Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der
Rechtsanwaltskammer Wien vom 13. September 2006 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe
"1.) mit Schreiben vom 14.7.2003 gegenüber seiner Klientin Dr. P eine Honorarvereinbarung bestätigt, wonach er Anspruch auf 50% des seiner Klientin zukommenden Verlassenschaftsvermögens habe, obwohl er mit ihr keine derartige Honorarvereinbarung getroffen hatte;
2.) ohne Wissen und Zustimmung aber zum Nachteil seiner ehemaligen Klientin, Dr. P, (i.) am 19.12.2003 den Antrag gestellt, neuerlich zum Verlassenschaftskurator bestellt zu werden, um Erhebungen zur Feststellung weiterer Erben nach K anzustellen und (ii.) mit Schreiben vom 2.12.2003 gegenüber S die Rechtswirksamkeit des von ihm abgegebenen Erbverzichts in Frage gestellt.
Er hat hierdurch zu 1.) und zu 2.) die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen ..."
Über den Beschwerdeführer wurde gemäß §16 Abs1 Z2 Disziplinarstatut 1990 (im Folgenden: DSt) eine Geldbuße in Höhe von € 5.000,- verhängt.
2. Seiner dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 12. November 2007 keine Folge gegeben. Begründend wird unter anderem ausgeführt:
"Die Ausführungen in der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld sind nicht geeignet, die schlüssige Beweiswürdigung im angefochtenen Erkenntnis zu erschüttern.
Zu Punkt 1 hat der Disziplinarbeschuldigte bereits bei seiner Vernehmung in der [...] mündlichen Disziplinarverhandlung vom 14.3.2006 angegeben, dass er die Unterschrift auf dem Schreiben vom 14.7.2003 für echt halte, und dies in der Disziplinarverhandlung vom 3.5.2006 nochmals bestätigt. Seine Vermutungen, dass der Inhalt des Schreibens manipuliert worden sei, bezeichnet er selbst als reine Spekulation. Weiters legt er dar, dass dann, wenn ihm der Brief nochmals mit anderen Briefen vorgelegt wurde, er sicherlich nur mehr auf die Korrekturen geachtet hat.
Ausgehend vom unbedenklich festgestellten Sachverhalt wurde im angefochtenen Erkenntnis das Schreiben vom 14.7.2003 schon aus diesem Gesichtspunkt zutreffenderweise als Verhalten in der Richtung gewertet, Dr. P eine nicht getroffene Vereinbarung zu unterschieben, welche inhaltlich nach §16 Abs1 RAO bzw §879 Abs2 Z2 ABGB verpönt ist.
Wenn sich der Disziplinarbeschuldigte seiner Verantwortung vom 3.5.2006 zufolge bei einer Wiedervorlage von Schriftstücken nach Korrekturen nur auf die Überprüfung der Korrekturen beschränkt, ist ihm jedenfalls mangelnde Sorgfalt vorzuwerfen.
Zum Schuldspruch Punkt 2 (i) hat der Disziplinarbeschuldigte die Berufung nicht ausgeführt. Das angefochtene Erkenntnis hat den Sachverhalt allerdings richtig beurteilt, weil die in §§9 RAO, 10 RL-BA normierte Treuepflicht zum Mandanten nicht mit der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses endet.
Zum Faktum 2 (ii) ist dem Disziplinarbeschuldigten beizupflichten, dass er seine Bedenken dem Verlassenschaftsgericht mitzuteilen hatte. Damit ist aber nicht zwangsläufig der Antrag verbunden, sich erneut zum Verlassenschaftskurator bestellen zu lassen. Eine weitere Erbensuche ohne Auftrag der Dr. P und ohne ihr Wissen war ihm als Person wegen der Nachwirkung der Treuepflicht verwehrt.
[Die] Vernehmung der vom Disziplinarbeschuldigten beantragten Zeugin Dr. K ist entbehrlich, weil diese Zeugin - wie der Disziplinarbeschuldigte selbst zugesteht - zu Rechtsfragen Stellung nehmen sollte. Dass die Zeugin eigene Wahrnehmungen zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gemacht hat, hat der Disziplinarbeschuldigte weder in seinem aus diesen Gründen abgelehnten Beweisantrag vom 7.4.2006 noch in der Berufung dargetan.
In seiner Strafberufung übersieht der Disziplinarbeschuldigte, dass der Diziplinarrat nicht an den Antrag des Kammeranwalts gebunden ist. Der Disziplinarrat hat die vorliegenden Erschwerungs- und Milderungsumstände zutreffend gewürdigt. Das doch gravierende Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten - das für die Anwendung des §3 DSt keinen Raum lässt - zu Faktum 1 wurde auch P und der späteren Rechtsvertreterin der Dr. P, Dr. X sowie deren Mitarbeitern, zu Faktum 2 auch zusätzlich dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz bekannt."
3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte gemäß Art6 und 7 EMRK sowie im Recht auf das "rechtliche Gehör" geltend gemacht wird und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen in der Beschwerde entgegentritt und deren Abweisung beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf "rechtliches Gehör" und ein "faires Verfahren" gemäß Art6 EMRK. Begründend führt er u.a. aus, dass er für die anberaumte Verhandlung am 12. November 2007 keine Ladung zu eigenen Handen im Sinne des §44 Abs1 DSt zugestellt erhalten habe, weshalb er auch zu dieser Berufungsverhandlung nicht erschienen sei, da er von der Anberaumung keine Kenntnis erlangt habe. Dadurch habe er auch nicht nochmals die Bedenken gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung darlegen können.
2.2. Die Ladung zur Verhandlung wurde - wie sich aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten ergibt - dem Beschwerdeführer RSa, also eigenhändig, unter seiner Kanzleiadresse mit dem Vermerk "zur persönlichen Öffnung" zugestellt und der Inhalt als "3 Bkd 1/07 12.11.2007" angegeben. Auf dem Rückschein ist ersichtlich, dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2007 von einem "Angestellten des berufsmäßigen Parteienvertreters" übernommen wurde.
In Abwesenheit des Beschwerdeführers wurde im Anschluss an die mündliche Verhandlung von der OBDK das beschwerdegegenständliche Disziplinarerkenntnis vom 12. November 2007, welches dem Beschwerdeführer am 10. Juli 2008 zugestellt wurde, gefällt. Gemäß §51 Abs4 iVm §35 DSt und §427 Abs3 StPO steht dem Beschuldigten die Möglichkeit offen, gegen ein in seiner Abwesenheit gefälltes Disziplinarerkenntnis Einspruch an die OBDK zu erheben. Wird diesem stattgegeben, weil nachweislich ein unabweisbares Hindernis das Erscheinen des Beschuldigten zur Verhandlung unmöglich gemacht hat, so ist eine neue Verhandlung anzuordnen.
Der Beschwerdeführer hat von dieser Einspruchsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Er kann der belangten Behörde daher nicht vorwerfen, dass er von ihr bei der Berufungsverhandlung nicht gehört worden wäre oder dass ihm von der belangten Behörde in rechtswidriger Weise die Möglichkeit abgeschnitten worden wäre, bei der Berufungsverhandlung Vorbringen, die zu seiner Entlastung geführt hätten, zu erstatten (so bereits VfSlg. 13.298/1992 sowie VfSlg. 16.209/2001).
Die vom Beschwerdeführer der Behörde vorgeworfenen Fehler im Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zeigen daher - obwohl von Gesetzes wegen eine persönliche Verständigung (zu eigenen Handen) erfolgen hätte müssen - lediglich einen Verfahrensmangel auf, der nicht in die Verfassungssphäre reicht (so bereits VfSlg. 16.209/2001).
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid daher weder in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf "rechtliches Gehör" noch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
3.1. Des Weiteren behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art7 EMRK, weil er genötigt gewesen wäre, sich selbst der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung oder zivilgerichtlichen Verurteilung auszusetzen, wenn er sich wie in Punkt 2.) des erstinstanzlichen Erkenntnisses gefordert, verhalten hätte. Der Beschwerdeführer habe zu dem Zeitpunkt, als er das Schreiben an S am 2. Dezember 2003 richtete, davon ausgehen müssen, dass der Erbverzicht nicht von S verfasst worden war. Der Beschwerdeführer habe eine rechtliche Verpflichtung gehabt, seine Bedenken dem Verlassenschaftsgericht mitzuteilen und es sei nicht ersichtlich, warum der Antrag auf neuerliche Bestellung als Verlassenschaftskurator eine disziplinarrechtliche Verurteilung nach sich ziehen soll. Diesbezüglich bestehe offensichtlich keine gefestigte Standesauffassung, weshalb das durch Art7 EMRK gewährleistete Klarheitsgebot verletzt worden sei.
3.2. Wie der Gerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.776/1988 darlegte, muss sich eine Verurteilung wegen Berufspflichtenverletzung und wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes auf gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen - wozu Richtlinien oder die bisherige (Standes )Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen. Dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.
Wenn die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber seiner Mandantin als "Treuepflichtenverletzung" des Beschwerdeführers bewertet, weil er gegenüber dem Verlassenschaftsgericht die Funktion als Verlassenschaftskurator zur Suche weiterer Erbberechtigter erwirken wollte, ist ihr aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten.
Dasselbe trifft auch für die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung zu, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung als ehemaliger Verlassenschaftskurator schon durch die Mitteilung seiner Bedenken gegenüber dem Verlassenschaftsgericht, ohne einen Antrag auf neuerliche Bestellung zum Verlassenschaftskurator einzubringen, genüge getan hätte; die Verpflichtung des Rechtsanwaltes gegenüber seinen Mandanten endet nämlich nicht mit der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses. Wenn dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, er hätte erkennen müssen, dass eine weitere Erbensuche ohne Auftrag und Wissen seiner ehemaligen Mandantin gegen seine Treuepflicht ihr gegenüber verstößt, ist der belangten Behörde kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen.
Der angefochtene Bescheid steht daher im Lichte der zitierten Rechtsprechung mit dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot im Einklang (vgl. VfSlg. 17.713/2005).
4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden