Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Nigl, LL.M., im Konkurs über das Vermögen der A* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Wolfgang Winkler, Rechtsanwalt in Wien, Masseverwalter Dr. B*, Rechtsanwalt in **, über den Rekurs des Masseverwalters gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 21.1.2025, **-54, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt 1. aufgehoben und dem Erstgericht insoweit eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung
Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 1.6.2022 wurde über das Vermögen der A* GmbH, FN ** ( Schuldnerin ) zunächst ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet und Dr. B* zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter wurde mit Beschluss vom 15.7.2022 die Bezeichnung des Verfahrens auf Konkursverfahren abgeändert (ON 14, 15).
Mit Schriftsatz vom 12.11.2024 zeigte der Insolvenzverwalter den Wegfall der Masseunzulänglichkeit an, beantragte die Bestimmung seiner Entlohnung und legte die Schlussrechnung und den Verteilungsentwurf vor (ON 44). In der Verteilungs und Schlussrechnungstagsatzung vom 21.1.2025 wurden dagegen keine Bemängelungen und Erinnerungen erhoben (ON 53).
Hierauf genehmigte das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss in dessen Punkt 1. die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters vom 12.11.2024 und trug ihm auf, den Vollzug der Schlussverteilung binnen zwei Monaten nach Rechtskraft nachzuweisen. Punkt 2. und 3. des Beschlusses betreffen die Belohnung der Gläubigerschutzverbände und die Pauschalgebühr.
Gegen Punkt 1. dieses Beschlusses richtet sich der Rekurs des Insolvenzverwalters. Darin bringt er vor, aufgrund der Bezahlung weiterer, ihm vom Finanzamt bekannt gegebener Masseforderungen hätten sich die Mittel der Insolvenzmasse reduziert und würden zur Erfüllung des ursprünglich gelegten und genehmigten Verteilungsentwurfs mit einer Quote von ca. 4,79% nicht mehr ausreichen. Diese Masseforderungen seien ihm nach Legung der Schlussanträge, aber noch vor der Genehmigung des Schlussverteilungsentwurfs bekannt geworden und auch bezahlt worden, sie seien im ursprünglich gelegten Verteilungsentwurf noch nicht berücksichtigt. Gleichzeitig mit der Bezahlung der auf den IEF übergegangenen Masseforderungen von EUR 27.486,- (Position 55 der aktualisierten Schlussrechnung) seien auch die vom Finanzamt und der Gemeinde C* nachträglich bekannt gegebenen Lohnabgaben auf diese Dienstnehmer Masseforderungen am 19.12.2024 überwiesen worden (Positionen 56 und 57 der aktualisierten Schlussrechnung in Höhe von EUR 1.200, und EUR 7.910, ). Unter Berücksichtigung dieser Masseforderungen (und leichter Veränderungen durch die zum 31.12.2024 angefallenen Zinsen und Bankspesen) ergebe sich nun eine an die Insolvenzgläubiger aus dem Massestand ausschüttbare Quote von ca. 3,5%.
Der Insolvenzverwalter legte die aktualisierte Schlussrechnung und den geänderten Verteilungsentwurf vor und beantragte die Abänderung des angefochtenen Beschlusses in seinem Punkt 1. dahin, dass die Schlussrechnung und der Verteilungsentwurf in ihrer aktualisierten Fassung vom 6.2.2025 genehmigt werden.
Dazu war zu erwägen:
Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichtes über die Schlussrechnung ist ein Rekurs zulässig, wobei auch der Insolvenzverwalter rekurslegitimiert ist ( Erler in KLS 2, § 260 IO Rz 23; Riel in Konecny/Schubert , InsG § 122 KO Rz 19f; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 §§ 121, 122 KO Rz 45; OLG Wien 28 R 156/16s = ZIK 2017/45 ua). Ebenso steht dem Insolvenzverwalter im Hinblick auf seine Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen aller Gläubiger der Rekurs gegen die Genehmigung des Verteilungsentwurfs offen; dafür spricht nicht zuletzt, dass das Gesetz ausdrücklich die Zustellung des Beschlusses an den Insolvenzverwalter anordnet ( Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , InsR 4 §§ 129, 130 KO Rz 17; Zeitler in KLS 2, § 130 IO Rz 32: Erler , aaO; OLG Wien 28 R 156/16s ua).
Der Rekurs ist daher zulässig. Er ist auch im Sinne seines impliziten Aufhebungsantrages berechtigt .
Die vom Insolvenzverwalter im Rekurs geltend gemachten nachträglichen Änderungen wirken sich sowohl auf den Saldo der Schlussrechnung als auch auf das zur Verteilung verfügbare Vermögen aus und sind damit inhaltlich beachtlich.
Dem Rekursvorbringen steht auch das Neuerungsverbot nach § 259 Abs 2 IO nicht entgegen. Grundsätzlich gilt, dass Bemängelungen gegen die Schlussrechnung, die in der Rechnungslegungstagsatzung nicht vorgebracht werden, gemäß den §§ 257 Abs 2, 259 Abs 2 IO in einem Rekurs nicht mehr aufgegriffen werden können, weil zur Verhandlung und Entscheidung über die Genehmigung der vom Insolvenzverwalter gelegten Schlussrechnung gemäß § 121 Abs 3 IO zwingend eine Rechnungslegungstagsatzung durchzuführen ist ( Stapf/GrillKLS², § 121 IO Rz 7).
Allerdings ist der Genehmigungsbeschluss in seinen Wirkungen auf die jeweils geprüfte Rechnung beschränkt. Beurteilt werden nur die im konkreten Rechnungslegungsverfahren geprüften Verwalterhandlungen. Solange der Insolvenzverwalter nicht über alle einnahmen- und ausgabenrelevanten Maßnahmen abgerechnet hat, ist seine Rechnungslegungspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht nicht erloschen. Mit einem Genehmigungsbeschluss akzeptiert das Insolvenzgericht somit nur die konkret abgerechneten einnahmen- und ausgabenseitigen Handlungen und ihr rechnerisches Ergebnis (
Auch Änderungen des Verteilungsentwurfs aufgrund einer Vergrößerung oder Verringerung der Verteilungsmasse oder wegen allfälliger Rechenfehler können bis zum Vollzug der Schlussverteilung jederzeit vorgenommen werden ( Konecny, aaO Insolvenz-Forum 2015, 92; Zeitlerin KLS² § 130 IO Rz 14).
Die nachträglich hervorgekommenen Masseforderungen führen somit im Ergebnis dazu, dass die Genehmigung der Schlussrechnung und des Verteilungsentwurfs durch das Erstgericht aufzuheben sind und diesem - unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der übrigen Beteiligten - eine neue Entscheidung aufzutragen ist.
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