Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Heindl und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 156 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über den Einspruch des Genannten gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 23. Juni 2025, AZ **, GZ ** 47 des Landesgerichts für Strafsachen Wien, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Einspruch wird abgewiesen .
Die Anklageschrift ist rechtswirksam.
Begründung:
Mit obgenannter Anklageschrift (ON 47) legt die Staatsanwaltschaft Wien dem am ** geborenen kroatischen Staatsangehörigen A* das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (I./), das Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1 und 5 Z 4 StGB (II./) sowie das Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 StGB (III./) zur Last.
Konkret soll A* im Zeitraum Mai 2023 bis November 2023 in ** als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der B* GmbH bzw als Dienstgeber
I./ als Schuldner mehrerer Gläubiger Bestandteile des Vermögens der genannten Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert haben, indem er
1./ Gelder vom Geschäftskonto der B* GmbH bei der C* (IBAN **) auf sein privates Konto überwies und zu privaten Zwecken verwendete, und zwar saldiert zumindest EUR 85.690, ;
2./ den PKW ** (FIN: **) um zumindest EUR 5.000, an D* verkaufte und zumindest EUR 1.000, aus dem Verkaufserlös einbehielt;
II./ grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der B* GmbH dadurch herbeigeführt haben, dass er kridaträchtig handelte, wodurch er einen nicht mehr feststellbaren, EUR 1.000.000,-- jedenfalls nicht übersteigenden Befriedigungsausfall der Gläubiger bewirkte, indem er entgegen den Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterließ;
III./ Beiträge seiner Dienstnehmer zur Sozialversicherung in Höhe von EUR 15.914,43 einbehalten und dem berechtigten Sozialversicherungsträger, nämlich der ÖGK, vorenthalten haben.
Gegen diese Anklageschrift richtet sich der (im Zweifel [Schreiben undatiert; Poststempel unleserlich]) rechtzeitige, aus den Gründen des § 212 Z 2 und 3 (nominell auch Z 4) StPO erhobene Einspruch des A* (ON 49; Übersetzung ON 52.1), mit dem er in Übereinstimmung mit seiner Verantwortung anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung (ON 21.5, Übersetzung ON 30.2) zusammengefasst vorbringt, er sei selbst Opfer einer Straftat geworden, indem ihn die Brüder E* und F* als Strohgeschäftsführer bei der B* GmbH eingesetzt hätten, ihn aber von jeglicher Information und allen Unterlagen des Unternehmens abgeschnitten hätten und sämtliches Geld, das er vom Geschäftskonto abgehoben habe, im unmittelbaren Anschluss einkassiert hätten. Als er sich gegen diese Vorgehensweisen zur Wehr setzen habe wollen, sei er von diesen Brüdern mit dem Tod bedroht worden.
Dem Einspruch kommt keine Berechtigung zu.
Im Einspruchsverfahren ist neben der Prüfungob Rechtsfragen durch die Anklagebehörde richtig gelöst wurden, nämlich ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat mit gerichtlicher Strafe bedroht ist und kein sonstiger prozessualer Grund vorliegt, der eine Verurteilung ausschließt (§ 212 Z 1 StPO), ob die Anklageschrift an wesentlichen formellen Mängeln leidet (§ 212 Z 4 iVm § 211 StPO), ob die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts besteht (§ 212 Z 5 und 6 StPO), ob der nach dem Gesetz erforderliche Antrag eines hiezu Berechtigten vorliegt (§ 212 Z 7 StPO) und ob die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Unrecht nachträglich gemäß § 205 Abs 2 StPO oder nach § 38 Abs 1 oder 1a SMG fortgesetzt hat (§ 212 Z 8 StPO)zum Tatverdacht zu prüfen, ob genügend Gründe vorhanden sind, den Angeklagten der ihm angelasteten Straftat für verdächtig zu halten, und ob der Sachverhalt für eine Anklageerhebung hinreichend geklärt ist (§ 212 Z 2 und 3 StPO), sohin ob die Anklageschrift den im Verfahren entscheidungswesentlichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit den Erhebungsergebnissen zur Darstellung bringt und ob die aus den objektiven Unterlagen gezogenen Schlüsse der Anklagebehörde und die daran geknüpften Darlegungen zur objektiven und subjektiven Tatseite denkrichtig und möglich sind oder ob der Einspruchswerber Umstände aufzeigt, die zu einem logisch nicht lösbaren Widerspruch führen.
Mit seiner Begründung darf das Oberlandesgericht der Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache jedenfalls nicht vorgreifen (§ 215 Abs 5 StPO).
Wie die Oberstaatsanwaltschaft Wien in ihrer Stellungnahme vom 5. August 2025 zutreffend ausführt, liegen gegenständlich sämtliche für die Erhebung der Anklage gegen A* erforderlichen Voraussetzungen vor.
Zur Dringlichkeit und zum Gewicht des Tatverdachts kann zunächst auf die Begründung der Anklageschrift (ON 47, 3 ff) verwiesen werden, in der die vom LKA ** zu GZ ** aus Anlass der Sachverhaltsdarstellung des Insolvenzverwalters der B* GmbH Dr. G* samt Beilagen (ON 2) umfangreich zusammengetragenen Ermittlungsergebnisse zur Darstellung gebracht wurden. Die Vielzahl an belastenden Umständen, allen voran die Angaben der vernommenen Zeugen (ON 7.6 [H*]; ON 7.8 [I*]; ON 7.9 [J*]; ON 7.11 [K*]; ON 7.13 [L*]; ON 33.6 [E*]; ON 33.7 [F*]; ON 33.8 [M*]), die Ergebnisse der Auskünfte über Bankkonten und Bankgeschäfte (ON 38.2, 4; ON 39.2; ON 39.5; ON 42; ON 45.2, 2; ON 45.8) sowie die Auskünfte der österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) (ON 7.4; ON 7.5) im Zusammenhalt mit den Aussagen der vormaligen Beschuldigten E* und F* (ON 33.6 und ON 33.7), legen den (zumindest einfachen) Verdacht nahe, der Angeklagte habe die ihm zur Last gelegten Taten in objektiver und in subjektiver Hinsicht begangen.
Dass A* im Tatzeitraum Alleingesellschafter und Geschäftsführer der B* GmbH war, bestreitet dieser selbst nicht und deckt sich im Übrigen auch mit dem Firmenbuchauszug ON 2.4.
Seine Beteuerung, gegen seinen Willen von den sämtlichen Unternehmensinterna völlig ausgeschlossen gewesen zu sein und keinen einzigen Arbeitnehmer kennengelernt zu haben (ON 30.2, 14; ON 52.1, 2), widerspricht den Zeugenaussagen etwa des H* (ON 7.6) sowie des I* (ON 7.8), die übereinstimmend angaben, dass für sie A* der Firmenchef gewesen sei und sie ihn auch ab und an auf Baustellen getroffen hätten. I* gab darüber hinaus an, dass die Arbeiter von A* die Anmeldung zur BUAK und ÖGK erhalten hätten (ON 7.8, 5) und A* ihnen die Arbeit erklärt sowie ihre Arbeitsleistungen auf den Baustellen auch immer wieder kontrolliert habe, A* sei der „Vorgesetzte“ gewesen (ON 7.8, 6). Der frühere Firmeninhaber K* sagte aus, dass er sein Unternehmen an den Angeklagten verkauft habe, dieser habe auf ihn einen sehr seriösen und im Bereich Baugewerbe kompetenten Eindruck gemacht (ON 7.11). Auch J* etwa deponierte bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme, dass A* die Firma von K* übernommen und ihm gegenüber als Arbeitgeber aufgetreten sei, indem er ihm erklärt habe, dass die Auftragslage derzeit schlecht sei, er aber Arbeit suchen würde, damit das Gehalt nachträglich wieder ausgezahlt werden könne (ON 7.9, 4).
Die vom Angeklagten belasteten Brüder E* und F*, die so der Angeklagte ihn nur als Strohmann eingesetzt, gegen seinen mehrmaligen Protest gezielt von allen Informationen abgeschnitten und ihn letztlich mit dem Tod bedroht hätten, wiesen diese Anschuldigungen übereinstimmend als „frei erfunden“ von sich. Sie hätten den Angeklagten über K* kennengelernt und mit ihm über die Gründung einer Baufirma in Deutschland gesprochen, wozu es jedoch nie gekommen sei. A* habe vielmehr allein die Firma N* GmbH in Deutschland gegründet. Schließlich legten die beiden Brüder zum Beweis dafür, dass sie sich im Tatzeitraum oftmals gar nicht in Österreich aufgehalten hätten, Kopien ihrer Reisepässe vor (ON 33.6; 33.7; 33.12 und 33.13).
Wenn der Angeklagte beteuert, nie einen einzigen Cent vom Geld genommen zu haben, sondern die Karte für Barbehebungen vom Geschäftskonto immer nur kurz davor von den Brüdern E* und F* erhalten zu haben, denen er unmittelbar nach der Behebung sowohl die Karte als auch das gesamte Geld wieder habe aushändigen müssen, und niemals Geld auf sein eigenes Konto eingezahlt zu haben (ON 30.2, 10 ff) bzw nie vom Geschäftskonto der B* GmbH Gelder auf sein privates Konto überwiesen zu haben (ON 52.1, 2), so widerspricht dies den Ergebnissen der Kontoöffnungen. Daraus lässt sich nämlich sehr wohl die Vermutung ableiten, dass der Angeklagte immer wieder Barbehebungen durchgeführt hat und dass vom Konto der B* GmbH (** bei der C*) regelmäßig Überweisungen auf sein Privatkonto (** bei der C*) ergingen, auf das ausschließlich er selbst Zugriff hatte, ohne dass es weitere Zeichnungsberechtigte gab (ON 45.2, 2; ON 45.6). Aus der Kontoverdichtung ON 39.2 ergeben sich im Zeitraum vom 17. Mai 2023 bis 20. November 2023 insgesamt 25 Überweisungen in Höhe von EUR 85.690, vom Firmenkonto der B* GmbH auf das Konto des Angeklagten (ON 45.2, 2; 45.7).
Die Vermutung, dass sich der Angeklagte zumindest EUR 1.000, vom Verkaufserlös des unternehmenseigenen PKW ** einbehielt, fußt aus der Aussage des D*, wonach seine frühere Lebensgefährtin dem Verkäufer A* EUR 5.000, gegeben habe (ON 7.13, 4), wobei er bei einer späteren Einvernahme konkretisierte, dass EUR 4.000, auf das Konto der B* GmbH überwiesen worden seien und EUR 1.000, direkt in bar beglichen worden seien, wobei K* offenbar als Mittelsmann aufgetreten ist (ON 38.5, 4).
Dass A* keinerlei Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen führte, die ihm einen Überblick über die Finanzlage seines Unternehmens ermöglicht hätten, räumt dieser selbst ein. Dies deckt sich auch mit der Sachverhaltsdarstellung des Insolvenzverwalters, wonach keinerlei Buchhaltungsunterlagen vorhanden und auch über den vormaligen Steuerberater keine solchen Dokumente zu erlangen gewesen seien. Steuererklärungen seien ebenso wenig abgegeben worden. Offenbar seien keinerlei Belege zur Mittelverwendung von Barbehebungen vom Geschäftskonto geführt worden (ON 2.2).
Die Höhe der aushaftenden Dienstnehmeranteile (EUR 15.914,43) gründet auf der Aufstellung der österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) vom 13. August 2024 (ON 7.4).
Sämtliche dieser Beweismittel berechtigen zur Annahme, dass der Angeklagte objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig handelte, indem im Wissen um die Verringerung der Aktiva bewusst hohe Privatentnahmen tätigte und dadurch Bestandteile des Vermögens der B* GmbH verringerte und die Befriedigung deren Gläubiger schmälerte oder vereitelte, was er billigend in Kauf nahm. Darüber hinaus legen die Ermittlungsergebnisse den Verdacht nahe, dass der Angeklagte gemessen an den Verpflichtungen eines redlichen Geschäftsführers ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelte, indem er jegliche Buchführung unterließ, sodass bedingt durch diese auffallende Sorglosigkeit die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt wurde, weil er in Ermangelung von Geschäftsbüchern oder sonstigen geschäftlichen Aufzeichnungen keinerlei Überblick über die wirtschaftliche Situation der B* GmbH hatte.
Ebenso ist der Schluss berechtigt, dass der Angeklagte Beiträge seiner Dienstnehmer zur Sozialversicherung dem berechtigten Sozialversicherungsträger vorenthielt und dabei zumindest bedingt vorsätzlich handelte, obwohl ohne die hohen Privatentnahmen adäquate Mittel zu deren Begleichung zur Verfügung gestanden wären.
Zusammengefasst lässt sich ausführen, dass die Anklageschrift den entscheidungswesentlichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit den Erhebungsergebnissen zur Darstellung bringt, wobei die von der Anklagebehörde gezogenen Schlüsse zu den äußeren und inneren Tatseiten denkrichtig und möglich sind und die für die Anklageerhebung ausreichende einfache Urteilswahrscheinlichkeit gegeben ist. Ob letztlich die Beweismittel ausreichen werden, den Einspruchswerber der ihm angelasteten strafbaren Handlungen mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zu überführen, muss der Entscheidung des nach den Grundsätzen der Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und freien Beweiswürdigung erkennenden Schöffengerichts vorbehalten bleiben, das sich vor allem auch über die Rolle der vom Angeklagten belasteten Brüder E* und F* ein genaues Bild zu machen haben wird.
Die Einspruchsgründe des § 212 Z 2 und 3 StPO liegen somit nicht vor.
Da die Anklageschrift den Namen des Angeklagten sowie weitere Angaben zu seiner Person, die Zeit, den Ort und die näheren Umstände der Begehung der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und die Bezeichnung der durch sie verwirklichten strafbaren Handlungen sowie die übrigen anzuwendenden Strafgesetze anführt, und die Anträge für das Hauptverfahren gestellt sowie Beweismittel dazu angeführt wurden, leidet sie auch nicht an wesentlichen formellen Mängeln, sodass der vom Angeklagten ziffernmäßig ebenfalls ins Treffen geführte Einspruchsgrund des § 212 Z 4 StPO ebenfalls nicht verwirklicht ist.
Zumal auch sonstige Einspruchsgründe nicht vorliegen, ist der Einspruch nach § 215 Abs 6 StPO abzuweisen und es ist die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festzustellen.
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