Die Bezeichnung "Verordnung" ist für die Frage, ob es sich im konkreten Fall um eine Verordnung oder um ein Gesetz handelt, noch nicht allein entscheidend.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine aus einer älteren verfassungsrechtlichen Ordnung übernommene Norm nach der heutigen Lage als Gesetz oder Verordnung anzusehen ist, ist allein maßgebend, ob diese Norm nach der heute gegebenen verfassungsrechtlichen Ordnung nur durch Gesetz oder durch Verordnung aufgehoben oder abgeändert werden könnte.
Eine Aufhebung nach {Rechtsüberleitungsgesetz § 1, § 1 R-ÜG} ergibt sich nicht aus dem formalen Charakter der betreffenden Vorschriften, sondern aus deren materiellen Inhalt. Nicht wer die Vorschrift erlassen hat und ob eine solche Erlassung unseren Rechtsauffassungen entspricht, sondern was die Vorschrift materiell enthält, also ihr Inhalt, ist für die Anwendung des R-ÜG ausschlaggebend.
Wenn {Rechtsüberleitungsgesetz § 2, § 2 R-ÜG} die dort näher bezeichneten deutschen Rechtsvorschriften bis zur Neugestaltung der einzelnen Rechtsgebiete als österreichische Rechtsvorschriften in vorläufige Geltung setzt, so liegt hierin nicht nur eine materiellrechtliche Inkraftsetzung, sondern auch eine formelle Transformation durch Einordnung solcher Rechtsvorschriften je nach deren inhaltlichen Normierung in den Stufenbau der österreichischen Rechtsetzung i. S. der österreichischen Bundesverfassung als Verfassungsgesetze, Gesetze oder Verordnungen. Normen, die nach österreichischem Recht nur durch eine gesetzliche Anordnung getroffen werden können, haben - mag immerhin diese Regelung zur Zeit ihrer Erlassung im Geltungsgebiet des Deutschen Reiches als Verordnung möglich gewesen sein - nach ihrer Rezipierung eben als Gesetze zu gelten.
Das R-ÜG enthält im § 1, wie aus dessen Wortlaut klar zu ersehen ist, keineswegs einen Pleonasmus, sondern es verfügt, daß die Gesetze und Verordnungen sowie einzelne Bestimmungen in solchen Rechtsvorschriften, die einen näher bestimmten Inhalt aufweisen, aufgehoben werden, also je nach Lage des Falles das ganze Gesetz oder die ganze Verordnung, wenn der ganze Inhalt ein widersprechender ist, oder wenn dies nur bei einzelnen Bestimmungen dieser Vorschriften der Fall ist, dann eben nur diese einzelnen Bestimmungen.
Die Regierungserklärung (StGBl. Nr. 3/1945) ist kein Gesetz. Sie hat im Abs. 17 nicht eine Aufhebung gewisser Vorschriften verfügt, sondern diese Aufhebung sowie die Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Grundrechte in Aussicht gestellt.
Ob und inwieweit Verordnungsbestimmungen durch später erlassene Vorschriften derogiert worden sind, darüber hat der VfGH - wie jedes andere Gericht und jede Verwaltungsbehörde - nur incidenter abzusprechen, wenn es für die Entscheidung eines konkreten Falles als Vorfrage in Betracht kommt, nicht aber als Hauptfrage, losgelöst vom konkreten Fall unter dem Titel des {Bundes-Verfassungsgesetz Art 139, Art. 139 B-VG}.
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