in Anspruch genommen wurde) legt ein beredtes Zeugnis davon ab, dass sich die Befragung überaus mühevoll gestaltete. Der BF war kaum bis gar nicht dazu zu bewegen, mehr zu den behaupteten Geschehnissen preiszugeben, als er bereits im Rahmen der Einvernahme angegeben hatte. Die Darstellung erfolgte ohne jede Emotion. Details, sinnliche Wahrnehmungen etc. wurden nicht oder wenn, nur auf Rückfrage preisgegeben. Lediglich an der Stelle, an der der BF auf seine kleinen Geschwister zu sprechen kam, die er offensichtlich vermisst, zeigte er Emotionen.
Obwohl die Umstände im Rahmen der ersten Aufforderung nach den Angaben des BF außergewöhnlich sein mussten (Anwesenheit von zehn bis zwölf bewaffneten Personen, wobei der BF anfänglich die Bewaffnung unerwähnt ließ), ließ die Beschreibung durch den BF jede Plastizität vermissen und erweckte in keiner Weise den Eindruck von selbst Erlebtem.
Befragt nach seinen Gedanken nach dieser ersten Aufforderung, bot der BF eine Analyse der Situation, die im Wesentlichen aus einer Zusammenfassung seines Vorbringens bestand. Erst auf Nachfrage konnte er dazu bewegt werden, ansatzweise Einblick in seine Gefühlswelt zu geben.
Besonders dramatisch bestätigte sich der angeführte Befund in Bezug auf die Zeit des Sich-Versteckt-Haltens. Obwohl sich der BF nach eigenen Angaben für 20 bis 25 Tage versteckt hielt, war der BF trotz mehrfacher Aufforderung nicht annähernd dazu in der Lage, seinen Tagesablauf zu beschreiben.
Ein ähnliches Bild ergab sich, als der BF aufgefordert wurde, die Situation im Rahmen der zweiten Befragung zu schildern, als ihm eine Ohrfeige versetzt worden sein soll. Hier erschöpfte sich der BF in floskelhaften Wiederholungen.
Diese 'Sprachlosigkeit' ließ sich auch weder mit einem niedrigen Bildungsniveau des BF (nach seinen Angaben hat der BF nur vier Jahre die Schule besucht, in Österreich konnte er allerdings in kurzer Zeit den Pflichtschulabschluss nachholen; im Übrigen erweckte der BF einen eher überdurchschnittlich gebildeten Eindruck) noch mit mangelndem Selbstbewusstsein erklären, wie sich etwa an den wiederholten Aufforderungen an die Dolmetscherin zeigt. […]
Im Ergebnis verstärkte sich dadurch der Eindruck, dass der BF wohl aus einer Region stammen mag, in der es vermehrte Aktivitäten der Taliban gibt. Soweit stimmen die Angaben des BF mit den Länderberichten, die aus Quellen stammen, an deren Seriosität kein Grund zu zweifeln besteht und deren Inhalt seitens des BF auch nicht bestritten wurde, überein. Dass es im Hinblick auf den BF aber tatsächlich zu dem von diesem beschriebenen Bedrohungsszenario gekommen ist, konnte vom BF jedoch in keiner Weise überzeugend dargelegt werden.
Auch wenn im Hinblick auf das Fluchtvorbringen die Darstellung im Wesentlichen widerspruchsfrei erfolgte, ist es dem BVwG aus den angeführten Gründen verwehrt, den Darstellungen des BF zum Fluchtvorbringen zu folgen."
2. Gegen die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie das Bundesverwaltungsgericht haben die Bezug habenden Akten vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg. cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen, da seine Ausführungen zur Unglaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer geschilderten fluchtauslösenden Ereignisse in wesentlichen Punkten nicht nachvollziehbar sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hält in seiner Entscheidung fest, dass der Beschwerdeführer das Fluchtvorbringen widerspruchsfrei geschildert habe und dass es in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Kapisa) "vermehrte Aktivitäten der Taliban" geben möge. Dennoch glaubt es dem Beschwerdeführer nicht, dass er in seiner Heimat einer Bedrohung ausgesetzt gewesen sei und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, dass er die fluchtauslösenden Ereignisse emotionslos und von sich aus nicht detailliert geschildert habe.
Die Niederschrift der öffentlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die auszugsweise in der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben ist, zeigt jedoch ein anderes Bild: Der Beschwerdeführer berichtet sowohl die erste als auch die zweite Bedrohung durch die Taliban – ohne Nachfrage – genau und – wie auch das Bundesverwaltungsgericht festhält – widerspruchsfrei. Er gibt die Umstände in Einzelheiten an, unter denen ihn die Taliban aufgefordert hätten, für sie zu kämpfen. Auch die Antworten des Beschwerdeführers auf Nachfragen des Richters lassen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes keine – wie das Bundesverwaltungsgericht meint – "floskelhaften Wiederholungen" erkennen. Vielmehr beantwortet der Beschwerdeführer die Fragen nachvollziehbar und konsistent. Hinzu kommt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers von den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten gedeckt ist.
Das Bundesverwaltungsgericht ist daher in wesentlichen Punkten leichtfertig vom Akteninhalt abgegangen, weswegen es Willkür geübt hat (vgl. VfGH 18.9.2014, E308/2014 ua.).
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist durch die Bestätigung der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in der angefochtenen Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.
Rückverweise
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