Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Mathes als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Hahn und Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. Juni 2025, GZ **-28, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt (ON 1.1) wurde über die am 28. Mai 2025, 0.48 Uhr, festgenommene (ON 2.1, 3; ON 3.1, 1; ON 4, 2) und am selben Tag, 15.00 Uhr, in die Justizanstalt Wiener Neustadt eingelieferte (ON 5, 1), am ** geborene A* am 30. Mai 2025 die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und -ausführungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit d StPO verhängt (ON 11, 5; ON 12).
Nach Durchführung einer Haftverhandlung (ON 27) hob das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die über A* verhängte Untersuchungshaft unter Erteilung der Weisungen, die zu AZ ** des Bezirksgerichts Wiener Neustadt erlassene einstweilige Verfügung nicht zu übertreten und sich einer psychiatrischen Therapie zu unterziehen bzw. sich weiter psychiatrisch behandeln zu lassen und diese Behandlung alle acht Wochen unaufgefordert schriftlich dem Gericht (gemeint wohl) nachzuweisen sowie Anordnung der Bewährungshilfe durch Anwendung gelinderer Mittel nach § 173 Abs 5 Z 3, Z 7 und Z 9 StPO auf.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige, mangelnde Substituierbarkeit der vorliegenden Haftgründe behauptende Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 31), der keine Berechtigung zukommt.
Nach dem Abschlussbericht des Stadtpolizeikommandos B*, GZ: ** (ON 33), ist A* in objektiver und subjektiver Hinsicht dringend verdächtig, am 27. Mai 2025 in ** C* D*
1./ vorsätzlich durch einen Schlag mit einem Baseballschläger gegen den linken Oberschenkel, wodurch dieser zumindest eine Prellung des linken Oberschenkels erlitt, verletzt zu haben;
2./ durch die Äußerung "Ich bringe dich um!" gefährlich mit dem Tod bedroht zu haben, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;
3./ eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht zu haben, indem sie ihm mit einem (Rasier-)messer mit einer etwa 4,5 Zentimeter langen Klinge, das sie mehrmals in Richtung seines Bauch- und Oberkörperbereichs führte, mehrere Schnittwunden im Bereich seines Bauchs und oberflächliche Schnittwunden im Bereich seiner Mittelhand links und an den Händen zufügte
und hiedurch das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 87 Abs 1 StGB begangen zu haben.
Die dringende Verdachtslage lässt sich aus den Ermittlungsergebnissen der Kriminalpolizei, insbesondere der darin enthaltenen Vernehmung des Zeugen C* D* (ON 33.9, 4 f), den Lichtbildern betreffend der Verletzungen (ON 33.15) und den Ambulanzkarten des Universitätsklinikums E* vom 28. Mai und 7. Juni 2025 (ON 2.8; ON 33.35; vgl. zu den Verletzungen auch die Wahrnehmungen der einschreitenden Beamten am Tatort ON 3.11, 2) ableiten. Darüber hinaus habe A* gegenüber den Beamten der Polizeiinspektion F* moniert, dass für den Fall, dass die Polizei das Problem nicht lösen würde, sie dieses mit ihrem Baseballschläger tun würde (ON 3.20, 2). Ein Baseballschläger und ein Messer wurden wiederum im Fahrzeug der Beschuldigten gefunden (ON 2.1, 4; ON 3.15, 3), deren Besitz und somit Einsatz sie auch zugestand (ON 2.2, 6; ON 11, 4). Da die Genannte zuletzt auch einräumte, C* D* mit einem Baseballschläger gegen den linken Oberschenkel geschlagen, wahrscheinlich „Ich bringe dich um“ gesagt und mit einem Messer in der rechten Hand gegen dessen Oberkörperbereich - wenngleich behauptend zur Abwehr seines Angriffs - „herumgefuchtelt“ zu haben (ON 27, 2), liegt aufgrund dieser Beweisergebnisse der für die Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft erforderliche dringende Tatverdacht vor. Der dringende Tatverdacht zur subjektiven Tatseite folgt neben der teils geständigen Verantwortung aus dem objektiven Tathergang (RIS-Justiz , ).
Ausgehend von dieser qualifizierten Verdachtslage liegen auch die Haftgründe der Tatbegehungs- und -ausführungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit d StPO vor.
Die wiederholte Tatbegehung in einem sehr kurzen Zeitraum, der Einsatz eines Baseballschlägers und eines Messers sowie das offenkundig erhöhte Aggressionspotenzial sprechen für die Gefahr, A* werde ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen sie geführten Strafverfahrens strafbare Handlungen mit schweren (vgl. zu diesen Folgen bei einer versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung bzw. einer gefährlichen Drohung mit dem Tod Nimmervoll, Haftrecht 3Rz 655, 660; RIS-Justiz RS0108487 [T6], RS0116500) oder zumindest nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die ihr angelasteten Handlungen mit schweren Folgen. Ebenso steht aufgrund der emotional belasteten Situation zu befürchten, sie werde die angedrohte Tat ausführen.
Das Erstgericht nahm jedoch der Beschwerdekritik zuwider zu Recht eine verminderte Gefahr der Tatbegehung oder -ausführung durch Änderung jener Verhältnisse, unter denen die der Angeklagten angelasteten Taten begangen worden waren, an.
Durch die erlassene einstweilige Verfügung (vgl. ON 26.2) besteht nämlich einigermaßen Aussicht, dass sich die Beschuldigte nicht neuerlich ihrem Opfer nähert. Weiters hielt sie neben einer Betreuung durch den Verein G* die Fortsetzung ihrer psychiatrischen Behandlung für erforderlich (ON 27, 3) und wies sie im Beschwerdeverfahren eine Terminvereinbarung bei Dr. H* nach (ON 5.4 des Bs-Akts). Weiters könnte dadurch Spannung aus der belasteten „Dreiecksbeziehung“ genommen werden, dass Mag. I* F* ihre einvernehmliche Scheidung anstrebt und C* F* (offenkundig) eine eigene Wohnung anmietete (ON 5.5 des Bs-Akts). Letztendlich verspürte die Beschuldigte das Haftübel über einen vierzehntägigen Zeitraum und kann durch die von der Erstrichterin gewählten gelinderen Mittel den Haftgründen zweckentsprechend begegnet werden, sodass diese nach Lage des Falls zwar notwendig, aber auch hinreichend erscheinen, um die Tatbegehungs- und -ausführungsgefahr hintanzuhalten.
Da das Erstgericht die Anwendung gelinderer Mittel auch mit Blick auf den persönlich von der Beschuldigten erlangten Eindruck für ausreichend erachtete und die Beschwerdeführerin dieser Einschätzung nichts Substanzielles entgegenzuhalten vermochte, war der Beschwerde ein Erfolg zu versagen.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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