Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat am 12. September 2025 durch die Richterin Mag. Frigo als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Bahr und Mag. Seidenschwann, LL.B (WU) als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 16. April 2025, GZ ** 36.4, in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Gretzmacher, MAS, LL.M sowie in Anwesenheit des Angeklagten A* durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 StGB (A./) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und § 39 Abs 1 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Amtsgerichts Leverkusen vom 13. Juni 2024, rechtskräftig seit 21. Juni 2024, zu 960 Js 6/24 ** nach § 129 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 12. Jänner 2024 in **
A./ eine fremde bewegliche Sache, und zwar einen ** (Fahrgestellnummer **) im Wert von 26.900 Euro Verfügungsberechtigten des Unternehmens B* GmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Fensterscheibe eines Rolltors der Garage einschlug und durch das solcherart entstandene Loch in die Firmenräumlichkeiten kletterte;
B./ zwei Kennzeichentafeln **, mithin Urkunden, über die er nicht verfügen darf, unterdrückt, indem er diese von dem Firmenwagen ** des Unternehmens B* GmbH abmontierte und auf das zu A./ angeführte Fahrzeug montierte, wobei er mit dem Vorsatz handelte zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, insbesondere der aufrechten Zulassung des Firmenwagens **, gebraucht werden.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd die Sicherstellung des beschädigten Diebesguts und das teilweise reumütige Geständnis (hinsichtlich des Bedachtnahmeurteils des Amtsgerichts Leverkusen) sowie einen geringen Beitrag zur Wahrheitsfindung, hingegen erschwerend die vier einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von einem Vergehen und einem Verbrechen, die mehrfache Deliktsqualifikation und die Überschreitung der Wertqualifikation um ein Vielfaches.
Im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze wertete das Erstgericht die Tatbegehung während des Strafvollzugs als schuldaggravierend.
Ein Vorgehen nach §§ 198 ff StPO erachtete das Erstgericht aufgrund der einschlägigen Vorstrafen aus spezial und generalpräventiven Gründen als nicht zulässig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig mit umfassendem Anfechtungsziel erhobene (ON 36.3, 15), in der Folge nicht ausgeführte Berufung, der keine Berechtigung zukommt.
Da der Angeklagte weder bei der Anmeldung der Berufung noch innerhalb offener Rechtsmittelfrist (nach § 467 Abs 1 StPO) ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert findet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will, ist auf die Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe gemäß § 467 Abs 2 iVm § 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen. Dem angefochtenen Urteil haftet im Übrigen auch keine gemäß §§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit an. Die Berufung wegen Nichtigkeit ist daher zurückzuweisen.
Bei der Berufung wegen Schuld und Strafe genügt die bloße Angabe, das Urteil anzufechten. Das Rechtsmittelgericht muss auch ohne Vorbringen alle für den Standpunkt des Berufungswerbers sprechenden Argumente aus eigenem in Anschlag bringen, außer der Berufungswerber hätte hinsichtlich einzelner Argumente unmissverständlich eine Einschränkung gemacht ( Ratz , WK-StPO § 467 Rz 2).
Im Rahmen der Schuldberufung ist vom Rechtsmittelgericht zu prüfen, ob das Erstgericht für das Verfahren wesentliche in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse einer nachvollziehbaren und den Denkgesetzen entsprechenden Würdigung unterzog und die wesentlichen Gründe für die entsprechende Tatsachenfeststellung in gedrängter Form zur Darstellung brachte. Dabei gilt, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch psychologischer Vorgang ist, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungsgrundsätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Mayerhofer, StPO 6 § 258 E 30 f; Kirchbacher, StPO 15 § 258 Rz 8). Wenn neben den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, tut dies nichts zur Sache. Die Frage der Glaubwürdigkeit des Angeklagten und des Zeugen sowie die Beweiskraft ihrer Aussagen sind der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten. Aus dem Grundsatz „ in dubio pro reo “ lässt sich nämlich keine negative Beweisregel ableiten, die das erkennende Gericht im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen verpflichten würde, sich für die aus der Sicht des Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RISJustiz RS0098336).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt der Schuldberufung keine Berechtigung zu.
Die Erstrichterin hat die erhobenen Beweise unter Ausschöpfung sämtlicher relevanten Beweismittel und Einbeziehung des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks mit schlüssiger Begründung – der sich das Oberlandesgericht im Rahmen der umfassenden Prüfung der Verfahrensergebnisse anschließt (vgl Ratz, WK StPO § 467 Rz 2) – einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzogen und dargelegt, wie sie zu den – vom Berufungsgericht übernommenen – Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite gelangte.
Dabei setzte sie sich in nicht zu beanstandender Weise ausführlich mit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, der seine Taten dahingehend zu rechtfertigen versuchte, dass er durch die Konsumation von Suchtmittel zurechnungsunfähig gewesen sei und keinen Bereicherungsvorsatz am Auto gehabt habe, sondern dieses lediglich für die Flucht verwenden habe wollen und er nicht gewusst habe, dass Kennzeichentafeln Urkunden seien, auseinander (US 8 ff) und verwarf diese mit schlüssiger Begründung nicht nur aufgrund der gezielten Handlungsweise des Angeklagten, sondern auch aufgrund seines getrübten Vorlebens und seiner Aussage gegenüber dem Zeugen C*, das Auto „fladdern“ zu wollen.
Auch die Konstatierungen zur jeweiligen subjektiven Tatseite deduzierte das Erstgericht empirisch einwandfrei aus dem jeweiligen äußeren Tatgeschehen im Zusammenhalt mit der Äußerung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen C* (US 8 f), wobei der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen rechtsstaatlich vertretbar und in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RISJustiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK StPO § 281 Rz 452).
Da somit auch das Rechtsmittelgericht bei seiner im Rahmen der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtungen der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage keine Zweifel hegt, hat der Schuldspruch Bestand.
Zunächst sind die vom Erstgericht – im Übrigen zutreffend angenommenen - Strafzumessungsgründe dahingehend zu präzisieren, dass der vom Erstgericht angenommene Milderungsgrund der Sicherstellung des beschädigten Diebesguts als „objektive Schadensgutmachung“ formell nicht den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB darstellt. Sie ist aber nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen nach § 32 Abs 3 StGB – wenn auch in weitaus geringerem Umfang - mildernd zu berücksichtigen ( Riffel, WK² StGB § 34 Rz 33; OGH 14 Os 80/07g).
Bei objektiver Abwägung der Strafzumessungslage und allgemeiner Strafzumessungserwägungen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB sowie unter Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte ( Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 32 Rz 9f; Michel Kwapinski/Oshidari, StGB 15§ 32 Rz 7) erweist sich die vom Erstgericht ausgemessene Zusatzfreiheitsstrafe von 24 Monaten bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu 4½ Jahren Freiheitsstrafe (§ 129 Abs 1 StGB iVm § 39 Abs 1 StGB) als schuldangemessen, dem Unrechtsgehalt sowie dem sozialen Störwert der Taten entsprechend und einer Reduktion nicht zugänglich.
Der Umstand der Tatbegehung während seines Haftausganges um seine Flucht zu ermöglichen, zeigt eine völlig gleichgültige und ablehnende Einstellung gegenüber staatlichen Reaktionen und den rechtlich geschützten Werten unserer Gesellschaft, sodass mit Blick auf seine Täterpersönlichkeit und seine einschlägigen Vorstrafen spezialpräventiv keine Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass die bloße Androhung der Vollziehung eines Teiles der Freiheitsstrafe genügen würde, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Der Berufung war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
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