Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem vorliegenden Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG begehrt
die Einschreiterin, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Florian am Inn vom 11. Oktober 1993 betreffend das Verbot der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution, geändert mit In-Kraft-Treten der Verordnung des Gemeinderates vom 25. Oktober 2001 (im Folgenden: ProstitutionsVO St. Florian am Inn) zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.
Die Antragstellerin arbeitet nach eigenen Angaben als Prostituierte und beabsichtigt, in dem von ihr gemieteten Zimmer im Haus Badhöring 12, 4782 St. Florian am Inn, die Prostitution auszuüben. Auf Grund des in der ProstitutionsVO St. Florian am Inn normierten Verbotes sei die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution an der genannten Adresse jedoch nicht zulässig, weshalb die Antragstellerin die Prostitution derzeit weder anbahnen noch ausüben könne.
2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass die ProstitutionsVO St. Florian am Inn unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre eingreife und ihr das Provozieren eines Verwaltungstrafverfahrens, um auf diese Weise einen der Anfechtung zugänglichen Bescheid zu erwirken, nicht zumutbar sei.
2.2. In der Sache behauptet die Antragstellerin, dass die Voraussetzungen des §2 Abs2 des Gesetzes vom 21. März 1979 über polizeirechtliche Angelegenheiten (Oö. Polizeistrafgesetz - Oö. PolStG.) für die Erlassung des vorliegenden Prostitutionsverbotes nicht vorlagen. Zudem stehe die bekämpfte Verordnung im Widerspruch zu näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten.
3. Der Gemeinderat der Marktgemeinde St. Florian am Inn legte die auf die Verordnung Bezug habenden Akten vor und erstattete eine Stellungnahme, in der er dem Vorbringen der Antragstellerin mit näherer Begründung entgegentritt und die (kostenpflichtige) Abweisung des Antrages begehrt.
4. Die Oberösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde erstattete keine schriftliche Äußerung zum Gegenstand.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1.1. Die ProstitutionsVO St. Florian am Inn lautet in der Stammfassung vom 11. Oktober 1993:
"V E R O R D N U N G
des Gemeinderates der Gemeinde St.Florian am Inn vom 11. Oktober 1993 betreffend das Verbot der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution.
Auf Grund des §2 Abs2 des O.Ö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979, in der Fassung der O.Ö. Polizeistrafgesetznovelle 1985, LGBl. Nr. 94, wird verordnet.
§1
Die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution (Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken) im Hause Badhöring 12 in 4780 St.Florian am Inn ist verboten.
§2
Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird mit Geldstrafe bis zu S 200.000,-- bestraft.
§3
Diese Verordnung tritt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft.
Der Bürgermeister:
[Unterschrift]
(Wegschaider)
An der Amtstafel
angeschlagen am: 13.10.93
abgenommen am: 28.10.93
[Unterschrift]"
1.2. Die Änderung der ProstitutionsVO St. Florian am Inn mit Verordnung des Gemeinderates vom 25. Oktober 2001 lautet:
"Verordnung
des Gemeinderates der Gemeinde St. Florian am Inn vom 25. Oktober 2001, mit der die Verordnung vom 11. Oktober 1993 betreffend das Verbot der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution geändert wird.
Auf Grund des §2 Abs2 der Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979 i.d.g.F. wird verordnet:
§1
Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde St. Florian am Inn vom 11. Oktober 1993 wird wie folgt geändert:
§2 lautet:
'Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird mit einer Geldstrafe bis zu 14.500 Euro bestraft.
§2
Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2002 in Kraft.
Der Bürgermeister:
[Unterschrift]
(Mairinger)
An der Amtstafel der Gemeinde St. Florian am Inn
angeschlagen am 31.10.2001
abgenommen am 16.11.2001
[Unterschrift]"
2. Die hier relevanten Bestimmungen des Oö. PolStG., LGBl. 36/1979 idF LGBl. 77/2007, lauten:
"II. ABSCHNITT
§2
Prostitution
(1) Wer beabsichtigt, für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (Prostitution) ein Gebäude, eine Wohnung oder einzelne Räumlichkeiten zu nutzen oder für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat dies, soweit es nicht nach Abs3 litc verboten ist, der Gemeinde mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution anzuzeigen. Die Gemeinde hat die Verwendung zu diesem Zweck innerhalb von zwei Monaten ab Einlangen der Anzeige mit Bescheid zu untersagen, wenn auf Grund der örtlichen oder sachlichen Verhältnisse zu befürchten ist, daß dadurch die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden.
(2) Die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ist in der Nähe von Kirchen, Friedhöfen, Krankenanstalten, Schulen, Kindergärten, Kinder- und Jugendspielplätzen, Jugendheimen und dergleichen verboten. Überdies kann die Gemeinde die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch Verordnung untersagen, wenn durch diese Tätigkeit
1. die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt wird oder
2. das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder eine solche Störung zu erwarten ist oder
3. sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes, verletzt werden oder eine solche Verletzung zu erwarten ist.
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht,
...
e) wer einer Untersagung gemäß Abs1 oder 2 sowie einem Verbot gemäß Abs2 zuwiderhandelt.
(4) Die Gemeinde kann auf Antrag des Eigentümers oder Verfügungsberechtigten allgemein zugängliche Gebäude oder Räumlichkeiten in solchen Gebäuden vom Verbot des Abs3 lita oder Gebäude, in denen ein Gastgewerbe in der Betriebsart 'Nachtclub' oder 'Bar' ausgeübt wird, oder Räumlichkeiten in solchen Gebäuden vom Verbot des Abs3 litc durch Bescheid ausnehmen, wenn gewährleistet ist, daß dadurch die Nachbarschaft nicht in unzumutbarer Weise belästigt wird, das örtliche Gemeinwesen nicht gestört wird und sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes nicht verletzt werden. Die Ausnahmebewilligung ist befristet oder unter Bedingungen oder Auflagen zu erteilen, soweit dies zum Schutz dieser Interessen erforderlich ist. Die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn auch nur eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung weggefallen ist. Die Bewilligung darf nicht erteilt werden, wenn es sich um Gebäude oder Räumlichkeiten handelt, die in einem überwiegend mit Wohngebäuden bebauten Gebiet liegen.
...
(6) Vor Erlassung eines Bescheides nach Abs1 oder 4 oder einer Verordnung nach Abs2 ist die örtlich zuständige Strafbehörde zu hören und nach Erlassung solcher Rechtsakte hievon zu verständigen."
"VI. ABSCHNITT
§10
Strafbestimmungen
(1) Verwaltungsübertretungen gemäß §§1, 2 Abs3, 2a Abs5 und 3 sind von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach
...
c) §2 Abs3 mit Geldstrafe bis 14.500 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Antragstellerin bringt zur Antragslegitimation vor, durch die angefochtene Verordnung werde ihr verboten, an der Adresse Badhöring 12, 4782 St. Florian am Inn die Prostitution anzubahnen oder auszuüben.
Der Antragstellerin wird durch die ProstitutionsVO St. Florian am Inn tatsächlich untersagt, in der von ihr gemieteten Wohnung die Prostitution anzubahnen oder auszuüben. Dieser Eingriff in ihre Rechtssphäre bedarf keines weiteren konkretisierenden Aktes und beeinträchtigt die Rechtsposition der Antragstellerin aktuell (vgl. zB VfSlg. 11.460/1987, 12.498/1990 mwN). Es wäre der Einschreiterin auch nach Lage des Falles nicht zumutbar, durch Verstoß gegen das in der ProstitutionsVO St. Florian am Inn normierte Verbot ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren, um auf diese Weise einen der Anfechtung zugänglichen Bescheid zu erwirken.
Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. Die Antragstellerin bringt vor, dass das in der ProstitutionsVO St. Florian am Inn normierte Verbot der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution an der bezeichneten Adresse nicht den in §2 Abs2 Oö. PolStG. geforderten Voraussetzungen entspreche. In der Nähe des Hauses Badhöring 12, 4782 St. Florian am Inn, befände sich keine der in §2 Abs2 erster Satz leg.cit. genannten Einrichtungen; vielmehr liege das genannte Haus in einem Industriegebiet und es sei bereits vor Erlassung des in Rede stehenden Prostitutionsverbotes die Prostitution an dieser Adresse ausgeübt worden.
Überdies verstoße das Prostitutionsverbot gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG und Art2 StGG), die Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) und das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG).
3. Diese Bedenken treffen nicht zu:
3.1. Der Gemeinderat der Marktgemeinde St. Florian am Inn führt in seiner im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung u. a. Folgendes aus:
"Der Gemeinderat der Marktgemeinde St. Florian am Inn hat am 11. Oktober 1993 eine Verordnung betreffend das Verbot der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution im Hause Badhöring 12 in St. Florian am Inn beschlossen.
Begründet wurde dieses Verbot damit, dass es zu unzumutbaren Belästigungen und Störungen der Nachbarschaft (Lärmbelästigungen, Verschmutzungen, Gefährdung durch eine explodierende Handgranate) gekommen ist und dies durch das angeführte Verbot verhindert werden sollte.
Dass das Haus Badhöring 12, wie im gegenständlichen Antrag auf Aufhebung der Verordnung angeführt, in einem Industriegebiet liege, entspricht nicht den Tatsachen, vielmehr grenzt das Haus Badhöring 12 an Einfamilienhäuser und Reihenhäuser in einem Siedlungsgebiet (Widmung lt. rechtskräftigem Flächenwidmungsplan: Wohngebiet).
Die Voraussetzungen sind für die Verordnung des Prostitutionsverbotes nach wie vor gegeben, sodass der Gemeinderat Anträge des Hauseigentümers bzw. des Betreibers des Lokals, der Painsi KEG, in Badhöring auf Aufhebung der Verordnung in den Sitzungen am 3. November 2005 sowie am 14. September 2006 abgewiesen hat.
Die Verordnungsprüfung des Landes Oberösterreich vom 6. Dezember 1993 hat keine Rechtswidrigkeit ergeben und wurde die gesamte Verordnung zur Kenntnis genommen."
Die Ausführungen des Gemeinderates treffen zu. Die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten belegen, dass das vom Verbot erfasste Haus - entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin - zumindest an ein Wohngebiet grenzt und es vor Erlassung der angefochtenen Verordnung zu den angeführten Belästigungen kam; die Nachbarn des Hauses in St. Florian am Inn, Badhöring 12, haben sich zudem auch aktiv für das Verbot der Ausübung der Prostitution an dem genannten Ort ausgesprochen.
Auf Grund des oben geschilderten Sachverhaltes konnte die Behörde zu Recht davon ausgehen, dass durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution in St. Florian am Inn, Badhöring 12, verbunden sind, zumindest die Nachbarschaft unzumutbar belästigt wird und die öffentlichen Interessen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit verletzt werden, dies unabhängig davon, wer dort der Prostitution nachgeht. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Verordnung zu §2 Abs2 Oö. PolStG. lagen daher vor (vgl. VfSlg. 11.460/1987 mwN).
3.2. Auch die im Übrigen vorgetragenen Bedenken der Antragstellerin treffen nicht zu:
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach festgehalten hat, liegt die Hintanhaltung von Belästigungen, die mit der Anbahnung oder der Ausübung von Prostitution verbunden sind, im öffentlichen Interesse. Es ist daher an sich sachlich, eine Regelung zu treffen, um derartige Belästigungen zumindest an bestimmten Orten zu vermeiden (vgl. VfSlg. 13.363/1993 mwN). Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Norm, die die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution an einem bestimmten Ort verbietet, zur Zielerreichung untauglich oder inadäquat (überschießend) wäre, wenn dort die Prostitution eine besondere Belästigung darstellt.
Da - wie oben ausgeführt - die Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, dass die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution in St. Florian am Inn, Badhöring 12, eine unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft darstellt und die öffentlichen Interessen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit verletzt, liegt diese Voraussetzung vor. Das vorliegende Prostitutionsverbot ist also sachlich begründbar und verstößt mithin nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Ob die Prostitution an einem anderen Ort erlaubterweise ausgeübt wird, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
Da die Regelung im öffentlichen Interesse liegt und zur Zielerreichung geeignet und adäquat ist, kann sie auch nicht das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzen.
Ebenso wenig könnte sie das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzen (vgl. VfSlg. 13.363/1993); es braucht damit nicht untersucht werden, ob die Prostitution überhaupt ein von Art6 StGG geschützter Erwerbszweig ist (vgl. zB VfSlg. 10.187/1984).
3.3. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu. Der Antrag war daher abzuweisen.
IV. 1. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
2. Der von der Marktgemeinde St. Florian am Inn begehrte Kostenersatz war nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art139 B-VG nur für den obsiegenden Individualantragsteller vorgesehen ist (§61a VfGG; vgl. zB VfSlg. 16.017/2000, 16.397/2001).
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