Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Müller und Mag. a Kulka in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 32.941,86 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 18.3.2025, ** 15, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.400,32 (darin EUR 566,72 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, die ihren Sitz in Malta hat und über keine österreichische Glücksspiellizenz verfügt, hat unter anderem auf der von ihr betriebenen Webseite ** Online Glücksspiele angeboten. Der Kläger hat beim Spiel auf dieser Website zwischen dem 19.8.2019 und dem 6.10.2022 Verluste in Höhe von EUR 32.941,86 erlitten.
Der Klägerbegehrt die Zurückzahlung seiner Verluste und brachte zusammengefasst vor, die Beklagte betreibe ein Online-Casino und habe dafür keine Lizenz nach dem GSpG, weshalb er die Spielverluste zurückfordern könne. Das österreichische Glückspielmonopol verstoße nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht gegen das Unionsrecht und die Dienstleistungsfreiheit, es sei österreichisches Recht anzuwenden.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und brachte zusammengefasst vor, sie unterliege u.a. der Aufsicht der maltesischen Regulierungsbehörde für Lotterie- und Glücksspiel und verfüge über aufrechte Glücksspiellizenzen in Malta, sodass sie rechtmäßig Online-Glücksspiel im europäischen Binnenmarkt, inklusive Österreich, anbiete. Sämtliche über die Website zugänglichen Dienstleistungen werden daher rechtmäßig angeboten. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung des österreichischen Glücksspielgesetzes seien aus mehreren umfangreich dargestellten Gründen unionsrechtswidrig und somit unwirksam. Das von der Beklagten angebotene Glücksspiel sei daher nicht rechtswidrig und die geschlossenen Verträge wirksam. Zudem regte sie die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es stellte den auf den Urteilsseiten 2 bis 3 ersichtlichen Sachverhalt fest, der eingangs teilweise wiedergegeben wurde und auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Rechtlich erwog es, die Beklagte verfüge über keine Konzession für das OnlineGlücksspiel, obwohl eine solche grundsätzlich in Österreich erlangt werden könne. Das Glücksspielmonopol sei dem Bund vorbehalten. Es verstoße nach gefestigter und einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht gegen Unionsrecht und sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auch verfassungskonform. Die Spiele des Klägers seien während eines Zeitraums erfolgt, für den die konkrete Werbepraxis des Anbieters bereits umfassend beurteilt worden sei (mHa 4 Ob 213/21h). Die Tätigkeit der Beklagten verstoße jedoch gegen die Regelungen des Glücksspielgesetzes. Das Klagebegehren bestehe daher zu Recht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil in einem die Klage gänzlich abweisenden Sinne abzuändern. Hilfsweise strebt sie die Aufhebung des Urteils an.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
1.Das Berufungsgericht erachtet die Rechtsmittelausführungen der Beklagten für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend (§ 500a ZPO).
2.Das Oberlandesgericht Wien hat sich bereits mehrfach bei vergleichbaren Sachverhalten mit sämtlichen Argumenten von Berufungen der (auch hier) Beklagten und anderer ausländischer Glücksspielanbieter ausführlich unter Berücksichtigung der aktuellen Judikatur von VfGH, VwGH, OGH und des EuGH auseinandergesetzt (zB 3 R 61/24y, 5 R 59/24v, 10 R 32/24k, 11 R 123/24z, 15 R 20/24g uva). Das vorliegende Verfahren und die Berufung der Beklagten bieten keinen Anlass, hier anders als in jenen Fällen zu entscheiden. Es reiht sich in eine Serie von Prozessen ein, in denen österreichische Spielerinnen und Spieler von im EU-Ausland ansässigen und dort konzessionierten Glücksspielunternehmen, die auch in Österreich tätig sind, jedoch nicht über eine Konzession nach dem GSpG verfügen, ihre Spielverluste zurückfordern. Dies hat dazu geführt, dass sich zu all diesen Fragen über mehrere Jahre bis in die jüngste Zeit eine ständige und gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs herausgebildet hat, die auch im Einklang mit jener des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofs steht.
3.Das Berufungsgericht sieht sich deshalb nicht veranlasst, ein weiteres Mal alle in der Berufung vorgebrachten, von der Judikatur widerlegten Argumente zur EU-Rechtskonformität des Österreichischen Glücksspielmonopols im Einzelnen zu entkräften. Vielmehr genügt gemäß § 500a ZPO der Verweis auf die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe samt der Wiedergabe der Begründung seiner Entscheidung 3 R 10/24y zu einem in den wesentlichen Punkten vergleichbaren Sachverhalt bei einer wortidenten Berufung der Beklagten:
„1. Zur Mängelrüge:
1.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens releviert die Berufungswerberin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten „betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen“ (Beweisantrag Seite 33 in ON 9: „Sachverständigengutachten aus dem Bereich Marktforschung und Marketing“) nicht eingeholt hat. Aufgrund dieses Gutachtens hätte sich ergeben, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei.
1.2. Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaber gar keine Feststellungen getroffen, weshalb die von der Berufung relevierten Umstände keinen (primären) Stoffsammlungsmangel sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnten, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln sind. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (RS0043304).
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. Die Berufungswerberin behauptet in der Rechtsrüge im Wesentlichen das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Ihrer Ansicht nach fehlen Feststellungen zum Wachstum des Glücksspielmarktes, der stetigen Ausweitung der Geschäftstätigkeit und des Angebots der Konzessionsinhaber, den exzessiven Werbemaßnahmen, welche von den Konzessionsinhabern betrieben und stetig ausgeweitet würden, der steigenden Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspiel und der Unwirksamkeit des Spielerschutzes mangels ausreichender Kontrolle. Die österreichischen Höchstgerichte hätten sich mit der unterschiedlichen Behandlung von Glücksspiel und Sportwetten, dem Wachstum des Glücksspielmarktes, den Werbemaßnahmen, welche von der Berufungswerberin aufgezeigt worden seien, der unzureichende Kontrolle der Werbung, der Unwirksamkeit des Spielerschutzes und dem unzureichenden Rahmen für die Vollziehung aufgrund der Kompetenzverteilung und nicht aufzulösender Interessenskonflikte und Mehrfachfunktionen des BMF in ihrer bisherigen Judikatur nicht ausreichend auseinandergesetzt.
2.2. Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische Glücksspielmonopol- bzw. Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere auch der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht, wobei auf die Zusammenfassung der entsprechenden Rechtsprechung zu 9 Ob 20/21p sowie die Entscheidungen 1 Ob 135/21s und 4 Ob 94/21h verwiesen werden kann. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach dem klagsgegenständlichen Spielzeitraum [dort Oktober 2021 bis März 2023]sind bereits etliche weitere Entscheidungen des Obersten Gerichtshof ergangen, welche an der bisherigen Judikatur festhalten (so insbesondere jüngst: 7 Ob 199/23z; 7 Ob 202/23s; 7 Ob 203/23p).
2.3. Der Oberste Gerichtshof hat dabei auch sämtliche Aspekte, die die Beklagte im Verfahren ins Treffen führte, ausdrücklich behandelt. So hat er auch die Argumente, wonach der Spielerschutz durch die bestehenden Regeln nicht gewährleistet wäre (1 Ob 229/20p; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) wie die Unterscheidung von Online-Glückspiel und Online-Sportwetten (1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 17]; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) bereits ausführlich behandelt.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes C-920/19, Fluctus/Fluentum, wurde auch das inkriminierte Werbeverhalten der Konzessionsinhaber mehrfach behandelt und vom Obersten Gerichtshof eine daraus resultierende Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich verneint (zB 1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 12]; 3 Ob 72/21s).
Aus den von der Beklagten aufgezeigten Zuständigkeiten des BMF zur Vergabe von Konzessionen und der Aufsicht über die Konzessionäre und Eigentümervertreter des Bundes betreffend eine Minderheitsbeteiligung an der C* AG (S 37 f in ON 9) ist kein sich auf den österreichischen Glücksspielmarkt in unionsrechtswidriger Weise im Sinn einer mangelnden Kontrolle auswirkender Interessenkonflikt abzuleiten. § 56 GSpG wurde vom VfGH bereits in seinem Erkenntnis E 945/2016 für unbedenklich erachtet. Das Berufungsgericht sieht sich daher nicht zu dem von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang angeregten Vorabentscheidungsersuchen veranlasst.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ändert auch die – lediglich in erster Instanz ins Treffen geführte (vgl S 35 in ON 9) - Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) nichts an dieser Beurteilung. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f; 3 Ob 69/23b).
Dass nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall. Es darf bloß nicht statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden (C-464/15, Admiral).
2.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die getroffenen Feststellungen für eine rechtliche Beurteilung daher ausreichend. Neue Aspekte, die in den zitierten Entscheidungen nicht schon behandelt wurden, hat die Beklagte nicht vorgebracht; es kann daher auf die zitierten Entscheidungen verwiesen werden, welchen sich das Berufungsgericht anschließt.“
4.Der Berufungssenat sieht sich durch die wiederholende, nicht darüber hinausgehende Argumentation der Beklagten nicht veranlasst, davon abzugehen. Im vorliegenden Fall erlitt der Kläger die geltend gemachten Spielverluste im Zeitraum 19.8.2019 und dem 6.10.2022. Es liegen Entscheidungen des OGH vor, die die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols auch aktuell wieder geprüft haben (zB 5 Ob 85/23w; 8 Ob 31/24b für den Zeitraum Juni 2019 bis April 2023). Neue, in den zitierten Entscheidungen nicht bereits behandelte Aspekte oder relevante Änderungen des Sachverhalts hat die Beklagte nicht eingebracht bzw. behauptet, weshalb weder ein sekundärer Feststellungsmangel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorliegt und auf die zitierten Entscheidungen sowie die Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden kann.
5. Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu lösen war und die Entscheidung nicht von der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht.
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