Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 269 Abs 2 StGB über den Einspruch des Genannten gegen das Abwesenheitsurteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Juli 2025, GZ B*-15.1, nach nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Einspruch wird Folgegegeben, das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Juli 2025, GZ B*-15.1 aufgehoben und dem Erstgericht gemäß § 427 Abs 3 vierter Satz StPO die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung aufgetragen.
Begründung:
Mit dem angefochtenen - in Abwesenheit des Angeklagten ergangenen - Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 erster Fall StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil richtet sich der rechtzeitig erhobene Einspruch des A*. Er sei vom 9. Juli 2025 bis 18. Juli 2025 im PolizeianhaltezentrumC* in Haft gewesen. Er habe die Vollzugsbeamten mehrmals auf den Termin hingewiesen, aber nicht die Möglichkeit eingeräumt bekommen an der Hauptverhandlung teilzunehmen (ON 16.2). Mit seinem Einspruch legte er eine entsprechende Haftbestätigung der Landespolizeidirektion D* vor (ON 16.3).
Dem Einspruch kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 427 Abs 1 StPO darf die Hauptverhandlung bei sonstiger Nichtigkeit nur dann in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt und das Urteil gefällt werden, wenn es sich um ein Vergehen handelt, der Angeklagte gemäß §§ 164 oder 165 StPO zum Anklagevorwurf vernommen und ihm die Ladung zur Hauptverhandlung - allenfalls im Weg der Hinterlegung ( Bauer in Fuchs/Ratz,WK StPO § 427 Rz 9) - persönlich zugestellt worden ist.
Der nach § 427 Abs 3 erster Satz StPO offenstehende Rechtsbehelf des Einspruchs zielt nicht auf die Anfechtung des Urteils ab, sondern soll das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung sicherstellen ( Bauer aaO § 427 Rz Rz 17). Diesem ist stattzugeben, wenn nachgewiesen wird, dass der Angeklagte durch ein unabweisbares Hindernis abgehalten wurde, in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Der Nachweis (nicht bloß die Bescheinigung) der Hinderung ist erforderlich; der Angeklagte muss den Einspruchsgrund konkret geltend machen und belegen. Maßgebliches Kriterium ist, ob der Angeklagte die Hauptverhandlung wegen eines Umstands versäumt hat, der auch einen gewissenhaften Menschen in seiner Lage vom Erscheinen abgehalten hätte. Ob es dem Angeklagten angesichts der ihm schon vorher bekannten Hinderung möglich gewesen wäre, rechtzeitig die Vertagung der Hauptverhandlung zu erwirken, ist ohne Belang ( BaueraaO § 427 Rz 21). Die Anhaltung des Angeklagten in Haft stellt ein derartiges unabwendbares Hindernis dar (RIS-Justiz RS0101569 [T5]; zuletzt 15 Os 13/24m und 12 Os 76/24d).
In casu handelt es sich um ein Vergehen und die Ladung zur Hauptverhandlung wurde dem Angeklagten durch Hinterlegung am 27. Juni 2025 zugestellt (vgl Zustellnachweise zu ON 9). Der Angeklagte wurde zum Anklagevorwurf im Ermittlungsverfahren (ON 3.3) vernommen. Zu der Hauptverhandlung am 15. Juli 2025 erschien der Angeklagte nicht, worauf die Erstrichterin aufgrund der gegebenen Voraussetzungen nach in Abwesenheit des Angeklagten verhandelte und das gegenständliche Urteil fällte.
Aufgrund des nachgewiesenen Umstandes, dass sich der Angeklagte von 9. bis 18. Juli 2025 in Haft befand (vgl auch die Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom 15. Oktober 2025), war dieser wegen eines unabwendbaren Hindernisses nicht in der Lage an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Demnach war das Urteil - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft - in Stattgebung des Einspruchs aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen ( Bauer aaO § 427 Rz 22).
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
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