Das Oberlandesgericht Wien hat in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. März 2025, GZ **-39.3, nach der am 21. Oktober 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Jilke, im Beisein der Richterinnen Mag. Neubauer und Mag. Wolfrum, LL.M., als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS LL.M., sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Philipp Wohlmacher durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch ein rechtskräftiges Adhäsionserkenntnis enthaltenden Urteil wurde der am ** geborene dominikanische Staatsangehörige A* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.
Danach hat er am 17. November 2024 in ** B* mit Gewalt zur Vornahme bzw. Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich des Oralverkehrs, genötigt, indem er sie an den Haaren packte, ihren Kopf gewaltsam zu seinem entblößten, bereits erigierten Penis führte, diesen gewaltsam in ihren Mund einführte und sie trotz Gegenwehr dazu veranlasste, ihn oral zu befriedigen.
Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd, erschwerend hingegen das Ausnützen der starken Alkoholisierung des Opfers.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. Juni 2025, GZ 15 Os 47/25p-5, liegen nunmehr die jeweils fristgerecht angemeldeten, zu ON 47 ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die – nach Zurückziehung der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche ebenfalls nur mehr im Strafpunkt ausgeführte - Berufung des Angeklagten (ON 49) zur Entscheidung vor.
Inwiefern die Erzwingung eines Oralverkehrs für das Opfer eine geringere Intensität aufweisen sollte, als die Erzwingung einer vaginalen Penetration („Intensität der Inanspruchnahme der Sexualsphäre des Opfers“), vermag der Angeklagte nicht darzulegen, pönalisiert der Tatbestand der Vergewaltigung doch die Vornahme des Beischlafs bzw. einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, worunter jede Form einer oralen, vaginalen oder anderen Penetration, somit auch der Anal- und Mundverkehr fällt (Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 15 Rz 2).
Sollte der Angeklagte mit seiner Argumentation auf die Möglichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft im Falle eines ungeschützten Geschlechtsverkehrs abzielen, ist klarzustellen, dass der Vollzug des vaginalen Geschlechtsverkehrs bis zur Ejakulation auf Grund der damit verbundenen Gefahr einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten sowie des Eintritts einer Schwangerschaft regelmäßig im Rahmen des § 32 Abs 3 StGB erschwerend gewertet wird (vgl Ebner in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 32 StGB Rz 78).
Mit dem Monitum, er habe die Tat in einem durch Alkohol berauschten Zustand begangen, setzt sich der Angeklagte über die explizite Feststellung des Schöffensenats hinweg, wonach er im Vorfallszeitpunkt etwas durch Alkohol berauscht gewesen sei, sich jedoch in einem Zustand befand, in dem er Recht von Unrecht unterscheiden und dieser Einsicht gemäß handeln konnte (US 3). Eine Enthemmung durch Alkohol war ihm daher nicht mildernd zuzubilligen.
Wenn der Angeklagte die mildernde Wertung seines Tatsachengeständnisses (ON 39.2 S 9) für sich reklamiert, das ohnehin erst nach Einlangen des DNA-Gutachtens ON 25.2 erfolgte, ist klarzustellen, dass das Zugeben bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des strafbaren Verhaltens nicht mildernd wirkt (Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 34 Rz 26). Im Übrigen ist die Behauptung einvernehmlicher sexueller Handlungen die klassische Schutzbehauptung bei Delikten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung.
Abgesehen davon, dass aus dem Anerkenntnis der Privatbeteiligtenansprüche in voller Höhe nicht auf die Schuldeinsicht geschlossen werden kann, entfaltet die bloße Erklärung, einen verursachten Schaden gutmachen zu wollen, noch keine mildernde Wirkung (RIS-Justiz ). Vielmehr war die nachhaltige psychische Beeinträchtigung des Opfers nach der Tat in Form von Traumafolgen, einer akuten Belastungsreaktion, Schlafstörungen und depressiver Verstimmung (ON 39.2 S 39 sowie Beilagen ), die eine psychiatrische Behandlung und Einnahme von Medikamenten zur Folge hatte, zusätzlich erschwerend zu werten.
Zwar sind leichte Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen vom Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB konsumiert, stellen jedoch einen Erschwerungsgrund dar (RS0091115; RS0092619).
Inwiefern dem Angeklagten die starke Alkoholisierung des Opfers entgangen sein sollte bzw. er diese nicht - wie vom Erstgericht festgestellt - ausgenützt haben sollte, vermag der Angeklagte nicht nachvollziehbar darzulegen. So gab nicht nur die Zeugin B* an, zum Zeitpunkt des Verlassens des Lokals sowie zum Tatzeitpunkt stark alkoholisiert gewesen zu sein (Konsumation von fünf großen Bier, ON 39.2 S 21 und 29), diese Angaben wurden auch von der Zeugin C* bestätigt (ON 39.2 S 23) und ist darüber hinaus auf dem Video der Überwachungskamera der U-Bahnstationen ersichtlich, indem das Gangbild des Tatopfers eindeutig beeinträchtigt ist und sogar Stürze erkennbar sind, wobei selbst der Angeklagte, dem dieser Zustand nunmehr nicht wahrgenommen haben will, in der Hauptverhandlung bestätigte, das Tatopfer sei alkoholisiert gewesen, er habe sie stützen müssen und sie sei dessen ungeachtet gestürzt (ON 39.2 S 5 und S 42 f).
Somit vermag der Angeklagte keine weiteren, vom Erstgericht unberücksichtigt gebliebenen Milderungsgründe aufzuzeigen.
Aber auch dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.
Zwar ist der Anklagebehörde beizupflichten, dass im Hinblick auf die erhöhte Sensibilität der rechtsuchenden Bevölkerung gerade im Bereich sexualstrafrechtlich relevanter Handlungen generalpräventive Erwägungen die Verhängung spürbarer Sanktionen erfordern, um potenzielle Delinquenten mit dem gleichen Charakterdefizit wirksam von der Begehung derartiger Straftaten abzuhalten, unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich beim Angeklagten um einen Ersttäter handelt und die Sanktion zur Gänze unbedingt ausgesprochen wurde, wird die Strafe jedoch auch generalpräventiven Überlegungen ausreichend gerecht.
Von der Anwendung des § 43a Abs 4 StGB war Abstand zu nehmen, weil auf Grund der aggressiven Verhaltensweise des Angeklagten, der das Tatopfer bereits im Bereich der U-Bahn-Station grob im Hals-/Nackenbereich erfasste und die Tat im öffentlichen Raum verübte, nicht von der gesetzlich geforderten hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen ist, der Angeklagte werde im Fall teilweiser bedingter Strafnachsicht keine weiteren strafbaren Handlungen begehen.
Den Rechtsmitteln war daher kein Erfolg beschieden.
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