Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Finanzstrafsache gegen Mag. A* und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Berufung des Angeklagten Dr. B* gegen das Urteil des Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Oktober 2024, GZ ** 228, nach der am 23. September 2025 unter dem Vorsitz der Richterin Dr. Vetter, im Beisein der Richterinnen Mag. Frigo und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Lechner und des Vertreters der Finanzstrafbehörde Mag. Thomas Brandstetter, ferner in Anwesenheit des Angeklagten Dr. B* sowie seines Verteidigers Mag. Leonhard Kregcjk durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf 800.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf acht Monaten herabgesetzt wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde soweit im Verfahren über die Berufung von BedeutungDr. B* mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (teils „idF BGBl I 28/1999“, teils „idF BGBl I 104/2010“) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 21 Abs 1 und Abs 2 FinStrG nach dem Strafsatz des § 33 Abs 5 FinStrG idF BGBl I 104/2010 zu einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro, im Nichteinbringungsfall zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.
Demnach hat er in ** im Bereich des C* im Tatzeitraum 2005 bis 2011 vorsätzlich
C./ als Vorstand (betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2004-2007) und faktischer Machthaber (betreffend Umsatzsteuer 2008 und 2009) der D* GmbH (ab 23.10.2009 E* AG und ab 10.10.2012 E* GmbH) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht
1./ durch die Abgabe inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen betreffend
Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für 2004 am 1.12.2005
Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für 2005 am 27.10.2006
Umsatzsteuer für 2006 am 1.10.2007
Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für 2007 am 20.1.2009
Umsatzsteuer für 2008 am 9.11.2009
Umsatzsteuer für 2009 am 20.1.2011
dadurch, dass Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden, folgende Abgabenverkürzungen bewirkt:
Umsatzsteuer 2004 iHv 202.901,60 Euro
Körperschaftsteuer 2004 iHv 421.552,18 Euro
Umsatzsteuer 2005 iHv 267.648,72 Euro
Körperschaftsteuer 2005 iHv 346.311,63 Euro
Umsatzsteuer 2006 iHv 176.242,65 Euro
Umsatzsteuer 2007 iHv 531.244,96 Euro
Körperschaftsteuer 2007 iHv 110.032,99 Euro
Umsatzsteuer 2008 iHv 368.132,20 Euro
Umsatzsteuer 2009 iHv 23.002 Euro
2./ durch die Nichtabfuhr und Nichtmeldung von Kapitalerträgen binnen einer Woche nach jeweiligem Zufließen am 31.12.2008, dadurch, dass Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht entrichtet (abgeführt) wurden, folgende Abgabenverkürzungen bewirkt:
Kapitalertragsteuer zum 31.12.2008 iHv 13.856 Euro, abzuführen bis 7.1.2009.
Der strafbestimmende Wertbetrag beträgt demnach 2.460.924,93 Euro.
Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat den langen Tatzeitraum und den Umstand, dass die Abgaben nach dem Tatplan endgültig hätten entfallen sollen, als erschwerend, mildernd hingegen das reumütige Geständnis, den Umstand, dass die geschuldeten Abgaben teilweise rückgeführt wurden sowie dass die Taten bereits vor längerer Zeit begangen worden sind und der Angeklagte sich seither wohlverhalten hat; weiters dass das Verfahren aus einem nicht vom Angeklagten oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert hat, wobei dies darin Niederschlag gefunden hat, als die als tat- und schuldangemessen angesehene Geldstrafe, die den Strafrahmen zu 25% ausschöpfte (1.230.462,46 Euro), um 230.462,46 Euro (= 4,68%) reduziert wurde und die als tat- und schuldangemessen erachtete Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Monaten um zwei Monate reduziert wurde (US 75).
Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und der von der Finanzstrafbehörde erhobenen Berufung mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs von 4. Juni 2025, 13 Os 35/25h 4, ist nunmehr über die Berufung des Dr. B* zu entscheiden (ON 235).
Die Strafzumessungsgründe sind zunächst dahin zu konkretisieren, dass der vom Erstgericht herangezogene Erschwerungsgrund des langen Tatzeitraums durch das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung noch verstärkt wird (RISJustiz RS0096654).
Mildernd war – wie vom Angeklagten aufgezeigt - zusätzlich in Anschlag zu bringen, dass er als Tatfolge - über die von § 34 Abs 2 StGB umfassten – in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gewichtige Nachteile erlitten hat (§ 34 Abs 1 Z 19 StGB; 14 Os 61/23m-65 insb Rz 498).
Wie der Berufungswerber zutreffend moniert, war auch der bisher ordentliche Lebenswandel zusätzlich mildernd zu werten. Der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB stellt nämlich auf das Vortatverhalten eines Angeklagten, sohin sein Verhalten vor allen nunmehr zur Aburteilung gelangenden Taten ab ( Riffel in WK 2§ 34 Rz 6 mwN). Nachdem die in der Strafregisterauskunft aufscheinenden, im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehenden Verurteilungen des Angeklagten erstinstanzlich (erst) am 23. August 2016, am 21. November 2022 und am 4. Dezember 2020 erfolgten, hat der Angeklagte vor Setzung der hier in Rede stehenden Tathandlungen (Tatzeitraum 2005 bis 2011) tatsächlich einen ordentlichen Lebenswandel geführt.
Das vom Berufungswerber ins Treffen geführte höhere Alter ist angesichts des mehrjährigen Tatzeitraums nicht geeignet der bisherigen Unbescholtenheit besonderes Gewicht zu verleihen (RIS-Justiz RS0091502 [T3]).
Aufgrund der hinzutretenden Milderungsgründe, wobei sich jener der Unbescholtenheit durch den langen Tatzeitraum relativiert, erweist sich die vom Erstgericht verhängte Geldstrafe als zu hoch angesetzt und war diese auf - der Tatschuld und dem Tatunrecht gerecht werdende – 900.00 Euro zu reduzieren. Auch die Ersatzfreiheitsstrafe warmit Blick auf die diesbezügliche Höchststrafe von zwei Jahren (§ 20 Abs 2 erster Satz FinStrG) um einen Monat herabzusetzen.
Darüber hinaus zeigt der Berufungswerber zwar zutreffend auf, dass mit der schriftlichen Urteilsausfertigung am 9. Dezember 2024 - das Urteil wurde am 10. Oktober 2024 verkündet - die in § 270 Abs 1 StPO vorgesehene Frist überschritten wurde. Da bei der gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung ( Riffel in WK 2 § 34 Rz 45) diese Verzögerung aber auf die Komplexität des Verfahrens und den damit in Zusammenhang stehenden Umfang des erstinstanzlichen Urteils von 77 Seiten zurückzuführen ist, ist dieser - im Hinblick auf die bereits vom Erstgericht berücksichtigte überlange Verfahrensdauer im Übrigen geringfügige weitere - Verfahrensverzögerung nicht durch eine weitere spür- und messbare Strafminderung Rechnung zu tragen (vgl Oberlandesgericht Wien, 132 Bs 376/18s). Allerdings wurde der überlangen Verfahrensdauer mit Blick auf den Umstand, dass die Großbetriebsprüfungen bereits am 10. November 2009 und am 17. Dezember 2014 eröffnet und der Angeklagte von jener für die Veranlagungsjahre 2003 bis 2007 am 25. November 2009 in Kenntnis gesetzt wurde (US 37), insgesamt zu wenig Gewicht beigemessen, sodass zum Ausgleich der dadurch eingetretenen Grundrechtsverletzung die verhängte Geldstrafe um weitere 100.000 Euro auf 800.000 Euro zu reduzieren und die Ersatzfreiheitsstrafe um einen (weiteren) Monat auf acht Monate herabzusetzen war.
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