Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Müller und den Richter MMag. Klaus in der Rechtssache der Antragstellerin A* GmbH, FN **, **, vertreten durch Frischenschlager Navarro Rechtsanwälte in Linz, gegen den Antragsgegner B*, ZVR **, **, wegen Insolvenzeröffnung, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 6.6.2025, **-14, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Der Antragsgegner ist ein im Vereinsregister zu ZVR ** eingetragener Verein, der von seiner Obfrau Mag. C* nach außen vertreten wird.
Am 14.4.2025 beantragte die Antragstellerin beim Bezirksgericht Fünfhaus zu ** die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners, der ihr laut dem angeschlossenen vollstreckbaren Zahlungsbefehl des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 13.2.2024 zu ** EUR 6.345,70 samt Anhang schulde, insgesamt belaufe sich die Forderung auf EUR 10.428,56. Der Antragsgegner habe keinerlei Zahlungen geleistet, auch eine für März 2025 zugesagte Rate habe er nicht bezahlt. Die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners ergebe sich aus den zahlreichen gegen ihn geführten Exekutionsverfahren.
Dem Antrag waren unter anderem der Zahlungsbefehl des Bezirksgerichts Fünfhaus sowie ein Vollzugsbericht des Bezirksgerichts Fünfhaus aus dem von der Antragstellerin gegen den Antragsgegner geführten Exekutionsverfahren ** vom 13.9.2024 angeschlossen, aus dem sich ergab, dass ein Vollzugsverzug am 12.6.2024 mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos verlaufen war und zwei weitere Vollzugsversuche am 26.8.2024 und am 13.9.2024 gescheitert waren, weil von der verpflichteten Partei niemand angetroffen werden konnte.
Mit Beschluss vom 16.4.2025 erklärte sich das Bezirksgericht Fünfhaus für sachlich unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 44 JN dem Handelsgericht Wien, das das Verfahren zu ** weiterführte.
Eine Abfrage des Erstgerichts im Exekutionsregister ergab zwei aktuelle Exekutionsverfahren der Antragstellerin. Im KFZ-Zentralregister scheint ein auf den Antragsgegner zugelassener Leasing-PKW auf. Abfragen nach Vorakten, im Grundbuch, in der Liste der Vermögensverzeichnisse und wegen offenkundiger Zahlungsunfähigkeit verliefen negativ (ON 3).
Mit Beschluss vom 29.4.2025 (ON 4) übermittelte das Erstgericht dem Antragsgegner den Eröffnungsantrag und forderte ihn unter anderem auf, bis 27.5.2025 einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,- zu erlegen und das ausgefüllte Vermögensverzeichnis zu übermitteln. Sollte die Zahlungsunfähigkeit bestritten werden, seien Belege (Vollzahlung, Ratenvereinbarung) zu den Forderungen der Antragstellerin, des Finanzamtes, der Österreichischen Gesundheitskasse ( ÖGK ) sowie der Exekution führenden Gläubiger vorzulegen.
Das Finanzamt teilte dem Erstgericht am 5.5.2025 einen Abgabenrückstand des Antragsgegners von EUR 8.690,36 mit, der exekutiv betrieben werde (ON 5). Die ÖGK gab am 5.5.2025 einen Beitragsrückstand von EUR 2.853,50 bekannt, der nicht in Exekution gezogen sei (ON 7).
Die Antragstellerin teilte am 7.5.2025 mit, dass keine Zahlungen eingelangt seien und kein Kostenvorschuss erlegt werde (ON 8).
Der Antragsgegner äußerte sich zum Insolvenzantrag und legte ein Vermögensverzeichnis vor. Zusammengefasst brachte er vor, dass er ein Sportverein mit einem Jahresbudget von ca EUR 800.000,- sei und auf Sponsorengelder angewiesen sei. Da im letzten Jahr zwei große Sponsoren ausgefallen seien, sei es ein Hürdenlauf gewesen, alle Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Trotzdem sei die Antragstellerin die einzige Gläubigerin mit einer offenen Forderung. Die kürzlich abgeschlossene Ratenvereinbarung habe nicht eingehalten werden können, weil der Antragsgegner eine sehr hohe Energieabrechnung bezahlen habe müssen. Mitte Juni 2025 finde ein Sommerfest statt. Die daraus zu erzielenden Einnahmen würden als Anzahlung an die Antragstellerin verwendet werden. Ab 1.7.2025 würden die Sponsoren die Gelder für die neue Saison überweisen.
Aus dem Vermögensverzeichnis des Antragsgegners vom 21.5.2025 geht hervor, dass er über kein Vermögen und keine Einkünfte verfügt und – mit Ausnahme der Antragstellerin - keine weiteren Verbindlichkeiten bestehen. Aus dem Vermögensverzeichnis der Obfrau geht hervor, dass auch sie einkommens- und vermögenslos ist (ON 10).
Am 27.5.2025 gab die Obfrau telefonisch bekannt, dass sie von den Forderungen des Finanzamtes und der ÖGK nichts gewusst habe. Sie kündigte an, dass die Forderungen von Dritten bezahlt würden und sie dafür Zeit benötige. Das Erstgericht setzte ihr eine Frist bis 3.6.2025, um Zahlungsnachweise vorzulegen (ON 11).
Eine Nachfrage bei der Antragstellerin ergab, dass eine Regelung besprochen worden sei, wonach der Antragsgegner bis 4.6.2025 EUR 3.000,- bezahle und die Restforderung bis Ende Juni. Die Obfrau habe aber mitgeteilt, dass die Anzahlung erst am 5.6.2025 einlangen werde (ON 12).
Nach einer Mitteilung der Antragstellerin, dass auch diese Frist vom Antragsgegner nicht eingehalten worden sei (ON 13), stellte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners fest und erklärte, das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht zu eröffnen. Den Insolvenzeröffnungsantrag wies es ab. Begründend verwies es darauf, dass die Forderung der Antragstellerin durch den vollstreckbaren Zahlungsbefehl vom 13.2.2024 mit EUR 6.345,70 samt Anhang glaubhaft gemacht worden sei. Die Zahlungsunfähigkeit ergebe sich daraus, dass mehrere vollstreckbare Forderungen nicht bezahlt worden seien, darunter jene des Finanzamtes und der ÖGK. Kostendeckendes Vermögen habe beim Antragsgegner nicht festgestellt werden können. Die organschaftlichen Vertreter des Antragsgegners hätten keinen Kostenvorschuss erlegt und verfügten ebenfalls über kein kostendeckendes Vermögen. Auch der Antragsteller habe erklärt, keinen Kostenvorschuss zu erlegen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem erkennbaren Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung mangels Zahlungsunfähigkeit. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Rekurs ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt .
1. Der Rekurs wurde nunmehr durch Beibringung der Unterschrift des Kassier des Antragsgegners verbessert.
2. Der Antragsgegner macht geltend, dass er nicht zahlungsunfähig sei. Die Bestätigung über die Bezahlung der Rückstände bei der ÖGK sei fristgerecht erbracht worden. Beim Finanzamt bestehe kein Rückstand. Die Anzahlung an die Antragstellerin sei statt am Freitag – bedingt durch den Pfingstmontag – am nächsten Werktag, dem 10.6.2025 bezahlt worden und mit der Antragstellerin eine Ratenvereinbarung geschlossen worden. Sämtliche Gläubigerforderungen seien daher bezahlt bzw geregelt worden.
Es liege ausreichendes kostendeckendes Vermögen vor, weil der Antragsgegner über ein Bankguthaben von ca EUR 8.500,- verfüge. Über das Konto würden laufend Ein- und Auszahlungen getätigt. Zudem bestünden im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zahlreiche Sponsorverträge, sodass ab 1.7.2025 insgesamt Gelder von EUR 130.000,- vertraglich zugesagt worden seien. Der Vereinsbetrieb sei aufrecht, wodurch regelmäßig Einnahmen generiert werden würden.
Als Bescheinigungsmittel waren dem Rekurs Einzahlungsnachweise und zahlreiche Sponsorenverträge angeschlossen.
3.Jede Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrags mangels kostendeckenden Vermögens setzt voraus, dass die Eröffnungsvoraussetzungen des § 70 IO bescheinigt sind.
Gemäß § 70 Abs 1 IO ist das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung hat und der Schuldner zahlungsunfähig ist.
4.Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Schuldner infolge eines nicht bloß vorübergehenden Mangels an bereiten Zahlungsmitteln seine fälligen Schulden in angemessener Frist nicht erfüllen und sich die dafür erforderlichen Mittel auch nicht alsbald verschaffen kann (RS0064528).
5. Die Antragstellerin bescheinigte durch Vorlage des vollstreckbaren Zahlungsbefehls vom 13.2.2024 ihre Insolvenzforderung und mit dem Vollzugsbericht vom 13.9.2024, aus dem sich ein am Fehlen pfändbarer Gegenstände gescheiterter Vollzugsversuch ergab, auch die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners (
6. Darüber hinaus ergaben die Erhebungen des Erstgerichts offene Forderungen des Finanzamtes und der ÖGK. Auch die Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern ist ein Indiz für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit, weil es sich bei diesen Forderungen um Betriebsführungskosten handelt, die von den zuständigen Behörden und Institutionen so rasch in Exekution gezogen werden, dass sich ein Zuwarten mit ihrer Zahlung bei vernünftigem wirtschaftlichen Vorgehen verbietet und im Allgemeinen nur aus einem Zahlungsunvermögen erklärbar ist ( Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 § 66 KO Rz 69; Mohr, IO 11 § 70 E 70, 74).
7. Wird die Zahlungsunfähigkeit fürs Erste bescheinigt, liegt es am Antragsgegner, die Gegenbescheinigung zu erbringen, dass er zahlungsfähig ist. Um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu entkräften, ist der Nachweis erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Beschlusses die Forderungen sämtlicher Gläubiger – nicht nur jene der Antragstellerin – befriedigt werden konnten oder zumindest mit allen Gläubigern Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden, die der Schuldner auch einzuhalten imstande ist (vgl Mohr, IO 11 § 70 E 214, E 239, E 243, E 244 mwN). Diese Gegenbescheinigung der Zahlungsfähigkeit hat der Antragsgegner von sich aus zu erbringen; sie setzt voraus, fällige Verbindlichkeiten zu begleichen oder zu regeln und die Nachweise dazu dem Gericht vorzulegen.
8.Im Rechtsmittelverfahren ist für die Beurteilung der Frage, ob die Insolvenzvoraussetzungen vorliegen, wegen der Neuerungserlaubnis des § 260 Abs 2 IO die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz – hier der 6.6.2025 - und die Bescheinigungslage im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel maßgebend (RS0065013 [T1]).
9. Der Rekurswerber behauptet, sämtliche Forderungen beglichen bzw geregelt zu haben.
Laut dem mit Rekurs vorgelegten Überweisungsbeleg bezahlte der Antragsgegner am 6.6.2025 an die ÖGK EUR 2.491,59 (ON 15, S 5). Ob tatsächlich die gesamte, von der ÖGK am 5.5.2025 bekannt gegebene Forderung von insgesamt EUR 2.852,36 beglichen wurde, bleibt offen. Ebensowenig bescheinigt der Antragsgegner, dass der vom Finanzamt am 5.5.2025 bekannt gegebene Rückstand von EUR 8.690,36 bezahlt worden wäre.
Laut Akteninhalt bestand mit der Antragstellerin eine Ratenvereinbarung, wonach die Anzahlung von EUR 3.000,- am 4.6.2025 bezahlt werden sollte, der Restbetrag bis Ende Juni 2025 (ON 12). Im Rekurs führt der Antragsgegner aus, dass diese Anzahlung „statt am Freitag – auch bedingt durch den Pfingstmontag – am nächsten Werktag“ eingezahlt worden sei und eine Ratenvereinbarung geschlossen worden sei. Damit gesteht der Antragsgegner zu, dass die Anzahlung nicht fristgerecht bezahlt wurde und die Ratenvereinbarung nicht eingehalten wurde. Eine davon abweichende Vereinbarung, wonach die Anzahlung erst am 10.6.2025 fällig gewesen wäre, legte er nicht vor.
Laut telefonischer Mitteilung der Antragstellerin vom 10.7.2025 leistete der Antragsgegner auch nicht die Restzahlung bis Ende Juni 2025 (ON 18).
10. Damit ist dem Antragsgegner die Gegenbescheinigung seiner Zahlungsfähigkeit nicht gelungen.
11.Weitere, nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 254 Abs 5 IO) ist neben dem Bestand einer Insolvenzforderung und der Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners nach § 71 Abs 1 IO das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens. Solches liegt nach § 71 Abs 2 IO vor, wenn das Vermögen des Antragsgegners zumindest ausgereicht, um die im Gerichtshofverfahren üblicherweise mit EUR 4.000,- veranschlagten Anlaufkosten des Verfahrens bis zur Berichtstagsatzung zu decken. Dieses Vermögen muss weder sofort noch ohne Aufwand verwertbar sein; da- bei sind auch Anfechtungsansprüche zu berücksichtigen.
Eine wesentliche Grundlage für die Erhebungen zum kostendeckenden Vermögen bildet das vom Antragsgegner zu unterfertigende Vermögensverzeichnis, zu dessen Vorlage er nach den §§ 71 Abs 4, 100, 100a, 101 IO vom Gericht anzuhalten ist.
12. Zwar ging aus dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Vermögensverzeichnis kein Vermögen des Antragsgegners hervor. Im Rekursverfahren ergaben sich nun aber Hinweise, dass der Antragsgegner doch über kostendeckendes Vermögen verfügt.
Der Antragsgegner leistete nicht nur eine Zahlung an die ÖGK über EUR 2.491,59 sowie die Anzahlung an die Antragstellerin über EUR 3.000,-, die der Anfechtung unterliegen. Laut dem mit dem Rekurs vorgelegten Kontoauszug verfügte der Antragsgegner zum 17.6.2025 über ein Guthaben von EUR 8.639,37.
13. Dem Rekurs war daher Folge zu geben. Im fortgesetzen Verfahren wird das Erstgericht die Frage des kostendeckenden Vermögens neuerlich zu beurteilen haben, wobei im Zweifel von dessen Vorliegen auszugehen und der Konkurs – bei Fortbestehen der Zahlungsunfähigkeit – unverzüglich zu eröffnen sein wird ( Mohr , aaO § 71 E 1; ZIK 2006/22 ua).
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