Nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 3 B-VG} geht in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens, wenn die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war, die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das sachlich zuständige BM über.
In Ausführung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 3 B-VG} ist das Bundesgesetz vom 12. März 1926, BGBl. Nr. 62, ergangen. Die Frist, innerhalb der eine Partei das Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit an das sachlich zuständige BM stellen kann, wird darin mit zwei Wochen festgesetzt.
Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des nach Art. 12 Abs. 3 B-VG in Betracht kommenden, also die Angelegenheit erledigenden Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Das rechtzeitig eingebrachte Parteiverlangen hat aufschiebende Wirkung, doch kann das BM die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die sofortige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge dringend geboten ist. Abs. 3 des Art. 12 wurde dem B-VG durch die Bundes-Verfassungsnovelle BGBl. Nr. 268/1925 eingefügt, durch welche die Kompetenzartikel des B-VG in Wirksamkeit gesetzt wurden. Der Zusammenhang dieser Verfassungsbestimmung mit der Kompetenzregelung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 7 B-VG} läßt die Annahme zu, daß die Bestimmung des Art. 12 Abs. 3 B-VG eine Sicherung der Vollziehung eines vom Bunde erlassenen Grundsatzgesetzes zum Zweck hat. Eine solche Funktion ist nun dort nicht gegeben, wo die Länder auf Grund des § 3 Abs. 2 Übergangsgesetz 1920 oder seiner analogen Anwendung (vgl. P. I dieses Beschlusses) die Materie des Elektrizitätswesens frei geregelt haben. Es erhebt sich daher die Frage, ob auch dann, wenn keinerlei Berührung mit einem Bundesgrundsatzgesetz besteht, Art. 12 Abs. 3 B-VG anwendbar ist. Der VfGH bejaht die Anwendbarkeit, weil im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 3 B-VG} nicht zum Ausdruck gebracht wird, daß diese Regelung nur für die Fälle des Bestehens von Landesausführungsgesetzen neben einem Bundesgrundsatzgesetz gilt. {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 Abs. 1 B-VG} spricht zwar nur von einer Erschöpfung des Instanzenzuges, doch wird man nicht fehlgehen, darunter die Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zu verstehen, von dem § 82 Abs. 1 VerfGG 1953 spricht, überdies auch {Bundes-Verfassungsgesetz Art 103, Art. 103 Abs. 4 B-VG}. Mit dem Begriff eines Instanzenzuges ist die Vorstellung von Überordnungsverhältnissen und Unterordnungsverhältnissen von Verwaltungsbehörden verbunden, ebenso die eines Rechtsmittels, mit dem von einer oberen Instanz die Abänderung (Aufhebung) eines von einer Unterbehörde erlassenen Bescheides begehrt wird.
Bei der Regelung des Art. 12 Abs. 3 B-VG handelt es sich nicht um einen Instanzenzug dieser Art. Die Landesregierung als höchstes Gliedstaatsorgan ist im System des Bundesstaates ({Bundes-Verfassungsgesetz Art 2, Art. 2 B-VG}) keine Unterbehörde der höchsten Verwaltungsorgane des Bundes. Es liegt der Fall einer Devolvierungskompetenz des Bundes vor. Den Übergang der Zuständigkeit von der Landesregierung an das sachlich zuständige BM bewirkt allein schon ein rechtzeitig gestellter Parteiantrag. Bei der Beurteilung der Frage, ob gegen einen von einer Landesregierung in einer Angelegenheit des Elektrizitätswesens erlassenen Bescheid ohne Gebrauchnahme von der Möglichkeit des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 3 B-VG} die VfGH-Beschwerde zulässig ist, darf jedoch nicht übersehen werden, daß sich ein Devolutionsantrag nach Zweck und Ergebnis nicht von einem ordentlichen Rechtsmittel unterscheidet. Die Entscheidung des zuständigen BM wird eine Partei nur dann begehren, wenn sie eine Änderung der Entscheidung der Landesregierung anstrebt.
Dies ist auch der Zweck eines ordentlichen Rechtsmittels. Ein Devolutionsantrag, der in gleicher Weise befristet ist wie eine Berufung, hat ebenso wie diese eine aufschiebende Wirkung, die nur aus den Gründen, wie sie auch {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 64, § 64 Abs. 2 AVG} nennt, ausgeschlossen werden kann. Eine Bestimmung, die einer Behörde die Zuständigkeit gibt, in der Sache selbst zu entscheiden und sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle einer anderen Behörde zu setzen und demgemäß den Bescheid der anderen Stelle nach jeder Richtung abzuändern (so {Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz § 66, § 66 Abs. 4 AVG}) , unterscheidet sich im Ergebnis nicht von der Befugnis, die von Art. 12 Abs. 3 B-VG dem sachlich zuständigen BM eingeräumt wird, denn die von ihm getroffene Entscheidung setzt den bisher gefällten Bescheid der Landesbehörde außer Kraft. Die Vorschrift des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 144, Art. 144 Abs. 1 B-VG} über die Erschöpfung des Instanzenzuges bringt den Gedanken zum Ausdruck, daß die Anrufung des VfGH so lange unzulässig ist, als noch gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde eine andere Verwaltungsbehörde angerufen werden kann. Dies zwingt dazu, die Regelung des Art. 12 Abs. 3 B-VG, mag sie auch als Fall einer Devolution konstruiert sein, einem administrativen Instanzenzug gleichzuachten. Wollte man die Regelung des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 3 B-VG} nicht einer Regelung des administrativen Instanzenzuges gleichstellen, so läge es in der Hand der Partei zu bestimmen, wo der Instanzenzug sein Ende findet, entweder bei dem Bescheid der Landesregierung oder beim Bescheid des sachlich zuständigen BM. Ein solches Ergebnis ist abzulehnen, denn das Vorliegen der Prozeßvoraussetzung des erschöpften Instanzenzuges ist nur nach der objektiven Rechtslage zu ermitteln und von der subjektiven Entschließung der Partei unabhängig.
Die im {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 Abs. 1 Z 7 B-VG} umschriebene Materie ist im Bundesland Kärnten gegenwärtig durch ein Landesgesetz, das Elektrizitätsgesetz 1952, LGBl. für Krnt. Nr. 7/1953, geregelt. Die Kompetenz zur Regelung dieser Materie durch den Landesgesetzgeber beruht auf dem § 3 Abs. 2 des ÜG i. d. F. des B-VG vom 7. Dezember 1929, BGBl. Nr. 393, der auf den vom Verfassungsgesetz vom 12. Oktober 1945, StGBl. Nr. 196, mit 21. Oktober 1945 bewirkten Verfassungsübergang (Wirksamkeitsbeginn der Zuständigkeitsverteilung des B-VG i. d. F. von 1929 in der Gesetzgebung) analog anzuwenden ist (VfGH Slg. 2148/1951, 3200/1957) . Mit dem Ablauf des 20. Oktober 1948 erlosch die Wirksamkeit der die genannte Materie regelnden reichsdeutschen Vorschriften, und die Landesgesetzgeber konnten seit 21. Oktober 1948 die Angelegenheit (im Umfang der früheren reichsdeutschen Vorschriften - vgl. Erk. Slg. 4570/1963) frei regeln, solange nicht der Bund von dem ihm nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 12, Art. 12 B-VG} zustehenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch macht. Da dies bis heute nicht geschehen ist, war das Bundesland Krnt. zur Erlassung des ElektrizitätsG 1952 und zu seiner Vollziehung zuständig.
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