Die Disziplinarbehörde für Rechtsanwälte wäre zur Fällung eines Schuldspruches nicht zuständig, wenn sie den Betroffenen, sei es in der ersten, sei es in der zweiten Instanz, wegen einer Tat bestrafen würde, die ihm nicht zur Last gelegt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn erst im Berufungsverfahren ein neuer Anschuldigungspunkt erhoben wird. In diesem Falle wäre der Betroffene um eine Instanz verkürzt.
Das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter enthält keine konkreten Übertretungstatbestände, sondern hat im § 2 bei der Umschreibung der Disziplinartatbestände unbestimmte Begriffe verwendet. Diese Regelung hat zur Folge, daß in dem gemäß {Disziplinarstatut 1990 § 29, § 29 Abs. 3 DSt} vom Untersuchungskommissär zu stellenden Antrage sowie in dem vom Disziplinarrat auf Grund des Antrages zu fassenden Beschluß, ob Grund zu einer Disziplinarverhandlung gegen den Beschuldigten vorhanden ist, die Anschuldigungspunkte konkret zu umschreiben sind. Dies ergibt sich aus § 33 Abs. 1 des Statutes, nach welchem der Beschuldigte "unter Bekanntgabe der Anschuldigungspunkte" vorzuladen ist. Gemäß § 39 Abs. 1 muß der Beschuldigte durch das Erk. entweder "von dem ihm zur Last gelegten Disziplinarvergehen" freigesprochen oder desselben schuldig erklärt werden. Dies bedeutet, daß über eine Tat, die im Einleitungsbeschluß nicht als Anschuldigungspunkt angeführt wurde, die Disziplinarkommission nicht urteilen soll.
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