Die Wahlanfechtungen werden zurückgewiesen.
Begründung:
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1.1. Vom 27. Februar bis 2. März 2010 fanden im Rahmen der Urwahlen die direkten Wahlen der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter der Wirtschaftskammer Österreich gemäß §73 Abs1 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I 103 idF BGBl. I 2/2008 (im Folgenden: WKG) statt. Die Wählergruppe Grüne Wirtschaft kandidierte in insgesamt 385 Fachgruppen und Fachvertretungen in allen neun Bundesländern und erreichte 336 Mandate. Gemäß §112 WKG wurden ihr drei Mandate als weitere Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer zugewiesen.
1.2. In dem zu WI-2/11 geführten Verfahren erhob die Wählergruppe Grüne Wirtschaft, vertreten durch ihre Zustellungsbevollmächtigte, mit Schriftsatz vom 19. Mai 2010 Einspruch gegen die Bestellung der weiteren Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer und beantragte, diese für ungültig zu erklären. Dieser Einspruch wurde von der Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Österreich mit Bescheid vom 25. Juni 2010 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid brachte die Wählergruppe Grüne Wirtschaft, vertreten durch ihre Zustellungsbevollmächtigte, das Rechtsmittel der Beschwerde/Berufung ein, die mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 29. März 2011 gemäß §112 WKG abgewiesen wurde.
1.3. Am 24. Juni 2010 fand die konstituierende
Sitzung des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer statt, zu deren Beginn gemäß §113 WKG der Präsident und die Vizepräsidenten gewählt wurden. Das Ergebnis dieser Wahl wurde von der Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Österreich am 1. Juli 2010 durch Anschlag bei der Geschäftsstelle verlautbart.
1.4. In dem zu WI-3/11 geführten Verfahren erhob die Wählergruppe Grüne Wirtschaft, vertreten durch ihre Zustellungsbevollmächtigte, Einspruch gegen das Ergebnis der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten gemäß §113 Abs3 iVm §99 Abs7 iVm §98 WKG. Mit Bescheid der Hauptwahlkommission bei der Wirtschaftskammer Österreich vom 4. Oktober 2010 wurde dieser Einspruch abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Wählergruppe Grüne Wirtschaft, vertreten durch ihre Zustellungsbevollmächtigte, Beschwerde, die mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 8. Juni 2011 gemäß §113 WKG abgewiesen wurde.
2. Mit ihren beiden inhaltlich übereinstimmenden Wahlanfechtungen ficht die Wählergruppe Grüne Wirtschaft als hg. Anfechtungswerberin durch ihre Zustellungsbevollmächtigte "die Wahl zum Wirtschaftsparlament der Bundeswirtschaftskammer gemäß Art141 B-VG" an und beantragt in beiden Wahlanfechtungen:
"der VfGH möge
a) die Abstimmungsverfahren der Wahlen der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter (§92 WKG) in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark für nichtig erklären und die Wahl der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark ab der Verlautbarung der Wahlvorschläge (§89 WKG) für nichtig erklären und aufheben;
sowie die Mandatsermittlung nach §97 WKG, die Besetzung der Spartenvertretungen der Bundeskammer (§109 WKG) sowie die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (§112 WKG) für nichtig erklären und aufheben,
in eventu, nämlich für den Fall der Abweisung dieses Antrages
b) die Abstimmungsverfahren der Wahlen der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter (§92 WKG) in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark für nichtig erklären und die Wahl der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark ab der Verlautbarung der Wahlvorschläge (§89 WKG) für nichtig erklären und aufheben;
sowie die Besetzung der Spartenvertretungen der Bundeskammer (§109 WKG) sowie die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (§112 WKG) für nichtig erklären und aufheben,
in eventu
c) die Abstimmungsverfahren der Wahlen der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter (§92 WKG) in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark für nichtig erklären und die Wahl der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark ab der Verlautbarung der Wahlvorschläge (§89 WKG) für nichtig erklären und aufheben;
sowie die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (§112 WKG) für nichtig erklären und aufheben,
in eventu
d) die Mandatsermittlung nach §97 WKG, die Besetzung der Spartenvertretungen der Bundeskammer (§109 WKG) sowie die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (§112 WKG) für nichtig erklären und aufheben,
in eventu
e) die Besetzung der Spartenvertretungen der Bundeskammer (§109 WKG) sowie die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (§112 WKG) für nichtig erklären und aufheben,
in eventu
[f]) die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer (§112 WKG) für nichtig erklären und aufheben."
Zur Zulässigkeit dieser Wahlanfechtungen bringt sie - zu der zu WI-2/11 protokollierten Wahlanfechtung, der der abweisende Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Bestellung der weiteren Mitglieder des Wirtschaftsparlaments gemäß §112 WKG zugrunde liegt - im Wesentlichen Folgendes vor:
"[...] Eine Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG setzt voraus, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Wahl um die eines satzungsgebenden Organs einer gesetzlichen beruflichen Vertretung[...] handelt. Satzungsgebende Organe sind solche kollegialen Organe, die auf der breitesten demokratischen Legitimation beruhen und die die generellen, autonomen Normen, die für die Funktion und Gebarung der betreffenden Selbstverwaltungseinrichtung entscheidend sind, zu erlassen haben (VfSlg 8975, 11.157). Wie Korinek dargelegt hat, ist hinsichtlich der einzelnen Gliederungen der Wirtschaftskammer zu differenzieren und kommt keinesfalls allen Organen die Qualifikation satzungsgebender Organe iSd Art141 Abs1 lita B-VG zu (Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung, 58). Für den Bereich der Landeskammern sind lediglich die Kammervollversammlung (nach der nunmehr geltenden Rechtslage: Wirtschaftsparlament), für den Bereich der Wirtschaftskammer Österreich der Kammertag (nunmehr: Wirtschaftsparlament) und für den Bereich der Fachgruppen die Fachgruppentagung als satzungsgebende Organe anzusehen. Da die verfahrensgegenständliche Wahlanfechtung die Zuteilung von Mandaten zum Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Österreich betrifft, liegt ein satzungsgebendes Organ einer gesetzlichen beruflichen Vertretung[...] iSd Art141 Abs1 lita B-VG vor (siehe auch Strejcek, Art141 B-VG in: Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Rz 50).
[...]
Gem §37 WKG besteht das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer aus den
Dass das Wirtschaftsparlament nach dieser Rechtsvorschrift aus vier verschiedenen Typen von Mitgliedern besteht, hat zum einen zur Folge, dass es kein singuläres Ergebnis der Wahl zum Wirtschaftsparlament der Bundeskammer gibt. Die Zusammensetzung des Wirtschaftsparlaments ergibt sich vielmehr aus den Ergebnissen der auf Landesebene durchgeführten Urwahlen der Fachgruppenausschüsse sowie der Fachvertreter, der Wahlen der Präsidenten der Landeskammern, der Besetzung der Mitglieder der Spartenvertretungen, der Bestellung weiterer Mitglieder gem §112 WKG sowie der Wahl des Präsidiums der Bundeskammer. Zum anderen hat die Zusammensetzung des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer gem §37 WKG zur Folge, dass keine Verlautbarung des Endergebnisses der Wahl der Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer erfolgt. Die zuvor erwähnten Teilakte der Wahl werden vielmehr jeweils gesondert kundgemacht.
Diese gesplittete Kundmachung des Wahlergebnisses hat zur Konsequenz, dass Wählergruppen berechtigt sind, auch einzelne Teilakte der Gesamtwahl zum Wirtschaftsparlament[...] der Bundeswirtschaftskammer nach erfolgter Kundmachung der diesbezüglichen Ergebnisse anzufechten (so auch VfSlg 17.772/2006; VfSlg 16.164/2001).
Da die Anfechtungswerberin Mandate (bis auf eines auf Ebene der Spartenvertretung) ausschließlich auf Ebene der Bestellung weiter[er] Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer nach §112 WKG zugewiesen erhielt, stellt das diesbezügliche Verfahren den für diese Wählergruppe maßgeblichen Teilakt dar.
[...] §112 WKG sieht vor, dass Wählergruppen, die im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer nicht im Verhältnis der bei den Urwahlen im Bereich aller Landeskammern im gesamten erreichten Mandate vertreten sind, so viele weitere Mitglieder in das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer entsenden können, wie dies diesem Verhältnis entspricht. Die Mandatszahl für die Ermittlung der weiteren Vertreter im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer ergibt sich aus der Summe der gemäß §109 WKG besetzten Mitglieder aller Spartenvertretungen sowie der Landeskammerpräsidenten.
[...]
Im Bescheid des BMWFJ vom 29.3.2011 wird
argumentiert, dass die Grundlage für die Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlaments gem §112 Abs2 WKG die Summe der gem §109 WKG besetzten Mitglieder aller Spartenvertretungen sei. Die Besetzung der Spartenvertretungen sei jedoch nicht beeinsprucht worden, daher könne im vorliegenden Verfahren von dieser Zahl ausgegangen werden. Dazu wird von der Anfechtungswerberin vorgebracht, dass nach §109 Abs5 WKG die Wahl der Mitglieder der Spartenvertretungen zwar beeinsprucht werden kann. §98 WKG (auf den §109 Abs5 WKG verweist) sieht aber vor, dass lediglich die Ermittlung des Wahlergebnisses bekämpft werden kann. Die Gleichheitswidrigkeit der Sparten- und Fachorganisations-Wahlkatalog[e] hätte in einem derartigen Einspruch nicht geltend gemacht werden können. Eine Anfechtung der Wahl der Mitglieder der Spartenvertretungen beim VfGH nach Art141 B-VG war nicht möglich, weil die Spartenvertretungen keine satzungsgebenden Organe einer gesetzlichen beruflichen Vertretung iSd Art141 Abs1 lita B-VG sind."
Zu der zu WI-3/11 protokollierten Wahlanfechtung, der der abweisende Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten zugrunde liegt, bringt sie noch ergänzend vor:
"[Die] gesplittete Kundmachung des Wahlergebnisses hat zur Konsequenz, dass die Organkreation des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer erst mit dem letzten Teilakt abgeschlossen ist; dies ist die Wahl des Präsidiums nach §113 WKG.
Um die Wahl zum Wirtschaftsparlament der Bundeswirtschaftskammer als solches und das Gesamtergebnis dieser Wahl zu bekämpfen, geht die Anfechtungswerberin daher davon aus, dass die in zeitlicher Hinsicht letzte Teilwahl anzufechten ist. Daher wurde die Wahl des Präsidiums der Bundeskammer beeinsprucht."
3. Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der er beantragt, "die Beschwerde als unbegründet abzuweisen" [gemeint wohl: der Wahlanfechtung nicht stattzugeben] und hinsichtlich der zu WI-3/11 protokollierten Wahlanfechtung zur Zulässigkeit im Wesentlichen Folgendes begründend ausführt:
"Wie in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof [...] zutreffend ausgeführt wird, besteht das Wirtschaftsparlament der WKÖ gemäß §37 WKG aus vier verschiedenen Typen von Mitgliedern (Landeskammerpräsidenten, Spartenvertreter, weitere Mitglieder gemäß §112 WKG sowie die Mitglieder des Präsidiums in Gestalt des Präsidenten und der Vizepräsidenten), die je gesondert ermittelt und deren Namen je gesondert verlautbart werden.
Die [beschwerdeführende] Wählergruppe geht davon aus, dass sie mit der Anfechtung der eigenständigen Verlautbarung der Namen der in die vierte (und zeitlich als letzte zu ermittelnden) Kategorie der Mitglieder des Wirtschaftsparlaments fallenden Personen (des Präsidenten und der Vizepräsidenten) das Gesamtergebnis der Wahl zum Wirtschaftsparlament der Bundeskammer bekämpfen und sich dabei inhaltlich auch auf Vorgänge im Rahmen der Urwahlen (der Wahlen der Fachvertreter und der Mitglieder der Fachverbandsausschüsse im Bereich der Landeskammern - §73 WKG) stützen kann. Mit dieser Auffassung ist sie im Unrecht.
Wie sich aus einer expliziten Anordnung des WKG
ergibt, sind die Ergebnisse der Wahlen der Fachvertreter und der Mitglieder der Fachgruppenausschüsse auf Landesebene je für sich zu verlautbaren und je für sich zu bekämpfen (§§97 iVm 98 WKG). Erwachsen sie in Rechtskraft, können sie de lege lat[a] durch die Anfechtung eines Wahlvorgangs auf der Ebene der Bundeskammer nicht noch einmal gesondert angefochten werden.
Dass keine Gesamtanfechtung vorgesehen ist, erklärt sich auch daraus, dass die einzelnen Wahlvorgänge in die Zuständigkeitsbereiche unterschiedlicher Hauptwahlkommissionen fallen: Für die Urwahlen und die Wahlen der Landeskammerpräsidenten ist die Zuständigkeit der bei den einzelnen Landeskammern eingerichteten Hauptwahlkommissionen gegeben.
Auch die Verlautbarungen der Namen der in die
einzelnen Mitgliederkategorien fallenden Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer sind gesondert zu bekämpfen: Allfällige Einsprüche gegen die Verlautbarung der Namen der in eine der insgesamt vier Kategorien von Mitgliedern (die in je unterschiedlichen, zeitlich auseinanderliegenden Vorgängen ermittelt werden) [sic] müssen nach den expliziten Anordnungen der §§105 Abs4 iVm 99 Abs7 iVm 98 (Landeskammerpräsidenten), §§109 Abs5 iVm 98 (Spartenvertreter) und [§§] 112 Abs5 iVm 101 Abs13 iVm 98 (weitere Mitglieder) je für sich binnen einer Woche nach der jeweiligen Verlautbarung bei der (zuständigen) Hauptwahlkommission eingebracht werden.
Mit der Anfechtung eines Wahlvorgangs auf der Ebene der Bundeskammer können daher von Gesetzes wegen nur allfällige Mängel derselben releviert werden. Aus diesem Grund können mit der Anfechtung des zeitlich letzten Teilaktes bei der Ermittlung der Mitglieder des Wirtschaftsparlaments der Bundeskammer in Gestalt der Wahl des Präsidiums der WKÖ nur Vorgänge bei dieser Wahl und die dabei angewendeten Rechtsvorschriften gerügt werden. Die Ergebnisse der zeitlich früheren Wahlvorgänge sind, sofern sie nicht gesondert innerhalb der Anfechtungsfrist beansprucht wurden, in Rechtskraft erwachsen.
Aus diesen Gründen kann es im gegenständlichen
Verfahren allein um allfällige Mängel bei der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten der Bundeskammer gehen. Das Vorliegen solcher Mängel wird aber nicht einmal behauptet.
Soweit Bedenken gegen die Vorschriften des WKG
betreffend die indirekte Wahl und gegen die Wahlkataloge vorgetragen werden, richten sich diese gegen Vorschriften, die nicht präjudiziell sind: Die Fachorganisationswahlkataloge waren bei den Urwahlen anzuwenden (und bei der hier nicht maßgeblichen Besetzung der Mitglieder der Fachverbandsausschüsse), die Spartenwahlkataloge bei der - nicht angefochtenen (!) - Besetzung der Spartenvertreter. Sowohl bei der - gesondert bekämpften - Bestellung der weiteren Mitglieder des Wirtschaftsparlaments gemäß §112 WKG als auch bei der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten der Bundeskammer war aber von bereits verlautbarten Ergebnissen auszugehen. Zu einer Anwendung der Wahlkataloge ist es dabei weder gekommen noch hätte es dazu kommen müssen."
II. Rechtslage
Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen
Bestimmungen des Wirtschaftskammergesetzes 1998, BGBl. I 103 idF BGBl. I 2/2008, lauten wie folgt:
"2. Hauptstück
Organisation
[...]
3. Abschnitt
Bundeskammer
[...]
Organe
§33. Die Organe der Bundeskammer sind:
sowie in jeder Sparte
Präsident
§34. Der Präsident ist der gesetzliche Vertreter der Bundeskammer. Ihm obliegen folgende Aufgaben:
Präsidium
§35. (1) Das Präsidium der Bundeskammer besteht aus:
(2) Das Präsidium hat in Angelegenheiten von
besonderer Bedeutung zu entscheiden.
[...]
Wirtschaftsparlament
§37. (1) Das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer besteht aus den
(2) In die Zuständigkeit des Wirtschaftsparlamentes fallen:
1. grundsätzliche Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Bundeskammer,
3. Hauptstück
Wahlen
1. Abschnitt
Allgemeines
Wahlen, Wahlrecht und Wählbarkeit
§73. (1) Die Wahlen der Organe der nach diesem Bundesgesetz gebildeten Organisationen haben auf Grund des allgemeinen, gleichen und geheimen Verhältniswahlrechtes zu erfolgen. Die Wahlen der Fachgruppenausschüsse und der Fachvertreter erfolgen direkt (Urwahlen), die übrigen Wahlen indirekt. Die Urwahlen können auch auf elektronischem Weg (e-voting) durchgeführt werden.
(2) Sofern in diesem Bundesgesetz nicht ausdrücklich eine andere Regelung vorgesehen ist, ist für das Verhältniswahlrecht das d'Hondtsche Verfahren gemäß §97 Abs2 und 3 anzuwenden.
(3) Wahlberechtigt sind alle Mitglieder der Landeskammern, sofern sie die das Wahlrecht begründende Berechtigung zum Stichtag der Wahl nicht ruhend gemeldet haben. Mitglieder, deren Berechtigung zum Stichtag ruhend gemeldet ist, sind auf Antrag in die Wählerliste aufzunehmen. Die Wahlkundmachung hat einen diesbezüglichen Hinweis zu enthalten. Das Wahlrecht juristischer Personen und sonstiger Rechtsträger ist durch mit Firmenvollmacht ausgestattete Vertreter auszuüben.
(4) - (9) [...]
[...]
4. Abschnitt
Fachgruppen und Fachvertretungen
[...]
Einspruch gegen die Ermittlung und das Wahlergebnis
§98. (1) Der Zustellungsbevollmächtigte einer
betroffenen Wählergruppe kann nach Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses gegen dessen Ermittlung schriftlich Einspruch bei der Hauptwahlkommission erheben. Der Einspruch muss für jede Fachgruppe oder Fachvertretung gesondert eingebracht werden und muss binnen einer Woche bei der Hauptwahlkommission eingelangt sein. Der Einspruch hat eine Begründung zu enthalten. Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Hauptwahlkommission hat auf Grund der Aktenlage das Wahlergebnis zu überprüfen und allfällige Unrichtigkeiten sofort richtig zu stellen. Gegebenenfalls ist die Verlautbarung für nichtig zu erklären und das richtige Ergebnis zu verlautbaren.
(3) Wurden wesentliche Bestimmungen über das Wahlverfahren verletzt, bei deren Beachtung das Wahlergebnis voraussichtlich ein anderes gewesen wäre, hat die Hauptwahlkommission die Wahl für ungültig zu erklären und eine neue Wahl auszuschreiben. Die Entscheidung der Hauptwahlkommission ist allen betroffenen Wählergruppen mitzuteilen.
(4) Gegen die Abweisung des Einspruchs steht binnen einer Woche nach Zustellung der Entscheidung der Hauptwahlkommission die Beschwerde an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit offen, die bei der Hauptwahlkommission einzubringen ist. Ebenso steht die Beschwerde gegen eine stattgebende Entscheidung der Hauptwahlkommission jenen Wählergruppen zu, die keinen Einspruch erhoben haben.
(5) Wenn der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit die Wahlhandlung für ungültig erklärt, hat er gleichzeitig anzuordnen, welche Teile der Wahlhandlung bei der unverzüglich auszuschreibenden Neuwahl vorzunehmen sind.
(6) Die Bestimmung des §76 Abs2 gilt sinngemäß.
Wahl des Obmannes der Fachgruppe und seiner
Stellvertreter sowie der Vorsitzenden der Fachvertreter
§99. (1) Nach der Verlautbarung des endgültigen Wahlergebnisses ist die Wahl des Obmannes und seiner beiden Stellvertreter durch die Mitglieder des Fachgruppenausschusses und die Wahl des Vorsitzenden der Fachvertreter durch die Fachvertreter durchzuführen.
(2) Wählbar sind nur die Mitglieder des Fachgruppenausschusses (die Fachvertreter).
(3) Der Wahlleiter darf dem jeweiligen Fachgruppenausschuss (den Fachvertretern) nicht als Mitglied angehören.
(4) Zur Erstattung eines Wahlvorschlags ist jedes
Mitglied eines Fachgruppenausschusses berechtigt, sofern die Zustimmung von mehr als der Hälfte jener Mitglieder des Fachgruppenausschusses, die seiner Wählergruppe angehören, nachgewiesen wird; dies gilt sinngemäß auch für die Wahl des Vorsitzenden der Fachvertreter. Jeder Bewerber kann nur in einem Wahlvorschlag aufscheinen.
(5) Liegt nur ein Wahlvorschlag vor, so entfällt jede weitere Wahlhandlung und die vorgeschlagenen Bewerber gelten als gewählt. Für die Mandatsermittlung bei einer Wahl gilt die Bestimmung des §97 Abs3 sinngemäß.
(6) Das Wahlergebnis ist von der Hauptwahlkommission zu verlautbaren.
(7) §98 gilt mit der Maßgabe, dass das Wahlergebnis von den Zustellungsbevollmächtigten der im Fachgruppenausschuss oder bei den Fachvertretern vertretenen Wählergruppen beeinsprucht werden kann.
[...]
9. Abschnitt
Wirtschaftsparlament, Erweitertes Präsidium
und Präsidium der Bundeskammer
Bestellung weiterer Mitglieder des Wirtschaftsparlamentes der Bundeskammer
§112. (1) Wählergruppen, die im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer nicht im Verhältnis der bei den Urwahlen im Bereich aller Landeskammern im gesamten erreichten Mandate vertreten sind, können so viele weitere Mitglieder in das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer entsenden, wie dies diesem Verhältnis entspricht.
(2) Die Mandatszahl für die Ermittlung der weiteren Vertreter im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer ergibt sich aus der Summe der gemäß §109 besetzten Mitglieder aller Spartenvertretungen sowie der Landeskammerpräsidenten.
(3) Die Bestimmungen des §104 Abs3 und 4 gelten
sinngemäß.
(4) Die Bestimmung des §104 Abs5 gilt sinngemäß mit der Maßgabe, dass die Mitteilung der Wählergruppe an die Hauptwahlkommission der Bundeskammer binnen einer Woche nach Verlautbarung der Ergebnisse der Wahlen gemäß §105 und der Besetzungen gemäß §109 zu erfolgen hat.
(5) §101 gilt sinngemäß.
Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten
der Bundeskammer
§113. (1) Nach Verlautbarung der Ergebnisse der Wahlen nach §105 und der Besetzungen nach §109 sowie der Bestellungen gemäß §112 ist die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten der Bundeskammer durchzuführen. Die Wahl ist vom Vorsitzenden der Hauptwahlkommission der Bundeskammer zu leiten.
(2) Wählbar ist jedes passiv wahlberechtigte
Mitglied.
(3) Die Bestimmungen der §§99 Abs5 bis 7 und 105 Abs3 gelten sinngemäß."
III. Erwägungen
1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof u.a. über Anfechtungen von Wahlen zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen. Im Bereich der Bundeskammer ist das Wirtschaftsparlament ein solches satzungsgebendes Organ einer gesetzlichen beruflichen Vertretung:
Unter dem Begriff "gesetzliche berufliche
Vertretungen" sind organisatorische Einrichtungen zur Wahrung der Interessen der durch eine gleichgerichtete und gleichgeartete Berufsausübung zusammengeschlossenen Personengruppen zu verstehen, die durch ein Gesetz im materiellen Sinn eingerichtet sind (VfSlg. 4584/1963). Unter Hinweis auf die die beruflichen Vertretungen betreffenden Kompetenzbestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 6751/1972 ausgesprochen, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber unter diesem Begriff Vertretungen von Personen versteht, die selbständig oder unselbständig eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben; die Wirtschaftskammer ist eine solche gesetzliche berufliche Vertretung (vgl. VfSlg. 16.164/2001).
Unter satzungsgebenden Organen sind jene Gremien zu verstehen, die aus allen Angehörigen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung bestehen oder deren Mitglieder von diesen Angehörigen gewählt werden und deren Aufgabe es ist, grundlegende Anordnungen zu erlassen und in Angelegenheiten von grundlegender Bedeutung zu entscheiden (vgl. VfSlg. 14.418/1996 mwN). Dies trifft auf das Wirtschaftsparlament der Bundeskammer zu, weil es gemäß §37 Abs2 WKG insbesondere für grundsätzliche Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Bundeskammer, die Erlassung der Kontrollausschuss-, der Wahl- und der Fachorganisationsordnung, die Beschlussfassung über den Voranschlag und Rechnungsabschluss und für die Angelegenheiten, die eine über den Voranschlag hinausgehende Belastung des Haushalts nach sich ziehen, zuständig ist (vgl. auch VwGH 14.1.1993, 92/09/0059, in dem der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich des Handelskammergesetzes ausgesprochen hat, dass der Kammertag das satzungsgebende Organ der Bundeskammer ist; dieser Kammertag wurde im WKG durch das hier betroffene Wirtschaftsparlament abgelöst; vgl. weiters Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung, 1970, 58).
2. Jedoch wird das Wirtschaftsparlament weder direkt noch indirekt gewählt: Das Wirtschaftsparlament besteht gemäß §37 Abs1 WKG aus den Mitgliedern des Präsidiums der Bundeskammer, den Präsidenten der Landeskammern, den Mitgliedern der Spartenvertretungen der Bundeskammer und den weiteren Mitgliedern gemäß §112 leg.cit. Die weiteren Mitglieder gemäß §112 WKG werden von den Wählergruppen, die im Wirtschaftsparlament der Bundeskammer nicht im Verhältnis der bei den Urwahlen im Bereich der Landeskammern im gesamten erreichten Mandate vertreten sind, entsendet und von der Hauptwahlkommission der Bundeskammer bestellt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2011, WI-1/11, festgehalten hat, fehlt es bei einer Besetzung vor allem an dem für Wahlen entscheidenden Merkmal der Abstimmung, bei deren Vorliegen nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vorgeschlagenen nicht gewählt werden (vgl. auch VfSlg. 6277/1970). Gemäß Art141 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof jedoch nur über die Anfechtung von Wahlen zu den satzungsgebenden Organen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen.
3. Da die Besetzung des satzungsgebenden Organs Wirtschaftsparlament indirekt vom Ergebnis der Urwahlen in die Fachgruppenausschüsse abhängt, wäre nur die Wahl zum Fachgruppenausschuss nach Art141 B-VG anfechtbar. Diese Urwahlen stellen die demokratische Legitimation des Selbstverwaltungskörpers durch direkte Wahl aller Mitglieder sicher; dadurch werden nämlich die Organe des Selbstverwaltungskörpers iSd Art120c Abs1 B-VG nach demokratischen Grundsätzen gebildet.
4. Da eine Wahl nicht stattgefunden hat, ist die Besetzung des Wirtschaftsparlaments nicht nach Art141 B-VG überprüfbar. Die Anfechtungswerberin hat auch die bescheidmäßige Abweisung des Einspruches gegen das Ergebnis der Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten ausdrücklich nicht selbständig angefochten, sondern nur in Zusammenhang mit der Besetzung des Wirtschaftsparlaments. Eine Anfechtung der Wahl der Fachgruppenausschüsse hat die Anfechtungswerberin ebenfalls nicht eingebracht. Selbst wenn man jedoch die unter I.2. wiedergegebenen Anträge in der ausdrücklich als "Anfechtung der Wahl zum Wirtschaftsparlament der Bundeswirtschaftskammer" bezeichneten Wahlanfechtung als selbständige Anfechtung der "Wahlen" von anderen Organen der Wirtschaftskammer Österreich (darunter auch die Wahlen der Fachgruppenausschüsse und Fachvertreter in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Steiermark) deuten würde, würde dies am Ergebnis der Zurückweisung nichts ändern, weil in diesem Fall der Instanzenzug hinsichtlich dieser selbständig bekämpfbaren Akte gemäß §98 WKG nicht erschöpft wäre.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die ausdrücklich auf Art141 B-VG gestützte Wahlanfechtung war daher zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 11.388/1987).
2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
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