Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ORF-G betreffend die Bestellung und Zusammensetzung des ORF-Stiftungs- und Publikumsrats; Verstoß gegen das im BVG-Rundfunk verankerte Gebot der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung; keine pluralistische Vielfalt des Stiftungsrats durch den nicht zu rechtfertigenden zahlenmäßigen Überhang der von der Bundesregierung zu bestellenden neun Mitglieder gegenüber den vom Publikumsrat zu bestellenden sechs Mitgliedern; demokratischer Vielfaltsaspekt rechtfertigt die Verkürzung der — grundsätzlich — feststehenden Funktionsdauer der von den politischen Parteien bestellten Mitglieder des Stiftungsrates; Verstoß gegen das Gebot der Unabhängigkeit durch die Verkürzung der Funktionsdauer für die von der Bundesregierung, den Ländern oder dem Publikumsrat bestellten Stiftungsratsmitglieder nach Bildung einer neuen Bundes- oder Landesregierung bzw nach einer Neukonstituierung des Publikumsrats; Verstoß gegen das Pluralismusgebot mangels näherer gesetzlicher Ausgestaltung betreffend die Verteilung der unterschiedlichen, allgemeinen persönlichen und fachlichen Anforderung für die von der Bundesregierung zu bestellenden neun Mitglieder; keine Bedenken gegen die gesellschaftliche Repräsentation näher genannter gesellschaftlicher Bereiche bzw Gruppen bei der Bestellung des Publikumsrats; keine Transparenz und Ausrichtung des Bestellungsverfahrens an die Zielsetzungen des Publikumsrats (ua Wahrung der Interessen der Hörer und Seher, Empfehlungs- bzw Vorschlagsrechte hinsichtlich der Programmgestaltung, Anrufungsrecht der Regulierungsbehörde, Festlegung der Finanzierungsgrundlagen des ORF); freies Wahlrecht des Bundeskanzlers zwischen und innerhalb der (Dreier-)Vorschläge je gesellschaftlich relevantem Bereich bzw je gesellschaftlich relevanter Gruppe verstößt gegen den Grundgedanken der gesellschaftlichen Repräsentation und Rückbindung dieser siebzehn Mitglieder des Publikumsrates an die jeweiligen Gruppen
Aufhebung des §20 Abs1 erster Satz Z3 und Z4 ORF-G, in §20 Abs1 letzter Satz ORF‑G die Wort- und Zeichenfolge "und 2. über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben", §20 Abs4 zweiter Satz ORF-G, jeweils idF BGBl I 83/2001, §28 Abs4 und Abs5 ORF‑G idF BGBl I 83/2001, §28 Abs6 erster Satz ORF‑G idF BGBl I 115/2017, §29 Abs6 zweiter, dritter und vierter Satz ORF-G idF BGBl I 23/2014 sowie §30 Abs1 Z2 ORF-G idF BGBl I 23/2014. Fristsetzung: Inkrafttreten mit Ablauf des 31.03.2025. Abweisung des (zweiten Eventual-) Antrags der Burgenländischen Landesregierung (LReg) hinsichtlich der sonstigen Teile des §20 Abs1, Abs2, Abs3, Abs4, Abs5, Abs6 und Abs7 ORF-G, §28 Abs2, Abs3 und Abs6 ORF-G sowie §29 Abs1, Abs2, Abs3, Abs4, Abs5 und Abs6 ORF-G. Im Übrigen: Zurückweisung des zweiten Eventualantrags hinsichtlich §20 Abs6a, Abs8, Abs9 und Abs10 ORF-G, §28 Abs1 ORF‑G, §29 Abs4a ORF‑G sowie §30 Abs1 Z1, Z3 bis Z8 und Abs2, Abs3, Abs4 und Abs5 ORF-G sowie Zurückweisung des Hauptantrags und des ersten Eventualantrags.
Stiftungsrat — Verstoß gegen ArtI Abs2 BVG-Rundfunk:
Für den Stiftungs- und Publikumsrat des ORF folgt aus ihrer rundfunkverfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsgarantie, dass gesetzlich gewährleistet sein muss, dass deren Mitglieder ihre Funktion unabhängig und unbeeinflusst ausüben können. Die Unabhängigkeitsgarantie bezieht sich aber auch auf das Organ als solches. Die gesetzlichen Regelungen über die Bestellung und Zusammensetzung seiner Organwalter müssen Gewähr dafür bieten, dass keinem staatlichen Organ bei der Bestellung der Mitglieder eines kollegialen Leitungsorgans des ORF ein einseitiger Einfluss auf die Zusammensetzung des Organs zukommt, der dessen Unabhängigkeit insgesamt gefährden kann. Aus den weiteren verfassungsrechtlichen Grundsätzen des ArtI Abs2 zweiter Satz BVG Rundfunk, insbesondere dem Meinungsvielfalt- und Ausgewogenheitsgebot, lässt sich für die Organisation der kollegialen Leitungsorgane des ORF auch die Vorgabe ableiten, dass deren Zusammensetzung einem gewissen Pluralismusgebot dahingehend Rechnung zu tragen hat, dass diese Gremien nicht einseitig durch faktisch oder rechtlich zu einer Gruppe verbundene Personen dominiert werden dürfen.
Demokratisch legitimierte (oberste) staatliche Organe repräsentieren die im Staat zusammengeschlossene Gemeinschaft. Dass gerade sie (wie hier die Bundesregierung beim Stiftungsrat) die Organe des ORF bestellen, steht den rundfunkverfassungsrechtlichen Anforderungen der Pluralismussicherung und der Unabhängigkeit nicht nur nicht entgegen, sondern trägt auf Grund der demokratischen Legitimation dieser Organe mit zur Sicherstellung dieser Vorgaben bei. Das Vorhandensein politischer Parteien und die Möglichkeit der Änderung der Mehrheitsverhältnisse sind Ausdruck des dem B‑VG zugrundeliegenden demokratischen Prinzips.
Entscheidend ist die konkrete gesetzliche Ausgestaltung der Bestellung seiner Mitglieder und der Vorgaben, die das bestellende Organ zu beachten hat.
§20 Abs1 erster Satz ORF-G verteilt die Zuständigkeit zur Bestellung der Mitglieder des Stiftungsrates auf unterschiedliche (staatliche und nicht-staatliche) Organe, was rundfunkverfassungsrechtlich im Hinblick auf das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot des ArtI Abs2 BVG Rundfunk von Bedeutung ist. Im Einzelnen koppeln die Vorschlagsrechte der im Nationalrat vertretenen politischen Parteien gemäß §20 Abs1 erster Satz Z1 ORF-G verbunden mit der Regelung, dass jede im Hauptausschuss des Nationalrates vertretene Partei durch mindestens ein Mitglied im Stiftungsrat vertreten sein muss, die Bestellung von sechs Mitgliedern durch die Bundesregierung unmittelbar an die Repräsentation der Allgemeinheit im demokratisch-parlamentarischen System. Abgesehen davon, dass die Bundesregierung auch die allgemeinen persönlichen und fachlichen Anforderungen bei der Bestellung dieser sechs Mitglieder des Stiftungsrates zu beachten hat, steht die Auswahl dieser sechs Mitglieder unter dem Gedanken demokratischer Repräsentation.
Bei der Bestellung von Organen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks repräsentieren die demokratisch legitimierten staatlichen Organe die Allgemeinheit, um deren Teilhabe am öffentlichen Diskurs im Rundfunk willen das Rundfunkverfassungsrecht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorsieht. Dass der Gesetzgeber diese Repräsentation der Allgemeinheit, abseits von den gemäß §20 Abs1 erster Satz Z1 ORF-G zu bestellenden sechs Mitgliedern des Stiftungsrates, der Bundesregierung sowie im bundesstaatlichen System des B‑VG obersten Organen der Länder zuweist, ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der durch die einzelnen Bundesländer zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates gemäß §20 Abs1 erster Satz Z2 ORF-G ist unter dem Blickwinkel des ArtI Abs2 BVG Rundfunk auch bedeutsam, dass in der Bestellung durch jeweils ein bestimmtes Bundesland, wiederum über die allgemeinen persönlichen und fachlichen Qualifikationsanforderungen hinaus, ein Aspekt föderaler Vielfalt in der Auswahl dieser neun Mitglieder des Stiftungsrates zum Ausdruck kommt.
Einer pluralistischen Zusammensetzung des Stiftungsrates soll grundsätzlich die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsrates durch den Publikumsrat Rechnung tragen, ist der Publikumsrat doch erstens selbst nach Grundsätzen gesellschaftlicher Repräsentation zusammengesetzt, zweitens mit den rundfunkverfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsgarantien ausgestattet und drittens – anders als die Bundesregierung oder die Länder – bei seiner Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsrates der Rechtskontrolle durch die KommAustria unterworfen. Weiters ist die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsrates durch den Publikumsrat als nicht-staatliches Organ Ausdruck des Gedankens der Staatsferne.
Demgegenüber unterliegt die Bundesregierung bei den von ihr gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G zu bestellenden neun Mitgliedern des Stiftungsrates keinen über die allgemeinen persönlichen und fachlichen Anforderungen hinausgehenden Bindungen, die eine Vielfalt im Stiftungsrat bewirken sollen. Wenn man davon ausgeht, dass insbesondere angesichts der Vorgabe des §20 Abs1 erster Satz Z1 letzter Halbsatz ORF-G sechs Mitglieder auf Vorschlag der politischen Parteien im Nationalrat zu bestellen im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt und die Anzahl von neun durch die einzelnen Länder zu bestellenden Mitgliedern vorgegeben ist, stellen neun durch die Bundesregierung gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G zu bestellende Mitglieder eine relativ große Gruppe dar. Dem kommt insbesondere auch deswegen besondere Bedeutung zu, weil der Stiftungsrat auch für den ORF grundsätzliche Entscheidungen wie etwa die Bestellung des Generaldirektors mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen trifft.
Dies führt dazu, dass der Bundesregierung ein deutliches Übergewicht im Vergleich zu der, wie erwähnt für die Vielfalt innerhalb des Stiftungsrates besonders relevanten, Gruppe der vom Publikumsrat zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates zukommt.
Aus diesem Grund trägt das in §20 Abs1 erster Satz Z3 und 4 ORF‑G festgelegte zahlenmäßige Verhältnis dieser beiden Gruppen von Mitgliedern des Stiftungsrates den Anforderungen des ArtI Abs2 BVG Rundfunk nicht hinreichend Rechnung. Angesichts der unter den spezifischen Vielfaltsaspekten naheliegenden bzw vorgegebenen Anzahl der gemäß §20 Abs1 erster Satz Z1 bzw 2 ORF‑G von staatlichen Organen, insbesondere auch der Bundesregierung zu bestellenden Mitgliedern, ist ein Überhang der des weiteren von der Bundesregierung gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G zu bestellenden Mitglieder gegenüber den vom Publikumsrat zu bestellenden Mitgliedern nicht zu rechtfertigen. Hier muss im Verhältnis des staatlichen Organs Bundesregierung zum unabhängigen nicht-staatlichen Organ Publikumsrat zumindest gewährleistet sein, dass der Publikumsrat nicht weniger Mitglieder bestellt als die Bundesregierung gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G.
Die Bestellung der Mitglieder des Stiftungsrates ist weiters dadurch bestimmt, dass diese bestimmte allgemeine persönliche und fachliche Anforderungen erfüllen müssen. Diese sind ebenso wie die gesetzliche Regelung ihrer Tätigkeit für die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder des Stiftungsrates von Bedeutung:
Das ORF-G sieht eine Reihe von Regelungen vor, die die persönliche Unabhängigkeit der Mitglieder des Stiftungsrates bei Ausübung ihrer Tätigkeit insbesondere auch gegenüber den sie bestellenden staatlichen Organen bzw den vorschlagsberechtigten politischen Parteien gewährleisten sollen. Hier ist zunächst die zentrale Bestimmung des §19 Abs2 ORF-G zu nennen, derzufolge unter anderem die Mitglieder des Stiftungsrates bei der Ausübung ihrer Funktion an keine Weisungen und Aufträge gebunden sind; sie haben ausschließlich die sich aus den Gesetzen und der Geschäftsordnung ergebenden Pflichten zu erfüllen. Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Stiftungsrates gegenüber (staatlichem) Einfluss, insbesondere durch die sie bestellenden staatlichen Organe bzw zur Einbringung entsprechender Vorschläge berechtigten politischen Parteien, sichern des Weiteren die Unvereinbarkeitsbestimmungen gemäß §20 Abs3 ORF-G, die vor allem im Blick haben, Personen in einem Naheverhältnis zu den vorschlagsberechtigten politischen Parteien oder der bestellenden Bundesregierung von der Tätigkeit als Stiftungsrat auszuschließen. Ergänzt werden diese Regelungen durch die Verschwiegenheitsverpflichtung der Mitglieder des Stiftungsrates in §19 Abs4 ORF-G (insbesondere auch gegenüber den sie bestellenden oder vorschlagenden Organen bzw Einrichtungen) sowie durch die Sorgfaltspflichten und die daraus resultierende persönliche Verantwortung für Mitglieder des Stiftungsrates gemäß §20 Abs2 ORF-G.
Dieses personenbezogene Unabhängigkeitskonzept des ORF-G wird durch die grundsätzlich vierjährige Funktionsdauer und die Regelung in §20 Abs4 ORF-G, wonach eine vorzeitige Abberufung ausschließlich aus bestimmten Gründen möglich ist, ergänzt. Eine vorzeitige Abberufung eines Mitgliedes des Stiftungsrates ist nur bei Vorliegen bestimmter Ausschlussgründe zulässig. Sie ist aber auch dann möglich, wenn die bestellenden staatlichen Organe ihrerseits neu bestellt worden sind oder die entsendungsberechtigten Organe bzw Einrichtungen des ORF sich neu konstituiert haben.
Diese zuletzt genannte Regelung steht in einem Spannungsverhältnis zur grundsätzlich feststehenden Funktionsdauer der Mitglieder des Stiftungsrates. Deren unabhängige Funktionsausübung soll gerade auch dadurch gesichert werden, dass sie für eine angemessene Zeitspanne bestellt werden und während dieser nur aus besonderen Gründen vorzeitig abberufen werden können.
Der VfGH hat in VfSlg 7593/1975 gegen eine vergleichbare Regelung wie §20 Abs4 zweiter Satz ORF-G im damaligen Rundfunkgesetz keine Bedenken im Hinblick auf ArtI Abs2 BVG Rundfunk erkennen können. Durch eine solche Regelung entstehe zwar eine gewisse, vom Gesetzgeber ermöglichte Unsicherheit über die Dauer der Zugehörigkeit eines Mitgliedes (damals) zum Kuratorium des ORF, eine Grundlage zur Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit während der Dauer der Zugehörigkeit werde damit aber nicht geschaffen. Der VfGH bleibt im Hinblick auf die gemäß §20 Abs1 erster Satz Z1 ORF-G auf Vorschlag der im Nationalrat vertretenen politischen Parteien zu bestellenden Mitglieder bei dieser Auffassung. Hier wiegt der demokratische Vielfaltsaspekt, insbesondere auch im Hinblick auf die Sicherstellung, dass jede im Hauptausschuss des Nationalrates vertretene Partei durch mindestens ein Mitglied im Stiftungsrat vertreten sein soll, schwer und rechtfertigt diese Einschränkung der an sich feststehenden Funktionsperiode der so bestellten (kleineren) Zahl von Mitgliedern des Stiftungsrates.
Für die gemäß §20 Abs1 erster Satz Z2, 3 und 4 ORF-G zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates kann der VfGH diese Auffassung nicht aufrecht erhalten:
Seine überwachenden, programminhaltlichen und finanziellen Zuständigkeiten räumen dem Stiftungsrat wesentlichen Einfluss auf die zentrale Aufgabe des ORF ein, als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter mit seinen Programmen den öffentlichen Diskurs im Wege des Rundfunks iSd ArtI Abs1 BVG Rundfunk mitzugestalten. Umso wesentlicher ist für die Unabhängigkeit der Programmveranstaltung des ORF, dass für den Stiftungsrat und seine Mitglieder die Unabhängigkeit, die die (institutionelle) Rundfunkfreiheit des ORF vor Augen hat, auch tatsächlich besteht.
Die dem Stiftungsrat obliegenden, insbesondere in §21 Abs1 und 2 ORF-G festgelegten Zuständigkeiten betreffen zunächst die Bestellung und Überwachung der Geschäftsführung des ORF mit den damit üblicherweise bei vergleichbaren Aufsichtsorganen einer Gesellschaft verbundenen Beschlussfassungs- und Zustimmungspflichten. Dazu kommen weiters wesentliche strategische Zuständigkeiten des Stiftungsrates, die sowohl die inhaltliche Programmveranstaltung des ORF als auch im System der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seine finanziellen Grundlagen betreffen.
Im Unterschied zu den gemäß §20 Abs1 erster Satz Z1 ORF-G zu bestellenden Mitgliedern kommt es bei den von den Ländern gemäß §20 Abs1 erster Satz Z2 ORF-G, von der Bundesregierung gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G und vom Publikumsrat gemäß §20 Abs1 erster Satz Z4 ORF-G zu bestellenden Mitgliedern des Stiftungsrates nicht auf die Auswirkungen demokratischer Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern an. Im Hinblick auf die von den Ländern zu bestellenden Mitglieder sind föderale Gesichtspunkte, bei den vom Publikumsrat gemäß Z4 zu bestellenden Mitgliedern ist gesellschaftliche Repräsentation (für die gesellschaftliche Veränderungen nicht vergleichbar wie demokratische Wahlen auf die Zusammensetzung eines allgemeinen Vertretungskörpers durchschlagen) maßgeblich. Bei den von der Bundesregierung gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF‑G zu bestellenden Mitgliedern kommt es demgegenüber nur auf die allgemeinen persönlichen und fachlichen Qualifikationsanforderungen an. Daher muss für die gemäß §20 Abs1 erster Satz Z2, 3 und 4 ORF-G bestellten Mitglieder dem Aspekt der Sicherung der Unabhängigkeit ihrer Tätigkeit durch eine feststehende Funktionsdauer für die Mitglieder des Stiftungsrates vorrangige Bedeutung zukommen.
Wiederum anders ist das im Hinblick auf die gemäß §20 Abs1 erster Satz Z5 ORF‑G vom Zentralbetriebsrat des ORF zu bestellenden Mitglieder zu beurteilen, weil es hier um die unmittelbare Repräsentation der vom Zentralbetriebsrat zu vertretenden Arbeitnehmerinteressen geht.
Damit erweist sich aber §20 Abs4 zweiter Satz ORF-G wegen Widerspruchs zu ArtI Abs2 BVG Rundfunk als verfassungswidrig. Dies trifft, weil sie nicht entsprechend zwischen gemäß §20 Abs1 erster Satz Z1 bzw 5 ORF-G und sonst bestellten Mitgliedern des Stiftungsrates differenziert, die gesamte Bestimmung.
Verstoß der Ziffern 3 und 4 des §20 Abs1 erster Satz ORF-G gegen ArtI Abs2 BVG Rundfunk im Hinblick auf Pluralität und Unabhängigkeit dieses Leitungsorgans:
Das Regelungssystem zur Sicherstellung der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder des Stiftungsrates wird durch bestimmte allgemeine Anforderungen an eine (hohe) persönliche und fachliche Eignung der Mitglieder ergänzt. Diese trifft dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft, womit Anforderungen an unterschiedliche, für die Tätigkeit des ORF insgesamt wesentliche fachliche Kenntnisse einhergehen. Ergänzt wird dies durch die in §20 Abs6 ORF-G enthaltene Regelung, dass der Stiftungsrat seine Beschlüsse in offener Abstimmung fasst. Mitglieder des Stiftungsrates müssen daher, erstens, eine persönliche und fachliche Eignung durch eine entsprechende Vorbildung oder einschlägige Berufserfahrung in den vom Stiftungsrat zu besorgenden Angelegenheiten aufweisen. Darüber hinaus müssen sie, zweitens, über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben.
Die Sorgfaltspflicht und Verantwortung gemäß §20 Abs2 ORF‑G und die daraus resultierenden Anforderungen für Mitglieder des Stiftungsrates wird wesentlich auch damit begründet, dass das ORF‑G den Stiftungsrat in seinen Aufgaben grundsätzlich einem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nachbildet.
Die Bundesregierung wie die Länder und der Publikumsrat sollen also Personen als Mitglieder des Stiftungsrates bestellen, die eine entsprechend hohe persönliche und fachliche Eignung aufweisen, die sie, wie §20 Abs1 letzter Satz ORF‑G zeigt, in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen erworben haben. Der Stiftungsrat soll also "insgesamt ein hohes Spezialwissen für einzelne Teilbereiche des Unternehmens" bündeln. Zielsetzung der in §20 Abs1 zweiter Satz und Abs2 ORF‑G geregelten Anforderungen an die Eignung der Mitglieder des Stiftungsrates ist es daher grundsätzlich auch, über das in unterschiedlichen Bereichen erworbene Fachwissen und die so ausgebildete persönliche und fachliche Qualifikation der einzelnen Mitglieder eine pluralistische Zusammensetzung und damit eine allen Aspekten Rechnung tragende unabhängige Entscheidungsfindung im Stiftungsrat zu gewährleisten.
Hinsichtlich der sechs vom Publikumsrat gemäß §20 Abs1 erster Satz Z4 ORF-G sowie insbesondere der neun gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G durch die Bundesregierung zu bestellenden Mitglieder des Stiftungsrates bestehen allerdings keine näheren gesetzlichen Vorgaben, wie Pluralitätsaspekte im Zusammenhang mit den Qualifikationsanforderungen gemäß §20 Abs1 letzter Satz ORF-G bei der Bestellung der Mitglieder gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 und 4 ORF-G zu beachten wären.
So ist insbesondere die Bundesregierung bei der Bestellung von neun Mitgliedern gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G bei ihrer Bestellungsentscheidung gesetzlich nicht näher bestimmt, ob und wie sich die unterschiedlichen, allgemeinen persönlichen und fachlichen Anforderungen, auf die §20 Abs1 letzter Satz ORF-G abstellt, auf die von ihr auf dieser gesetzlichen Grundlage zu bestellenden Mitglieder verteilen. §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF‑G lässt eine nähere Regelung darüber vermissen, dass und wie sich die in §20 Abs1 letzter Satz ORF-G angesprochenen unterschiedlichen Kenntnisse bzw das in unterschiedlichen Bereichen erworbene Ansehen innerhalb der zu bestellenden neun Mitglieder widerspiegeln sollen. Das Gesetz enthält damit keine Vorkehrungen dafür, dass die in §20 Abs1 letzter Satz ORF‑G zum Ausdruck kommende, Pluralismusaspekten Rechnung tragende Anforderung einer gewissen Vielfalt an persönlicher und fachlicher Qualifikation der Mitglieder des Stiftungsrates bei der Bestellung gesichert oder zumindest angestrebt wird. Der Bundesregierung kommt gerade im Hinblick auf die gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G zu bestellenden neun Mitglieder eine besondere Verantwortung hinsichtlich der Sicherstellung der Vorgaben des §20 Abs1 und 2 ORF-G bei der Zusammensetzung des Stiftungsrates zu.
Damit ist aber der Spielraum der Bundesregierung bei ihrer Entscheidung, welche – grundsätzlich persönlich und fachlich geeigneten – Personen sie gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 ORF-G als Mitglieder des Stiftungsrates bestellt, zu weit gezogen, weil der im Hinblick auf ArtI Abs2 BVG Rundfunk bedeutsame Pluralismusaspekt unterschiedlicher persönlicher und fachlicher Qualifikation leerlaufen kann. Derartige Bindungen sind aber gerade hinsichtlich der von der Bundesregierung aus eigenem, das heißt ohne weitere Bindung an Vorschläge, zu bestellenden Mitglieder besonders bedeutsam.
Vergleichbares gilt grundsätzlich auch für die Bestellung von sechs Mitgliedern des Stiftungsrates durch den Publikumsrat gemäß §20 Abs1 erster Satz Z4 ORF-G. Zwar ist für den Publikumsrat seine rundfunkverfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgarantie sowie in Rechnung zu stellen, dass eine von ihm vorgenommene Bestellung – anders als eine Bestellung durch die Bundesregierung oder die Länder – der Rechtskontrolle durch die KommAustria unterliegt. Weil aber obersten staatlichen Organen derzeit ein mit den rundfunkverfassungsrechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbarender Einfluss auf die Auswahl der Mitglieder des Publikumsrates zukommt, schlägt dies in Verbindung mit der auch für den Publikumsrat fehlenden weiteren gesetzlichen Determinierung seines Auswahlermessens gemäß §20 Abs1 erster Satz Z4 ORF-G auf die verfassungsrechtliche Beurteilung dieser Bestimmung durch.
Die Ziffern 3 und 4 des §20 Abs1 erster Satz ORF-G stellen nicht hinreichend sicher, dass Bundesregierung wie Publikumsrat bei ihrer Auswahlentscheidung für neun bzw sechs Mitglieder des Stiftungsrates den in §20 Abs1 letzter Satz ORF-G verankerten Pluralismusaspekten auch Rechnung tragen, sondern stellen diesbezüglich den bestellenden Organen die Auswahlentscheidung völlig frei. Damit verfehlt aber die Regelung des §20 Abs1 letzter Satz ORF-G ihre im Hinblick auf ArtI Abs2 BVG Rundfunk maßgebliche pluralismus- und damit auch unabhängigkeitssichernde Wirkung, weil eine, die unterschiedlichen allgemeinen persönlichen und fachlichen Anforderungen effektuierende Berücksichtigungsverpflichtung bei der Bestellung der einzelnen Mitglieder gemäß §20 Abs1 erster Satz Z3 und 4 ORF‑G fehlt. Dies wiegt angesichts der Aufgabe des Stiftungsrates als Aufsichtsorgan und seiner wesentlichen Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die inhaltliche Programmgestaltung des ORF schwer.
Publikumsrat — Verstoß gegen ArtI Abs2 BVG-Rundfunk:
Der Publikumsrat dient der "Wahrung der Interessen der Hörer und Seher". Grundgedanke der Regelung über die Bestellung seiner Mitglieder und seine Zusammensetzung ist die Repräsentation näher genannter gesellschaftlicher Bereiche bzw Gruppen durch eine möglichst breite Berücksichtigung repräsentativer gesellschaftlicher Einrichtungen und Organisationen. Das ORF-G folgt damit hinsichtlich des Publikumsrates dem Grundgedanken gesellschaftlicher Repräsentation.
Mitglieder des Publikumsrates sind bei der Ausübung ihrer Funktion an keine Weisungen und Aufträge gebunden. Ebenso bestehen wie für den Stiftungsrat entsprechende Verschwiegenheitsverpflichtungen und Unvereinbarkeitsbestimmungen.
Die Aufgaben des Publikumsrates sind wesentlich darauf ausgerichtet, die Interessen der "Hörer und Seher" in die einschlägigen Entscheidungsprozesse des ORF einzubringen. Dazu kommen ihm zum einen wesentliche Empfehlungs- bzw Vorschlagsrechte insbesondere hinsichtlich der Programmgestaltung zu. Weiteres dient diesem Grundgedanken die Bestellung von sechs Mitgliedern des Stiftungsrates durch den Publikumsrat. Schließlich ist der Publikumsrat auch über ein einschlägiges Anrufungsrecht der Regulierungsbehörde KommAustria dazu berufen, auf die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen im Lichte seiner Aufgaben zu achten. Eine wesentliche Funktion kommt dem Publikumsrat schließlich bei der Festlegung der Finanzierungsgrundlagen des ORF zu.
Gegen ein Modell gesellschaftlicher Repräsentation bei der Zusammensetzung des Publikumsrates bestehen rundfunkverfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Aufgaben des Publikumsrates grundsätzlich keine Bedenken. Fragen der Ausgestaltung dieses Grundgedankens sind vor dem Hintergrund der Bedenken nur insoweit zu beurteilen, als die Befugnisse des Bundeskanzlers im Hinblick auf die Bestellung 17 weiterer Mitglieder des Publikumsrates gemäß §28 Abs4 bis 6 ORF-G betroffen sind.
Der VfGH hält es auch unter rundfunkverfassungsrechtlichen Unabhängigkeitsvorgaben (weiterhin VfSlg 7593/1975) für verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber die Frage, welche Einrichtungen bzw Organisationen für bestimmte, gesetzlich umschriebene Bereiche bzw Gruppen repräsentativ sind, für die Zwecke der Bestellung der Mitglieder des Publikumsrates der Beurteilung durch das zuständige oberste Verwaltungsorgan des Bundes überlässt, solange gesetzlich Transparenz und eine Ausrichtung des Bestellungsverfahrens an seinen Zielsetzungen gewährleistet sind.
Der Bundeskanzler hat die aus seiner Sicht in Frage kommenden Einrichtungen und Organisationen, die im Hinblick auf die in §28 Abs4 ORF‑G genannten Bereiche bzw Gruppen repräsentativ und damit zur Erstattung von Vorschlägen berechtigt sind, durch Verlautbarung zur Erstattung von Dreier-Vorschlägen einzuladen und die eingelangten Vorschläge auch öffentlich bekanntzumachen. Weder ist gesetzlich aber vorgesehen, dass sich der Bundeskanzler für die in §28 Abs4 ORF‑G genannten Bereiche auf jeweils eine repräsentative Einrichtung bzw Organisation noch auf eine konkrete Zahl festzulegen hätte, wie viele Mitglieder er für jeden Bereich bzw Gruppe zu bestellen beabsichtigt. Das führt dazu, dass der Bundeskanzler in Kenntnis der jeweils vorgeschlagenen Personen eine nicht weiter bestimmte Auswahl aus mehreren Dreier-Vorschlägen je gesellschaftlich zu repräsentierendem Bereich bzw zu repräsentierender Gruppe treffen kann, solange er für jeden Bereich ein Mitglied bestellt und der Vorgabe des §28 Abs6 zweiter Satz ORF-G Rechnung trägt. Im Ergebnis kann der Bundeskanzler damit nicht nur zwischen unterschiedlichen Dreier-Vorschlägen je gesellschaftlich relevantem Bereich bzw je gesellschaftlich relevanter Gruppe, sondern auch für drei Mitglieder frei aus allen eingelangten Vorschlägen auswählen.
Damit ist aber die im Grundgedanken gesellschaftlicher Repräsentation wesentliche Rückbindung der Bestellung der Mitglieder des Publikumsrates an die gesetzlich als gesellschaftlich entsprechend relevant definierten Bereiche bzw Gruppen über repräsentative Einrichtungen bzw Organisationen nur mehr unzureichend gewährleistet, weil der Bundeskanzler diese Repräsentativität durch entsprechende Mehrfachnennungen von Einrichtungen bzw Organisationen bei freier Auswahl, ob und welche Vorschläge berücksichtigt werden, unterlaufen kann. Eine gesetzliche Regelung zur Bestellung der Mitglieder des Publikumsrates, die solches ermöglicht, verletzt die Vorgaben des ArtI Abs2 BVG Rundfunk im Hinblick auf die gebotene Pluralität und dadurch mitgesicherte Unabhängigkeit des Publikumsrates.
Gemäß §28 Abs3 ORF-G bestellen die dort genannten Einrichtungen insgesamt 13 Mitglieder des Publikumsrates. Der Bundeskanzler bestellt auf Grund von Vorschlägen der für die in §28 Abs4 ORF-G näher genannten Bereiche bzw Gruppen repräsentativen Einrichtungen bzw Organisationen insgesamt 17 Mitglieder. In dem grundsätzlich auf gesellschaftliche Repräsentation ausgerichteten Publikumsrat kommt damit den, wenn auch auf Grund einschlägiger Vorschläge, aber doch mit erheblichem Auswahlspielraum vom Bundeskanzler gemäß §28 Abs6 erster Satz ORF-G bestellten Mitgliedern ein durchaus deutliches Übergewicht gegenüber den unmittelbar von repräsentativen Einrichtungen gemäß §28 Abs3 ORF-G bestellten Mitgliedern zu.
Die Bundesregierung rechtfertigt diese Unterscheidung zwischen gesetzlich feststehenden Bestellungsrechten repräsentativer Einrichtungen und von einem staatlichen Organ auf Vorschlag entsprechend repräsentativer Einrichtungen bzw Organisationen aus einer Vielfalt gesellschaftlich relevanter Bereiche bzw Gruppen zu bestellenden Mitgliedern grundsätzlich zutreffend damit, dass die damit bewirkte Flexibilisierung im Dienste einer auch aktuell adäquaten Abbildung gesellschaftlicher Gruppen und Bereiche steht.
Dieser Grundgedanke rechtfertigt aber nicht, den unter erheblichem Auswahlspielraum von obersten staatlichen Organen bestellten Mitgliedern ein Übergewicht in der Zusammensetzung des Publikumsrates zukommen zu lassen. Im Hinblick auf die Unabhängigkeitsanforderungen des ArtI Abs2 BVG Rundfunk muss der Gesetzgeber die diesbezügliche Regelung so austarieren, dass der unmittelbare Einfluss gesetzlich festgelegter repräsentativer Einrichtungen sich jedenfalls im selben Ausmaß in der Zusammensetzung des Publikumsrates niederschlägt wie der eines obersten staatlichen Organs, das mit einem Auswahlspielraum aus Vorschlägen repräsentativer Einrichtungen bzw Organisationen Mitglieder dieses Leitungsorgans bestellt.
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