Keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten hinsichtlich der Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Datenschutzbehörde wegen Veröffentlichung einer Investorenwarnung mangels "Legitimation juristischer Personen"; Zuständigkeit der FMA – und nicht der Datenschutzbehörde – zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Investorenwarnung
Die Grundrechtsbestimmungen in §1 DSG erfassen nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen als Grundrechtsträger. Daran hat die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl 2016 L 119, 1 (aber auch das im Gefolge erlassene Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl I 120/2017) nichts geändert.
Der VfGH kann die Frage, ob eine juristische Person eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde wegen Verletzung ihres Rechtes auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß §1 Abs1 DSG erheben und ferner ob und unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person eine Verletzung ihres Rechtes auf Auskunft, Richtigstellung oder Löschung personenbezogener Daten gemäß §1 Abs3 DSG – bei Fehlen entsprechender Ausführungsregelungen im Datenschutzgesetz – bei der Datenschutzbehörde geltend machen kann, im Beschwerdefall dahin stehen lassen, weil – gleichgültig, wie die Fragen beantwortet werden – die Datenschutzbehörde auf keinen Fall zur Entscheidung über Beschwerden im Zusammenhang mit Veröffentlichungen ("Investorenwarnungen") gemäß §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 zuständig ist. Im Zusammenhang mit Investorenwarnungen gemäß §92 Abs11 WAG 2018 gibt es einen eigenen administrativrechtlichen Rechtsschutz(weg) an die FMA, welcher den von einer Investorenwarnung betroffenen natürlichen genauso wie juristischen Personen offen steht.
Gemäß §92 Abs11 erster Satz WAG 2018 kann die FMA durch Kundmachung im Internet oder in einer Zeitung mit Verbreitung im gesamten Bundesgebiet die Öffentlichkeit informieren, dass eine namentlich genannte natürliche oder juristische Person zur Vornahme bestimmter Wertpapierdienstleistungsgeschäfte nicht berechtigt ist, sofern diese Person dazu Anlass gegeben hat und eine Information der Öffentlichkeit erforderlich und im Hinblick auf mögliche Nachteile des Betroffenen verhältnismäßig ist. Nach §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 kann der von der Veröffentlichung Betroffene eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung in einem bescheidmäßig zu erledigenden Verfahren bei der FMA beantragen.
Dieser Rechtschutz(weg) ist die Folge des Erkenntnisses VfSlg 18.747/2009, in welchem der erste Satz des §4 Abs7 BWG idF BGBl I 97/2001 ("Die FMA ist berechtigt, im Einzelfall durch Kundmachung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' oder in einem anderen bundesweit verbreiteten Bekanntmachungsblatt die Öffentlichkeit zu informieren, dass ein namentlich genanntes Unternehmen zur Vornahme bestimmter Bankgeschäfte nicht berechtigt ist.") aufgehoben wurde, weil es sowohl dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes als auch dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht, diese Veröffentlichungen vorzunehmen, ohne dass dem betroffenen Unternehmen von der Rechtsordnung ein adäquates Instrumentarium der Überprüfung solcher Informationen und (gegebenenfalls) der Folgenbeseitigung zur Verfügung gestellt wird.
Im administrativen (Rechtsschutz-)Verfahren vor der FMA ist daher nach §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 zu prüfen, ob die Veröffentlichung ("Investorenwarnung") gegen jegliche Vorschriften, sohin auch gegen das Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 DSG verstößt:
Die FMA hat dementsprechend über Antrag der von einer Investorenwarnung betroffenen (natürlichen oder juristischen) Person im Verfahren nach §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Investorenwarnung vorliegen und damit (auch) eine Verletzung des Rechtes auf Geheimhaltung personenbezogener Daten iSd §1 Abs1 DSG auszuschließen ist. Sollte eine Verletzung unter anderem des Grundrechtes auf Geheimhaltung personenbezogener Daten einer natürlichen oder juristischen Person vorliegen, wäre die FMA gemäß §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 gehalten, im Hinblick auf §1 Abs3 DSG die Veröffentlichung richtigzustellen oder zu widerrufen oder aus dem Internetauftritt zu entfernen.
Sofern sich der Sachverhalt, welcher der Investorenwarnung zugrunde lag, nach einer abweisenden Entscheidung der FMA gemäß §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 ändern sollte – wie dies die beschwerdeführende Partei im Beschwerdeverfahren behauptet –, steht es der betroffenen (natürlichen oder juristischen) Person offen, bei der FMA die (neuerliche) Durchführung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gemäß §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 zu beantragen. In diesem (neuerlichen) Verfahren ist dann zu prüfen, ob sich der Sachverhalt geändert hat und gegebenenfalls ob nach wie vor die Voraussetzungen für eine entsprechende Veröffentlichung durch die FMA gemäß §92 Abs11 erster Satz WAG 2018 gegeben sind. Auch bei einer behaupteten Änderung des einer Investorenwarnung nach §92 Abs11 erster Satz WAG 2018 zugrunde liegenden Sachverhaltes ist ausschließlich die FMA zuständig, über eine Beschwerde unter anderem wegen einer behaupteten Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz gemäß §1 DSG zu entscheiden.
Da es im Beschwerdefall ausschließlich darum geht, ob die auf §92 Abs11 WAG 2018 gestützte Veröffentlichung der FMA (nach wie vor) rechtmäßig ist – und dementsprechend unter anderem im Einklang mit dem Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 (Abs1 und 3) DSG steht –, ist nicht auf die Frage einzugehen, welcher Rechtschutzweg der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf eine etwaige über die Veröffentlichung gemäß §92 Abs11 erster Satz WAG 2018 hinausgehende Verwendung von personenbezogenen Daten offenstünde.
Das BVwG hat seine Unzuständigkeit in dem in Beschwerde gezogenen Erkenntnis ausschließlich damit begründet, dass eine juristische Person nicht legitimiert sei, eine Beschwerde an die Datenschutzbehörde wegen Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz gemäß §1 Abs1 und §1 Abs3 DSG zu erheben. Diese Begründung der Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde im angefochtenen Erkenntnis des BVwG ist zwar unrichtig. Im Ergebnis begegnet aber das angefochtene Erkenntnis des BVwG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist nämlich nicht die Datenschutzbehörde, sondern ausschließlich die FMA zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Investorenwarnung gemäß §92 Abs11 vierter Satz WAG 2018 auf Grund der Beschwerde einer betroffenen (natürlichen oder juristischen Person) zuständig.
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