Den Anträgen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz auf Aufhebung der Worte "vorsätzlich oder grob fahrlässig" in § 1319 a Abs. 1 erster Satz ABGB wird keine Folge gegeben.
Regeln über die Haftung für den Zustand eines Weges waren dem ABGB vor Einführung des § 1319 a nicht ohne weiteres zu entnehmen. Die Annahme eines Verschuldens i. S. des § 1295 ABGB setzt nämlich den Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht des Verantwortlichen gegenüber dem Geschädigten voraus. Eine solche Pflicht hat die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zwar schon früher gelegentlich unterstellt (vgl. Posch, Marginalien zur Wegehaftung, JBl. 1977, 281 ff. mit weiteren Nachweisen) , aber erst in neuerer Zeit dahin näher ausgeführt, daß jeder für die Verkehrssicherheit zu sorgen habe, der auf einem ihm gehörigen oder sonst seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr für Menschen eröffnet (OGH JBl. 1964, 421; SZ 37/97; SZ 41/146 u. a.) . Wer eine Gefahrenquelle schaffe, habe die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung nach Tunlichkeit abzuwenden (OGH SZ 30/22) . Der Umfang dieser Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach den Verkehrsbedürfnissen und der Zumutbarkeit. In der Lehre wird dargelegt, daß Haftungsfolgen unter dem Gesichtspunkt der Verkehrseröffnung je nach den beteiligten Interessen in abgestufter Weise eintreten müssen: Während sich aus vorvertraglichem Kontakt sehr weitgehende, der Haftung für Vertragsverletzung angenäherte Pflichten ergäben ("culpa in contrahendo") , ziehe die bloße Verkehrseröffnung zwecks Anbahnung geschäftlichen Kontaktes (in Warenhäusern oder Gastbetrieben) bereits eingeschränktere Pflichten nach sich und verpflichte die Verkehrseröffnung aus gesellschaftlichem - privatem oder allgemeinem - Interesse wieder deutlich schwächer, während schließlich eine Gestattung der Benützung im alleinigen Interesse des Verkehrsteilnehmers nur noch ganz geringe Anforderungen, wie etwa Warnpflichten auslöse (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II 54 ff. mit weiteren Nachweisen, und Posch, aaO 287 ff.) . Soweit nach diesen Grundsätzen eine Verpflichtung anzunehmen ist, tritt freilich die Haftung des {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1295, § 1295 ABGB} immer schon bei leichtem Verschulden ein. Unterschiede im Sicherungsbedürfnis und der Zumutbarkeit schlagen sich bereits in unterschiedlichen Anforderungen an den Verantwortlichen nieder.
Vor dem geschilderten Hintergrund erweist sich der zu prüfende erste Satz des § 1319 a Abs. 1 ABGB als der deutliche Ausspruch einer sonst nur schwer aus dem Gesetz ableitbaren Verpflichtung des Wegerhalters, verbunden mit einer den Besonderheiten dieses Sachbereiches Rechnung tragenden Begrenzung der Folgen. Eine solche Regelung entbehrt nicht der Grundlage in tatsächlichen Unterschieden.
a) Der Gesetzgeber ging offenkundig davon aus, daß die - ihm notwendig und wünschenswert erscheinende - Herstellung und Erhaltung von Wegen für die allgemeine Benützung nicht die Haftung für jeden vermeidbaren Schadenseintritt zur Folge haben soll. Der im Zuge der parlamentarischen Beratungen über das Forstgesetz 1975 gemäß § 19 des Geschäftsordnungsgesetzes im Ausschuß des Nationalrates eingebrachte und von diesem wörtlich aufgegriffene Antrag (1678 BlgNR, 13. GP, 6) führt dazu in der Begründung nach einem einleitenden Hinweis auf § 5 des Bundesstraßengesetzes 1971 und die entsprechenden Vorschriften der Landesstraßenverwaltungsgesetze aus: "Dem Vorbild der geltenden einschlägigen Haftungsbestimmungen folgend, schränkt der § 1319 a die Haftung auf grobes Verschulden ein. Diese Haftungsbeschränkung ist nicht nur durch die rechtsgeschichtliche Entwicklung (vgl. den § 8 BStG 1921 und den § 11 BStG 1948) begründet, sondern auch durch die sich aus der Zulässigkeit der allgemeinen Benützung eines Weges und die erweiterte Haftung für Gehilfen ergebende Vermehrung des Haftungswagnisses des Verantwortlichen gerechtfertigt." Ein solches Bestreben nach Haftungsbegrenzung findet in der von der Lehre erkannten (wenngleich im einzelnen verschieden bewerteten) besonderen Interessenlage in bezug auf allgemein zugängliche Wege eine zureichende Rechtfertigung. Schon die Gesichtspunkte der Unentgeltlichkeit und Interessenneutralität der Verkehrseröffnung tragen eine Milderung der Haftung (vgl. Posch, aaO 287) . Ob und auf welche Weise der Anwendungsbereich der Regelung auf diese typischen Fälle einschränkt oder dem Bedürfnis nach angemessener Berücksichtigung abweichender Interessenlagen sonst Rechnung getragen werden kann, hat der VfGH nicht zu prüfen; dies zu beurteilen ist Sache der ordentlichen Gerichte.
b) Dem Gesetzgeber steht es aber auch frei, die für geboten erachtete Haftungsbegrenzung statt (nur) über eine begrenzte Anordnung von zivilrechtlichen Verhaltenspflichten (auch) auf der Ebene des Verschuldens vorzusehen. Dem antragstellenden Gericht ist zwar zuzugeben, daß in der ganz überwiegenden Zahl der Schadensfälle gemäß § 1295 ABGB für jedes Verschulden gehaftet wird und Haftungsbeschränkungen der vorliegenden Art dem österreichischen Recht im allgemeinen fremd sind. Die von der Bundesregierung ins Treffen geführten Vorschriften insbesondere arbeitsrechtlichen, dienstrechtlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Inhaltes stehen einem Vergleich der angefochtenen Bestimmung mit {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1295, § 1295 ABGB} nicht im Wege. Daß die schuldhafte Verletzung einer bestehenden Pflicht nicht ohne weiteres schadenersatzpflichtig machen soll, ist gewiß eine davon abweichende Regelung, die einer besonderen Begründung bedarf.
Ist aber eine im Verhältnis zu anderen Interessenlagen weniger weit reichende Haftung wegen der Besonderheit der Wegeöffnung - wie dargelegt - an sich gerechtfertigt, so darf doch offenkundig die Pflicht weiter gehen als die Haftung. Das Gesetz kann also die Anforderungen an das Maß der Sorgfalt zunächst vergleichsweise höher stellen, den Schadenersatzanspruch aber erst bei Verletzung herabgesetzter Erwartungen geben, um so die gewünschte Abstufung der Haftung zu erreichen. Nichts anderes geht aus dem Wortlaut des Gesetzes und der Zielsetzung des Gesetzgebers hervor. Zunächst bemißt der letzte Satz des § 1319 a Abs. 2 ABGB den Umfang der Sorgfaltspflicht bis zur Grenze der Zumutbarkeit nur nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung. Auch die in den Materialien (Ausschußbericht 7) enthaltenen Erwägungen zum Verschuldensmaßstab lassen keine Bedachtnahme auf das Bedürfnis nach Haftungserleichterung erkennen, wenn sie ausführen: "Bei der Beurteilung des Verschuldens sind neben den allgemeinen Erkenntnissen (vgl. den {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1297, § 1297 ABGB} ...) die besonderen Anforderungen an Sachkenntnis und Sorgfalt i. S. des {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1299, § 1299 ABGB} und vor allem die in den Straßenverwaltungsvorschriften enthaltenen Bestimmungen über das Ausmaß der Instandsetzungspflicht heranzuziehen. Diese Bestimmungen sind Schutznormen i. S. des {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1311, § 1311 ABGB}." Der Gesetzgeber ist also davon ausgegangen, daß die in anderem Zusammenhang festgelegten Aufgaben des Wegerhalters und die sich schon aus der Widmung ergebenden Anforderungen an die Anlage und Betreuung ohne weiteres auch das Maß der Pflichten gegenüber dem Benützer festlegen. Er hat darüber hinaus schlechthin die Haftung des Halters für seine Leute angeordnet und damit eine erhebliche Verschärfung der Haftung für Gehilfen bewirkt. Auch in dieser Richtung werden nur die Interessen der Geschädigten berücksichtigt. Dazu ist im Antrag (Ausschußbericht 6) ausgeführt: "Nach dem Gesetzentwurf haftet der Verantwortliche aber auch für das Verschulden seiner Leute. Das Wesen der Aufgabe der Straßenerhaltung und der Straßenverwaltung macht es fast immer notwendig, daß sich ihre Träger zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Arbeit von Gehilfen bedienen müssen. Der § 1319 a sieht demnach eine Erweiterung der Bestimmungen über die Gehilfenhaftung (vgl. etwa die §§ 1313 a bis 1315 ABGB) vor." Den für angemessen erachteten Haftungsmaßstab hat der Gesetzgeber mithin im wesentlichen erst durch die Einschränkungen im Bereich des subjektiven Haftungselementes verwirklicht. Zugleich hat er so der angeordneten Haftungsverschärfung Rechnung getragen und deren Wirkung in einer Weise gemildert, die entsprechende Differenzierungen zumindest ermöglicht. Der VfGH kann nicht finden, daß diese Haftungsregelung insgesamt unsachlich wäre.
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