Aufhebung der Wortfolge "als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre" in §11 Abs1 Z1 des BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekGG), BGBl I 19/1998.
Verstoß der Regelung gegen das Recht nach Art9 iVm Art14 EMRK auf Nichtdiskriminierung im Bereich der Religionsausübung.
Keine Rechtfertigung dafür, dass das Gesetz für eine Anerkennung über das Erfordernis des Bestandes als Bekenntnisgemeinschaft hinaus das zwanzigjährige Bestehen als Religionsgemeinschaft fordert.
Längerer Beobachtungszeitraum nicht nachvollziehbar, wenn die Kultusbehörde bereits in einem Verfahren nach dem BekGG mit positivem Ausgang geprüft hat, ob die Statuten der Bekenntnisgemeinschaft dem §4 BekGG entsprechen; darüber hinaus Überprüfung bereits im Verfahren nach dem BekGG, ob der Erwerb der Rechtspersönlichkeit aus einem der in §5 Abs1 Z1 BekGG genannten Gründe zu versagen ist.
Gewisser Grad an Organisation und Struktur für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft erforderlich. Die Entscheidung über die (Dauer der) Vorbereitung einer Bekenntnisgemeinschaft auf den Status und die Aufgaben einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft ist Sache der Bekenntnisgemeinschaft, solange sie die Voraussetzungen des §11 Abs1 Z2 und Z3 BekGG erfüllt.
Versuch einer verfassungskonformen Interpretation, die das Erfordernis des Bestandes als "Religionsgemeinschaft" auf einen mehr oder weniger losen Zusammenschluss von Anhängern einer Glaubenslehre reduziert, nicht zielführend. Abgesehen davon, dass der Begriff des "Bestandes" ein Minimum an Verfasstheit voraussetzt, sind über das bloße Bestehen der religiösen Gruppierung hinausgehende Anforderungen zu stellen.
Das Erfordernis eines zehnjährigen Bestandes als Bekenntnisgemeinschaft ist nach der Rechtsprechung des EGMR nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt. Die Bestimmung lässt aber keinen Raum für die Berücksichtigung solcher Umstände, die das Absehen von diesem Erfordernis zuließen.
Wahrung der in §5 Abs1 Z1 BekGG angeführten öffentlichen Interessen als eine Voraussetzung für den Erwerb der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft.
Der Zweck des Erfordernisses der Bestandsdauer von zehn Jahren als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, das dauerhafte Vorliegen der in §11 Abs1 Z3 bis 5 BekGG genannten Bedingungen sicherzustellen, kann daher nicht als ausreichende sachliche Rechtfertigung dieser Voraussetzung angesehen werden, zumal eine Überprüfung des dauernden Bestandes (zumindest einer Gemeinde) der Religionsgemeinschaft ohnehin schon bisher in §1 Z2 AnerkennungsG gefordert ist.
Keine Aufrechterhaltung der Rechtsprechung im Erk VfSlg 16102/2001 (keine Bedenken gegen eine zehnjährige Beobachtungsphase) vor dem Hintergrund der Entscheidung des EGMR vom 31.07.08, Fall Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ua, Appl 40825/98.
Verfassungskonforme Interpretation auch in Bezug auf die Zehn-Jahres-Frist nicht möglich. Eine Bekenntnisgemeinschaft kann nur als eine "Vereinigung von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt ist", (§1 BekGG) angesehen werden, die Rechtspersönlichkeit nach dem Bekenntnisgemeinschaftengesetz erlangt hat (§2 BekGG). Auch insoweit kein Raum für Ausnahmen bei Vorliegen bestimmter außergewöhnlicher Umstände.
Die festgestellte Verfassungswidrigkeit liegt nicht in der Voraussetzung des Bestandes als religiöse Bekenntnisgemeinschaft an sich, sondern (lediglich) in den darin festgesetzten Fristen von zwanzig bzw zehn Jahren. Aufhebung der genannten Wortfolge daher ausreichend. Im Übrigen keine Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmung.
Fristsetzung, um dem Bundesgesetzgeber die Schaffung einer verfassungskonformen Regelung zu ermöglichen. Dem steht nicht entgegen, dass für die Dauer der Frist eine zur EMRK in Widerspruch stehende Regelung in Geltung bleibt. Es ist mit den Garantien der EMRK vereinbar, wenn eine für konventionswidrig befundene gesetzliche Regelung für eine Übergangszeit in Kraft bleibt, weil der VfGH dem Gesetzgeber eine Frist für die Erlassung einer Neuregelung eingeräumt hat.
Anlassfälle B1223/09 und B1581/09, beide E v 25.09.10: Abweisung der Beschwerden gegen die auch auf §11 Abs1 Z2 BekGG gestützte Versagung der Anerkennung als Religionsgesellschaft.
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