§ 17 a Abs. 1 erster Satz und Abs. 3 erster Satz Wr. Bauordnung werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Es fehlt jede verfassungsgesetzliche Handhabe dafür, Naturalabgaben, die durch die Übereignung von Grundflächen zu erbringen sind, einem anderen Kompetenztatbestand des B-VG als dem der Enteignung (Art. 10 Abs. 1 Z 6, Art. 15 Abs. 1) zuzuordnen.
Eine Norm, die die zwangsweise Entziehung des Eigentums individuell zu bezeichnender Personen an einer bestimmten Grundfläche zugunsten einer namentlich genannten Gebietskörperschaft vorschreibt, ist jedenfalls als eine Enteignungsbestimmung anzusehen, was nicht ausschließt, daß auch noch andere Maßnahmen unter den Enteignungstatbestand fallen. Ausnahmen davon könnte es nur insoweit geben, als sie aus der Verfassung ableitbar wären.
Ist die vorgeschriebene Leistung eine öffentliche Abgabe i. S. des F-VG, so liegt keine Enteignung vor, denn der Begriff "öffentliche Abgaben" ("Abgabenwesen") wird in den Kompetenzartikeln des B-VG neben dem Begriff "Enteignung" verwendet. Es handelt sich demnach um verschiedene Materien i. S. der Kompetenzbestimmungen und in weiterer Folge daher um verschiedene Zuständigkeiten zur gesetzlichen Regelung und Vollziehung dieser Materien.
Naturalleistungen sind keine Abgaben.
Es gibt keine verfassungsgesetzliche Regelung, die es bewirken würde, daß der Zwang zur Erbringung von Anliegerleistungen, die in Grundabtretungen bestehen, nicht als Enteignung i. S. der Kompetenzartikel des B-VG zu gelten hat.
Die Verpflichtung individuell zu bezeichnender Personen zur Abtretung von Grundflächen an eine bestimmte Gebietskörperschaft war stets, auch schon vor dem 1. Oktober 1925, unter den Enteignungsbegriff des {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 365, § 365 ABGB} und damit auch des Art. 5 zweiter Satz StGG (Art. 5 erster Satz StGG gilt sowohl für Eigentumsbeschränkungen als auch für Enteignungen) zu subsumieren. Sie konnte niemals als eine bloße Eigentumsbeschränkung i. S. des {Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 364, § 364 ABGB} angesehen werden. Daher war es auch stets ohne Einfluß auf den Charakter einer solchen Grundabtretungsverpflichtung als Enteignung, in welchem Zusammenhang die diesbezügliche Regelung getroffen wurde.
Weder der Bundesgesetzgeber noch der Landesgesetzgeber hat durch das B-VG eine Zuständigkeit eingeräumt erhalten, die es ermöglichen würde, eine Enteignung einzurichten, ohne dabei den Zweck der Enteignung so weit vorzuschreiben, daß dadurch die betreffenden " Angelegenheiten" bezeichnet sind.
Eine gesetzliche Bestimmung zu erlassen, die eine Enteignung "für öffentliche Zwecke" schlechthin vorsieht, ist weder der Bundesgesetzgeber noch der Landesgesetzgeber zuständig.
Im Enteignungsbegriff (Art. 5 zweiter Satz StGG) liegt die Forderung, daß eine Enteignung nur erfolgen darf, wenn sie durch das allgemeine Beste gerechtfertigt, also durch das öffentliche Interesse geboten ist. Der Gesetzgeber darf somit eine Enteignung nur dann vorsehen, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. Es muß demnach ein konkreter Bedarf vorliegen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, es muß weiters das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet sein, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es muß schließlich unmöglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Nur dann liegt eine Notwendigkeit im oben umschriebenen Sinn vor. Verfassungsrechtlich unzulässig ist es also, durch Gesetz Maßnahmen zu schaffen, die eine Enteignung ermöglichen, ohne daß ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen unmittelbare Deckung durch die enteignete Sache im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
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