I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Be scheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Vorarlberg. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsan waltskammer (im Folgenden: RAK Vorarlberg) vom 31. August 2011 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe
"[…] in seiner Eigenschaft als Rechtsvertreter des M. B. mit Begleitschreiben vom 5.11.2010 eine Aufsandungsurkunde an O. G. übermittelt und diesen ersucht [habe], die Aufsandungsurkunde, mit welcher ein Dienstbarkeitsrecht über Gst 708/1 GB 91105 Silbertal im Eigentum des O. G. als dienendes Gut zu Gunsten Gst 156/11 GB 91105 Silbertal im Eigentum des M. B. als herrschendes Gut einverleibt werden sollte, beglaubigt zu unterfertigen und an die Kanzlei Dr. B. zurückzusenden, all dies, obwohl zum damaligen Zeitpunkt bereits zwischen O. G. einerseits und M. B. andererseits der Rechtsstreit 1 C425/10y beim BG Montafon anhängig war, dessen Gegenstand strittige Dienstbarkeitsrechte des M. B. am Gst 708/1 des O. G. sind und in welchem M. B. – wie dem Disziplinarbeschuldigten bekannt war – durch die Rechtsanwälte T. F. D. K. GmbH anwaltlich vertreten war. Er hat dadurch gegen das Verbot der Umgehung des Gegenanwalts gemäß §18 RLBA verstoßen und das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen."
2. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu einer Geldbuße in Höhe von € 1.500,– und zur Tragung der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt, wobei eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe als erschwerend angesehen wurde.
3. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit als Bescheid zu wertendem Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission (im Folgenden: OBDK) vom 14. Mai 2012 keine Folge gegeben. Die belangte Behörde führte begründend aus:
"Das Umgehungsverbot des §18 RL-BA dient einerseits dem Schutz der rechtsunkundigen Partei und andererseits jenem von Ehre und Ansehen des Standes. Es umfasst daher zwei Schuldkomponenten; für die disziplinäre Verantwortung genügt bereits die Verletzung einer der beiden Schutzvorschriften (2 Bkd 8/99 u.a.). Die Ansicht des Disziplinarbeschuldigten, dass einerseits die Einverleibung einer Dienstbarkeit und andererseits die Auseinandersetzung über den Inhalt und den Umfang derselben Dienstbarkeit, die zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über das entsprechende Unterlassungsbegehren führt, gesonderte Problemstellungen seien, ist nicht nachvollziehbar. […] Ohne jede Frage besteht ein enger Konnex zwischen der Einverleibung einer Dienstbarkeit und der Frage, in welchem Umfang diese Dienstbarkeit einem herrschenden Grundstück zukommt. […] Dass aber der Umfang des Geh- und Fahrrechts gerade strittig war und O. G. in dieser Frage anwaltlich vertreten war, ist offenkundig und auch dem Disziplinarbeschuldigten bewusst gewesen. […] Das Umgehen des Gegenanwalts mittels brieflicher Aufforderung an dessen Mandanten, in die grundbücherliche Einverleibung eines Dienstbarkeitsrechts durch notariell beglaubigte Unterfertigung einzuwilligen, ist disziplinär. […] Ein Verstoß gegen §18 RL-BA ist ein gravierendes Delikt."
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verfassungswidrigkeit des §5 Abs2 des Disziplinarstatutes für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter behauptet und die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstat tete eine Gegenschrift, in der sie dem Beschwerdevorbringen ent gegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Rechtslage
1. §37 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO), RGBl. 96/1868 idF BGBl I 141/2009, lautet auszugsweise:
"§37. (1) Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag kann Richtlinien erlassen
1. zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs;
1a. – 7. […]
(2) Die vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag erlassenen Richtlinien sind im Internet auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (http://www.rechtsanwaelte.at) dauerhaft bereitzustellen."
2. §18 der Richtlinie für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und des Rechtsanwaltsanwärters (im Folgenden: RL-BA) lautet:
"Der Rechtsanwalt darf den Rechtsanwalt einer anderen Partei nicht umgehen und es auch nicht ablehnen, mit diesem zu verhandeln; er darf ihn weder unnötig in den Streit ziehen noch persönlich angreifen."
3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Disziplinarstatutes für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl 474/1990 idF BGBl 111/2007 bzw. 141/2009 (im Folgenden: DSt), lauten auszugsweise:
"§5. (1) Am Sitz jeder Rechtsanwaltskammer ist ein Disziplinarrat zu errichten.
(2) Der Disziplinarrat besteht einschließlich des Präsidenten aus acht Mitgliedern aus dem Kreis der Rechtsanwälte, wenn in die Liste der Rechtsanwälte am 31. Dezember des der Wahl des Disziplinarrats vorangegangenen Kalenderjahrs nicht mehr als 50 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus elf Mitgliedern, wenn 51 bis 100 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 14 Mitgliedern, wenn 101 bis 200 Rechtsanwälte eingetragen sind, aus 21 Mitgliedern, wenn 201 bis 800 Rechtsanwälte eingetragen sind, und aus 35 Mitgliedern, wenn mehr als 800 Rechtsanwälte eingetragen sind. Zusätzlich gehören dem Disziplinarrat zwei Mitglieder aus dem Kreis der Rechtsanwaltsanwärter an.
(3) […].
[…]
§26. (1) – (2) […]
(3) Der Beschuldigte und der Kammeranwalt sind darüber hinaus berechtigt, einzelne Mitglieder des Disziplinarrats unter Angabe bestimmter Gründe wegen Befangenheit abzulehnen.
(4) Die Mitglieder des Disziplinarrats haben sie betreffende Ausschließungs- oder Befangenheitsgründe dem Präsidenten des Disziplinarrats unverzüglich bekanntzugeben.
(5) Über das Vorliegen von Ausschließungs- oder Befangenheitsgründen entscheidet der Präsident des Disziplinarrats. Ist hievon der Präsident des Disziplinarrats selbst betroffen, so entscheidet der Präsident der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission. […]
[…]
§59. (1) Die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission besteht einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten aus mindestens 8 und höchstens 16 Richtern des Obersten Gerichtshofs und aus 32 Rechtsanwälten (Anwaltsrichtern). Sie hat ihren Sitz in Wien.
(2) – (5) […]."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1. Zur Beschwerdebehauptung, die Dis ziplinargerichtsbarkeit der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwär ter, insbesondere §5 Abs2 DSt, genüge nicht den in Art6 Abs1 EMRK geforderten Garantien, wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen (vgl. VfSlg 11.512/1987, 11.776/1988, 11.879/1988; zur Unbedenklichkeit der §§5 und 59 DSt vgl. auch VfSlg 13.580/1993 mwN). Daran ändert auch das vom Beschwerdeführer angeführte, vom Sachverhalt her nicht vergleichbare, Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 3.2.2005, Fall Thaler , Appl. 58.141/00, ÖJZ2005, 723 (Zusammensetzung der Landesberufungskommission der Tiroler Gebiets-krankenkasse), nichts.
Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht erkennen, dass die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Disziplinarbehörden unsachlich sind.
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid daher in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm nicht verletzt worden.
2.1. In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.
Begründend wird zunächst ausgeführt, dass sowohl das Verfahren vor der RAK Vorarlberg als auch das Verfahren vor der belangten Behörde nicht den Tribunalerfordernissen des Art6 EMRK entsprochen habe, weil die nötige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefehlt habe. Dazu wird auf Pkt. 1.2. verwiesen, wonach die Dis ziplinargerichtsbarkeit den in Art6 Abs1 EMRK geforderten Garantien genügt.
2.2. Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer vor, die Objektivität im erstinstanzlichen Verfahren sei beeinträchtigt gewesen, weil der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in einer anderen Sache eine Schadenersatzklage gegen die RAK Vorarlberg beim Landesgericht Feldkirch eingebracht habe. Im Übrigen habe die belangte Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob der Disziplinarrat in einer dem Gesetz entsprechenden Weise besetzt gewesen sei.
2.3. Weiters behauptet die Beschwerde die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Begründend wird ausgeführt, der Disziplinarrat der RAK Vorarlberg sei in seiner Gesamtheit befangen und daher unzuständig gewesen; sowohl die Mitglieder des Disziplinarrates als auch ihr Präsident hätten die sie betreffenden Ausschließungs- und Befangenheitsgründe – va. in Zusammenhang mit der Prozessführung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gegen die RAK Vorarlberg in einer anderen Sache – unverzüglich gemäß §26 Abs4 und 5 DSt anzeigen müssen.
Der Verfassungsgerichtshof vermag auf Grund der unsubstantiierten Behauptung des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, weshalb die Prozessführung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers gegen die RAK Vorarlberg in einer anderen Sache berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Disziplinarrates erwecken sollte, noch dazu, wo der Beschwerdeführer ja von der Möglichkeit der Ablehnung von Mitgliedern des Disziplinarrates wegen Befangenheit keinen Gebrauch und dies auch im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht hatte. Es kann der belangten Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall keine Befangenheit der RAK Vorarlberg vorlag.
3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich ge währleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwer deführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie im vorliegen den Fall – gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
4. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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