Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung:
I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 B-VG gestützten - beim Verfassungsgerichtshof am 11. Jänner 2012 eingelangten - Antrag begehrt der Antragsteller, gegen den zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Staatsanwaltschaft Graz ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch eine übertragbare Krankheit gemäß §178 StGB anhängig war,
"1. Art2 Z. 2 BGBl I 103/2011 als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu
2. die Wortfolge 'a) eine Straftat nach §178 StGB
oder b)' in §123 Abs4 Z. 1 der Strafprozessordnung
BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 103/2011, als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu
3. die Wortfolge 'eine Blutabnahme oder' in §123 Abs4 der Strafprozessordnung BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 103/2011, als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu
4. die Wortfolge 'eine Blutabnahme oder' und das Wort 'vergleichbar' in §123 Abs4 der Strafprozessordnung BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 103/2011, als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu
5. den dritten Satz in §123 Abs4 der Strafprozessordnung BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I
Nr. 103/2011 zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben [...]."
2. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft Graz gegen den Antragsteller am 8. Dezember 2011 nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens Strafantrag wegen des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach §178 StGB erhoben hat, weil er im Verdacht steht, in Kenntnis seiner HIV-Infektion mit einer namentlich genannten Person ungeschützt geschlechtlich verkehrt zu haben; der Strafantrag wurde zunächst mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 10. Jänner 2012 gemäß §485 Abs1 Z2 StPO wegen unzureichender Sachverhaltsermittlung zurückgewiesen, die dagegen seitens der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde blieb erfolglos. Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch Einholung medizinischer Untersuchungsresultate betreffend den HIV-Status des Opfers brachte die Staatsanwaltschaft am 22. Juni 2012 neuerlich Strafantrag gegen den Antragsteller wegen des angeführten Delikts ein. Das Verfahren befindet sich im Stadium der Hauptverhandlung.
3. Der Antragsteller bringt zu seiner Antragslegitimation im Wesentlichen vor, dass auf Grund des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens "mit hoher Wahrscheinlichkeit" davon auszugehen sei, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr - nach Inkrafttreten der "neuen Fassung des §123 Abs1 Z4 StPO (am 01.01.2012) die gerichtliche Bewilligung der Anordnung der Blutabnahme ohne Einwilligung des A[ntragsteller] zügig beantragen" werde. Die Ermächtigung der Kriminalpolizei zur zwangsweisen Blutabnahme ergebe sich "unmittelbar aus dem Gesetz (§93 StPO), ohne dass es einer entsprechenden staatsanwaltlichen oder gerichtlichen Vollzugsanordnung" bedürfe.
Wie in VfSlg. 16.772/2002 trete "nach Fällung der (unmittelbar bevorstehenden) Entscheidung unmittelbar auf Grund des Gesetzes - ohne weitere Prüfung durch eine gerichtliche Entscheidung [...] - der in Rede stehende Nachteil (hier die zwangsweise Blutabnahme) ein, der durch nachfolgende Rechtsmittel nicht mehr ungeschehen gemacht werden" könne; daher stehe kein zumutbarer "Umweg" zur Verfügung. Zudem könne sich der Antragsteller gegen die zwangsweise Blutabnahme durch die Kriminalpolizei "nur im Nachhinein beschweren". Zwar sei gegen die gerichtliche Anordnung der Blutabnahme Beschwerde gemäß §87 StPO möglich, dieser komme aber keine aufschiebende Wirkung zu. "Würde der A[ntragsteller] daher auf die Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung oder gegen die Zwangsausübung durch die Kriminalpolizei verwiesen, so wäre dies geeignet, die Gefahr eines endgültigen Verlustes seines Rechtsschutzes herbeizuführen, jedenfalls aber zu vergrößern". Hinzu komme, "dass nicht die Bewilligung der Anordnung zur Blutabnahme des A[ntragstellers] dessen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte verletzt sondern erst die zwangsweise Blutabnahme durch die Kriminalpolizei".
4. Die Bundesregierung erstattete über Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung, in der sie mit näherer Begründung die Zurückweisung des Antrages, in eventu den Ausspruch, dass die angefochtene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird und für den Fall der Aufhebung die Bestimmung einer Frist begehrt.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Strafprozessordnung, BGBl. 631/1975 idF BGBI. I 103/2011, lauten samt Überschrift wie folgt:
"Beschwerden
§87. (1) Gegen gerichtliche Beschlüsse steht der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten, soweit dessen Interessen unmittelbar betroffen sind, und jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist, gegen einen Beschluss, mit dem das Verfahren eingestellt wird, auch dem Privatbeteiligten Beschwerde an das Rechtsmittelgericht zu, soweit das Gesetz im Einzelnen nichts anderes bestimmt.
(2) Der Staatsanwaltschaft steht auch Beschwerde zu, wenn ihre Anträge gemäß §101 Abs2 nicht erledigt wurden. Überdies steht jeder Person Beschwerde zu, die behauptet, durch das Gericht im Rahmen einer Beweisaufnahme in einem subjektiven Recht (§106 Abs1) verletzt worden zu sein.
(3) Aufschiebende Wirkung hat eine Beschwerde nur
dann, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht."
"Definitionen
§117. Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. - 3. [...]
4. 'körperliche Untersuchung' die Durchsuchung von Körperöffnungen, die Abnahme einer Blutprobe und jeder andere Eingriff in die körperliche Integrität von Personen,
5. [...]"
"Körperliche Untersuchung
§123. (1) Eine körperliche Untersuchung ist zulässig, wenn
1. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
dass eine Person Spuren hinterlassen hat, deren Sicherstellung und Untersuchung für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind,
2. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist,
dass eine Person Gegenstände im Körper verbirgt, die der Sicherstellung unterliegen, oder
3. Tatsachen, die für die Aufklärung einer Straftat oder die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von maßgebender Bedeutung sind, auf andere Weise nicht festgestellt werden können.
(2) Eine körperliche Untersuchung nach Abs1 Z1 ist auch an Personen zulässig, die einem durch bestimmte Merkmale individualisierbaren Personenkreis angehören, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Täter in diesem Personenkreis befindet und die Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftat oder eines Verbrechens nach dem 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches andernfalls wesentlich erschwert wäre.
(3) Eine körperliche Untersuchung ist von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen. Bei Gefahr im Verzug kann die Untersuchung auch auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch hat die Staatsanwaltschaft in diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Wird diese nicht erteilt, so hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung vernichten zu lassen. Einen Mundhöhlenabstrich kann die Kriminalpolizei jedoch von sich aus abnehmen.
(4) Operative Eingriffe und alle Eingriffe, die eine Gesundheitsschädigung von mehr als dreitägiger Dauer bewirken könnten, sind unzulässig. Andere Eingriffe dürfen vorgenommen werden, wenn die zu untersuchende Person nach vorheriger Aufklärung über die möglichen Folgen ausdrücklich zustimmt. Ohne Einwilligung des Betroffenen darf eine Blutabnahme oder ein vergleichbar geringfügiger Eingriff, bei dem der Eintritt von anderen als bloß unbedeutenden Folgen ausgeschlossen ist, vorgenommen werden, wenn
1. die Person im Verdacht steht,
a) eine Straftat nach §178 StGB oder
b) eine Straftat gegen Leib und Leben durch Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit in alkoholisiertem oder sonst durch ein berauschendes Mittel beeinträchtigtem Zustand begangen zu haben, oder
2. die körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Aufklärung einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Straftat oder eines Verbrechens nach dem
10. Abschnitt des Strafgesetzbuches erforderlich ist.
(5) Jede körperliche Untersuchung ist von einem Arzt vorzunehmen; ein Mundhöhlenabstrich kann jedoch auch von einer anderen Person, die für diesen Zweck besonders geschult ist, abgenommen werden. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§121 sowie 122 Abs1 letzter Satz und 3 über die Durchsuchung sinngemäß.
(6) Als Beweismittel dürfen die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung nur verwendet werden, wenn
1. die Voraussetzungen für eine körperliche
Untersuchung vorlagen,
2. die körperliche Untersuchung rechtmäßig angeordnet worden ist und
3. die Verwendung zum Nachweis einer Straftat,
deretwegen die körperliche Untersuchung angeordnet wurde oder hätte angeordnet werden können, dient.
(7) Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, die aus anderen als strafprozessualen Gründen durchgeführt wurde, dürfen in einem Strafverfahren nur als Beweismittel verwendet werden, wenn dies zum Nachweis einer Straftat, deretwegen die körperliche Untersuchung hätte angeordnet werden können, erforderlich ist."
"Die Anklage
§210. (1) [...]
(2) Durch das Einbringen der Anklage beginnt das Hauptverfahren, dessen Leitung dem Gericht obliegt. Die Staatsanwaltschaft wird zur Beteiligten des Verfahrens.
(3) Die Festnahme des Angeklagten ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht anzuordnen, auch andere Zwangsmittel und Beweisaufnahmen, die im Ermittlungsverfahren einer Anordnung oder Genehmigung der Staatsanwaltschaft bedürfen, sind nach Einbringen der Anklage durch das Gericht anzuordnen oder zu bewilligen. Die Durchführung obliegt weiterhin der Kriminalpolizei; Berichte und Verständigungen hat sie an das Gericht zu richten. Anträge auf Einstellung des Verfahrens (§108) sind nach dem Einbringen der Anklage nicht mehr zulässig, bereits eingebrachte werden gegenstandslos.
(4) [...]."
2. Die Bestimmung des §178 Strafgesetzbuch, BGBl. 60/1974, lautet:
"Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch
übertragbare Krankheiten
§178. Wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört."
III. Erwägungen
1. Der Antrag erweist sich als unzulässig.
2. Mit seinem Hauptbegehren zielt der Antragsteller darauf ab, Art2 Z2 des Bundesgesetzes BGBl. I 103/2011 als verfassungswidrig aufzuheben. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Novellierungsanordnung, mit der §123 Abs4 StPO neu gefasst wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes greift eine solche Novellierungsanordnung nicht unmittelbar in die Rechtssphäre eines Normadressaten ein, ein Eingriff könnte sich vielmehr nur aus der Gesetzesstelle selbst in ihrer novellierten Fassung ergeben (vgl. VfSlg. 17.363/2004, 18.285/2007, 18.830/2009).
Der Hauptantrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.
3. Aber auch in Bezug auf das Eventualbegehren liegen die Prozessvoraussetzungen gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG nicht vor:
3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das bekämpfte Gesetz für den Antragsteller nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides unmittelbar wirksam geworden ist (so VfSlg. 8009/1977). Hierbei ist vom Verfassungsgerichtshof lediglich zu untersuchen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 14.476/1996).
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit den Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 und Art140 Abs1 letzter Satz B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 und Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 16.332/2001).
3.3. Gemäß §123 Abs3 StPO ist eine körperliche Untersuchung (worunter nach §117 Z4 StPO die Abnahme einer Blutprobe fällt) im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen; zwar kann die Untersuchung bei Gefahr im Verzug auch auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, doch ist in diesem Fall unverzüglich die gerichtliche Bewilligung einzuholen. Bei Verweigerung der Bewilligung hat die Staatsanwaltschaft die Anordnung sofort zu widerrufen und das Untersuchungsergebnis vernichten zu lassen (§123 Abs3 zweiter Satz leg.cit.).
Nach Einbringung der Anklage sind Zwangsmittel und Beweisaufnahmen gemäß §210 Abs3 StPO durch das Gericht anzuordnen.
3.4. Ein aktueller und unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers durch §123 Abs4 StPO könnte für diesen mithin derzeit (im Stadium der Hauptverhandlung) erst dann eintreten, wenn das Gericht die Blutabnahme mit Beschluss bewilligt hätte.
3.5. Dass Gefahr im Verzug vorlag, wird weder vom Antragsteller behauptet, noch ergeben sich sonstige Anhaltspunkte hiefür.
3.6. Auf Grund der somit ausdrücklich vorgesehenen Zwischenschaltung einer gerichtlichen Entscheidung mangelt es dem Antragsteller schon am Zulassungserfordernis des Eingriffs in seine Rechtssphäre unmittelbar durch das Gesetz selbst (vgl. zB VfSlg. 8009/1977, 12.227/1989, 14.673/1996, 15.502/1999).
3.7. Der Antragsteller vermag deshalb seine
unmittelbare Betroffenheit durch die angefochtenen Teile des §123 Abs4 StPO nicht darzutun.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Zusammenfassend ergibt sich mithin, dass es dem Antragsteller an der Legitimation zur Stellung eines Individualantrages mangelt. Der Antrag war daher zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne
mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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