Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Schneider-Reich als Vorsitzende sowie den Richter Ing.Mag. Kaml und die Richterin Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus einer strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 29. August 2025, GZ **-24, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene A* wird seit 4. September 2024 (entsprechend § 24 Abs 1 erster Satz StGB) in der Justizanstalt Stein im Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 2 StGB angehalten, wobei nachstehende Freiheitsstrafen vikariiert werden, uzw
1.eine mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28. Oktober 2022 zu AZ ** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten;
2.eine mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 9. März 2023 zu AZ ** wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten;
3.eine mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 9. Februar 2024 zu AZ ** wegen der Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, wobei zugleich dessen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum (in der Folge: FTZ) nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet wurde;
4.eine mit Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 18. September 2024 zu AZ ** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten.
Das errechnete Strafende der zeitlichen Freiheitsstrafen fällt auf den 28. August 2029. Die Hälfte der Strafzeit wird am 28. März 2026 verbüßt sein (vgl ON 22, 3).
Der einweisungsrelevanten Verurteilung liegt zugrunde, dass A* am 29. November 2022 in **
A./ Justizwachebeamte mit Gewalt bzw durch gefährliche Drohung teils mit dem Tod und teils gegenüber Sympathiepersonen an nachfolgenden Amtshandlungen zu hindern versuchte, uzw
1./ gegen seine Fixierung im LKH B* und die Verbringung ins LKH C*, durch RI D*, Insp E* und Insp F* sowie sodann auch RI G*, RI H* und Insp I* durch Verspannen und Verwinden und das Versetzen von Tritten und Schlägen, wobei er RI D* am Kopf traf, sowie durch die Äußerungen „ich ficke deine Tochter vor deinen Augen“, „ich ficke deine Schwester so hart, dass sie nur noch schreit“, „ich werde euch alle finden und dann töte ich euch alle“, „ich hab mir eure Gesichter gemerkt, ich finde euch sicher“, „ich töte auch eure Mütter, eure Töchter und Söhne“, ich ficke eure Kinder dreifach“ und „ich werde euch alle ausrotten“, wobei der Bedeutungsgehalt seiner Äußerungen auf Grund der Wiederholungen, seines extrem aggressiven Gemütszustandes und der erfolgten Gewaltanwendung dahingehend auszulegen war, er sei willens und in der Lage sie zu töten;
2./ gegen die im LKH C*, erfolgte Fixierung bzw gegen die Wiederbefestigung der linken Handfessel, aus der er sich losgerissen hatte, durch RI G*, RI H*, RI J*, Insp E* und Insp I* durch die Äußerung, er werde herausfinden wo sie wohnen und sie und ihre Angehörigen sodann töten, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, teils gegenüber Sympathiepersonen, wobei der Bedeutungsgehalt seiner Äußerungen auf Grund der Wiederholungen, seines extrem aggressiven Gemütszustandes und der vorangegangenen Gewaltanwendung dahingehend auszulegen war, er sei willens und in der Lage sie zu töten, sowie RI J* zudem durch einen Biss in den linken Zeigefinger;
B./ nachfolgende Justizwachebeamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzte, teils zu verletzen versuchte, und zwar
1./ durch die zu A./1./ angeführte Handlung RI D*, wobei er eine ca einen cm lange Rissquetschwunde sowie eine Prellung am Kopf, eine Zerrung beider Handgelenke und Schmerzen im Knie sowie eine posttraumatische Belastungsstörung erlitt;
2./ durch die unter A./1./ angeführte Handlung Insp E*, wobei er eine Zerrung der Muskulatur des rechten Oberarms erlitt;
3./ durch die unter A./1./ angeführte Handlung Insp F*, wobei er eine Verletzung des linken Handgelenks erlitt;
4./ durch den zu A./2./ angeführten Biss RI J*, wobei es infolge des Tragens von Einsatzhandschuhen beim Versuch blieb;
C./ eine fremde Sache dadurch beschädigte, dass er die Türe des Haftraumes QE17 der Justizanstalt Graz-Jakomini, mithin einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur, mit dem Bettgestell rammte;
wobei er die unter Punkt A./ angeführten Taten, ohne zurechnungsunfähig gewesen zu sein, unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, narzisstischen und emotional-instabilen Anteilen (F61) und einer psychischen Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch/Abhängigkeitssyndrom (F19.2) beging, somit eine mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohte Tat nach § 21 Abs 3 StGB, nämlich die Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 zweiter Fall StGB mit einer Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und weil nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der unter Punkt A./ angeführten Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten war, dass er sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung eine weitere mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde, wobei in concreto ohne Anordnung der Unterbringung in einem FTZ mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten gewesen wäre, dass er insbesondere schwere Körperverletzungen nach einem der in § 84 StGB normierten Tatbestände, aber auch gefährliche Drohungen mit dem Tod und Widerstände gegen die Staatsgewalt begehen werde.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Landesgericht Krems an der Donau als zuständiges Vollzugsgericht - nach Anhörung des A* (vgl ON 23) - die Notwendigkeit dessen weiteren Unterbringung in einem FTZ fest und wies dessen als auch den Antrag seiner Lebensgefährtin auf bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug sowie deren Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie ab (ON 24).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Betroffenen (ON 23, 3 und ON 25), die – kurz zusammengefasst – kritisiert, das Erstgericht habe unzulässigerweise die Einholung eines aktuelles Sachverständigengutachtens unterlassen, sodass es der Entscheidung an einer ausreichenden faktischen Grundlage fehle.
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 47 Abs 2 StGB ist die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und seiner Aussicht auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, nicht mehr besteht.
Gegenständlich gründete das Erstgericht seine Entscheidung im Wesentlichen auf die im angefochtenen Beschluss korrekt wiedergegebene forensische Stellungnahme der Leiterin des Department Maßnahmenvollzug § 21 Abs 2 StGB der Justizanstalt Stein vom 30. April 2025 (ON 8) sowie das einweisungsrelevante neurologisch-psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof.Dr. K* vom 4. August 2023 samt dessen Ergänzung vom 9. Februar 2024 (ON 13.3 und 13.4, 14 ff) – auf dessen Darlegungen im angefochtenen Beschluss (ON 24, 4 ff) daher zulässig (RIS-Justiz RS0124017 [T3, T4]) verwiesen wird – und leitete daraus nicht zu kritisieren ab, dass die erforderliche umfassende therapeutische Behandlung (vgl ON 13.3, 23) seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung (vgl ON 13.3, 2 und ON 13.4, 14), nämlich einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, narzisstischen und emotional-instabilen Anteilen (ICD-10: F61) und einer psychischen Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch/Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F19.2), aufgrund der Kürze ihrer Dauer noch nicht abgeschlossen ist, sondern gerade erst am Beginn steht. Dabei verwarf es unter Verweis auf das genannte Gutachten – insoweit mit nachvollziehbarer Begründung – das Monitum des Betroffenen, wonach die psychischen Krisen und Regelverstöße bloß auf den jahrelangen belastenden Haftbedingungen beruhen würden, und legte mit Blick darauf, dass gerade die psychische Grunderkrankung maßgeblich tatleitend war, während der Suchtmittelkonsum nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat (vgl ON 13.3, 3), auch schlüssig dar, der Umstand der stabilen Drogenabstinenz des Betroffenen habe für die Entscheidung über die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug folglich keine maßgebliche Bedeutung.
Nicht zu beanstanden kam das Erstgericht letztlich zum Ergebnis, dass die einweisungsrelevante Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, daher noch nicht ausreichend abgebaut ist und aktuell auch nicht durch extramurale Therapiemaßnahmen hinreichend hintan gehalten werden kann, sondern zu erwarten wäre, dass der Betroffene unter dem maßgeblichen Einfluss dieser Erkrankung in absehbarer Zukunft (innerhalb von Wochen oder allenfalls Monaten) und mit hoher Wahrscheinlichkeit neuerliche Tathandlungen mit schweren Folgen (unter anderem auch vorsätzliche schwere Körperverletzungen nach § 84 Abs 4 StGB) begehen werde.
Was das wesentliche Beschwerdevorbringen eines veralteten Gutachtens anlangt, so ist darauf hinzuweisen, dass - wenn auch im Verfahren wegen Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie oder Psychologie nicht generell zwingend vorgeschrieben sein mag (RISJustiz RS0087517; Pieber WK 2StVG § 162 Rz 18) - es doch nach einem längeren Zeitablauf seit der letzten Begutachtung des Untergebrachten durch einen Sachverständigen beweismäßig im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand und seine Wesensart zur Klärung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung erforderlich sein kann, eine aktuelle Expertise einzuholen. Dies ist insbesondere in Fällen, in denen der Maßnahmenvollzug keine Freiheitsstrafe mehr vikariiert und das letzte Gutachten vor mehr als einem Jahr erstellt wurde, notwendig (vgl PieberaaO), zumal eine Entscheidung nach § 47 Abs 2 letzter Halbsatz StGB auf der Grundlage einer nicht hinreichend faktenbasierten Entscheidungsgrundlage eine Verletzung des Art 5 Abs 1 lit a und e EMRK darstellt (erneut Pieber aaO; RISJustiz RS0128272; EGMR, Erkenntnis vom 20. Juli 2017, 11537/11, Lorenz/Österreich ).
Nachdem jedoch fallkonkret insbesondere der Maßnahmenvollzug nach wie vor eine Freiheitsstrafe vikariiert, das einweisungsrelevante Gutachten aber auch erst in der Hauptverhandlung vom 9. Februar 2024 mündlich erstattet wurde (sohin nur rund 19 Monate alt ist), notwendige Therapien überhaupt erst im April 2025 begannen und auch eine aktuelle forensische Stellungnahme vorliegt (vgl ON 8 sowie die Äußerung von Mitarbeitern des psychologischen Dienstes im Rahmen der Anhörung des Betroffenen [ON 23, 2]), konnte das Erstgericht zutreffend von der Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens absehen.
Soweit der Betroffene seine Anhörung beantragt, ist ihm zu erwidern, dass ein solche am 29. August 2025 ohnehin erfolgte (ON 23) und das Beschwerdegericht gemäß § 89 Abs 1 StPO iVm §§ 17 Abs 1 Z 3, 163 StVG nichtöffentlich – ohne Beschwerdeverhandlung – zu entscheiden hat ( Tipold,WK StPO § 89 Rz 1).
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm §§ 17 Abs 1 Z 3, 163 StVG).
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