Abweisung einer Beschwerde eines Privatfernsehsenders mangels ausreichender Distanzierung gegen verhetzende Aussagen eines Studiogasts in einer live ausgestrahlten Fernsehsendung; kein Verstoß gegen die Meinungs- bzw Medienfreiheit durch die Feststellung des BVwG, dass eine Bestimmung des AMD-G betreffend das Aufstacheln zu Hass oder Gewalt gegen eine Gruppe von Personen durch das Medienunternehmen verletzt wurde; keine Wahrnehmung der redaktionellen Verantwortung des Moderators zum Schutz einer ethnischen Gruppe vor der massenmedial verbreiteten Hassrede
Dem BVwG ist nicht entgegenzutreten, wenn es die Äußerungen eines Studiogastes (Darstellung chinesischer Staatsangehöriger pauschal als minderwertig, primitiv, gleichwertig mit Tieren und der Achtung ihrer Mitmenschen nicht würdig) in einem live ausgestrahlten Interview als geeignet ansieht, zu Hass auf Grund von Rasse und Nationalität aufzureizen.
Ein Medienunternehmen trifft eine Verantwortung für Meinungsäußerungen nur in besonderen Konstellationen. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn die in einer Sendung des audiovisuellen Mediendienstes wiedergegebene Meinungsäußerung eines Dritten in gravierender Weise die in der EMRK garantierten Rechte anderer grundsätzlich in Frage stellt, also den Tatbestand der Hassrede erfüllt, weil zu Hass gegen eine Gruppe auf Grund der ethnischen Herkunft aufgestachelt wird. Es besteht kein Zweifel, dass die im vorliegenden Fall vom Studiogast getätigten Äußerungen nach §30 Abs2 Z1 AMD-G zu sanktionieren wären, wenn sie der audiovisuelle Mediendienst in seiner redaktionellen Verantwortung etwa als eigenen Kommentar verbreitet hätte.
Weil es aber zu der durch Art10 Abs1 EMRK geschützten Medienfreiheit der beschwerdeführenden Partei gehört, auch dritte Personen, die derartige Meinungen vertreten, als Teil des in der demokratischen Gesellschaft vertretenen Meinungsspektrums zu Wort kommen zu lassen, ist der beschwerdeführenden Partei die Äußerung nur dann zuzurechnen, wenn sie ihre redaktionelle Verantwortung nicht in einer Weise wahrnimmt, die das besondere demokratisch-rechtstaatliche und menschenrechtliche Bedrohungspotenzial derartiger Äußerungen (erwartbar) deutlich macht.
Die beschwerdeführende Partei hat ausschließlich einen Studiogast zu einem längeren Studiogespräch eingeladen. Der Moderator ist der einzige Gesprächspartner, die Sendung besteht nur aus diesem Gespräch. Der die redaktionelle Verantwortung wahrnehmende Moderator zielt in der Sendung ausdrücklich darauf ab, dass der Studiogast entsprechende Meinungsäußerungen tätigt, indem er ihn auffordert "Klartext zu reden" und ihn auch motiviert, seine, eine bestimmte, anhand von Nationalität bzw Ethnie bestimmte Gruppe von Personen herabwürdigenden Äußerungen zu wiederholen oder sogar zuzuspitzen. Demgegenüber fällt eine entsprechende Relativierung der vom Studiogast getätigten Äußerungen im Hinblick auf das sonstige demokratische Meinungsspektrum und insbesondere den Schutz der in besonderer Weise angegriffenen Gruppe durch den Moderator nur sehr verhalten aus (wenn er der Aussage, "Das sind dreckige, schmutzige Leute, die keine Manieren haben" ein "Deiner Meinung nach" nachsetzt), worauf der Studiogast die Herabsetzung in verstärkter Form fortsetzt.
Wenn das BVwG davon ausgeht, dass der Moderator damit in der konkreten Gesprächssituation seine redaktionelle Verantwortung angesichts des Inhaltes der Äußerungen des Studiogastes nicht hinreichend wahrgenommen hat, ist ihm aus verfassungsrechtlicher Perspektive des Art10 EMRK nicht entgegenzutreten. Besteht aus Gründen der Freiheit der öffentlichen Debatte in einer demokratischen Gesellschaft auch die Freiheit für die beschwerdeführende Partei, Meinungsäußerungen wie die hier in Rede stehende zu verbreiten, so ist diese Freiheit nach Art10 Abs2 EMRK zulässigerweise dahingehend beschränkbar, dass die beschwerdeführende Partei ihre redaktionelle Verantwortung auch entsprechend wahrnimmt. Hat dies die beschwerdeführende Partei im vorliegenden Fall unterlassen, womit ihr dadurch im Hinblick auf die Äußerungen des Studiogastes ein Verstoß gegen §30 Abs2 Z1 AMD-G angelastet wurde, stellt dies im Hinblick auf den Schutz ethnischer Gruppen vor in einem audiovisuellen Mediendienst massenmedial verbreiteter Hassrede eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Schranke der Medienfreiheit dar.
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