Keine Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm betreffend die Abweisung eines Staatsbürgerschaftsantrags mangels Nachweises einer nachhaltigen persönlichen Integration; Ausnahmen vom Nachweis von Deutschkenntnissen auf B1-Niveau für Fremde mit einschlägiger Beeinträchtigung verfassungsgesetzlich auch bei einem mehr als sechsjährigen Aufenthalt geboten
Das LVwG Stmk geht davon aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner gutachterlich nachgewiesenen Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, einen Nachweis über Sprachkenntnisse auf B1-Niveau gemäß §10a Abs1 Z1 StbG zu erbringen und damit auch nicht in der Lage ist, Deutschkenntnisse auf B2-Niveau im Hinblick auf §11a Abs6 Z1 StbG nachzuweisen. Es bestehe diesbezüglich eine andauernde physische und psychische Beeinträchtigung, bei der eine Besserung nicht zu erwarten sei. Aus dem Behördenakt ergebe sich, dass der Beschwerdeführer als Nachweis einer nachhaltigen Integration iSd §11a Abs6 Z2 lita bis c StbG zwar eine Bestätigung über die Teilnahme an einem einmonatigen Pflegeprojekt für ein Biotop unter Begleitung des Naturschutzbundes für die Steiermark vorweisen könne, sonst aber keine Nachweise über in dieser Hinsicht relevante Tätigkeiten vorliegen würden.
Das LVwG Stmk verneint das Vorliegen einer besonderen Integration bei einer länger als sechsjährigen Aufenthaltsdauer gemäß §11a Abs6 Z1 StbG, weil der Beschwerdeführer wegen seiner Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, Deutschkenntnisse auf B2-Niveau nachzuweisen. Mit dieser Auslegung unterstellt das LVwG Stmk §11a Abs6 Z2 erster Halbsatz StbG jedoch einen gleichheitswidrigen Inhalt.
Art7 Abs1 Satz 3 B‑VG zufolge darf "Niemand […] wegen seiner Behinderung benachteiligt werden". Gemäß Art7 Abs1 Satz 4 B‑VG bekennen sich Bund, Länder und Gemeinden dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Art7 Abs1 Satz 3 B‑VG enthält ein Diskriminierungsverbot nicht nur gegenüber Staatsbürgern, sondern gegenüber Jedermann.
Durch Art7 Abs1 Satz 3 B‑VG soll der "innere Gehalt des Gleichheitssatzes […] durch das explizite Verbot der Diskriminierung von Behinderten nicht verändert, sondern zusätzlich bekräftigt werden, dass auch bei einer auftretenden Ungleichbehandlung von behinderten Menschen der VfGH diese immer auf ihre sachliche Rechtfertigung zu überprüfen hat". Der Verfassungsgesetzgeber hat mit der Aufnahme eines ausdrücklichen Verbotes der Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Behinderung also betont, dass staatliche Regelungen, die zu einer Benachteiligung behinderter Menschen führen, einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfen.
Das Erfordernis des Nachweises von Deutschkenntnissen, wie es §11a Abs6 Z2 erster Halbsatz StbG auf B1-Niveau vorsieht, benachteiligt Menschen mit einer einschlägigen Beeinträchtigung gegenüber nichtbehinderten Menschen. Menschen mit einer einschlägigen Behinderung wie der Beschwerdeführer wären, wenn dieser Nachweis für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach §11a Abs6 Z2 erster Halbsatz StbG auch für sie zwingend erforderlich wäre, von der Möglichkeit der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach einem sechsjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet von vornherein ausgeschlossen, ohne Rücksicht darauf, ob sie die sonstigen Voraussetzungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft erfüllen.
Gerade deswegen sieht §10a Abs2 Z3 StbG für den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse gemäß §10a Abs1 Z1 StbG, also bei Verleihung der Staatsbürgerschaft nach mehr als zehnjährigem Aufenthalt, Ausnahmen für Fremde mit einer einschlägigen Beeinträchtigung vor. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, dass dies bei §11a Abs6 Z2 erster Halbsatz StbG nicht so sein sollte.
Im Lichte des Art7 Abs1 Satz 3 B‑VG ist daher der Verweis in §11a Abs6 Z2 erster Halbsatz StbG, dass der Fremde für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach mindestens sechsjährigem Aufenthalt einen Nachweis gemäß §10a Abs1 Z1 StbG zu erbringen hat, also einen Nachweis von Deutschkenntnissen auf B1-Niveau, so zu verstehen, dass er auch die Ausnahme des §10a Abs2 Z3 StbG für Fremde, denen auf Grund einer einschlägigen Behinderung dieser Nachweis nicht möglich ist, mitumfasst. Indem das LVwG Stmk dies verkannt hat, ist es in seiner Begründung diesbezüglich von einer denkunmöglichen weil einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellenden Auslegung des §11a Abs6 Z2 erster Halbsatz StbG ausgegangen.
Bei der Frage, ob der Staatsbürgerschaftswerber eine nachhaltige persönliche Integration iSd §11a Abs6 Z2 lita bis c StbG nachweisen kann geht das LVwG Stmk auch im Lichte des Art7 Abs1 Satz 3 B‑VG verfassungsrechtlich unbedenklich davon aus, dass die vom Beschwerdeführer nachgewiesene bloß einmonatige Tätigkeit der Naturpflege diese Anforderungen jedenfalls nicht erfüllt. Darüberhinausgehende (Nachweise über) einschlägige Aktivitäten oder Hinweise darauf, dass ihn eine solche Integrationsvoraussetzung unsachlich benachteiligen würde, hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht vorgebracht.
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